Sehnsucht nach dem Himmel

Geliebte Gottes!

Das heutige Festgeheimnis von der Himmelfahrt unseres göttlichen Erlösers hält uns dazu an, in unseren Herzen eine große Sehnsucht nach dem Himmel zu erwecken. Der Himmel ist unser letztes Ziel. Für den Himmel sind wir geschaffen. – Das gehorsame Einhalten der Gebote Gottes, die treue Erfüllung unserer Standespflichten und das geduldige Tragen unserer täglichen Kreuze haben nur diesen einen letzten Zweck: Den Himmel!

Auch wenn wir nicht die ganze Zeit an den Himmel denken, so kann man doch sagen, daß das Streben unserer Seele wenigstens indirekt beständig auf den Himmel gerichtet ist; und zwar in dem Maß, als sich unser Wille darauf richtet, den göttlichen und kirchlichen Geboten zu gehorchen.

Als Katholiken sollen wir jedoch nicht nur direkt oder indirekt an den Himmel denken, sondern auch eine heilige Sehnsucht nach dem Himmel haben. Darum haben wir ja auch während der Bittage jedesmal in der Allerheiligenlitanei gebetet: „Daß Du unsere Herzen zu himmlischen Begierden erhebest. – Wir bitten Dich erhöre uns.“ Um diese himmlischen Begierden, also die Sehnsucht nach dem Himmel in uns zu wecken, wollen wir folgende Punkte erwägen:

  1. Die Vollkommenheit der himmlischen Glückseligkeit.
  2. Die Unvollkommenheit des irdischen Glücks.
  3. Sieben Erfordernisse zur ewigen Glückseligkeit.

Die Vollkommenheit des himmlischen Glückseligkeit

Der hl. Thomas von Aquin stellt sich die Frage: „Hätte Gott eine bessere Welt erschaffen können?“ Und in seiner affirmativen Antwort – „Ja, Gott hätte eine bessere Welt erschaffen können“ – macht der Aquinate doch drei Einschränkungen. Drei Dinge konnte Gott nicht vollkommener machen. Nämlich: 1. unseren Herrn Jesus Christus, 2. die allerseligste Jungfrau Maria und 3. die ewige Glückseligkeit des Himmels.

Die Menschheit Christi konnte unmöglich noch vollkommener sein, denn sie ist vom allerersten Augenblick ihrer Erschaffung im Schoß der allerseligsten Jungfrau mit der zweiten göttlichen Person hypostatisch vereinigt. Die Vereinigung der Menschheit mit der unendlichen Vollkommenheit der Gottheit in der göttlichen Person Jesu Christi schließt jede Steigerung aus.

Sodann konnte auch Maria unmöglich noch vollkommener erschaffen werden, denn sie war vom allerersten Augenblick von Gott zur Gottesmutter bestimmt und aufgrund dieser einzigartigen Beziehung zu Gott in der höchstmöglichen Vollkommenheit erschaffen worden. Die Gottesmutterschaft ist die höchste Würde die ein Geschöpf überhaupt erlangen kann. Darüber gibt es nichts Vollkommeneres.

Und drittens schließlich kann auch die Glückseligkeit des Himmels nicht vollkommener sein, denn dabei handelt es sich ja um nichts anderes, als um die Glückseligkeit Gottes selbst. Gott, das unendlich vollkommene und höchste Gut schenkt sich im Himmel denjenigen vollständig, die Ihn lieben. Der hl. Augustinus sagt: „Gott wußte nicht, was Er noch mehr hätte geben sollen. Er hätte nicht mehr geben können. Denn Er hat nicht mehr zu geben.“

An diesen drei Dingen läßt sich die unvorstellbar große Liebe Gottes zu uns erkennen. Er verausgabt sich derart, daß Er uns so große und unüberbietbar vollkommene Güter mitteilt, so daß Er nichts hat, was Er uns darüber hinaus noch geben könnte. Er schenkt uns Christus als unseren Erlöser, die Gottesmutter als Mittlerin aller Gnaden und die Glückseligkeit, die Er selbst von Ewigkeit her genießt; freilich letzteres unter der Bedingung, daß wir im Stande der heiligmachenden Gnade sterben. – Mehr als das kann selbst Gott nicht geben, weil es schlicht und ergreifend nichts Vollkommeneres als den Besitz Gottes gibt. So groß ist die Liebe Gottes zu uns, daß Er uns eine Seligkeit bereithält, die nicht steigerbar ist, weil sie im Wesentlichen die ewige Glückseligkeit Gottes ist.

Die Unvollkommenheit des irdischen Glücks

Vergleichen wir sodann die Unterschiede zwischen dem irdischen Leben und dem im Himmel. – Das Leben hier auf Erden ist im Grunde nichts anderes als ein langsamer Tod. Der hl. Augustinus sagt, er wisse nicht, wie man dieses Leben besser nennen sollte „einen Tod, der lebt? oder ein Leben, das stirbt?“ Was trifft die Sache besser? Lebendiges Sterben? Oder sterbendes Leben?

Der hl. Apostel Paulus schreibt im Hebräerbrief über die Väter des Alten Bundes: „Sie bekannten, daß sie Pilger und Fremdlinge seien auf Erden.“ (Heb. 11,13). Und Salomon, der königliche Prediger, sagt aus eigener Erfahrung: „Eitelkeit der Eitelkeiten. Alles ist eitel.“ (Pred. 1,2). Alles Irdische, ist eitel. D.h. alles ist im Kern hohl und leer. Denn alles Irdische ist nur von kurzer Dauer, unbeständig, wechselhaft, zerstörbar, vergänglich und unsicher. Hingegen ist alles was sich auf Gott bezieht beständig, ewig, unwandelbar, unvergänglich, wahr und sicher.

Egal, was wir in diesem Leben auch besitzen und erreichen mögen – sei es Wohlstand, Gesundheit, Ansehen, Einfluß, liebenswürdige Menschen und alle übrigen Güter, die von den Menschen hochgeschätzt und begehrt werden. Alledem haftet der Makel der Vergänglichkeit an. Der Verlust all dieser Güter ist vorprogrammiert und absolut sicher. – Unsere Gesundheit kann schnell dahin sein. Ein Augenblick genügt dazu, etwa bei einem Unfall. – Wohlstand und Besitz können wir fast genauso schnell verlieren. Ein Wirtschafts-Crash, anhaltende Inflation oder auch nur ein Wasserschaden und alles ist dahin. Freilich nicht zu vergessen der Verlust aus eigener Schuld; aufgrund schlechter Entscheidungen, mangelnder Sorge oder Pflege der Sachen, die man hat. Alles, was man hat, kann so leicht wieder verlorengehen. – Auch Ansehen und Einfluß. Es genügt heute schon eine vom Mainstream abweichende Meinung zu vertreten, um übernacht beides – Ansehen und Einfluß, ja bisweilen sogar die Existenzgrundlage – zu verlieren.

Sind das also wirklich die Güter, derer man sich glücklich preisen soll? Denen man ein Leben lang nachjagen, oder wenn man sie verliert, ihnen nachtrauern soll? Freilich sind diese Güter notwendig und nützlich, in dem Maß, als sie uns zu Gott führen. Aber sie können unmöglich des Menschen letztes Glück sein, eben weil sie vergänglich sind. „Ein vergängliches Glück nenne ich kein Glück“, sagt der hl. Augustinus. Allein im Himmel bleibt alles unveränderlich und unverlierbar.

Auf Erden gibt es Lügen. Im Himmel ist alles Wahrheit. Auf Erden gibt es Illusionen und Täuschung. Im Himmel ist alles reale Wirklichkeit. Das irdische Leben ist geprägt von Mühe, Anstrengung, Enttäuschung und Angst. Im Himmel ist Freude, Ruhe, Sicherheit und Friede.

Der hl. Augustinus sagt, daß die gesamte Heilige Schrift dazu mahnt, uns von den irdischen Dingen loszulösen und nach den himmlischen zu streben, wo allein die wahre und ewige Glückseligkeit zu finden ist. Das ist im Wesentlichen der Inhalt des ganzen Evangeliums Jesu Christi! – Wir müssen uns zutiefst verinnerlichen, daß wir nach dem Himmel streben müssen, daß unsere Zeit auf Erden letztlich nur dazu da ist, um uns den Himmel zu verdienen. Dazu ist es erforderlich, daß wir uns von irdischen Anhänglichkeiten lösen; daß wir unser Kreuz annehmen; daß wir unser Kreuz tapfer tragen und es nicht wehleidig schleppen, oder uns sogar in sündhafter Weise dagegen auflehnen.

Sieben Erfordernisse der ewigen Glückseligkeit

Der hl. Kirchenvater Beda Venerabilis gibt sodann sieben Faktoren an, die zur vollkommenen Seligkeit des Menschen notwendig sind.

Erstens: Ein Leben, das nicht vom Tod begrenzt wird. – Die schwerwiegendste Strafe für die Sünde der Stammeltern besteht im Tode. Der Tod war nicht die einzige Strafe für die Sünde, aber die schlimmste. Deshalb hat ihn Gott ausdrücklich angedroht: „An dem Tag, da du von dem Baum ißt, wirst du sterben.“ – Fortan gab es nämlich Seelen, unsterblich, für die Ewigkeit geschaffen, denen die Verwesung und der Zerfall zu Asche von Natur aus fremd ist; Seelen die in alle Ewigkeit leben wollen, deren Leiber jedoch sterben müssen, als wären sie bloße Tiere. Darin besteht die größte Strafe: Die zeitliche Begrenzung der Einheit der Seele mit ihrem Leib. – Im Himmel ist dieses Strafurteil aufgehoben. Dort findet sich das ersehnte ewige Leben. D.h. unauflösliche Einheit von Seele und Leib. Der Durst nach ewiger Lebensdauer wird dort gestillt werden.

Die zweite Notwendigkeit zum vollkommenen Glück besteht in einer unverbrüchlichen Jugend ohne Alterung. – Ältere Menschen denken oft zurück an ihre Jugend und erzählen davon. Sie sehen, von den Gebrechen des Alters gezeichnet, auf junge Menschen und wünschen sich, mit der Lebenserfahrung, die sie erworben haben, noch einmal zwanzig zu sein. – Was würde ich heute nicht alles ganz anders machen? All die Dinge die ich damals hätte tun sollen und können, die ich aber jetzt nicht mehr tun kann. All die Lebensfreude, die Ideale, den Tatendrang und die Kraft dazu; all das, was den Elan der Jugendjahre ausmacht. – Aber unaufhaltsam tickt die Uhr und die Jahre fliegen dahin. Und mit den Jahren die Jugend. Und mit der Jugend die Kräfte. Wir werden älter und nähern uns jede Sekunde dem Grab. Auch die Alterung und das dahinschwinden der Kräfte ist eine Konsequenz der Erbsünde und des göttlichen Todesurteils. – Beides existiert im Himmel nicht mehr. Im Himmel herrscht ewige Jugend. Der Durst nach unbeschwerter Vitalität wird dort gestillt werden.

Als dritte Notwendigkeit zur vollkommenen Glückseligkeit benennt der hl. Beda „ein Licht, das niemals zu scheinen aufhört.“ – Ja, im Himmel ist beständig Tag, „der Tag, den der Herr gemacht hat.“ (Ps. 117) – der Tag der Ewigkeit. Aber dort scheint auch ein besonderes übernatürliches Licht. Es ist das ewige „Licht der Glorie“, das jede Unkenntnis vertreibt und jedes Rätsel löst, jede Unklarheit wegnimmt. Alles ist kristallklar, denn wir nehmen im Himmel an Gottes Allwissen teil, indem wir Gott im Glorienlicht schauen, „von Angesicht zu Angesicht“. Der Wissensdurst des Menschen wird im Himmel vollends gestillt werden.

Viertens: Es ist eine Freude zur Seligkeit erforderlich, die von keiner Traurigkeit gemindert werden kann. – Die Freuden dieses Lebens sind stets in Gefahr. Sie sind stets umzingelt von der Traurigkeit, ja, stets begleitet von Traurigkeit. Selbst im glücklichsten Augenblick eines Menschen, gibt es mit Sicherheit irgend etwas, das sich nicht nach seinen Wünschen verhält. Das hebt die Freude nicht auf, mindert sie aber mehr oder weniger. So wird etwa die Freude bei Familienfesten – bei einer Hochzeit, bei einem Geburtstag, oder bei der Familienfeier an Weihnachten – beeinträchtigt. Die Probleme in unserer Familie werden nämlich nicht hinweg genommen. Zwischenmenschliche Spannungen, gesundheitliche Probleme, wirtschaftliche Sorgen. Es gibt immer irgend etwas, was den vollkommenen Seelenfrieden stört. Deshalb auch das Sprichwort: „Immer hält irgend etwas den Himmel oben.“ – Ja, nur im Himmel ist herrscht ungetrübte Freude; frei von jeder Sorge und Traurigkeit.

Als fünftes Erfordernis zur Glückseligkeit des Menschen nennt der hl. Beda „einen Frieden, der weder der Angst noch einer Sorge unterworfen ist.“ – Im Himmel wird es keine Furcht und kein Bangen mehr darüber geben, ob wohl dieses oder jenes Unglück eintreten wird, ob uns wohl dieses oder jenes erhoffte Gut zuteil werden wird; oder ob es nicht eintritt bzw. uns vorenthalten bleibt. – Im Himmel werden wir gänzlich sorgenfrei sein.

Sechstens: „Ein Wille, dem sich kein Hindernis entgegen stellt.“ – Warum werden wir zornig? Weil unser Wille nicht geschieht. – Warum werden wir betrübt und traurig? Weil unser Wille nicht geschehen ist, weil sich unsere Erwartung nicht erfüllt hat. – Warum machen wir uns Sorgen? Weil wir fürchten, daß unser Wille nicht geschieht. Zorn, Traurigkeit und Sorge beunruhigen die Seele, weil ihrem Willen ein Hindernis entgegensteht oder doch entgegenstehen könnte.

Im Himmel wird unser Wille absolut gleichförmig sein mit dem Willen Gottes, der stets das Beste will. Wir werden alle Dinge genau so beurteilen, wie Gott sie beurteilt. Und weil alle Seligen des Himmels darin übereinstimmen, wird es keine Uneinigkeit, keine Konkurrenz und damit auch keine Hindernisse mehr geben, die unserem Willen entgegenstehen. Folglich hören im Himmel alle Beunruhigungen durch Zorn, Traurigkeit und Sorge auf.

Wir werden alles von dem Standpunkt Gottes aus beurteilen. Das geht sogar so weit, sollten wir jemanden den wir lieben, in der Hölle sehen – etwa einen Freund, einen Verwandten, einen Wohltäter – dann sehen wir gleichzeitig wie sehr sich Gott in Seiner Barmherzigkeit um diese Seele bemüht hat, mit wieviel Gnaden Gott diese Seele zur Bekehrung gelockt hat; wie sehr Er sich bemüht hat diese Seele von ihrem ewigen Verderben zurück zu reißen; wie Er alle Möglichkeiten ausgeschöpft hat, um ihm die Qualen der Hölle zu ersparen. Und wir werden selbst in so einem Fall ohne Zögern dem Urteil Gottes zustimmen und sagen: Er hat die Hölle verdient. Er hat es selbst so gewollt. Und deshalb werden wir darüber auch nicht traurig sein. Denn unsere erste Liebe gilt Gott und Gottes Wille. – Lieben heißt, dasselbe wollen und dasselbe nicht wollen wie der Geliebte. – Darin besteht die „große Transformation“ unseres Willens. Unsere erste Liebe wird Gott gehören und die Liebe zu unseren Eltern, zu unserem Gatten, zu unseren Kindern und Enkeln, zu unseren Freunden und Verwandten wird dieser Liebe zu Gott untergeordnet sein. Die Gleichförmigkeit unseres Willens in der Liebe zu Gott wird unsere Seele mit ewigem Glück erfüllen. Ein ewiger Genuß, dessen wir nie überdrüssig werden. Im Gegenteil! Wir werden stets mehr danach verlangen Gott zu schauen, Gott zu erkennen, Gott zu lieben. Und das wird nie aufhören. In alle Ewigkeit. Es wird ein unvergänglicher Augenblick der vollkommensten Freude und Zufriedenheit sein.

Schließlich das siebte und letzte Erfordernis für die ewige Glücksseligkeit des Menschen: „ein Königreich ohne Ende.“ – Damit ist besonders die Unzerstörbarkeit der Glückseligkeit in der Gemeinschaft der Heiligen hervorgehoben. Zur Glückseligkeit bedarf es ein vollkommenes Gemeinwesen, ein Königreich ohne Ende, das ist das Reich Gottes. Es ruht auf ewigen Gesetzen. Es herrscht darin eine unverbrüchliche Ordnung, die nicht durch eine Revolution umgestürzt werden kann. Es kann nicht unterwandert und korrumpiert werden. Es kann durch keinen Krieg überwunden und zerschlagen werden. Es kann nicht geplündert werden. Die Bürger des Himmels leben darin in vollkommener Sicherheit. In Frieden und Harmonie.

Aus diesen sieben Faktoren besteht das Wesen des himmlischen Lebens. Es ist wichtig für uns darüber nachzudenken, denn wir sollen eine Sehnsucht nach dem Himmel in uns tragen. Eine Sehnsucht, die jeden Tag wachsen soll, wie es bei den Heiligen der Fall war. Hören wir deshalb die Aussprüche der Heiligen über den Himmel.

Die Wissenschaft der Heiligen

Der hl. Augustinus nennt dieses irdische Leben ein Gefängnis. Und er fügt hinzu: Wenn wir nun dieses Gefängnis schon für so schön erachten, daß wir nicht ohne weiteres davon lassen wollen, wie herrlich muß dann erst die ewige Heimat sein! – Mit anderen Worten: Wenn wir die Schönheit der Schöpfung betrachten und schon von den Geschöpfen derart angezogen werden – sei es von den Dingen die wir uns kaufen, oder von Personen, die wir lieben – wie sehr wird uns dann erst die himmlische Welt in Beschlag nehmen? Wenn wir uns an den geschaffenen Dingen erfreuen, wie groß wird erst die Freude sein, wenn wir im Himmel Denjenigen sehen, der all diese Dinge erschaffen hat? Denjenigen, der die Vollkommenheiten aller geschaffenen Dinge in unendlichem Maß in sich vereint! – Wenn also schon dieses Gefängnis so schön ist, Was wird erst im Himmel sein!

Viele Menschen fürchten den Tod. Warum? Weil er für uns unbekannt ist. – Viele Menschen klammern sich an das Gefängnis dieses Lebens, weil es das einzige ist, was sie kennen. – Stellen wir uns einmal kurz vor, ein ungeborenes Kind unter dem Mutterherzen hätte hellwaches Bewußtsein und würde sagen: „Was ist das schön im Mutterschoß! Ich bin lebendig!“ Dann würden wir lächeln und denken: „Natürlich bist du lebendig. Aber eigentlich, bist du erst unterwegs zum Leben. Warte, bis du geboren bist und das Licht der Welt erblickst. Dann beginnt für dich erst das eigentliche Leben.“ Dieses Kind aber würde gewiß keinen Augenblick so fürchten wie den Moment seiner Geburt; weil es weiß, was es mit der Geborgenheit des engen Mutterschoßes aufgibt, aber noch keine Vorstellung hat, was es gewinnt. So fürchtet der Mensch seine Geburt für die Ewigkeit; weil er weiß, was er aufgeben muß, aber noch keine Vorstellung davon hat, was er gewinnt. – Wenn wir Gott lieben, brauchen wir den Tod nicht zu fürchten. Wie die ersten Christen, so dürfen wir unseren Todestag als „dies natalis“ – also als unseren Geburtstag für die Ewigkeit erwarten. Für die Ewigkeit, in der Gott eine Schöpfung bereithält, deren Vollkommenheit in keinem Vergleich steht, mit dem Heraustreten eines Neugeborenen aus dem engen Gefängnis des Mutterschoßes, hinaus in die Weite, in das Licht, in die Schönheit dieser vergänglichen Welt.

Der hl. Gregor von Nazianz, dessen Festtag heute begangen wird, schrieb über den hl. Basilius den Großen: „Niemals fürchtete er die Verbannung, denn er war davon überzeugt, daß allein das Paradies die Heimat des Menschen ist. Er faßte die ganze Welt als einen Ort der Verbannung auf.“

Der hl. Johannes Chrysostomus sagt sodann von der Glorie des Himmels: „Der Geringste im Himmel besitzt eine Herrlichkeit und einen Glanz, größer als die, welche unser Herr bei Seiner Verklärung offenbarte. Denn Er zügelte Seine Herrlichkeit, damit Er von den drei Aposteln gesehen werden konnte.“ Den Glanz Seiner göttlichen Herrlichkeit hätten die Apostel nicht ertragen können. Nun sagt der hl. Chrysostomus, daß der Geringste im Himmel – denn es gibt im Himmel Gradunterschiede, genauso wie in der Hölle – daß der Geringste im Himmel eine größere Herrlichkeit besitzt, als die, welche Christus auf dem Tabor offenbarte, und welche die Apostel derart in Bann schlug, daß sie für immer dort bleiben wollten.

Der hl. Paulus sagt dasselbe: „Kein Auge hat es geschaut, kein Ohr hat es gehört, in keines Menschen Herz ist es gedrungen, was Gott denen bereitet hat, die Ihn lieben.“ (1. Kor. 2,9). Und an anderer Stelle: „Wir alle spiegeln mit enthülltem Angesicht die Herrlichkeit des Herrn wider und werden so in Sein eigenes Bild verwandelt, von Herrlichkeit zu Herrlichkeit, durch den Geist des Herrn.“ (2. Kor. 3,18).

Sehnsucht nach dem Himmel

Wie sollen wir schließlich die Himmelfahrt Christi auf unser Leben anwenden? – Erstens: Die Himmelfahrt unseres Erlösers soll uns daran erinnern, daß unser wahres Leben nicht hier auf Erden, sondern im Himmel ist.

Zweitens: Wie das Leben im Himmel sein wird, bleibt uns in vielerlei Hinsicht verschlossen. Nichtsdestotrotz wissen wir aus der Offenbarung und durch unseren vom Glauben erleuchteten Verstand, daß der Himmel ein Ort immerwährender Glückseligkeit ist. – Gott, der uns den Himmel schenken will, wußte nicht, was Er hätte Größeres geben können. Und tatsächlich Gott konnte nichts Größeres geben, weil Gott nichts Größeres zu geben hat, als sich selbst.

Drittens: Diese Hoffnung soll uns dazu antreiben uns aus einem übernatürlichen Motiv heraus, von den geschaffenen Dingen innerlich loszulösen – d.h. sie zwar in geordneter Weise zu lieben, aber dabei nicht unser Herz an sie zu verlieren. – Die Kreuze sind der Weg der Loslösung. Der hl. Pfarrer von Ars sagt: „Würde jemand zu uns sagen: ‚Ich möchte reich werden, was muß ich tun?‘, ihr würdet ihm antworten: ‚Du mußt arbeiten.‘ Richtig! Und um in den Himmel zu kommen? Dafür müssen wir das Kreuz auf uns nehmen.“ – „Die Kinder dieser Welt sind voll Sorge, wenn sie das Kreuz heimsucht. Die guten Christen machen sich Sorgen, wenn es ferne von ihnen ist. Der Christ lebt inmitten der Kreuze wie der Fisch im Wasser.“

Christus hat uns verheißen: „Im Hause Meines Vaters sind viele Wohnungen. … Ich gehe hin euch einen Platz zu bereiten. Und wenn Ich hingegangen bin, und euch eine Stätte bereitet habe, so komme Ich wieder, und werde euch zu Mir nehmen, damit ihr dort seid, wo Ich bin.“ (Joh. 14,1-3). Christus ist uns den Kreuzweg in den Himmel vorausgegangen, denn es führt kein anderer Weg dorthin. Folglich wird uns Christus eben auf diesem Wege zu sich holen, damit wir in Ewigkeit dort sind, wo Er ist.

Viertens: Als Jünger Christi sollen wir den Tod nicht fürchten, sondern gläubig auf die Liebe Gottes vertrauen, der für uns nach den Geburtswehen des Todes das eigentliche Leben bereithält. Ein Leben das so überwältigend schön ist, so herrlich, daß wir mit dem hl. Paulus ausrufen dürfen: „Christus ist mein Leben, und Sterben ist mir Gewinn.“ (Phil. 1,21). „Ich sehne mich danach, aufgelöst zu werden und bei Christus zu sein.“ (Phil. 1,23). Amen.

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