Schlaglichter

Geliebte Gottes!

Das heutige Fest hat viele Bezeichnungen. Es wird genannt: „Mariä Reinigung“, „Mariä Lichtmeß“, „Darstellung des Herrn“ oder schlicht und einfach „Begegnung“. Schon dadurch wird deutlich, daß das Festgeheimnis sehr reichhaltig ist und sich nicht leicht auf einen gemeinsamen Nenner bringen läßt. Deshalb wollen wir es versuchen, schlaglichtartig zu beleuchten.

Beim Lesen des heiligen Evangeliums fällt besonders auf, daß der hl. Lukas in den wenigen Versen gleich viermal darauf hinweist, daß bei der Darstellung Jesu im Tempel alles nach Vorgabe des Gesetzes erfolgte.

„Mariä Reinigung“

Der Bericht hebt an mit dem ersten Verweis auf das Gesetz: „Als für Maria nach dem Gesetz des Moses die Tage der Reinigung vorüber waren.“ Da wird also unsere Aufmerksamkeit zunächst auf die Reinigungszeremonie Mariens am vierzigsten Tag nach der Geburt des Jesuskindes gelenkt. Diesen Termin ahmt die Kirche alljährlich mit der heutigen Festfeier am 2. Februar – am 40. Tage nach Weihnachten – nach. Durch die Reinigungszeremonie wurde die jüdische Mutter von der durch die Geburt bedingten gesetzlichen Unreinheit befreit und wieder in die Kultgemeinschaft aufgenommen.

Nach dem 3. Buch Moses war eine Mutter nach der Geburt eines Knaben sieben Tage levitisch unrein und dreiunddreißig Tage kultunfähig – also im Ganzen vierzig Tage. Bei Mädchen war es die doppelte Zahl: vierzehn Tage levitisch unrein und sechsundsechzig Tage kultisch unrein. Es ist also zwischen der levitischen Unreinheit und der Kultunfähigkeit zu unterscheiden. Die Mutter kam nach Ablauf der Frist in den Tempel und mußte dort vom Priester für „rein“ erklärt werden. So gebot es das Gesetz. Dafür hatte sie ein Opfer darzubringen. Und zwar für die Bemittelten ein einjähriges Lamm und eine Taube und für die Minderbemittelten, für die Armen, zwei Tauben oder zwei Turteltauben. Letzteres war das Opfer der Heiligen Familie, denn sie war arm an irdischen Gütern, umso reicher aber an himmlischen. „Auch wollten sie das Opfer entrichten, wie es im Gesetz des Herrn vorgeschrieben war, ein Paar Turteltauben oder zwei junge Tauben.“ Sie haben also gemäß der gesetzlichen Vorschrift nur zwei Tauben geopfert. Das ist der Vorgang „Mariä Reinigung“, den wir heute begehen.

Welche Lehren können wir daraus für uns ziehen? – Bedenken wir zunächst die makellose Reinheit der Gottesmutter. Sie, die Reinste, die Unbefleckte bedurfte eigentlich keiner Reinigung. Die Geburt des Jesuskindes ließ ihre Jungfräulichkeit unangetastet. Eine vor dem Gesetz verunreinigende Vergießung von Blut bei ihrer Niederkunft fand nicht statt. Folglich bedurfte Maria keiner kultischen Reinigung. Dennoch bereitete sich Maria in der vom Gesetz vorgeschriebenen Weise durch die Frist der Reinigung auf das Opfer vor. Durch die demütige Unterwerfung unter die Reinigungsvorschrift bekennt Maria: Man kann nie rein genug sein, wenn man vor das Angesicht des Allerhöchsten hintritt. – Deshalb betrat Maria den Tempel nicht eher, bis der Priester die von ihr dargebrachte Gabe dem Herrn geopfert hatte. Dann erst setzte sie ihren Fuß auf die Schwelle des Heiligtums, um ihr göttliches Kind dem Herrn darzustellen.

Wenn also Maria, die makellose Jungfrau, sich so auf den Eintritt in das Gotteshaus vorbereitet, um wieviel mehr bedürfen dann wir der Vorbereitung, um das Gotteshaus zu betreten, um uns dem Herrn im Allerheiligsten Sakrament zu nahen, um an Seinem hl. Opfer teilzunehmen und Ihn in der hl. Kommunion zu empfangen? Im Büchlein von der „Nachfolge Christi“ heißt es: „Hättest du auch die Reinheit der Engel und die Heiligkeit des hl. Johannes des Täufers, so wärest du nicht würdig, dieses Sakrament zu empfangen oder zu verwalten.“ (IV,5). – Wir bedürfen der Vorbereitung! Nämlich der inneren Sammlung; am besten schon auf dem Weg zur hl. Messe. Es ist sehr löblich, auf der Fahrt zur hl. Messe einen Teil des Rosenkranzes zu beten oder sich in Stille zu sammeln. Auf diese Weise reinigen wir die Welt unserer Gedanken und wir werden uns leichter tun, in der Kapelle gut zu beten. Zu meiden ist hingegen ausgelassenes Lachen und Reden – erst recht liebloses, sündhaftes Gerede – bis unmittelbar vor der Kapellentür. Wenn unser Geist mit dem Treiben der Welt befleckt ist, wird sich unsere Seele nur schwer im Gebet zu Gott aufschwingen und die innere Sammlung bewahren können. Und von Sünden befleckte Opfer wird der Herr nicht annehmen. – Sodann reinigen und heiligen wir unseren Leib beim Eintritt in die Kapelle, indem wir ihn andächtig im Zeichen des hl. Kreuzes mit Weihwasser besprengen. Wir reinigen unsere Seele von toten Werken bei einer guten hl. Beichte. Und selbst von den geringsten Unvollkommenheiten, die uns immer wieder aus Schwäche unterlaufen, wollen wir uns frei machen, indem wir, wenn der Ministrant das Confiteor stellvertretend für alle Gläubigen betet, zerknirscht an die eigene Brust schlagen und Reue erwecken.

Wenn Gott schon am brennenden Dornbusch den Boden heilig nannte und Moses dazu drängte, seine Schuhe auszuziehen, um wie viel mehr müssen wir dann Ehrfurcht und Stille in der Kapelle üben; um wie viel mehr müssen wir alles vermeiden, was die Aufmerksamkeit anderer auf uns lenken und so die Andacht der anderen stören könnte. – Gott ist heilig! Und niemand ist rein vor Ihm. Nicht einmal die unbefleckte Gottesmutter wollte vor das Angesicht des Allerhöchsten treten, ohne sich vorher vom Priester reinigen zu lassen.

„Darstellung des Herrn“

Weil das Kind Mariens ihr erstgeborener Sohn war, ging mit der Reinigung der Mutter Hand in Hand die sog. „Darstellung“ des Erstgeborenen. Deshalb heißt es beim hl. Lukas mit erneutem Verweis auf das Gesetz: Maria und Joseph „brachten Jesus nach Jerusalem, um Ihn dem Herrn darzustellen; denn so steht es geschrieben im Gesetz des Herrn: Jeder erstgeborene Knabe soll dem Herrn geheiligt werden.“

Diese Vorschrift ging zurück auf die Begebenheiten in der Nacht des Auszugs Israels aus Ägypten, in welcher der Würgengel alle Erstgeborenen der Ägypter getötet hatte, während er an den Häusern der Hebräer, deren Türpfosten mit dem Blut eines Lammes bestrichen waren, vorübergegangen war. Gott schonte die Erstgeburt Israels, weshalb Er jedoch jeden erstgeborenen Sohn als Sein Eigentum für Sich beanspruchte. Die erstgeborenen Söhne Israels sollten deshalb von jeder Familie an Jahwe abgetreten werden, um die priesterlichen Dienste im Bundeszelt zu verrichten.

Später bestellte Gott stattdessen den Stamm Levi und aus diesem insbesondere das Haus Aarons für diese gottesdienstlichen Verrichtungen und stiftete damit das aaronitische Priestertum. Obwohl die erstgeborenen Söhne Israels damit für den Gottesdienst nicht mehr erforderlich waren, mußten sie dennoch von ihren Eltern Gott „dargestellt“, also „dargeboten“, „aufgeopfert“ werden. Denn die Erstgeburt einer jeden Familie war Eigentum Gottes und mußte daher erst von den Eltern vom Heiligtum Gottes losgekauft werden. Dazu mußten sie fünf Silber-Schekel entrichten. Dann wurde der Erstgeborene vom Dienst Gottes frei. Das ist der zweite Vorgang, den wir heute feiern: die vom Gesetz vorgeschriebene Darstellung und Loskaufung des Jesusknaben von dem Dienst am Heiligtum, den der Stamm Levi übernommen hatte.

Auch wir können nichts Besseres tun, als Jesus immer wieder dem himmlischen Vater „darzustellen“, d.h. Ihn für unser Heil aufzuopfern, damit Er uns um den Lösepreis Seines kostbaren Blutes von den Ketten unserer Sünden loskaufe, damit wir aus der Sklaverei der Sünde in die Freiheit der Kinder Gottes entlassen werden. – Jesus aufopfern sollen wir auf zweierlei Weise, sagt der hl. Albert der Große. Einmal im Gebet; indem wir unter Berufung auf die Verdienste des hl. Lebens, Leidens und Sterbens Jesu Christi Verzeihung unserer Sünden und die Erhörung unserer Bitten vom dreifaltigen Gott erflehen. Wir sollen dabei in der Gesinnung der Kirche beten, die jedes ihrer Gebete mit der Formel schließt: „durch Jesus Christus, unseren Herrn“. Also nicht auf unsere Verdienste, nicht auf unsere Tugenden, nicht auf unsere Leistungen, sondern allein auf die Heiligkeit und die Verdienste unseres göttlichen Erlösers sollen und wollen wir uns dabei stützen. – Das beste Mittel, um Erhörung bei Gott zu finden, ist freilich das hl. Meßopfer, wie der hl. Paulus im Hebräerbrief schreibt: „Wir haben einen Opferaltar …; durch Ihn [Jesus] also laßt uns Gott allezeit darbringen das Opfer des Lobes.“ (Heb. 13,10-15). Was könnten wir dem himmlischen Vater Besseres zum Lob Seiner Herrlichkeit, zum Dank für Seine Wohltaten, zur Erhörung unserer Bitte und zur Versöhnung für unsere Sünden darstellen als das makellose Lob-, Dank-, Bitt- und Sühnopfer Seines göttlichen Sohnes?

„Begegnung des Herrn“

Die Szene, welche die Darstellung des Jesuskindes im Tempel begleitete, lenkt unsere Aufmerksamkeit auf die mystische Bedeutung des heutigen Festes. Die neutestamentliche „Lichtmesse“, also die Aufopferung des „Lichtes der Welt“ durch die Gottesmutter, geschah, wie wir gesehen haben, auf Veranlassung durch das jüdische Zeremonialgesetz und verlief genau nach den im Alten Bund geltenden Vorschriften.

Alter und neuer Bund begegnen sich dabei, personifiziert durch das Jesuskind einerseits und den greisen Simeon andererseits. Das göttliche Kind repräsentiert den Neuen Bund, den es später in Seinem Blute stiften wird. Der gesetzesfürchtige Greis, der vom Heiligen Geist die Offenbarung empfangen hatte, nicht eher zu sterben, als daß er den ersehnten Messias schauen werde, repräsentiert den Alten Bund, also die alttestamentliche Kirche. Simeon ist alt und sein Ende naht. Er hatte das Greisenalter erreicht, denn Israel harrte seit Jahrtausenden auf den Erlöser und hat bald seinen vorbereitenden Lebens- und Daseinszweck erfüllt. Simeon wurde offenbart, er werde den Messias mit eigenen Augen sehen, bevor er sterben werde, weil das alte Bundesvolk nicht untergehen konnte, ehe es den Erlöser hervorgebracht haben würde. Sinnbildlich ist auch, daß Simeon vom Heiligen Geist in den Tempel gelenkt wurde, weil der Heilige Geist die Geschicke Israels im Alten Bund durch Seinen göttlichen Beistand auf den Erlöser hin gelenkt hat, so wie Er im Neuen Bund die Schritte Christi leitete und später die Geschicke der katholischen Kirche lenkt. Simeon repräsentiert also die alttestamentliche Kirche, die bei der Darstellung Jesu der neutestamentlichen Kirche in Gestalt der Heiligen Familie und insbesondere in der Gestalt des Jesuskindes begegnet. Deshalb heißt das heutige Fest bei den Griechen „Begegnung des Herrn“. Simeon begegnet dem göttlichen Erlöser, der Greis dem Kind, die Verheißung der Erfüllung, der vorbildliche Schatten dem glänzenden Licht, der alte dem neuen Bund.

Und der Alte Bund erkennt in Simeon das göttliche Kind. Woran? An der Erfüllung des Gesetzes! So berichtete der hl. Lukas: „Und als die Eltern das Jesuskind hereinbrachten, um nach des Gesetzes Brauch mit Ihm zu verfahren, nahm er [Simeon; der Alte Bund] Es auf seine Arme und lobte Gott.“ In dem Augenblick, da am Jesuskind die Gesetzesvorschrift vollzogen wird, da gehen dem greisen Simeon die Augen auf. Das Jesuskind wird gewissermaßen selber zu einer Leuchte für den Greis. In der „Lichtmesse“ des göttlichen Kindes erkennt der greise Simeon und durch ihn der gesamte Alte Bund das Anbrechen des neuen Tages der Erlösung und damit die selige Erfüllung seines Lebenszweckes. Es ist vollbracht! Der Messias ist da! Jetzt kann der Alte Bund getrost sterben. Gott lobend kann das ganze alte Testament durch den Mund des Greises rufen: „Nun läßt Du, Herr, Deinen Knecht nach Deinem Worte in Frieden scheiden. Denn meine Augen haben Dein Heil gesehen, das Du bereitet hast vor dem Angesicht aller Völker.“

Simeon erkennt und bekennt im Namen des Alten Bundes, daß das Heil nicht nur auf die Juden beschränkt sein wird, sondern daß der Messias „vor dem Angesicht aller Völker“ und damit auch zum Heil aller heidnischen Stämme und Nationen erschienen ist. Ja, der Blick des Greises weitet sich im Lichtkreis des Kindes und wird prophetisch, wenn er fortfährt: „Ein Licht zur Erleuchtung der Heiden und zum Ruhme Deines Volkes Israel.“ Ja, zuerst werden die heidnischen Völker das Licht des Evangeliums annehmen, weil sich Ihm das auserwählte Volk verweigern wird und hartnäckig im Unglauben verstockt. „Ein Licht zur Erleuchtung der Heiden.“ Aber dann, am Ende der Zeiten, werden auch die Juden schließlich doch noch in das „Benedictus, qui venit“ der Heiden, in das „hochgelobt sei, der da kommt im Namen des Herrn“ einfallen, mit ihren Hosanna-Rufen. Ja, vor dem Ende der Welt werden auch die Juden in Christus den Ruhm ihres Volkes erkennen und anerkennen. Deshalb wird Jesus vom greisen Simeon das „Licht zur Erleuchtung der Heiden und zum Ruhme Deines Volkes Israel“ genannt.

Wie der greise Simeon es getan hat, so müssen auch wir dem Heiland begegnen und Ihn gleichsam auf die Arme nehmen, Ihn beständig mit uns tragen. So sagt der hl. Paulus: „Ihr seid um teuren Preis erkauft. Verherrlicht und tragt Gott in eurem Leibe!“ (1. Kor. 6,20). – Wie sollen wir Jesus tragen? Zuerst in unserer Seele. Das geschieht, wenn wir versuchen, Jesus Christus mit unserem Verstand immer besser zu kennen, uns mit dem Gedächtnis stets an Ihn erinnern, Ihn mit der Liebe unseres Willens festhalten und mit Seinem hl. Willen unentwegt Hand in Hand gehen. Ferner sollen wir Jesus auch tragen, durch unseren Leib, indem wir alle Glieder desselben – Augen, Ohren, Mund, Zunge, Hände, Füße – dem Dienst Christi weihen, so wie es der Völkerapostel verlangt: „Laßt die Sünde nicht herrschen in eurem sterblichen Leib …, sondern gebt … eure Glieder Gott als Werkzeuge der Gerechtigkeit.“ (Röm. 6,12 f.). Wenn wir Jesus auf diese Weise bei uns tragen, wird Er uns als „Licht der Welt“ den Lebensweg auch an den schwärzesten Tagen im Glanz zuversichtlicher Hoffnung erleuchten.

„Mariä Lichtmeß“

Auch wenn das Folgende nicht mehr in der Festtagsperikope enthalten ist, so sieht der greise Simeon im übernatürlichen Licht des göttlichen Kindes nicht nur das Heil der Völker und den letztendlichen Ruhm Israels, sondern auch den schmerzhaften Streit zwischen Licht und Finsternis. Seine Worte lehnen sich an den Propheten Isaias an, wenn er sich im Folgenden an Maria wendet. In dem Sohn der allerseligsten Jungfrau und Gottesmutter ist das Heil der Welt erschienen. Daran rüttelt Simeon nicht. Aber es wird dieses Heil auch eine unheilvolle Wirkung haben. Das Jesuskind ist durch den göttlichen Ratschluß dazu bestimmt, daß sich an Ihm die Menschen scheiden. „Dieser ist gesetzt zum Falle und zur Auferstehung vieler in Israel und zu einem Zeichen, dem widersprochen wird.“ Die einen werden Christus annehmen, die anderen werden Ihn ablehnen. Die einen werden „Hosanna!“, die anderen „Kreuzige!“ rufen. Neutralität ist Ihm gegenüber nicht möglich! Der Messias ist eben ein Zeichen, von Gott gesetzt, welches das Innere des Menschen nach außen kehren soll, das die innere Herzensgesinnung des Einzelnen offenbaren wird.

Weil aber das Schicksal einer Mutter unzertrennbar mit ihrem Kind verwoben ist, kann diese schmerzhafte Scheidung der Geister auch an Maria nicht spurlos vorübergehen. Es ist nicht nur „Lichtmeß“, sondern „Mariä Lichtmeß“!

Schon fühlt Maria die Spitze des Opferschwertes auf ihrem unbefleckten Herzen, als der Greis ihr voraussagt: „Auch dein Herz wird ein Schwert durchdringen.“ Das Schwert ist das Sinnbild für Kummer, Gram, Leid, Trübsal und Schmerz. Maria war nicht im Ungewissen, was sie als Mutter des Messias erwartete. Sie wußte schon in der Stunde, da der Erzengel ihr die Kunde von ihrer Erwählung brachte, daß sie als Mutter des Erlösers an dessen Erlöserleiden teilhaben würde. Aber diese Gewißheit wurde von Simeon vertieft, und zwar so, daß wir den Schmerz, den diese Worte im Herzen der Gottesmutter verursachten, als den ersten der „sieben Schmerzen Mariä“ verehren. – Von diesem Tag an hatte Maria beständig vor Augen, daß der Tag kommen werde, an dem sie das Wertvollste, was sie hatte, nicht nur dem Herrn darstellen und weihen, sondern auch blutig wird opfern müssen.

Äußerlich betrachtet hatte Maria in jener Opferstunde im Tempel, wie wir schon sagten, nur wenig geopfert: nur das „Opfer der Armen“, zwei Tauben. In Wirklichkeit aber war es doch ein viel schmerzlicheres Opfer: Sie brachte ihr göttliches Kind dar. Sie opferte das Kostbarste, was Himmel und Erde umschließt, nämlich ihren Sohn, der gleichzeitig Gott ist. Und mit Ihm brachte Maria auch sich selbst zum Opfer dar, denn Jesus war ja ihr Alles. Indem sie den vom greisen Simeon vorgezeichneten Weg bejahte, gab Maria ihr liebstes, ihr höchstes, ja ihr einziges Gut dahin. Jesus wird ihr freilich noch nicht sofort genommen. Sie soll Ihn nähren und kleiden, Ihn hegen und pflegen, Ihn erziehen und ausbilden, bis die vom himmlischen Vater gesetzte Stunde kommt und das Schwert des Leidens ihr Mutterherz durchbohren wird, damit die Gesinnungen der Menschen offenbar werden. Bis dahin muß Maria Tag für Tag das Opfer erneuern, welches sie im Tempel gebracht hat; sie darf es nicht schmälern, nicht nach ihrer Laune einschränken oder gar wieder zurücknehmen.

Von Maria wollen wir den Opfermut lernen. Denn sie brachte das von Gott erwartete Opfer nicht mit Wehklagen, sondern mit Freude. „Gott liebt einen freudigen Geber“ (2. Kor. 9,7), sagt der Völkerapostel. Das sollen auch wir uns gesagt sein lassen, wenn es gilt, einen Verzicht auf etwas uns sehr Kostbares zu leisten. – Maria gibt mit bereitwilligem Herzen, ganz und ohne Vorbehalt. So sollen auch wir uns selbst beim hl. Meßopfer mit Jesus opfern: freudig, bereitwillig und vorbehaltlos. Auch sollen wir nicht wieder zurücknehmen, was wir Gott geweiht haben. – Es ist ja das traurige Schicksal so vieler unfruchtbarer Vorsätze, die wir uns machen, daß wir sie vor dem Altar ernstlich, ja vielleicht sogar eifrig fassen, auch Gott um Seinen Beistand bitten, damit wir sie umsetzen können, dann aber doch wieder unseren Launen nachgeben und zurücknehmen, was wir uns vorgenommen haben zu opfern.

Eines ist gewiß: Solange wir noch etwas in unserem Herzen für uns selbst zurückhalten; solange wir Gott etwas vorenthalten; solange ist auch unser Opfer kein vollkommenes und wird uns nicht jenen vollen Gnadensegen zuwenden, den wir in der hl. Messe eigentlich erlangen könnten und sollten.

Ausleuchtung des Lebensweges

So will uns die Kirche heute durch die Erinnerung an den Tempelgang der Heiligen Familie, die Schatten des Alten Testaments aufhellen und uns durch die „Lichtmesse“ des Herrn den Weg hell erleuchten, den wir zu gehen haben, hinauf zum ewigen Tempel Gottes, hinauf zum himmlischen Jerusalem. Auf diesem Weg wollen wir nicht auf halbem Wege stehenbleiben oder gar wieder umkehren. Denn die Worte des greisen Simeon sprechen einen Gedanken aus, der zu den Grundwahrheiten des Evangeliums und des ganzen Neuen Testamentes gehört: Die Person Jesu und Sein Evangelium sind vom Ärgernis begleitet! Das Auftreten Jesu, das Handeln, das Reden des Heilandes wird anders sein, als es die herrschenden Kreise erwarten. Die meisten von ihnen besitzen eine fertige irdisch-politische Vorstellung vom Messias. Und deswegen mußte der wirkliche Messias für sie zum Ärgernis werden. Aber dieses Ärgernis entspricht dem Willen Gottes!

Der natürliche Mensch muß an Jesus scheitern, denn er erwartet von Ihm etwas, was Gott nicht gewähren kann und nicht gewähren will; nämlich das bequeme, das lässige, das leichte Leben! Und dieses Ärgernis streckt seine Arme auch nach uns aus! Ist nicht das Bild von Jesus, einem „von Gott begeisterten bloßen Menschen“, „unserem Bruder“, das heute die ungläubigen „Theologen“ zeichnen, viel eingängiger als die Lehre der Dogmen von Nicäa und Chalcedon? Findet nicht das modernistische Bild von der fehlbaren Kirche, in welche der Rauch Satans eindringen könne, bei den aufgeklärten Menschen der Moderne nicht deshalb mehr Anklang als die Dogmen von Trient und vom Vatikanischen Konzil, weil der Anspruch der Unfehlbarkeit eine ärgerniserregende Anmaßung zu sein scheint? Ist nicht die Ethik der akatholischen Sekten und der nichtchristlichen Kulte beträchtlich populärer – weil leichter – als die Forderungen der katholischen Moral? Warum sind so viele Katholiken vom Glauben abgefallen? Ganz einfach: Weil sie die Klarheit und die Beständigkeit und die Ansprüche der Glaubens- und Sittenlehre der katholischen Kirche ärgert! Möge für uns Christus nicht zum Falle, sondern zum Auferstehen gereichen. Möge Er nicht für uns zum Zeichen werden, dem widersprochen wird, sondern ein Licht, das uns erleuchtet und in dem wir stets voller Stolz unseren Ruhm erblicken, verehren und anbeten dürfen.

Diesem Licht wollen wir folgen und beharrlich im Guten fortschreiten bis zum Ziel: bis zum himmlischen Jerusalem. Der Name Jerusalem bedeutet „Anblick des Friedens“. Der vollkommene Friede wird uns freilich nicht in dieser Welt zuteilwerden, sondern erst wenn wir das „Licht der Welt“ unverhüllt von Angesicht zu Angesicht in himmlischer Verklärung schauen dürfen.

Die vielen geweihten Kerzen von „Mariä Lichtmeß“ mögen uns daran erinnern, uns unseren Lebensweg von den vielen Lehren, die uns bei der Darstellung des Herrn im Tempel gegeben wurden, erleuchten zu lassen. Dann dürfen wir in unserer Sterbestunde voller Zufriedenheit wie der Greis im Evangelium Gott lobend sprechen: „Nun läßt Du, Herr, Deinen Knecht, wie Du gesagt hast, in Frieden scheiden. Denn meine Augen haben Dein Heil gesehen, das Du bereitet hast vor dem Angesicht aller Völker. Ein Licht zur Erleuchtung der Heiden und zum Ruhme Deines Volkes Israel.“ Amen.

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