Das eucharistische Gastmahl

Geliebte Gottes!

Es bedarf keines besonderen Scharfsinnes, um zu erkennen, was unser göttlicher Erlöser mit dem „großen Gastmahl“ meinte, das der Hausvater im heutigen Gleichnis ausgerichtet hat. Es ist natürlich das ewige Gastmahl des Himmels, bei dem sich Gott Selbst Seinen Auserwählten schenken wird, um sie ganz mich Sich zu erfüllen und mit ewiger Glückseligkeit zu sättigen.

Diese Hingabe Gottes an Seine geliebten Kinder findet ihr Vorbild im Genuß der hl. Eucharistie, in der sich uns Jesus Christus, der Eingeborene des ewigen Vaters, mit Leib und Blut, mit Gottheit und Menschheit, unter den Gestalten von Brot und Wein wahrhaft, wirklich und wesenhaft zur Speise gibt. Die hl. Kommunion ist der Himmel auf Erden. Sie ist als geheimnisvolle Vorwegnahme des ewig beseligenden Gastmahles im Himmelreich eingesetzt. Dabei ist die hl. Kommunion sowohl Verheißung als auch Verwirklichung. Verheißung ist sie, weil wir die beseligende Wirkung des Genusses der hl. Eucharistie nur im Dunkel des Glaubens, aber noch nicht mit unseren Sinnen wahrnehmen können. Verwirklichung des himmlischen Hochzeitsmahles ist sie, weil sich Gott durch den Genuß der hl. Kommunion bereits wirklich mit uns vereinigt.

Der ehrwürdige P. Ludwig von Granada OP (1504–1588) rühmt dabei die Weisheit Gottes, indem er schreibt: „Welch größere Weisheit gibt es, als ein so passendes und heilsames Mittel zur Heilung unserer Schwachheit zu finden? Passend war es ohne Zweifel, daß wir, die wir durch das Essen das Leben verloren hatten, es durch Essen wieder erlangten, und daß, wie die Frucht des Baumes [im Paradies] uns vernichtete, die Frucht eines anderen Baumes [nämlich die des hl. Kreuzes] uns wieder belebte. Von der Frucht jenes Baumes hieß es: ‚An dem Tage, an dem ihr davon esset, werdet ihr sterben.‘ Aber hier heißt es: ‚Wer von diesem Brote ißt, wird leben in Ewigkeit.‘“

Alttestamentliche Vorhersagen und Vorbilder

Schon im Alten Bund wurde die ewige Glückseligkeit und die Gemeinschaft mit Gott im Bilde des Gastmahles vorhergesagt. So weissagte der Prophet Isaias: „Und der Herr der Heerscharen wird für alle Völker auf diesem Berge ein Mahl von Fettstücken bereiten, ein Mahl mit Wein, von markigen Fettstücken, mit abgeklärtem Wein.“ (Is. 25,6).

Von einem ganz außerordentlichen Mahl erzählt sodann das Buch Esther. Der Perserkönig Xerxes gab im 3. Jahr seiner Regierung ein opulentes Gastmahl, um die Pracht und den Reichtum seines Hauses zur Schau zu stellen. Erst wurden die Fürsten und Satrapen seines riesigen Reiches 180 Tage lang auf das Glänzendste bewirtet. Sodann wurde das ganze Volk von Susa – seiner Hauptstadt – für sieben Tage in die königlichen Gärten eingeladen und dort aufs reichlichste verpflegt. Das war zweifellos ein beeindruckendes und prunkvolles Gastmahl! Und doch, wie nichtig ist es gegenüber dem, was uns da im Evangelium beschrieben wird. Dort heißt es: „Ein Mensch bereitete ein großes Gastmahl.“ (Lk. 14,16). Wer ist dieser Mensch?

Die Erhabenheit des eucharistischen Gastmahles

Der Veranstalter des eucharistischen Gastmahles überragt den Perserkönig Xerxes in unendlichem Maß. Denn Er ist nicht nur der Beherrscher eines Weltreiches, sondern niemand Geringeres als „der König der Könige und der Herr der Herren“. Dieser Mensch ist nach Seinem eigenen Geständnis gleichen Wesens mit dem göttlichen Vater: „Ich und der Vater sind eins.“ (Joh. 10,30). Es ist der Gottmensch!

Als Er die Apostel fragte: „Für wen halten die Menschen den Menschensohn?“, da bestätigte und lobte Er die Antwort des hl. Simon Petrus: „Du bist Christus, der Sohn des lebendigen Gottes!“ (Mt. 16,16). Und bei Seiner Himmelfahrt bekräftigte Er Seinen allgewaltigen Machtanspruch: „Mir ist alle Gewalt gegeben im Himmel und auf Erden.“ (Mt. 28,18). Ja, Jesus Christus ist wahrer Gott! Vor Ihm verhüllen die Cherubim und Seraphim zitternd ihr Angesicht. Er weist den Gestirnen ihre Bahn. Er macht das Meer, die Winde und das Feuer zu Seinen Boten. Er läßt die Erde erbeben und die Berge rauchen. Allein schon wegen der unendlichen Erhabenheit Seiner Person ist das Gastmahl der hl. Eucharistie ein ganz unvergleichliches, einzigartiges, herrliches und heiliges.

Doch nicht nur aufgrund des Veranstalters ist dieses Gastmahl herausragend, sondern auch wegen der Speise, die dabei gereicht wird. Sie ist so wunderbar und hocherhaben, daß es der Weisheit Gottes bedurfte, um sie zu ersinnen, daß es göttlicher Allmacht bedurfte, um sie zuzubereiten, daß es der Offenbarung durch den fleischgewordenen Gottessohn bedurfte, um uns über diese göttliche Speise zu belehren.

Es war am folgenden Tag, nachdem Jesus mit nur fünf Broten und zwei Fischen eine Menge von fünftausend Männern gespeist hatte, da waren Ihm die Leute nach Kapharnaum gefolgt und hatten Ihn dort in der Synagoge gefunden. Sie verlangten von Ihm, Er solle sie wiederum auf so wundersame Weise speisen, wie am Tag zuvor. Doch Jesus sprach zu ihnen: „Bemüht euch nicht um eine vergängliche Speise, sondern um jene Speise, welche bleibt zum ewigen Leben!“ Seine Zuhörer waren noch nicht aus ihrem ersten Erstaunen heraus, als der Heiland fortfuhr und ihnen noch etwas Wunderbareres und Erhabeneres verkündete. Er sprach: „Ich bin das lebendige Brot, das vom Himmel herabgekommen ist. Wenn jemand von diesem Brote ißt, wird er leben in Ewigkeit. Das Brot, das Ich geben werde, ist Mein Fleisch für das Leben der Welt.“ (Joh. 6,51). Aufgrund ihrer materialistischen Kurzsichtigkeit und irdischen Gesinnung nahmen die Juden Anstoß, wurden zornig und riefen aufgeregt aus: „Wie kann uns dieser Sein Fleisch zu essen geben?“ (Joh. 6,53). Der Herr bekräftigte jedoch Seine Worte mit dem feierlichen Zusatz: „Wahrlich, wahrlich, Ich sage euch: Wenn ihr das Fleisch des Menschensohnes nicht essen und Sein Blut nicht trinken werdet, werdet ihr das Leben nicht in euch haben. Wer Mein Fleisch ißt und Mein Blut trinkt, der hat das ewige Leben, und Ich werde ihn auferwecken am Jüngsten Tage. Denn Mein Fleisch ist wahrhaft eine Speise und Mein Blut ist wahrhaft ein Trank.“ (Joh. 6,54 ff.).

Der Verheißung folgte die Erfüllung beim letzten Abendmahl. Jesus nahm Brot in Seine heiligen und ehrwürdigen Hände, segnete es, brach es und gab es Seinen Jüngern mit den Worten: „Nehmet hin und esset, das ist Mein Leib, der für euch hingegeben wird.“ (Lk. 22,19). Desgleichen nahm Er den Kelch, segnete ihn, gab ihn Seinen Jüngern und sprach: „Nehmet hin und trinket alle daraus. Das ist Mein Blut, das Blut des Neuen Bundes, das für euch und für viele vergossen wird zur Vergebung der Sünden.“ Durch die Worte Seiner göttlichen Allmacht verwandelte der Sohn Gottes die Substanz des Brotes in Seinen heiligen Leib und die Substanz des Weines in Sein kostbares Blut und bereitete bei der Einsetzung der unblutigen Vergegenwärtigung Seines Erlösungsopfers am Kreuz gleichzeitig jene wunderbare Speise, welche die Kirche gläubig und staunend mit den Worten preist: „O hei­li­ges Gast­mahl, in welchem Chris­tus genos­sen, das Andenken Sei­nes Lei­dens erneuert, das Herz mit Gna­den erfüllt und uns das Unter­pfand der künf­ti­gen Herr­lich­keit gege­ben wird.“

Das ist also der „Mensch“ aus dem Gleichnis, der „ein großes Gastmahl“ bereitete. Es ist der göttliche Heiland Jesus Christus, der die Geladenen zu Seinem eucharistischen Freudenmahl ruft, wobei Er sie durch den Genuß Seines heiligsten Leibes und Blutes unter den Gestalten von Brot und Wein mit dem ewigen Leben Gottes sättigen will.

Die das Freudenmahl Ablehnenden

Weiter heißt es: „Ein Mensch bereitete ein großes Gastmahl und lud viele dazu ein.“ – Seine Einladung erfolgt in zwei Stufen. Schon gleich bei der ersten Planung Seines Gastmahles machte der angesehene und freigebige Gastgeber aus dem Gleichnis eine „große Einladung“.  Als dann der große Tag nahte, sandte Er eigens nochmals einen Boten herum, der die Stunde des Mahles genau ankündigte und mit aller Freundlichkeit nochmals zum Kommen einlud, damit keiner darauf vergesse: „Kostet und seht, wie süß der Herr ist!“ (Ps. 33,8).

Doch da geschah etwas Unerwartetes und gleichzeitig Ungeheuerliches: Jeder der geladenen Gäste hatte eine fadenscheinige Ausrede parat. „Sie fingen an, sich zu entschuldigen: Der eine sprach: Ich habe ein Landgut gekauft und muß hingehen, es anzusehen. Ich bitte dich, halte mich für entschuldigt. Ein anderer: Ich habe fünf Joch Ochsen gekauft und gehe nun hin, sie auszuprobieren. Ich bitte dich, halte mich für entschuldigt! Noch ein anderer sagte: Ich habe ein Weib geheiratet und kann darum nicht kommen.“ (Lk. 14, 18–20).

In dem Bild der Ablehnenden zeichnet der Heiland nicht nur das Bild der vornehmen Führungsschicht des damaligen Judentums, sondern legt ganz allgemein die Gründe offen, mit welchen sich die Menschen aller Zeiten den Geschmackssinn für den Empfang der hl. Kommunion verderben und sich zu ihrem eigenen Verderben von Seinem großen Gastmahl ausschließen, heißt es doch am Ende: „Ich sage euch aber, keiner von den Männern, die geladen waren, wird von Meinem Mahle kosten.“ (Lk. 14,22). Welches sind nun diese Gründe? Es sind jene Lüste, die den Menschen glauben machen, daß er Gottes und der Religion nicht bedürfe. Der hl. Johannes nennt sie „Augenlust, Fleischeslust und die Hoffart des Lebens“ (1. Joh. 2,16).

Da sind als Erstes die Begüterten: „Ich habe ein Landgut gekauft und muß hingehen, es anzusehen.“ Der hl. Augustinus sagt hiervon: „In dem Kauf des Landguts wird die Herrschsucht gekennzeichnet, weil der Stolz gegeißelt, weil der Stolz nicht kommen wollte.“ (Serm. 33). Das Landgut, die Villa, der Meierhof, das ist ein herrschaftlicher Wirtschaftsbetrieb, in dem alles zum Leben Notwendige selber hergestellt wird und der auf sonst niemanden angewiesen ist. Ein gutes Bild für den Stolz, denn auch der Stolz will herrschen, indem er sich über andere erhebt. Dazu trachtet er nach vollkommener Unabhängigkeit und Selbstbestimmung. Er will weder bitten noch „Danke“ sagen müssen. Das Bestreben nach Unabhängigkeit treibt den Menschen sodann an, sich in die Arbeit zu stürzen, um sich nicht nur die Güter leisten zu können, welche zum Leben notwendig sind, sondern auch jene, die es ihm erlauben, sich von der breiten Masse abzuheben und sich der Elite zurechnen zu können. Der beständige Gedanke an Geld, Vermögensaufbau, Gewinnmargen und Investitionen hält seinen Sinn auf alles fixiert, was man haben kann. Seine Augen halten unermüdlich Ausschau nach dem Neuesten, nach dem Besten, nach dem Nützlichsten und Gewinnversprechendsten. Statt zu arbeiten, um zu leben, leben sie, um zu arbeiten. Und das Leben überschüttet sie mit seinen Gütern. So kommen sie in dieser äußeren Fülle kaum dazu, die Leere in ihrem Inneren zu verspüren. Die Planung von Urlauben, die Organisation von Partys und der Besuch kultureller Veranstaltungen, zu dem sie sich oft aufgrund ihrer gesellschaftlichen Stellung verpflichtet fühlen, nehmen auch noch die wenige verbleibende Zeit in Beschlag, die ihnen aufgrund ihrer Geschäftigkeit für Gottesdienst und innere Einkehr noch übrig bliebe. Diese Menschen haben nicht unbedingt etwas gegen die Religion, aber sie kommen persönlich auch ganz gut ohne sie aus; oder sie haben einfach keine Zeit dafür übrig. Materieller Reichtum erstickt das Bewußtsein der „Armut im Geiste“.

Die zweite Gruppe, das sind die Vielbeschäftigten: „Ich habe fünf Joch Ochsen gekauft und gehe nun hin, sie auszuprobieren.“ Die fünf Paar Ochsen weisen auf die übermäßige Sammlerleidenschaft des Menschen hin – der Bauer kann ja immer nur mit einem Joch auf dem Feld arbeiten. Dieser hat sich gleich fünf Joch gekauft. Auch zeigt seine Absicht, sie „auszuprobieren“, daß er dabei nicht dem Zweck der Sicherung seines Lebensunterhaltes nachgeht, sondern daß er darin seine Freude hat, also seinem Hobby nachgeht.

Ob nun unter den „fünf Joch Ochsen“ auf unsere Verhältnisse übertragen konkret das fünfte Auto in der Garage oder die fünf Stunden im Fitneßstudio oder der fünfte Urlaub im Jahr gesehen werden sollen, ist einerlei. Es geht um die übermäßige Vereinnahmung der Freizeit durch eitle Beschäftigungen. Es sei hier freilich nichts gegen Entspannung und sinnvolle Freizeitbeschäftigung gesagt. Der Mensch ist keine Maschine, sondern ein körperlich-seelisches Wesen, das sehr der Freude bedarf. Er braucht Entspannung und Freude. Und solange dieselbe unschuldig ist und im rechten Maß bleibt, ist sie gut und erlaubt. Jede wahre, reine und echte Freude entspannt den Menschen. Aber es muß eben „Ent-Spannung“ sein. D. h., die „Ochsen“ müssen ausgespannt und geweidet werden. Die Sammlerleidenschaft und Freizeitaktivitäten können auch ein Maß erreichen, wo sie aufhören, Entspannung zu sein, und stattdessen zur auslaugenden Anspannung werden. Wer den Montag benötigt, um sich von den Strapazen des Wochenendes zu erholen, der hat seine Ochsen nicht ausgespannt, sondern ausprobiert. – Der hl. Augustinus stellt noch einen anderen Zusammenhang her: „Mit den fünf Joch Ochsen werden die fünf Sinne bezeichnet.“ Jeden Sinn besitzt der Mensch als Paar: zwei Augen, zwei Ohren, zwei Hände (Tastsinn), zwei Nasenflügel (Geruch), Zunge und Gaumen (Geschmack). „Warum aber werden fünf Joch Ochsen genannt? Weil durch jene Sinne des Fleisches das Irdische gesucht wird; denn die Ochsen pflügen die Erde um. Alle aber, die das Irdische suchen, sind vom Glauben weit entfernt.“ In gleicher Weise macht auch der hl. Papst Gregor d. Große auf die Gefahr aufmerksam, daß jene, die wie die Ochsen nur auf den Erdboden starren und ihre fünf Sinne wie die Pflugschaufel nur ins Irdische versenken, sich durch die Überreizung nicht mehr zum Himmlischen aufschwingen können. Die Maßlosigkeit im gesteigerten Lebensgenuß wird zum Hindernis für Ruhe und Muße, für Sammlung und Innerlichkeit, für Gebet und Vereinigung mit Gott. Die wahre Freude kommt aber von Gott, denn Gott ist der Urquell aller Freude. Deshalb müssen wir diese Quelle immer wieder freischaufeln von Gegenständen, die uns derart faszinieren und anziehen, daß sie uns zu vereinnahmen drohen und so die geistigen Wasser der wahren Freude eintrüben.

Bemerkenswert ist, daß der, welcher sich wegen des Landgutes, und der, welcher sich wegen der Erprobung der fünf Joch Ochsen von der Einladung entschuldigt, immerhin noch die Bitte einfügt: „Ich bitte dich, halte mich für entschuldigt.“ Der Letzte bringt es nicht einmal mehr zu dieser Anstandsformel. Der Vertreter der dritten Gruppe sagt ja nur: „Ich habe ein Weib genommen und kann deshalb nicht kommen.“ Darunter sind offensichtlich die Menschen der Sinnlichkeit zu verstehen. Denn die Sinnlichkeit vermag den Geist und die Wahrnehmung des Menschen in einer Weise auf den Genuß des Irdischen zu fokussieren, daß dabei sämtliche Pflichten gegen Gott gänzlich aus dem Blickfeld verschwinden. Das leidenschaftliche Verlangen nach sinnlichen Freuden, seien sie nun kulinarischer, alkoholischer oder geschlechtlicher Art, übertönt jeden höheren Ruf, wie auch der hl. Basilius der Große sagt: „‚Ich kann nicht kommen‘, sagt er; weil der menschliche Geist, der sich zu den weltlichen Gelüsten hinneigt, schwach ist, um Göttliches zu tun.“ (in cat. gr.). Und der hl. Thomas sagt: „Fleischliche Anhänglichkeit hat schon Viele, die ein geistliches Leben führten, von dem Stande des Gebetes, zu dem sie gelangt waren, abgebracht und bringt sie noch täglich davon ab. Sie ist eine vererbliche Unruhe des Geistes, die das betrachtende und mündliche Gebet ansteckt und zerstreut und die dem Gebet gerade entgegengesetzte Neigungen in der Seele hervorruft und unterhält. Denn wie ein reines Gebet die Seele reinigt, erleuchtet, erfreut, stärkt und kräftigt, so steckt auch eine fleischliche, unreine Anhänglichkeit die Seele an, verdunkelt, betrübt, schwächt und trocknet sie aus, und selbst der Körper eines solchen Menschen wird in den Fluch hineingezogen, den sie mit sich bringt.“ (Opusc. 64; De modo confit. et purit. consc.). Deshalb müssen die niederen Triebe in Zucht genommen werden, damit nicht das höhere Empfinden abstumpft und sich der Mensch den Geschmackssinn für das Himmlische verdirbt.

Bei allen drei Gruppen, die entweder von ihrer Augenlust oder von ihrer Fleischeslust oder von der Hoffart des Lebens vereinnahmt worden sind, ist es letztlich der Materialismus, der sie vom Himmelreich und dem göttlichen Gastmahl der hl. Eucharistie fernhält, gleichgültig, ob er in einer feineren oder gröberen Form vorliegt. Die Liebe zu Gott wird zurückgestellt, um einem Geschöpf den Vorzug zu geben. Gott kommt an zweiter Stelle, wenn Er überhaupt vorkommt. Sie vernehmen den Ruf, aber sie haben Entschuldigungen und haben Wichtigeres zu tun, weil sie keinen Sinn mehr für das Göttliche haben und weder die Erhabenheit des Gastgebers noch die Heiligkeit der Speise noch die Auszeichnung der Einladung noch den ewigen Gewinn für ihre eigene Seele erfassen können.

Die zum Wohltätigkeitsmahl Geladenen

„Da wurde der Hausvater zornig.“ (Lk. 14,21). Dieser Unwille des Gastgebers ist nur zu verständlich. Er sieht Sein zuvorkommendes Wohlwollen völlig mißachtet. Da helfen auch die demütigen Entschuldigungsbitten nicht. Im Gegenteil! Denn wenn sie sagen „Ich bitte“, dann erkennen sie ihre Pflicht an, deren Erfüllung sie zu unterlassen beabsichtigen. So entlarvt sich die falsche Demut in ihren Worten, hingegen wird in ihrer Handlungsweise der Stolz offenkundig.

So faßt der Hausvater kurzerhand den Entschluß, das Freudenmahl, welches Er den Vornehmen Seines Volkes geben wollte, zu einem Wohltätigkeitsmahl umzuwidmen. Kurzerhand läßt er die Obdachlosen und Ausgestoßenen des Volkes zu Seiner Festtafel rufen. Jene Menschen also, die im Leben zu kurz gekommen sind, die Benachteiligten, die Geschlagenen, die vom Schicksal Gezeichneten. Sie sind für den Ruf von oben empfänglicher. Und in der Tat kann es sein – der eine oder andere kann es vielleicht aus eigener Erfahrung bestätigen –, daß es erst einer großen Demütigung, einer schweren Krankheit, einer schmerzlichen Zurücksetzung oder einer herben Enttäuschung bedarf, damit der Mensch, der zuvor ganz von der Welt eingenommen und für Gott taub gewesen ist, aufgebrochen werde, um sich überhaupt wieder Gott zuwenden zu können. Er muß erst bildlich gesprochen „obdachlos“ werden, d. h., er muß erkennen, daß die Welt und was sie erfüllt trügerisch ist und ihm dieses Leben keine bleibende Stätte bereithält. Der Mensch muß ausgestoßen oder sonstwie vom Leben gezeichnet worden sein, damit er Zuflucht im „Hause Gottes“, also in der Kirche, im Gebet, in der inneren Einkehr sucht. Nicht selten gebraucht Gott dazu die Pflugschar des Leidens, um den verhärteten Boden der Seele aufzureißen und sie so für den übernatürlichen Einfluß seiner Gnade zu öffnen. Das Gleichnis nennt vier Gruppen, denen sich das göttliche Erbarmen zuwendet: „Bettler, Krüppel, Blinde und Lahme“.

Die geistigen „Bettler“ sind die Menschen, die sich ihrer „Armut im Geiste“ bewußt sind und wissen, daß sie aus sich selber nichts haben, nichts können und nichts sind und daß deshalb das Entscheidende nicht Besitz, Karriere, eitle Wissenschaft oder fleischliche Genüsse sind, sondern die göttliche Gnade. Der Heiland sagte einmal zur hl. Margareta Maria Alacoque: „Ich bin Derjenige, der ist. Und du bist diejenige, die nicht ist.“ Wer das begriffen hat, der ist in wahrhaftiger Selbsterkenntnis arm geworden vor sich selbst – ein „Armer im Geiste“ eben. Er weiß, daß er nur ein Bettler ist, der nur bitten kann und für alles danken muß, was ihm an Gutem zuteil wird. Er weiß: Wenn er von der göttlichen Barmherzigkeit empfangen möchte, dann muß er zuvor selber Barmherzigkeit erweisen; dann muß er dem Bruder, der ihm Unrecht getan hat, verzeihen und vergeben. Engherziges Nachtragen, aufgeblasene Überheblichkeit, emanzipiertes Selbstbewußtsein ist Selbsttäuschung. Demütiges Wissen um die eigene Armseligkeit hingegen ist Wahrheit. Darum sind die geistigen Bettler zum Herrenmahl gerufen.

Die „Krüppel“ sind sodann die Menschen, die um die Wirkung der Sünde wissen. Die Erbsünde und erst recht die häufig wiederholte persönliche Sünde haben ihre Spuren in der Seele hinterlassen. Der Mensch kann nun einmal, ob er es einsieht oder nicht, ob er es sich eingesteht oder nicht, aus eigenen Kräften im Entscheidenden nicht richtig erkennen und auf Dauer nicht richtig wollen. Immer wieder muß er stürzen, wenn ihn Gott nicht stützt. Er ist auf den Krückstock der helfenden Gnade beständig angewiesen und muß sich vorsehen, muß sich von abschüssigen Pfaden gefährlicher Gelegenheiten fernhalten, um nicht erneut zu stürzen. Aufgrund des wiederholten Rückfalls in die alten Gewohnheitssünden weiß er um die Krüppelhaftigkeit des gefallenen Menschen und sucht beim helfenden Gott Zuflucht, Stütze und Heilung.

Die „Blinden“ sind die Menschen, die wissen, daß sie nichts wissen, und die deshalb vorsichtig sind im Urteilen. Sie wissen, daß derjenige, der ins gleißende Licht Gottes hineinschauen will – der Seine Pläne und Geheimnisse ergründen will – erst recht davon geblendet wird. Gleiches gilt auch für die Angelegenheiten, die nur Gott zukommen; etwa, wenn der Mensch anmaßend die Motive und Absichten der Mitmenschen ergründen, beurteilen und richten will, was nur zu zwecklosem und lieblosen Kritisieren, Verurteilen und Anschwärzen des Nächsten führt und oft genug in offene Ehrabschneidung und Verleumdung übergeht. Deshalb mahnt der Herr: „Richtet nicht, damit ihr nicht gerichtet werdet. Denn mit dem Urteil, mit dem ihr richtet, werdet auch ihr gerichtet werden; und mit dem Maße, mit dem ihr meßt, wird euch gemessen werden.“ (Mt. 7,1 f.). Der Blinde weiß, daß sein Auge geblendet ist, wenn er sich eigenmächtig in die Angelegenheiten einmischt, die ihn nichts angehen. Er weiß auch um den Balken in seinem eigenen Auge – also um die Blindheit für die eigenen Fehler –, der es ihm verbietet, sich aufgrund eines Splitters, den er im Auge des Nächsten zu erkennen meint, dünkelhaft über den Bruder zu erheben. Deshalb folgt der Blinde der Weisung des hl. Apostels Jakobus. Er ist „schnell bereit zum Hören, langsam im Reden und langsam im Zorn“. (Jak. 1,19).

Die „Lahmen“ schließlich sind die Menschen, die wissen, daß man auf den Wegen Gottes nur mit Gottes Hilfe gehen kann. „Ohne Mich könnt ihr nichts tun“, sagt Christus. Was hilft es, wenn wir mit rein menschlichem Eifer danach streben, uns zu vervollkommnen? Was hilft all das Jagen nach Freude und Glück, wenn es nicht die Wege der Heiligkeit sind, auf denen wir wandeln? Wer das einsieht, der weiß, daß er auf diesem Weg nicht vorankommt, wenn er sich von seinen Launen und Stimmungen oder von seinem Eigensinn leiten läßt. Gott will, daß wir von anderen zu Ihm geführt zu Ihm gelangen. Selbst der Priester bedarf eines anderen Priesters, der ihn von seinen Sünden losspricht. Jeder ist auf die Führung durch andere angewiesen. Deshalb befiehlt der hl. Benedikt seinen Mönchen, nicht nur gegenüber dem Abt und den Vorgesetzten Gehorsam zu üben, sondern auch gegenüber den Gleichgestellten. Im 71. Kapitel der Regel schrieb er: „Das Gut des Gehorsams sollen alle nicht nur dem Abt erweisen. Die Brüder müssen ebenso einander gehorchen; sie wissen doch, daß sie auf diesem Weg des Gehorsams zu Gott gelangen.“ (Reg. 71,1 f.). Der Eigenwille lähmt uns auf dem Weg zu Gott. Wer hingegen den eigenen Willen überwindet, indem er ihn zugunsten eines guten Rates oder eines vernünftigen Vorschlags des Nächsten aufgibt, dessen lahme Füße werden vom Heiligen Geist gekräftigt und er wird mit den gelenkigen Sprüngen einer Gazelle die Höhenpfade der Heiligkeit meistern.

Zwei konkrete Beispiele sollen die im Gleichnis skizzierte Charakteristik der „Armen im Geiste“ veranschaulichen, die Geschmack am Gastmahl der hl. Eucharistie gefunden und größten Nutzen für ihre Seele aus dem häufigen Kommunionempfang gezogen haben.

a) Niels Stensen (1638-1686)

Am 11. Januar 1638 wurde in Kopenhagen der berühmte Mediziner und Naturforscher Niels Stensen geboren. ER war erst Professor in Leiden, dann in Amsterdam, und machte als solcher mehrere anatomische Entdeckungen, die noch heute seinen Namen tragen. Religiös war er strenggläubiger Lutheraner, dem alles Katholische fremd war. Im Jahr 1666 – er war erst 28 Jahre alt – ernannte ihn der Herzog von Toskana zu seinem persönlichen Leibarzt und zugleich zum leitenden Arzt des Spitals in Florenz. Anläßlich eines Aufenthaltes in Livorno sah Stensen das erste Mal eine Fronleichnamsprozession. Der Anblick erschütterte ihn. Wie das Allerheiligste an ihm vorübergetragen wurde, konnte er nicht anders, als die Augen niederschlagen. Er selbst erzählt: „Bei diesem Anblick drängte sich mir mit Übermacht die Erwägung auf: Entweder ist diese Hostie ein einfaches Stücklein Brot, und dann haben die, welche ihr Gefolgschaft leisten, den Verstand verloren, oder aber die hl. Hostie ist der wahre Leib Christi, und warum sollte nicht auch ich Ihn verehren?“ Stensen fühlte sich vor ein unerbittliches Entweder-oder gestellt. Als Mann der exakten Wissenschaften fing er damit an, den katholischen Glauben und insbesondere die Lehre über das allerheiligste Sakrament zu studieren. 1667 wurde er katholisch. Den Tag seiner ersten heiligen Kommunion nennt er „den schönsten und teuersten meines ganzen Lebens“. Von der Stunde an wurde er tugendhafter, fröhlicher, glücklicher. Acht Jahre führte er ein vorbildliches Tugendleben. Da hieß ihn der göttliche Gastgeber an der Festtafel höher rücken und zog ihn immer näher zu sich. Stensen fing nochmals an zu studieren. Er studierte Theologie, empfing die hl. Priesterweihe und feierte an Ostern 1675 in Florenz im Alter von 37 Jahren seine erste hl. Messe. Zwei Jahre später wurde er zum Bischof geweiht. Er kam als apostolischer Vikar ins nördliche Deutschland, zuerst nach Hannover, dann nach Hamburg. Sein priesterliches und bischöfliches Wirken war ganz auf die Lehre und Liebe des allerheiligsten Altarsakramentes ausgerichtet. Am 6. Dezember 1686 ist er, erst 48-jährig, heiligmäßig und unendlich glücklich gestorben.

b) Hermann Cohen (1821–1871)

Ähnlich erging es dem deutsch-jüdischen Pianisten Hermann Cohen. Im Alter von 21 Jahren gab er 1847 in Paris eine Reihe von Konzerten. Da geschah es, daß er einmal in einer Pariser Kirche aushilfsweise den Chor bei einer abendlichen Sakramentsandacht leiten mußte. Dabei pochte die Gnade erstmals an sein Herz. Im Augenblick des sakramentalen Segens fühlte der bisher so leichtsinnige Jude eine unerklärliche Bestürzung in sich. Am folgenden Tag zog es ihn wieder zum Tabernakel hin und er wurde noch mehr innerlich bewegt. In ihm stieg übermächtig die Überzeugung auf, er müsse katholisch werden. Also nahm er Religionsunterricht. Am 8. August 1847 erhielt er in Bad Ems, wo er sich kurz beruflich aufhielt, während der hl. Messe die Gnade einer übernatürlichen Reue. Er selbst schreibt: „Bei der Erhebung der hl. Hostie ergoß sich aus meinen Augen unaufhaltsam eine reiche Tränenflut über meine glühenden Wangen. O glücklicher Augenblick, ewig denkwürdig für das Heil meiner Seele!“ Am 28. August desselben Jahres empfing er in Paris die hl. Taufe und wenige Tage später die hl. Kommunion. Fortan trug er den Namen „Augustinus vom hl. Sakrament des Erlösers“. Seine ganze Liebe und Hingabe galten nur mehr der hl. Eucharistie. Zwei Jahre später trat er bei Broussey in den Karmeliterorden ein und wurde nach Vollendung der theologischen Studien zum Priester geweiht. Die erste Predigt hielt er gleich über die öftere hl. Kommunion und die übernatürliche Freude, welche sie denen gewährt, die sie andächtig empfangen. Später gelangte er nach London und gründete dort ein Karmeliterkloster, dessen erster Prior er wurde. Er hielt keine Predigt, ohne über die hl. Eucharistie zu reden. Er nannte dies „den einzigen Gegenstand seines Lebens, seiner Predigten, seiner Lieder, seiner Neigungen“. Kurz vor seinem Tod sagte er: „Ich möchte jeden Augenblick meines Lebens kommunizieren; nur das ist gut und süß.“ Am 20. Januar 1871 ging er schließlich in die ewige Kommunion ein.

„Selig die zum Hochzeitsmahl des Lammes geladen sind.“

Auch heute gibt es diese beiden Gruppen von Geladenen – die Ablehnenden und diejenigen, welche zur Teilnahme heraneilen. Nicht jeder Getaufte und äußerlich traditionell lebende Christ sitzt wirklich an der Tafel des Herrn, selbst wenn er an der Kommunionbank mit der Zunge den Leib Christi berührt. Davon kündet u. a. der hl. Thomas von Aquin in der von ihm komponierten Sequenz des Fronleichnamsfestes: „Gute kommen, Böse kommen, / Beide haben Ihn genommen, / Die zum Leben, die zum Tod. / Bösen wird Er Straf‘ und Hölle, / Guten ihres Heiles Quelle: / Wie verschieden wirkt dies Brot!“

Deshalb ein doppelter Vorsatz! Wir wollen immer gut kommunizieren – also wohl vorbereitet, würdig und andächtig! Das ist nur recht und billig, sowohl angesichts der Einladung des allmächtigen Gottes als auch gegenüber der unendlichen Heiligkeit der Speise, die uns dargeboten wird. Unmittelbar vor jeder hl. Kommunion wollen wir nicht vermessen auf unsere eigene Würdigkeit aufgrund vermeintlicher Verdienste bauen, sondern uns als gebrechliche Sünder vor Gott demütigen, beim Beten des Confiteor uns in aufrichtiger Zerknirschung des Herzens an die Brust schlagen und uns im Bewußtsein eines Bettlers, eines Krüppels, eines Blinden und Lahmen der Kommunionbank nähern.

Ferner wollen wir uns von den irdischen Gütern, welche uns zur Augenlust, zur Fleischeslust und zur Hoffart des Lebens reizen, aber den Geschmacksinn für das Himmlische verderben, loslösen und als „Arme im Geist“ die Tugenden der Demut, der Bescheidenheit, des Gehorsams, der Geduld und des Erbarmens üben. Dann dürfen wir mit dem hl. Thomas und der ganzen Kirche voll Zuversicht auch die letzten Strophen der Sequenz beten: „Guter Hirt, Du Brot der Seelen, / Dein Erbarmen laß nicht fehlen! / Die Dich als Hirt und Schützer wählen, / Woll‘ im Land des Lebens zählen / Zu denen, die Deine Güter sehen. // Du, der alles weiß und leitet, / Hier im Todestal uns weidet: / Dort, wo licht Dein Reich sich breitet, / Sei uns Los und Tisch bereitet / In dem Kreis der Heiligen!“ Amen.

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