Vom Apostolat und dem göttlichen Ursprung der Kirche

Geliebte Gottes!

Unser Herr Jesus Christus hat die katholische Kirche auf den Felsen Petri gegründet, damit sie von den Angriffen der Hölle niemals überwältigt werden kann, auf daß sie in ihrem Wesen unverändert fortbestehe bis ans Ende der Welt. Dazu hatte Jesus gleich zu Beginn seines öffentlichen Auftretens den Simon auserwählt und ihm schon bei der ersten Begegnung den Namen „Petrus“, d.h. Fels gegeben. Christus hat den Petrus herangebildet und ihm die Vollmachten des Oberhauptes übertragen. Petrus hat sodann in Rom seinen Bischofssitz aufgeschlagen, wodurch diese Vollmachten fortan an den römischen Bischofstuhl gebunden waren, was für die gesamte christliche Welt des Altertums eine Selbstverständlichkeit war.

„Petrus lebt fort und spricht in seinen Nachfolgern“, so lautet die Formel, welche durch die ökumenischen Konzilien von Ephesus (DB 112) und Chalcedon geprägt wurde. In seiner Rede auf dem Ephesinum betonte der Legat des Papstes: „Bis zur heutigen Zeit und immerfort lebt Petrus fort in seinen Nachfolgern und übt das Richteramt aus.“ Und auf dem 4. ökumenischen Konzil, das der hl. Papst Leo d. Gr. nach Chalcedon berufen hatte, bekannten die dort versammelten Väter einmütig: „Petrus hat durch den Mund des Leo gesprochen.“ (Mansi, Ss. Conc. Coll. IV, col. 972)

Der Primat bildet also in gewisser Weise eine Art „Dreieinigkeit“: Christus ist der göttliche Fels. Simon Petrus ist Sein persönlich erwählter Stellvertreter und erhält Anteil an Seiner göttlichen Festigkeit. In den Päpsten lebt Petrus fort. Drei Personen: Christus – Petrus – Papst. Aber in den drei wirkt eine einzige, göttliche, in der sicheren Wahrheit befestigte Vollgewalt, der alles unterworfen ist.

Doch der Heiland hat Seine Kirche nicht nur auf dem Felsenfundament des Primates gegründet. Noch eine zweite Einrichtung wurde der Kirche durch ihren Gründer eingestiftet, nämlich der Apostolat, das Apostelamt. Zu diesem Thema wollen wir uns drei Fragen stellen:

  1. Was ist ein Apostel?
  2. Wie hat Christus den Apostolat gestiftet?
  3. Welche Sendung und welche Vollmachten beinhaltet das Apostelamt?

Was ist ein Apostel?

Die Wortbedeutung des griechischen Wortes „ἀπόστολος“ (sprich: apóstolos; von „ἀποστέλλειν“, senden, schicken) lautet „Gesandter“, „Sendbote“. Dabei kommt es nicht so sehr auf die Person des Gesandten an, sondern auf die Person, die der Gesandte vertritt, und auf die Tatsache, daß er gesandt ist und im Namen des Senders handeln kann. Im Sprachgebrauch der Heiligen Schrift wird vorzugsweise jemand als Apostel bezeichnet, der einen Auftrag Gottes an den Menschen auszuführen hat.

Im Alten Testament bezeichnet sich etwa Moses als Apostel, von Gott gesandt (vgl. Num. 16,28), um im Namen Gottes als Gesetzgeber und Richter am Volk der Hebräer zu handeln. Ja, der hl. Paulus nennt sogar unseren Herrn Jesus Christus selbst im Hebräerbrief (3,1) einen „Apostel“. Und das mit Recht, hat uns doch der wesensgleiche Gottessohn von den unbegreiflichen Geheimnissen im Schoße Gottes „Kunde gebracht“ (Joh. 1,18). Wiederholt betont der Menschensohn, daß Er nicht in Seinem eigenen Namen spricht. „Ich bin nicht in Meinem eigenen Namen gekommen, sondern wahrhaft ist der, welcher Mich gesandt hat: Ihr kennt Ihn nicht. Ich aber kenne Ihn, weil Ich von Ihm komme und weil Er mich gesandt hat.“ (vgl. Joh. 7,28 f.).

Als Name bedeutet die Bezeichnung „Apostel“ im Neuen Testament jedoch jene zwölf eigens von Christus erwählten Männer, denen es als Zeugen Seines Wirkens und insbesondere Seiner glorreichen Auferstehung von den Toten zukommen sollte, die Sendung Jesu nach dessen Himmelfahrt fortzusetzen.

Wie aus der Wahl des hl. Apostels Matthias an Stelle des Verräters Judas Iskarioth hervorgeht, bestanden die unerläßlichen Voraussetzungen zum Apostelamt in der Augenzeugenschaft von der messianischen Wirksamkeit Jesu, insbesondere Seiner Auferstehung (vgl. Apg. 1,21 f.) und der unmittelbaren Berufung durch Jesus (vgl. Apg. 1,24).

Die Zwölfzahl der Apostel hatte eine wichtige Bedeutung. Mit der Erwählung von zwölf Männern als Aposteln knüpfte der Heiland bei der Gründung des neutestamentlichen Gottesreiches an die Entstehung des alttestamentlichen Bundesvolkes an. Wie Israel, das ja ein schattenhaftes Vorbild für die katholische Kirche im Alten Bund gewesen ist, von den zwölf Patriarchen, also den zwölf Söhnen Jakobs, abstammte, so sollten die zwölf Apostel die Patriarchen des neutestamentlichen Israel, die geistigen Stammväter der Kirche Christi werden.

Im Neuen Testament finden sich vier Apostelverzeichnisse, nämlich in den drei synoptischen Evangelien und in der Apostelgeschichte. Ihre Namen werden dort wie folgt genannt: Simon Petrus und dessen Bruder Andreas, Jakobus, der Sohn des Zebedäus und dessen Bruder Johannes, Philippus, Bartholomäus, der im Johannesevangelium auch Nathanael genannt wird, Thomas, Matthäus der Zöllner, Jakobus, der Sohn des Alphäus, Judas mit Beinamen Thaddäus, Simon der Zelot sowie Judas Iskarioth, an dessen Stelle nach dessen Verrat, wie gesagt, der hl. Matthias trat.

Später wurde der hl. Paulus eigens von Christus berufen, durch Offenbarungen belehrt und zur Zeugenschaft befähigt, um als „Apostel für die Heiden“ (vgl. Röm. 1,5 f.) gesandt zu werden. Ob der hl. Barnabas ebenfalls diesem speziellen Apostolat für die Heiden zuzuzählen sei, ist umstritten.

Die Stiftung des Apostolates

Die Zwölf waren von Jesus jedoch nicht gleich von Anfang an zu Aposteln berufen worden. Aus den Evangelien geht hervor, daß der Apostelwahl zunächst eine Berufung zur allgemeineren Nachfolge, die „Jüngerschaft“, vorausging. Zu den Jüngern Jesu zählten weitaus mehr als nur die Zwölf.

Der historische Sachverhalt war dabei folgender: Im ersten Kapitel des Johannesevangeliums erfahren wir von der Berufung von mindestens fünf Jüngern, die ursprünglich aus der Schule des hl. Johannes des Täufers stammten. Nach Seinem vierzigtägigen Fasten in der Wüste war Jesus an den Jordan zurückgekehrt. Dort legte der Täufer vor seinen Jüngern Zeugnis für die Messianität Jesu ab und führte einige von ihnen selbst dem Heiland zu. „Seht, das Lamm Gottes!“ (Joh. 1,36). Die ersten Jünger blieben einen Tag bei Jesus und gingen wieder nach Hause. In der Folgezeit machten sie andere Johannesjünger mit Jesus bekannt und lernten den Heiland immer besser kennen, ohne jedoch schon ihre Familien und ihr bisheriges Leben zu verlassen.

a) Die allgemeine Jüngerschaft – der Glaube an Christus

Die Anforderungen der Berufung zur allgemeinen Jüngerschaft waren vergleichsweise gering. Sie lautete: „Kommt und seht.“ Die Jünger folgten diesem Ruf, sahen das erste Wunder auf der Hochzeit zu Kana, durch das Er ihnen Seine Herrlichkeit offenbarte, „und Seine Jünger glaubten an Ihn.“ (Joh. 2,11). Man kann darunter den allgemeinen Ruf zum Glauben an Christus erkennen, wie er an jeden Menschen ergeht. Damit schuf der Heiland den Laienstand Seiner Kirche; und die Apostel waren die ersten darin. Diesem Ruf folgte innerhalb kürzester Zeit eine große Menge Volkes. Eine wahre Volksbewegung kam zum Glauben an Jesus. Alle Stände, Geschlechter und Altersgruppen waren darin vertreten. Die adeligen Schriftgelehrten und Ratsherren Nikodemus und Joseph von Arimathäa, der Zöllner Zachäus, der Hauptmann von Kapharnaum, die Samariterin vom Jakobsbrunnen und ihre ganze Dorfgemeinschaft, genauso wie der Knabe bei der Brotvermehrung, mit seinen fünf Broten und den zwei Fischen. Sie versammelten sich zu Tausenden, wenn Jesus in ihre Nähe kam, und kehren anschließend wieder in ihr alltägliches Leben zurück.

b) Die spezielle Christusnachfolge – Christus als Erbteil

Von der zweiten Stufe der Erwählung berichten die Synoptiker, als Jesus schon zu Beginn Seiner öffentlichen Wirksamkeit am See Genezareth entlangging und die Brüderpaare Simon Petrus und Andreas sowie Jakobus und Johannes von ihren Fischernetzen weg zur engeren Nachfolge berief. Beim hl. Markus heißt es: „Darauf verließen sie sogleich die Netze und folgten Ihm nach. Da ließen sie ihren Vater Zebedäus mit den Tagelöhnern im Schiff zurück und gingen fort, Ihm nach.“ (Mk. 1,18.20). Sogleich verließen sie ihren weltlichen Beruf. Und sie gingen fort. D.h. sie verpflichteten sich zur beständigen Nachfolge, was das Verlassen der bisherigen Lebensverhältnisse zur Voraussetzung hatte. Petrus würde später seiner Frage nach dem ewigen Lohn vorausschicken: „Siehe, wir haben alles verlassen und sind Dir nachgefolgt.“ (Mt. 19,27).

Unter den zwölf Stämmen Israels war der Stamm Levi derjenige, der von Gott für die gottesdienstlichen Verrichtungen im Bundeszelt bzw. später im Tempel ausersehen war. Als einziger Stamm bekamen die Leviten deshalb keinen Gebietsanteil im Gelobten Land. Ihr Anteil und Erbe war Gott und der heilige Dienst. In gleicher Weise waren jene, die Christus zur engeren Nachfolge berief dazu angehalten alles Irdische zu verlassen und in Ihm allein ihr Erbteil zu erblicken.

Das Wort „Klerus“ leitet sich her von dem griechischen Ausdruck „κληρονόμος“ (sprich: kläronómos), „der Erbe“, und bedeutet so viel wie „der durch Los zugefallene Erbteil“. Schon in diesem Leben wird dem Kleriker Christus als sein Erbteil zugewiesen. Er darf seinen Anteil nicht im Irdischen suchen und muß deshalb die Bindungen an die Welt lösen. Daß der Ruf, den weltlichen Stand zu verlassen, die unumgängliche Grundbedingung zu dieser Stufe der Jüngerschaft darstellt, streicht der Herr selbst an anderer Stelle heraus, wo Er sagt: „Wer Vater oder Mutter mehr liebt als Mich, ist Meiner nicht wert; und wer den Sohn oder die Tochter mehr liebt als Mich, ist Meiner nicht wert. Und wer sein Kreuz nicht auf sich nimmt und Mir nachfolgt, ist Meiner nicht wert.“ (Mt. 10,37 f.). Wie Christus, so muß sich auch der Kleriker zur vollumfänglichen Weihegabe an Gott machen.

Daß die Berufung zum Klerikerstand jedoch nicht nur allein an die Zwölf erging, ist eindeutig daran zu erkennen, daß Jesus auch andere zum Weltverzicht und zur vollkommenen Christusnachfolge aufrief. So etwa den reichen Jüngling: „Willst du vollkommen sein, so gehe hin, verkaufe, was du hast, und gib es den Armen, und du wirst einen Schatz im Himmel haben. Dann komm und folge Mir nach.“ (Mt. 19,21).

Durch die ungeteilte, beständige Nachfolge und den dauernden Verkehr mit ihrem göttlichen Meister sollten die Jünger zu Glaubensboten und Menschenfischern herangebildet werden. Vom hl. Lukas erfahren wir, daß der Heiland während Seines zweiten Lehrjahres 72 Männer in diese engere Nachfolge berufen hat, um sie zur Predigt in das Umland auszusenden (vgl. Lk. 10,1-12).

Mit dem Ruf, die Welt zu verlassen und allein in Ihm seinen Erbteil zu erblicken, schuf Christus den Klerikerstand im weiteren Sinne. Der Unterschied der beiden Stände – des Klerus und der Laien – entstammt also nicht dem Ehrgeiz der Geistlichkeit, sondern beruht auf göttlicher Anordnung, wonach der Kirche von Anfang an eine Über- und Unterordnung eingestiftet war.

c) Der Apostolat – das Stellvertreteramt

Aber auch unter den „Jüngern des Herrn“ sollte keine Gleichstellung herrschen. Es folgte die Apostelwahl, welche den Abschluß der dreistufigen Berufungsgeschichte der Zwölf bildete. Sie erfolgte unmittelbar vor der Bergpredigt, in welcher der Heiland das neue Gesetz des Evangeliums und damit den geistigen Bauplan des Gottesreiches Seiner Kirche vor aller Öffentlichkeit kundtun wollte.

Der Herr bestieg einen Berg, nahe bei Kapharnaum gelegen, und brachte dort zur Vorbereitung der Apostelwahl die ganze Nacht in einsamem Gebet zu. „Als es dann Tag wurde, rief Er Seine Jünger zu sich und wählte von ihnen zwölf aus, die Er auch Apostel nannte.“ (Lk. 6,12). Er berief die Zwölf aus dem Kreis der Jünger. Er rief Seine Jünger zu sich und wählte von ihnen zwölf aus. Mit den drei Ständen in der einen Kirche schuf Jesus gleichsam eine weitere Dreieinigkeit: Laien, Klerus und Apostel, die zusammen die eine und einzige Kirche Christi bilden, einen mystischen Leib.

Den nächsten Zweck der Apostelberufung beschreibt der hl. Markus mit den Worten: „Und Er [Jesus] bestellte die Zwölf, damit sie bei Ihm seien und damit Er sie zur Predigt aussende.“ (Mk. 3,14). Damit sie bei Ihm seien und damit Er sie zur Predigt aussende. Die Apostel sollten in vertrautester Gemeinschaft mit dem göttlichen Meister leben und sich Ihm so eng anschließen, wie die Familienmitglieder mit dem Hausvater verbunden sind. Sie sollten sich ganz und gar an Jesus Christus angleichen, indem sie beständig Sein Vorbild vor Augen und Seine Lehre in ihren Ohren hätten. Jeder von ihnen sollte auf diese Weise ein „zweiter Christus“ werden, ein wahrer Stellvertreter.

Die Vollmachten des Apostolates

Durch die enge Vertrautheit mit Ihm bildete Jesus die Apostel mit aller Sorgfalt heran zu ihrem späteren hohen Beruf, mit Seiner göttlichen Sendung in die Welt ausgesandt zu werden. Die intensive Unterweisung erstreckte sich über zwei volle Jahre und auf das ganze Gebiet des neuen Gottesreiches. Doch bildeten die Lehre vom Wesen und der Entwicklung der Kirche einen hervorragenden Gegenstand des Unterrichtes sowie die Wahrheit, daß die Gründung derselben durch den Tod und die Auferstehung Christi, die Zugehörigkeit zu derselben, an gläubige Selbstverleugnung und Kreuzesnachfolge geknüpft sind.

a) Die vollkommene Kenntnis der Lehre des Evangeliums

Die Apostel wurden von Christus besonders unterrichtet und geformt, indem Er sie in den vollen Sinn Seiner Lehre und insbesondere in das volle Verständnis Seiner Gleichnisse mit den Worten einführte: „Euch ist es gegeben, die Geheimnisse des Himmelreiches zu verstehen; ihnen [dem Volk] ist es nicht gegeben.“ (Mt. 13,11). Und nicht nur einmal wird es sich zugetragen haben, was der hl. Evangelist Matthäus berichtet: „Alsdann entließ Jesus das Volk und kam in das Haus; und Seine Jünger traten zu Ihm und sprachen: ‚Erkläre uns das Gleichnis.‘“ (Mt. 13,36). Und am Ende der Belehrung wurden sie von ihrem göttlichen Lehrmeister gefragt: „Habt ihr das alles verstanden? Sie antworteten: Ja!“ (Mt. 13,51).

Durch den Pfingstgeist wurden die Apostel später nicht nur an alles erinnert, was Jesus zu ihnen gesagt hatte, und dadurch zur sicheren Interpretation der göttlichen Wahrheit befähigt, sondern auch selber zu inspirierten Organen der göttlichen Offenbarung.

b) Die universale Sendung und Autorität Christi

Wiederholt schärfte Er den Zwölfen ein, daß sie Seine Sendung, die Christus vom Vater empfangen hatte, fortsetzen sollten. – Die Apostel würden als unmittelbare Stellvertreter Gottes Seine Gesandten sein: „Wer euch aufnimmt, der nimmt Mich auf; wer Mich aufnimmt, der nimmt den auf, der Mich gesandt hat.“ (Mt. 10,40). – Sie werden dabei in Seinem Namen sprechen: „Wer euch hört, der hört Mich, wer euch verachtet, der verachtet Mich. Wer aber Mich verachtet, der verachtet den, der Mich gesandt hat.“ (Lk. 10,16). – Sie werden in Seinem Namen Zucht und Disziplin zum Wohl der Gemeinschaft sicherstellen: „Wahrlich Ich sage euch, was immer ihr auf Erden binden werdet, soll auch im Himmel gebunden sein, und was ihr auf Erden lösen werdet, soll auch im Himmel gelöst sein.“ (Mt. 18,18). Binden und Lösen schließt ein Dreifaches in sich: 1. Wer binden und lösen kann, kann etwas für verboten und für erlaubt erklären; 2. Er kann eine Verpflichtung mit disziplinärer Gewalt auferlegen oder aufheben; 3. Er kann jemanden durch Bannspruch aus der Gemeinschaft ausschließen bzw. den Bann wieder aufheben. Daraus ergibt sich, daß die Apostel die volle jurisdiktionelle Gewalt innerhalb der Kirche erhalten sollten. Nicht bloß das Recht im Namen Gottes, Vorschriften zu geben, sondern dieselben mit Nachdruck einzufordern und ggf. Übertretungen zu ahnden. Diese Gewalt reicht sogar bis in den Gewissensbereich hinein. Am Osterabend sprach der Herr nämlich zu den im Abendmahlsaal versammelten Aposteln: „Wie Mich der Vater gesandt hat, so sende Ich euch. Nach diesen Worten hauchte Er sie an und sprach zu ihnen: Empfanget den Heiligen Geist. Welchen ihr die Sünden nachlassen werdet, denen sind sie nachgelassen. Und welchen ihr sie behalten werdet, denen sind sie behalten.“ (Joh. 20,21-23).

In der Abschiedsstunde im Abendmahlsaal betete der Herr im hohepriesterlichen Gebet: „Wie Du Mich in die Welt gesandt hast, so habe auch Ich sie in die Welt gesandt.“ (Joh. 17,18). „Ich bin in ihnen, und Du bist in Mir.“ (Joh. 17,23). „Ich habe ihnen Deinen Namen kundgetan und will ihn weiter kundtun.“ (Joh. 17,26) durch die Apostel.

c) Der große Missionsbefehl

Weil das Erdenleben des Heilandes für die Apostel eine Zeit der Vorbereitung war, so erfolgte die wirkliche Sendung und Vollmachterteilung erst unmittelbar vor Christi Himmelfahrt. Durch den großen Missionsbefehl, den Christus den Aposteln erteilte, übertrug Er ihnen dieselben Gewalten, die Er selbst hatte, mit dem gleichen Umfang Seines Berufes und Seiner Vollmacht in der ganzen Welt.

Der Herr hob an: „Mir ist alle Gewalt gegeben im Himmel und auf Erden.“ (Mt. 28,18-20). Mit diesem Wort von unvergleichlicher Majestät weist sich Christus aus und legitimiert sich für den folgenden Auftrag an die Apostel. Daraufhin fuhr der Herr fort: „Gehet hin, und lehret alle Völker, und taufet sie im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes und lehret sie alles halten, was Ich euch geboten habe.“ (ebd.). Drei Gedanken sind in diesem Befehl enthalten. Die Träger des Apostelamtes sollen allen Völkern die Lehre Jesu bringen, und zwar so, daß sie dieselben zu freier Glaubensgefolgschaft gewinnen, sie sollten sie also „zu Jüngern machen“; zu Jüngern in der ersten Stufe. Dadurch wurde den Aposteln das Lehramt Christi übertragen.

Außerdem sollten sie taufen, also das Kreuzesopfer Christi den Jüngern zuwenden durch die Spendung der hl. Sakramente, um deren Seelen auf diese Weise von Sünden zu befreien und zu heiligen. Es wurde den Aposteln auf diese Weise das Priesteramt übertragen. – Aber Moment, möchte man einwenden: Die Apostel waren doch schon beim letzten Abendmahl zu Priestern des Neuen Bundes geweiht worden. Das ist richtig. Aber erst am Himmelfahrtstag erhielten sie den Befehl, von ihrer Weihegewalt Gebrauch zu machen. Man beachte den Unterschied! Nicht jeder gültig geweihte Priester oder Bischof darf unter normalen Umständen einfach so, nur aufgrund der Tatsache der erfolgten Weihe, die Sakramente spenden. Dazu muß er erst in ein Amt eingesetzt werden und darf dann auch nur innerhalb seines Amtsbereiches wirken. Wie der Amtsbereich des ewigen Hohenpriesters Jesus Christus unbegrenzt gewesen ist, so auch das Priesteramt der Apostel. Es erstreckte sich auf „alle Völker“.

Schließlich sollten die Träger des Apostolates die Gläubigen zur Befolgung der Gebote Christi anhalten und leiten, wodurch Er ihnen die Hirtengewalt übertragen hat.

d) Der göttliche Beistand

Ungeachtet der sorgfältigen Unterweisung des Heilandes blieben die Apostel vielfach hinter ihrer hohen Aufgabe zurück. Wiederholt mußte der Herr ihre Kleingläubigkeit, ihre nationalen Vorurteile und ihre irdische Gesinnung mit teilweise scharfen Zurechtweisungen bekämpfen. Auch hatten sie sich schwer getan, die Notwendigkeit des Leidens und Sterbens des Heilandes zu erfassen und anzunehmen. Um der menschlichen Gebrechlichkeit der Apostel zu begegnen, fügte der Herr zum Abschluß Seines Missionsbefehls die tröstliche Verheißung Seines andauernden Beistandes hinzu: „Denn seht, Ich bin bei euch alle Tage bis ans Ende der Welt.“ (ebd.). Der göttliche Beistand wurde den Aposteln mehrmals in Form einer Mitteilung des Heiligen Geistes verheißen. Am Pfingstfest wurde sie ihnen zuteil. Diese bewirkte eine gänzliche Umwandlung der Apostel, womit die Einsetzung der Zwölf in das Amt des Apostolates abgeschlossen war.

Das fleischgewordene Evangelium

Die großen Weltweisen legen ihre Lehren in Büchern nieder. Moses schrieb das Gesetz auf steinerne Tafeln. Von Christus hingegen ist nicht bekannt, daß Er etwas aufgeschrieben hätte, außer ein paar Worte mit dem Finger in den Staub (Joh. 8,6). Und dennoch hatte auch Jesus als „neuer Moses“ eine Buchrolle verfaßt. Das Buch, das Christus selbst geschrieben hatte, waren die Apostel. Es wurde nicht mit Tinte geschrieben, sondern durch den Heiligen Geist. So sagt der hl. Johannes Chrysostomus: „Die Apostel kamen nicht von einem Berge herab und trugen keine steinernen Tafeln in ihren Händen, wie Moses; dafür trugen sie den Heiligen Geist in ihrem Sinn und strömten gleich einem Quell die Schätze der Lehre und der Charismen und jeder Art geistiger Gaben aus. So wurden sie durch die Gnade zu lebendigen Schrift- und Gesetzesbüchern und wanderten überall umher. Auf diese Weise zogen sie jene 3000, so jene 5000, ja alle Nationen der Welt an sich, indem Gott durch ihren Mund mit allen verkehrte, die sich ihnen zuwandten.“ (Hom. in. Mt. 1,1; PG 57,15).

Verhältnis von Primat und Apostolat

Alle zwölf Apostel kamen im Apostolat überein; Petrus und die übrigen Apostel. Alle zwölf erhielten ihre Sendung unmittelbar von Christus. Keiner der Zwölf war in der Ausübung des Apostelamtes, weder der Vollmacht nach noch dem örtlichen Wirkungsbereich nach, in irgendeiner Weise eingeschränkt und durch die Fülle des Heiligen Geistes mit der persönlichen Unfehlbarkeit im Lehren ausgestattet.

Alle zwölf Apostel waren universale Lehrer, Priester und Hirten der Kirche. Jeder von ihnen wurde von Christus dazu aufgestellt, die Gesamtkirche zu lehren, zu heiligen und zu leiten.

Ihrer Sendung, ihrer Vollmachten und ihrer übernatürlichen Ausstattung nach waren die Apostel dem hl. Petrus also absolut ebenbürtig – einschließlich der Binde- und Lösegewalt, wie der Unfehlbarkeit. Die einzige Überlegenheit des hl. Petrus gegenüber den übrigen Aposteln bestand in der Tatsache, daß Christus den Simon Petrus allein zum Hirten der Apostel berief. Er sprach ja nicht nur zweimal „Weide meine Lämmer“ (Joh. 21,15.16), wodurch Petrus zum Hirten über Laien und Klerus bestellt wurde, sondern auch „Weide meine Schafe.“ (Joh. 21,17). Die geistigen Mutterschafe aber, welche die Lämmer gebären, sind niemand anderes als die Apostel. Im Apostolat waren alle Apostel einander gleichgestellt, aber durch den Primat waren sie alle dem Petrus untergeordnet.

Für heute wollen wir festhalten, daß Jesus Christus selbst den Grund seiner Kirche gelegt hat; einmal im Primat Petri und im Apostolat der zwölf Apostel. Wir haben gesehen, daß der Herr zur Stiftung des Apostolates die verschiedenen Stände der Kirche ins Leben gerufen hat: den Laienstand, den Klerikerstand und den Stand der Hirten mit dem Petrus an der Spitze.

Die Göttlichkeit der Kirche und ihrer Verfassung

Ganz nebenbei haben wir außerdem nachgewiesen, daß Jesus Christus und damit Gott Selbst die katholische Kirche gegründet und ihr jene hierarchische Verfassung gegeben hatte, welche sie durch die letzten 2000 Jahre bewahrt hat. Dieselbe Verfassung, welche sie heute besitzt und die sie bis zum Ende aller Zeiten besitzen wird.

Damit haben wir die Behauptung der Modernisten widerlegt, der historische Jesus von Nazareth habe gar keine Kirche als Organisation gründen wollen; die Kirchenstrukturen hätten sich erst aus der „Urgemeinde“ heraus entwickelt, was dann natürlich bedeuten würde, daß die hierarchische Ordnung in der Kirche nicht göttlichen, sondern allein menschlichen Ursprungs sei und folglich beliebig geändert, abgeschafft oder völlig neugestaltet werden könnte, je nachdem, wie es die Erfordernisse der jeweiligen Zeitepoche erfordere. Genau das haben die Konzilspäpste seit dem 2. Vatikanum getan. Sie haben die Kirche umstrukturiert und so die „konziliare Kirche“ geschaffen. Nichts anderes macht Bergoglio, wenn er, als fleißiger Baumeister, die „konziliare Kirche“, den zeitlichen Erfordernissen entsprechend, in eine vorgeblich basisdemokratische „synodale Kirche“ transformiert.

Dem entgegen bekennen wir mit der Formel des „Antimodernisteneides“ des hl. Papstes Pius X., daß „die Kirche, die Hüterin und Lehrerin des geoffenbarten Wortes, durch den wahren und geschichtlichen Christus selbst in der Zeit Seines Erdenlebens unmittelbar und persönlich gegründet und daß sie auf Petrus, den Fürsten der apostolischen Hierarchie, und seine Nachfolger in Ewigkeit erbaut wurde.“ (DS 3540).

Wir wollen Gottes unendliche Weisheit bewundern, mit welcher Er die katholische Kirche selbst gegründet und durch seinen immerwährenden Beistand unverändert bewahrt. Wir wollen Ihm durch die Darbringung des hl. Opfers dafür danksagen, daß auch Er uns zu Jüngern dieser göttlichen Kirche berufen hat; zu Seiner höheren Ehre und Verherrlichung; zum Heile unserer Seelen. Amen.

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