4. Sonntag nach Pfingsten
Von der gesegneten Arbeit
Geliebte Gottes!
Das Evangelium vom reichen Fischfang zeigt uns die Apostel bei ihrer täglichen Arbeit. Die ganze Nacht hatte Petrus gearbeitet und nichts gefangen. Er hatte all seine Kräfte aufgeboten und nach menschlicher Klugheit alles ihm Mögliche getan. Deshalb konnte ihn auch der Mißerfolg nicht niederdrücken. Er blieb gelassen. Das ist schon bewundernswert. Noch beeindruckender ist jedoch der prompte Gehorsam des hl. Petrus. „Fahrt hinaus in die See und werft eure Netze zum Fange aus“, so lautete der Befehl des Heilandes. Ein Befehl zur Unzeit. Jeder Fischer am See Genezareth weiß: Fische fängt man in der Nacht, wenn sie hochkommen. Bei Tage halten sie sich unten auf dem Grunde auf und sind durch den Schatten des Schiffes gewarnt. Aber der Herr befiehlt und Petrus gehorcht. Erneut krempelt er die Ärmel hoch und macht sich an die Arbeit: „Auf Dein Wort will ich das Netz auswerfen.“ Und was für ein reicher Segen stellte sich ein! So zahlreich gingen die Fische ins Netz, daß dasselbe zu reißen begann. Eine solche Menge an Fischen wurde gefangen, daß die beiden Schifflein von ihrer Last so tief ins Wasser gedrückt wurden, daß sie drohten, unterzugehen.
Der wunderbare Fischfang stellt uns den Segen der Arbeit vor Augen. Jeder Mensch hat seine tägliche Arbeit. Bisweilen tut er sie gern, bisweilen nur widerwillig. Sie wird dem einen Menschen zum Fluch, dem anderen zum Segen.
Die Notwendigkeit der Arbeit
Als unser göttlicher Erlöser Seine Kirche gründete, war bei den Menschen der Sinn und Zweck der Arbeit und auch der aus ihr erwachsende Segen in Vergessenheit geraten. Die Arbeit war im Altertum geringgeschätzt. Sie war Sache der Sklaven. Sklaven waren verachtet und mit ihnen die Arbeit. Die Heiden schätzten nur geistige Tätigkeit oder den Müßiggang. Die Arbeit dagegen galt ihnen als unerträgliches und erniedrigendes Geschäft. „Es wohnt nichts Edles in der Werktätigkeit“, so schreibt Cicero in seinem Werk „De officiis“. Gegen diese Geringschätzung der Arbeit, die aus Dünkel, Sinnlichkeit und Trägheit entsprang, ist das Christentum aufgetreten und hat die verschüttete Kenntnis von Sinn und Würde der werktätigen Arbeit wieder ins rechte Licht gerückt. Und dabei geht es bei weitem mehr als um die unvermeidliche Notwendigkeit des Broterwerbs.
Der Mensch ist nämlich nach dem Bilde Gottes geschaffen. Als Ebenbild Gottes muß er den Schöpfer nachahmen. Gott aber ist der große Werkmeister. Schon die ersten Zeilen der Genesis berichten uns vom Siebentagewerk der Schöpfung, als der Schöpfergott die sichtbare und die unsichtbare Welt aus dem Nichts hervorgebracht hat. Seitdem fährt Er fort, sie im Dasein zu erhalten, wie Christus sagt: „Mein Vater wirkt bis zur Stunde, so auch Ich.“ (Joh. 5,17). Er lenkt und leitet nach dem Plan Seiner weisen und allmächtigen Vorsehung die Geschicke jedes Seiner Werke. Obwohl Gott in sich selbst alle Glückseligkeit findet, wollte Er sich doch auch freuen an den Werken Seiner Hände. „Der Herr freut sich an Seinen Werken“ (Ps. 103,31), läßt uns der 103. Psalm wissen. Der Herr freut sich an dem harmonischen Farbenspiel der Tätigkeit Seiner Geschöpfe, die Ihn verherrlichen, indem sie sich Seinen Gesetzen anpassen. Gott sah, daß die Schöpfung „sehr gut war“ (Gen. 1,31), daß sie Seinen ewigen Gedanken vollkommen entsprach.
Auch das Leben des Menschen wurde von Gott durch Gesetze geregelt. Im Schöpfungsbericht finden wir ein bemerkenswertes Wort. Nachdem Gott die Welt erschaffen hatte, setzte Er den Menschen in einen Garten der Wonne. Zu welchem Zweck? Sollte der Mensch dort sein Leben nur der Ruhe, dem Gebet und der geistigen Tätigkeit widmen? Nein, „er sollte diesen Garten bebauen und behüten.“ (Gen. 2,15). Schon vor dem Sündenfall wollte Gott, daß Adam arbeite. Denn der Mensch ist nicht nur Geist. Er hat auch einen Leib. Und die Arbeit ist zur Erhaltung der leiblichen Kräfte und Fähigkeiten notwendig. Ja, der Mensch verspürt in sich einen eingeborenen Drang zur Betätigung. In diesem Drang zur Betätigung drückt sich ein Naturgesetz aus. Und dieses Naturgesetz hat den Schöpfer der menschlichen Natur zum Urheber. Darin spiegelt sich der Wille des Schöpfers. Folglich ist es eine naturgegebene Pflicht, zu arbeiten. Im Stand der Paradiesesunschuld wäre dem Menschen die Arbeit freilich stets leicht und lieb gewesen. Sie wäre gleichsam wie ein Lobgesang der menschlichen Natur zu Gott emporgestiegen.
Nach dem Sündenfall wurde dem Menschengeschlecht abermals das Gesetz der Arbeit auferlegt. Von nun an sollte sie Adam „im Schweiße seines Angesichts“ verrichten (Gen. 3,19). Fortan würde die Arbeit mühsam, hart und undankbar sein. Im Verein mit dem Tod ist die Arbeit die große Buße, die dem sündigen Menschen auferlegt ist.
Es ist bemerkenswert, daß die bedeutendste Mönchsregel im Abendland – die Regel des hl. Benedikt – nirgends von Bußhemd, Geißel oder anderen Bußwerkzeugen spricht. Der Arbeit aber hatte er mehr als ein Kapitel gewidmet. Sie ist eine wirkliche Buße, und wer zur Vereinigung mit Gott gelangen will, darf sich dieser Buße nicht entziehen. Denn der Sinn unseres Daseins besteht in der Verherrlichung Gottes. Wir müssen Gott aber nicht nur in unserem Gebet verherrlichen, sondern auch in unserer Arbeit. „Ora et labora!“ – „Bete und arbeite!“, so lautet die benediktinische Formel. Die Verherrlichung Gottes darf nicht nur eine Angelegenheit der Seele, sondern muß Sache des ganzen Menschen sein. Sie soll nicht nur während der kurzen Zeitspanne erfolgen, in der wir schwachen Geister dem Gebet obliegen können, sondern soll auch in der Tätigkeit des Leibes fortgesetzt werden. So wird der Mensch durch die Arbeit zu einem Ganzopfer an Gott, also zu einem Geschenk, das durch die Buße der Selbstentsagung erworben und Ihm übereignet wird.
Wir werden Gott finden in dem Maß, als wir Ihn verherrlichen, und wir verherrlichen Ihn durch die freie Entfaltung all unserer Kräfte im Dienste Seines souveränen Willens. Umgekehrt wäre es eine Auflehnung gegen den Plan Gottes, wollte man nur seine Bequemlichkeit und ein menschenunwürdiges Nichtstun suchen. Mit einem solchen Verhalten kann der Mensch kein Wohlgefallen bei Gott finden und beraubt sich der göttlichen Segnungen. – Gott ist in Seiner seinserhaltenden Tätigkeit unentwegt werktätig. Folglich muß der Mensch als Ebenbild Gottes ein Abglanz desselben sein.
Aus dieser Perspektive ist es auch nicht verwunderlich, daß im Leben des menschgewordenen Gottessohnes die Arbeit einen so breiten Rahmen eingenommen hat. Den größten Teil Seines irdischen Lebens brachte der Heiland in der armen Werkstatt zu Nazareth zu, wo Er mit schwieligen Händen der harten und schweißtreibenden Tätigkeit eines Zimmermanns nachging. Diese Arbeit füllte seine Tage, daß Er von seinen Mitbewohnern „Sohn des Zimmermanns“ (Mt. 13,55) genannt wurde.
Wenn nun der Mensch das Ideal Christi zur Wiederherstellung der von der Sünde zerstörten Ordnung in sich verwirklichen soll, dann muß er notwendigerweise der Arbeit über den bloßen Broterwerb hinaus einen wichtigen Platz in seinem Leben einräumen.
Der Nutzen der Arbeit
Der Weg zur Vollkommenheit führt über die Arbeit. Noch niemand ist in den Himmel eingegangen, der nicht gearbeitet hätte, obwohl er dazu in der Lage gewesen wäre. Den faulen Drückebergern und trägen Müßiggängern bleibt der Himmel verschlossen.
Durch die Arbeit werden die Voraussetzungen geschaffen, indem die zum Lebensunterhalt erforderlichen Güter beschafft werden. Die Erde ist nicht so beschaffen, daß sie ohne Arbeit das hergibt, was der Mensch für seine Bedürfnisse benötigt. Der Mensch muß, um seinen Lebensunterhalt zu erwerben, arbeiten. In einem weiteren Schritt hat die Arbeit auch kulturelle Bedeutung. Durch die Arbeit veredelt der Mensch die Erde, herrscht über die Materie und erfüllt den göttlichen Auftrag: „Macht euch die Erde untertan!“ Der Mensch ist Mitarbeiter Gottes. Wie Gott allem eine Ordnung gegeben hat, so soll der Mensch die sichtbare Schöpfung ordnen und kultivieren. Das heute vorherrschende geordnete Landschaftsbild von Wäldern, Wiesen und Feldern ist das Ergebnis jahrhundertelanger Urbarmachung und Kultivierung, die von den Klöstern ausging und von unseren christianisierten Vorfahren über das ganze Land ausgedehnt wurde. Zu dem kulturellen Nutzen der Arbeit tritt schließlich noch ein sittlicher. Die Arbeit vervollkommnet den Menschen. Sie bildet in ihm Tugenden aus, die es sonst nicht gäbe. Die Tugenden, die aus der Arbeit erwachsen, sind Selbstzucht, Selbstverleugnung, Selbstbescheidung, Gewissenhaftigkeit, Ordnungsliebe, Umsicht, Beharrlichkeit, Pünktlichkeit, Sparsamkeit, Sinn für Autorität und Gehorsam. All diese Tugenden erwachsen aus der recht verstandenen und recht ausgeübten Arbeit. Der Mensch muß also auch arbeiten, um sich selbst sittlich zu bilden und sich zu veredeln. Er muß arbeiten, um Tugenden zu erwerben. Er muß arbeiten, um Leidenschaften zu unterdrücken. Er muß arbeiten, um vor allem dem Müßiggang, der bekanntlich aller Laster Anfang ist, entgegenzuwirken.
Schon das Alte Testament hatte unter dem Hinweis auf den Fleiß der unvernünftigen Schöpfung vor der trägen Faulheit mit den verderblichen Folgen der Verarmung und des Elendes gewarnt: „Geh zur Ameise, du Fauler, betrachte ihr Tun und werde weise. Wenn sie auch keinen Fürsten hat, keinen Vogt und Gebieter, so sorgt sie im Sommer für ihre Nahrung und sammelt sich Speise zur Erntezeit. Wie lange noch, Fauler, willst du liegenbleiben? Wann willst du vom Schlaf dich erheben? Ein bißchen noch schlafen, ein bißchen noch schlummern, ein bißchen die Hände noch falten und ruhen! Schon kommt über dich wie ein Läufer die Armut und wie ein Krieger der Mangel.“ (Spr. 6,6 ff.). Und auch der Völkerapostel hatte häufig angeblich „fromme“ Müßiggänger getadelt und sie zur Arbeit aufgerufen. So schrieb er etwa an die Thessalonicher: „Setzt eure Ehre darein, ein stilles Leben zu führen, eure eigenen Angelegenheiten zu besorgen und eurer Hände Arbeit zu verrichten! So haben wir euch angewiesen, und so wandelt ihr ehrbar vor den Außenstehenden und braucht von keinem etwas zu begehren.“ (1. Thess. 4,11 f.). Und an einer anderen Stelle sagt er: „Als wir bei euch waren, haben wir euch geboten: Wer nicht arbeiten will, der soll auch nicht essen. Nun haben wir gehört, daß einige unter euch einen unordentlichen Lebenswandel führen, nichts arbeiten, sondern sich herumtreiben. Solchen Leuten befehlen wir streng im Herrn Jesus Christus, sie sollen still ihre Arbeit tun und ihr selbstverdientes Brot essen.“ (2. Thess. 3,10 ff.). Und schließlich noch im Epheserbrief: „Wer gestohlen hat, stehle nicht mehr, sondern erwerbe sich durch die Arbeit seiner Hände ehrlichen Lohn, damit er auch den Bedürftigen mitteilen kann.“ (Eph. 4,28).
Die Arbeit ist sodann auch eine Schuldigkeit der Gesellschaft gegenüber. Denn kein Mensch kann ohne die Gemeinschaft auskommen. Niemand kann sich alles, was er zum Leben braucht, selber herstellen. Wir sind auf die anderen und ihre Arbeitserzeugnisse angewiesen. Jeder empfängt von der Gesellschaft vielerlei Gaben und Wohltaten. Die Gesellschaft leistet dem Einzelnen viele Dienste, folglich muß auch er seinen Beitrag zum Gemeinwohl leisten.
Der Beruf und die Berufswahl
Der Mensch kann in seiner Beschränktheit nicht alles leisten. Die Arbeiten müssen aufgeteilt werden, je nach Geschick, Anlage, Neigung und Lebensverhältnissen. Deshalb gibt es verschiedene Berufe, die in ihrem Zusammenwirken das Wohl aller Glieder der menschlichen Gesellschaft erreichen. Jeder ist durch den Beruf hingeordnet auf ein Ziel, das er erreichen soll. Darin findet jeder seine Aufgabe, die zu erfüllen ihm auferlegt ist, durch die er sich den notwendigen Lebensunterhalt verschaffen kann und in der er wenigstens einen Teil seiner irdischen Erfüllung erkennt.
Der Beruf unterscheidet sich wesentlich vom Job. Der Job ist eine meist kurzfristige Tätigkeit, die unmittelbar auf das Geldverdienen und den Lebensunterhalt ausgerichtet ist. Der Beruf dagegen ist normalerweise eine Lebensaufgabe. In dieser Lebensaufgabe findet der Mensch ein Stück seines Lebenssinnes. Der Beruf verdankt sich einer Wahl. Man muß den Beruf wählen.
Für die Berufswahl gelten verschiedene Gesichtspunkte. Man soll einen Beruf wählen, zu dem man Neigung hat. Die Neigung des Menschen ist nicht nur ein unbestimmtes Gefühl, sondern läßt sich erkennen an den Fähigkeiten, Begabungen und Eigenschaften, die jemand besitzt und deren Betätigung ihm Freude bereitet.
Zu der Neigung muß sich jedoch auch noch die Eignung hinzugesellen. Man kann und soll nur einen Beruf wählen, für den man geeignet ist. Eine Person von schwächlicher Konstitution kann nicht den Beruf eines Bergbauarbeiters wählen. Ein geistig wenig begabter Mensch sollte keinen Beruf wählen, in dem hohe intellektuelle Kräfte gefordert sind. Man darf also nicht nach Höherem streben, nicht nach dem, was die eigenen Kräfte nicht leisten können.
Vor Gott ist jeder Beruf gleich. Da gibt es keine minderwertigen oder niederen Berufe. Vor Gott ist jeder Beruf geeignet, den Menschen zum Himmel zu führen, wenn er nur ehrlich und ernsthaft ausgeübt wird. Gewiß mag es hinsichtlich der Bedeutsamkeit der Berufe Unterschiede geben. Es mag eine Rangordnung geben, das sei unbestritten. Aber man darf es nicht wagen, diejenigen, die uns das Leben angenehm machen, die für Arbeit, die für Wohnung, die für Kleidung, die für Nahrung sorgen, geringschätzig zu beurteilen. Wie kann man denen, die sich die Hände schmutzig machen, damit andere sich die Hände nicht schmutzig zu machen brauchen, mit einem dünkelhaften Überlegenheitsgefühl gegenübertreten? Oft sind doch die sog. „niederen Berufsstände“ die allernotwendigsten. – Was würden wir tun, ohne den Bauernstand? Das Schnitzel entsteht nicht auf dem Büroschreibtisch, das Brot kommt nicht aus dem Kopierapparat und die Milch fließt nicht aus dem Wasserhahn. – Was würde passieren, wenn die Müllabfuhr streikt? In kurzer Zeit ist eine wohlgeordnete Gemeinde nicht mehr wiederzuerkennen. Wie notwendig sind also diese Männer, die uns eine so schwere und weitgehend unangenehme Arbeit abnehmen! – Besondere Ehre verdient sodann der Beruf der Hausfrau. Dieser Beruf ist von unermeßlicher Bedeutung. Die Hausfrau ist es, die eine Wohnung zum Heim macht. Die Hausfrau ist es, die den Kindern eine Geborgenheit vermittelt. Die Hausfrau ist es, die ihrem Mann, wenn er abends müde nach Hause kommt, eine schöne Heimstatt bereitet. – Kein ehrbarer Beruf verdient also eine geringschätzige oder mitleidvolle Beurteilung. Zu bemitleiden ist nur derjenige, welcher in seinem Beruf unglücklich ist.
Dabei kommt ein großer Teil des Unglücks der Menschen daher, daß sie einen falschen Beruf gewählt haben, daß sie bei der Berufswahl nicht besonnen genug waren, daß sie nur auf das gesehen haben, was Spaß macht oder was im Trend liegt oder was man dabei verdient oder wie viel Urlaub man hat; dabei aber nicht bedacht haben, wofür sie geeignet sind und wozu sie ihre wahre Neigung hinzieht.
Die Berufswahl ist aber auch bestimmt von Lebensverhältnissen. Wenn ein Vater eine Spedition aufgebaut hat, dann erwartet er mit Recht, daß eines seiner Kinder diesen Betrieb einmal übernimmt und weiterführt. Und die Kinder sollten es sich ernsthaft überlegen, ob sie nicht für diesen Beruf geeignet sind und Neigung verspüren. Mit der Neigung ist es nicht so, daß sie uns in eine bestimmte Richtung zwingt. Die Neigung hat einen erheblichen Spielraum und kann bis zu einem gewissen Teil auch willentlich entwickelt werden.
Ähnlich verhält es sich mit der Eignung. Die Eignung zwingt uns nicht in einen bestimmten Beruf hinein. Der Mensch hat ein gewisses Umfeld, das er mit seinen Kräften bewältigen kann. Wenn also jemand den Traumberuf nicht erreichen kann, den er sich vorstellt, dann eben einen anderen. Er kann auch in einem anderen Großes und Gutes wirken und sich für das Heil seiner Seele und zum Wohle der Gemeinschaft nützlich machen.
Denn der Beruf muß auch und vor allem gewählt werden mit Rücksicht auf das Seelenheil. Man darf keinen Beruf wählen, in dem das Seelenheil gefährdet wird oder sogar mit Sicherheit verlorengeht. Das Seelenheil muß bei der Berufswahl die gewichtigste Rolle spielen.
Um den richtigen Beruf zu wählen, läßt man sich klugerweise beraten. Man tauscht sich darüber mit den Eltern aus, man fragt gewissenhafte Bekannte und Freunde, welche Neigungen und Eignungen sie an uns wahrnehmen bzw. ob sie uns den Beruf, der uns vorschwebt, zutrauen würden.
Freilich gibt es bei jedem Beruf Angenehmes und Unangenehmes. Es wird keinen Beruf geben, der keine Enttäuschungen und keine Mühen mit sich bringt. Jeder Beruf hat seine Last und seine Lust. Deswegen wird bei der rechten Berufswahl immer abgewogen werden, was ein Beruf an Erfreulichem, aber auch an Lästigem bringen kann. Gewiß kann es Umstände geben, die einen zu einem Berufswechsel zwingen können. Doch sollte man, so viel an einem selber liegt, in dem Beruf bleiben, den man nach allen Regeln der Klugheit gewählt hat, und darin ausharren. Man soll sich nicht von den persönlichen Empfindlichkeiten oder von den Lauen zu einem Berufswechsel bewegen lassen. Durch Beharrlichkeit im Beruf sollen gerade unsere Empfindlichkeiten und Launen überwunden werden. Aus ist zu beherzigen, daß der Beruf eben auch Buße ist, und uns deshalb dabei das Kreuz nach Gottes weiser Vorsehung in irgendeiner Form stets begegnen wird. Da heißt es nicht Reißaus nehmen und die Flucht ergreifen, sondern anpacken und tragen. Unser Beruf soll nicht nur ein Mittel sein, um unseren Lebensunterhalt zu bestreiten, sondern auch um unser Heil zu wirken.
Die Berufsausübung
Die Ausübung jedes Berufs legt eine Verantwortung auf. Die Verantwortung zeigt sich in verschiedener Hinsicht. Man muß ein bestimmtes Faktenwissen haben, man muß flexibel sein, man muß kollegial in seinem Beruf handeln, man muß redlich bei der Ausführung seiner Arbeit sein, man muß bereit sein, Neues zu lernen und sich fortzubilden. Kurz: Es wird das Vorhandensein einer bestimmten Arbeitsmentalität verlangt. Bei jedem Beruf ist sie verschieden. Beim Handwerker ist sie vorhanden, wenn er seine Arbeit sorgfältig verrichtet und weder Pfusch abliefert noch überhöhte Preise fordert. Bei einer Krankenschwester liegt er vor, wenn sie die Kranken nicht nach ihrer Liebenswürdigkeit, welche diese ausstrahlen, behandelt, sondern nach Maßgabe ihres Leidens, nach der Schwere ihrer Krankheit und nach den Bedürfnissen, die ihnen ihr Leiden auferlegt. Bei einem Lehrer ist es vorhanden, wenn er wohlvorbereitet den Unterricht beginnt, seinen Schülern gerecht begegnet, sie nicht nach Schubladen einteilt, sondern allen in aufrichtigem Wohlwollen sein Herz öffnet und sich keine Lieblinge heraussucht.
Man kann sich auch gegen den Beruf versündigen. Etwa wenn man sich nicht genügend vorbereitet, wenn man den Beruf schlampig und schludrig und unpünktlich ausübt, wenn man die Pflichten des Berufes nicht ernst nimmt. Wer den Beruf nur aus Profitgier betreibt, versündigt sich genauso wie jener, der aus Wankelmut nie in einem Beruf Ruhe findet und stets nach anderen Berufen Ausschau hält.
Damit die Arbeit jedoch zu einem wahren Quell des Segens wird, muß sie drei Merkmale aufweisen:
- Die Arbeit darf nicht ohne Gott getan sein. Vor allem nicht ohne Gott! Damit es im Tode beim Gericht nicht heißt: „Vergebens gearbeitet!“ – Ohne Gott arbeitet, wer im Stand der Todsünde arbeitet. Ohne die heiligmachende Gnade ist man von Gott getrennt, wie die abgeschnittene Rebe vom Weinstock getrennt ist. Alles, was man in diesem Zustand leistet, ist vor Gott ohne Wert und für den Himmel verloren. Die Todsünde ist also der größte Räuber, der dem Menschen sowohl den Herzensfrieden als auch das ewige Verdienst seiner guten Werke entreißt. – Ohne Gott arbeitet sodann, wer nur widerwillig, mürrisch und verdrießlich an die Arbeit geht. Der hl. Petrus war müde und erschöpft. Und doch warf er willig auf Gottes Geheiß die Netze aus. Ein freudiges „In Gottes Namen“ versüßt alle Mühe der Arbeit und zieht wie ein Magnet Gottes Segen herab.
- Die Arbeit muß für Gott getan sein. Das geschieht vor allem durch die „gute Meinung“, mit der wir am Morgen all unser Tun und Lassen Gott zur höheren Ehre aufopfern. „Die Hand bei der Arbeit, das Herz bei Gott!“ Das soll unser Wahlspruch sein. Die „gute Meinung“ richtet alle unsere Werke auf die Ehre Gottes aus und verwandelt auf diese Weise selbst die gewöhnlichste Tätigkeit in Gold für die Ewigkeit. Alle Arbeiten werden so zu einem wahren Gottesdienst und Gotteslob, das sich in die Harmonie der Schöpfung einfügt. Der Schraubenschlüssel, der Hammer, das Bügeleisen oder der Kochlöffel wird so zu einem Himmelsschlüssel, wie bei jenem Schneider, der im Sterben lag. Er sprach: „Bringt mir meinen Himmelsschlüssel!“ Man brachte ihm die Gebetbücher, den Rosenkranz, das Kruzifix. Aber er war nicht zufrieden. Endlich bemerkten die Umstehenden, daß er sehnsüchtig auf sein Nähzeug blickte. Man brachte es ihm. Er führte das Nadelkissen an seine Lippen zum Kuß und sprach: „Das ist mein Himmelsschlüssel; denn ich habe jeden Stich zur Ehre Gottes getan.“ Für Gott arbeiten heißt: Alles im Gehorsam gegen Gott und gegen die Vorgesetzten tun. Denn wer geleitet vom Eigensinn arbeitet, dessen Mühe ist eitel, wie die Heilige Theresia von Avila mahnt: „Wir arbeiten umsonst am Aufbau unserer Seelenburg, wenn Gott uns nicht durch den Weg des Gehorsams Gnade und Segen spendet.“ Dasselbe sagt auch der Psalmist: „Wenn der Herr das Haus nicht baut, dann mühen sich die Bauleute umsonst.“ (Ps. 126,1).
- Schließlich muß die Arbeit auch mit Gottes Hilfe verrichtet werden. – Wer allein auf die eigene Kraft baut, der hat auf Sand gebaut. Wer immer auf Gottes Hilfe vertraut, der hat auf Felsen gebaut. Der wird es auch fertigbringen, die Arbeit in der richtigen Ordnung zu verrichten. Nämlich: zuerst das unbedingt Notwendige, dann das Nützliche und dann, wenn noch Zeit bleibt, das bloß Angenehme. Um in rechter Ordnung arbeiten zu können, sollen wir nicht nur am Morgen die „gute Meinung“ machen, sondern auch während der Arbeit durch öftere Stoßgebete zu Gott aufblicken. Das heißt: Die Mühe und Beschwerlichkeit halbieren, die Kraft und den Segen verdoppeln. Ein frommer Arbeiter wurde einmal gefragt, warum auf der Arbeit vieler Menschen so wenig Segen ruhe, obwohl sie doch so fleißig schaffen. Er antwortete: „Weil die meisten Menschen nur mit zwei Händen arbeiten.“ – „Mit zwei Händen?“, rief der Fragende erstaunt aus und fügt hinzu, mit wie vielen Händen denn er arbeiten würde. „Mit vier Händen“, entgegnete ihm der fromme Arbeiter: „Mit zwei arbeitenden und zwei betenden Händen.“ Wer ohne Gebet arbeitet, dem fehlt es an Gottes Segen, der wirft nicht in Gottes Namen die Netze aus, sondern nur im eigenen; und halbiert damit seine Kraft.
Auf Dein Wort hin!
Fassen wir anhand des wunderbaren Fischfangs des hl. Petrus neuen Eifer für unser Berufsleben. Rufen wir wie er jeden Morgen aus: „Auf Dein Wort hin, Herr, werfe ich die Netze aus.“ Gott segnet die Arbeit, die mit Ihm und für Ihn und im Vertrauen auf Seine Hilfe getan wird. Zeichnen wir uns also aus in unserem Beruf. Geben wir die christliche Arbeitsmentalität, die wir heute versucht haben zu skizzieren, an unsere Kinder und an die Menschen, die uns anvertraut sind, weiter. Seien wir ihnen ein Vorbild in beruflicher Zuverlässigkeit und Treue, und wir dürfen den Segen Gottes dann nicht bloß im Diesseits, sondern auch im Jenseits erhoffen. Denn unser göttlicher Erlöser versicherte uns: „Der Arbeiter ist seines Lohnes wert.“ (Lk. 10,77). Und der Völkerapostel fügt hinzu: „Ein jeder wird seinen Lohn empfangen gemäß seiner Arbeit.“ (1. Kor. 3,8). Amen.