Fest Allerheiligen
Die Verehrung der Heiligen
Geliebte Gottes!
Wie wir dem Abschnitt aus der Geheimen Offenbarung des hl. Johannes soeben entnehmen konnten, sind die Heiligen eine unermeßliche Schar; ein gewaltiges Heer. Und die Kirche hält heute Heerschau! Aus allen Ständen und Berufen sind die Heiligen gekommen, Kaiser und Könige – Heinrich, Eduard und Ludwig; Kaiserinnen und Fürstinnen – Kunigunde, Elisabeth und Hedwig. Aber auch einfache Menschen, Soldaten wie Mauritius und Sebastian, wie der Schuhmacher Crispinus und wie die Dienstmagd Verena und die heilige Christina, Bauern und Hirten wie Wendelin. – Aus allen Ständen sind sie, aus jeder Höhe und Tiefe des irdischen Lebens sind Heilige emporgewachsen ins Reich der Vollendung.
Da sind die Männer und Frauen, die mit ihrem Blut für Christus Zeugnis abgelegt haben, die heiligen Märtyrer. Sie verachteten den Tod, weil sie der Auferstandene berührt hatte. Es siegte in ihnen, der in ihnen lebte. Da sind die Bekenner, deren Leben, Leiden und Lieben für Christus gezeugt hat. Sie haben bewiesen wie mächtig die Gnade Gottes ist, denn es gibt keine Tugend, die nicht von Gott gestiftet wäre.
Zwei Gottesbeweise werden immer die besten bleiben: 1. wenn die Christen nach ihrem Glauben leben, und 2. wenn sie für ihren Glauben sterben.
Da sind ferner auch heilige Frauen, denn das Heerlager Christi ist nicht nach Geschlechtern getrennt. Es gibt nur eine einzige Armee, und wenn Gott sich einem Volke gnädig erweisen will, dann schenkt er ihm heilige Frauen, wie Gertrud von Helfta, Katharina von Siena, oder Jeanne d’Arc, die Jungfrau von Orleans. Die Jungfräulichkeit ist das süße und gewaltige Lied, das den Himmel und die Erde erfreut.
Unter den Heiligen sind manche, die uns besonders nahestehen: unsere Namenspatrone, die Patrone unserer Heimat, unseres Ortes. Auch die Heiligen, die uns den Glauben gebracht haben: die hll. Bonifatius und Petrus Canisius. – Und nicht zuletzt die 14 Nothelfer, die wir oft anrufen sollten, vom hl. Georg angefangen über den hl. Blasius bis hin zu den hll. Katharina und Barbara. Die Heiligen sind die Helden im Reiche Gottes. Die Heiligengeschichte ist das Heldenlied der Kirche. Sie ist geschrieben von Männern und Frauen, von Erwachsenen und Kindern; von „einer Schar die niemand zählen kann“. So groß ist sie: aus allen Stämmen, Völkern, Sprachen und Nationen. So groß ist ihre Zahl, daß die Tage des Jahres bei weitem nicht ausreichen, um jedem von ihnen einen eignen Festtag zuzuweisen.
Das Allerheiligenfest
Als Rom christlich wurde, verwandelte man das Pantheon, das die heidnischen Römer errichteten, um darin allen Götzen des Imperiums zu huldigen, in eine christliche Kirche. Diese christliche Kirche wurde am 13. Mai 609 von Papst Bonifazius IV. zu Ehren der Gottesmutter und aller heiligen Märtyrer geweiht. Und das geschah wohlgemerkt nicht, um heidnische Gebräuche zu „verchristlichen“, nicht, um den Römern ihre alten Bräuche zu lassen und ihnen nur einen christlichen Sinn anzudichten, wie man bisweilen liest. Nein, die Weihe des Pantheon zu Ehren der Gottesmutter und aller Märtyrer sollte den Sieg des Christentums über das Heidentum anzeigen. Es sollte angezeigt werden, daß die Blutzeugen über die heidnischen Götzen triumphiert haben; daß die hl. Märtyrer die Dämonen – denn „die Götzen der Heiden sind Dämonen“ (1. Kor. 10,20) – obwohl sie der heidnischen Gewalt und Folter scheinbar unterlagen, in Wahrheit durch ihre Standhaftigkeit im Glauben und durch ihr Blutvergießen bis zum Tod überwunden und besiegt haben. Seither herrschen alle hl. Märtyrer unter der Himmelskönigin an genau jenem Ort, den die Römer allen Dämonen geweiht hatten. Das ist der Ursprung des Festes Allerheiligen.
Jenes Fest, das auch den unzähligen unbekannten Heiligen gilt. Die Übung, alle Heiligen an einem Tage zu verehren und anzurufen, breitete sich aus. König Ludwig der Fromme, selber ein Heiliger, sorgte dafür, daß das Fest im ganzen Frankenreich eingeführt wurde.
Beginn der Heiligenverehrung
Die Heiligenverehrung begann jedoch schon viel früher. Sie setzte ein mit dem Kult der Märtyrer. Belehrt durch Christus im Heiligen Geist, wußten die Christen von Anfang an, daß, wer sein Blut für Christus vergießt, ganz gewiß in das himmlische Gottesreich aufgenommen wird. „Wer sein Leben um Meinetwillen verliert, der wird es finden.“ (Mt. 16,25).
Christus hat gleichsam in den Gliedern der hl. Blutzeugen Sein Kreuzesleiden erneuert und fortgesetzt. Und so haben die Christen nachweislich seit dem 2. Jahrhundert über den Gräbern der Märtyrer das hl. Meßopfer gefeiert. Sie haben Kirchen und Kapellen über den Gräbern der Märtyrer erbaut. Die herrlichen Kirchen in Rom – der Petersdom, St. Paul vor den Mauern, St. Sebastian, St. Laurentius vor den Mauern, usw. – wurden über den Gräbern der Märtyrer errichtet. Daher kommt auch der Brauch, daß bei der Weihe eines jeden Altares oder Altarsteines, in demselben durch den Bischof die Reliquien wenigstens eines hl. Blutzeugen, eingefügt bzw. beigesetzt werden müssen. – Der Altarstein symbolisiert ja Christus. Deshalb sind fünf Kreuzzeichen in den Altarstein eingemeißelt, welche auf die fünf Wundmale des Heilandes hinweisen. Die Heiligen, insbesondere die hl. Märtyrer sind die bevorzugten Glieder Christi. „Christus ist das Haupt“, sagt der hl. Paulus, „und wir sind die Glieder.“ (vgl. 1. Kor. 12,12). Daher gilt das Wort des Herrn um so mehr ihnen: „Was ihr dem geringsten Meiner Brüder getan habt, das habt ihr Mir getan.“ (Mt. 25,40). Deswegen soll das hl. Opfer stets über den Gräbern jener Glieder der Kirche dargebracht werden, die durch ihr Blutzeugnis dem gekreuzigten Erlöser am ähnlichsten geworden sind.
Das Gebet zu den Heiligen
Die Verehrung der Heiligen erstreckt sich auf fünf Bereiche. – Erstens: Wir beten zu ihnen. Wir beten sie nicht an! Das ist eine Verkennung, vielleicht auch eine gewollte Diffamierung der Heiligenverehrung durch die Ungläubigen, die uns des Götzendienstes bezichtigen. Nein, wir beten die Heiligen nicht an, sondern wir beten zu ihnen.
Anbeten, d.h. als den höchsten Herrn anerkennen, kann man nur Gott. Anbetung ist nämlich jener religiöse Kultakt, durch den das vernunftbegabte Geschöpf die Oberherrlichkeit Gottes und die eigene vollständige Abhängigkeit von Ihm anerkennt und bekennt. Sie gebührt nur Gott, dem einen und dreifaltigen Gott, der Person Jesu Christi als dem menschgewordenen Gottessohn und allem, was durch die hypostatische Union in Einheit mit der Person Jesu Christi steht; also auch Seine heilige Menschheit, Sein allerheiligstes Herz, Sein kostbares Blut; selbstverständlich auch das heiligste Altarsakrament, weil unser göttlicher Erlöser darin wahrhaft, wirklich und wesentlich gegenwärtig ist. Anbetung gebührt Gott allein.
Aber wir verehren die Heiligen als Diener Gottes, als Freunde Gottes, als Meisterwerke der Gnade Gottes. Sie sind heilig geworden durch die Macht der göttlichen Gnade, und deswegen sind sie die Meisterwerke Gottes. Jeder Künstler ist hocherfreut, wenn seine Kunstwerke von den Menschen bestaunt, bewundert und gelobt werden. Wie sollte es also Gott mißfallen, wenn wir die Heiligen als Werke Seiner Gnade bestaunen, bewundern und loben? Wenn wir sie verehren, dann verehren wir Gott! Wir verehren Gott in seinen Heiligen.
Sodann beten wir zu den Heiligen ganz anders als zu Gott. Gott bitten wir, daß Er uns aus Seiner souveränen Machtvollkommenheit Gutes verleihe und Übles abwende. Zu den Heiligen dagegen beten wir, daß sie als Freunde Gottes bei Ihm als unsere Fürsprecher tätig werden. So wie wir einander in bestimmten Anliegen um das Gebet bitten, genauso machen wir es bei den Heiligen. Wir bitten sie für uns bei Gott einzutreten. Der hl. Jakobus sagt: „Betet füreinander, damit ihr das Heil erlanget; denn viel vermag das beharrliche Gebet des Gerechten.“ (Jak. 5,16). Wenn wir also schon einander um das Gebet angehen dürfen, ja sogar sollen, wie sollte es dann abwegig sein, die Heiligen – die um ein vielfaches „gerechter“ sind als wir sündigen Erdenpilger – um ihre Fürbitte anzuflehen?
Dadurch nehmen wir Gott nichts weg. Im Gegenteil! Es ist Gott sogar sehr wohlgefällig, wenn wir die Heiligen um ihre Fürbitte angehen, weil wir uns durch die Anrufung der Heiligen demütigen und damit bekennen, daß wir selber unwürdig oder wenigstens nicht in der gleichen Weise der Erhörung unserer Bitten würdig sind, wie es bei den Freunden Gottes im Himmel der Fall ist. Die Heiligenverehrung ist keine Beeinträchtigung der Gottesverehrung, vielmehr eine Blüte derselben! Durch sie wird die Verherrlichung des dreieinigen Gottes gemehrt. Denn die Heiligkeit, deretwegen die Heiligen geehrt werden, ist eine Gabe Gottes, eine Frucht der Erlösung, somit ein steter Lobpreis Gottes.
Der Wesensunterschied zwischen Anbetung Gottes und Verehrung der Heiligen ist genau so groß wie der zwischen Schöpfer und Geschöpf! Der Unterschied wird ganz offensichtlich darin, daß wir zwei verschiedene Bittformeln anwenden: Zu Gott sagen wir: „Erbarme dich unser! Erlöse uns! Erhöre uns!“ Zu den Heiligen sagen wir: „Bittet für uns.“ Auf unseren Altären wird das hl. Meßopfer dargebracht, aber es wird nur Gott dargebracht, nicht einem Heiligen. Der Heiligen wird gedacht beim hl. Meßopfer. Aber das Meßopfer wird nur Gott dargebracht. „Wo ist ein Bischof“, sagte der hl. Augustinus, „der sagt: Wir opfern dir o Petrus; wir opfern dir o Johannes; wir opfern dir o Cyprian? Nein, unser Opfer gilt Gott allein, der den Märtyrern die Krone verliehen hat.“ – Und das Konzil von Trient definierte gegen die protestantischen Neuerer des 16. Jahrhunderts den Glaubenssatz: „Es ist gut und nutzbringend, die Heiligen, die im Himmel mit Christus herrschen, um ihre Fürsprache anzurufen, um von Gott durch seinen Sohn Jesus Christus, der allein unser Erlöser und Retter ist, Wohltaten zu erlangen.“ Die Heiligen sind unsere Fürsprecher bei Gott. Deshalb beten wir zu ihnen.
Die Feier der Heiligenfeste
Zweitens: Wir feiern ihre Feste. Der Festtag der Heiligen ist meistens ihr Todestag. Gestern, am 31. Oktober, feierten wir das Fest des heiligen Wolfgang, des Bischofs von Regensburg. Am 31. Oktober 994 ist der hl. Wolfgang gestorben. Er ist aus dieser Welt des Kampfes geschieden und in den Himmel eingegangen. Deshalb feiern wir bei den meisten Heiligen ihren Todestag, weil es ihr Geburtstag für den Himmel ist.
An diesem Tage stehen die Heiligen leuchtend vor uns und rufen uns zur Nachfolge. Jedes Heiligenfest ist ein Siegesfest! Sie haben gesiegt über das Fleisch und die Begierde, über die Lockungen der Welt und des Teufels.
Jeder Tag, an dem die Kirche ein Heiligenfest begeht, ist ein Tag der Dankbarkeit. Wir danken Gott, daß Er uns diesen Heiligen geschenkt hat, daß Er ihn durch Wunderzeichen verherrlicht hat, daß Er ihn uns zu einem Vorbild und Fürsprecher gegeben hat, den wir anrufen und nachahmen sollen.
Es ist ein Tag der Erinnerung. Wir vergessen die Heiligen nicht. Das Andenken der Heiligen darf nicht untergehen. An ihrem Festtag soll es Jahr für Jahr wieder lebendig werden. Jeder von uns trägt den Namen wenigstens eines Heiligen. Er soll uns heilige Verpflichtung sein und auch sichere Zuflucht! Verpflichtung und Zuflucht! Der Name soll uns verpflichten, das Leben des Heiligen nachzuahmen, seine Tugenden zu erwerben, so zu leben, wie er gelebt hat. Und sie sollen auch unsere Patrone sein. Sie sollen für uns bitten. Es sollte kein Tag vergehen, wo wir nicht unseren Namenspatron um seine machtvolle Hilfe anrufen.
Besonders sollen wir den Namenstag feiern. Der Namenstag steht für den Katholiken höher und sollte feierlicher begangen werden, als der Geburtstag. Denn es ist das Fest jenes Heiligen, der uns seit unserem Tauftag an dem wir für das ewige Leben geboren wurden, besonders beisteht, während unser Geburtstag lediglich ein Jahresgedächtnis unseres sterblichen, hinfälligen Lebens anzeigt. – In manchen Regionen konnte man früher Katholiken und Protestanten auseinanderhalten, indem man sich danach erkundigte, ob sie den Geburtstag oder den Namenstag feiern. Die Katholiken feierten nur Namenstag. Die Protestanten nur Geburtstag. Für jeden Katholiken muß also das Fest seines Namenspatrons ein besonderer Feiertag im Jahr sein. – Wir feiern die Feste der Heiligen.
Die Verehrung der Heiligenbilder
Drittens: Wir ehren ihre Bilder. Bilder von Heiligen sind so alt wie die Kirche. Sie erscheinen anfänglich in der Ausschmückung christlicher Gräber. Auf den Fresken der Katakomben wurden sie dargestellt als Begleiter der Verstorbenen; oder wenn es sich um Heiligengräber handelte, bei ihrer Aufnahme in die Seligkeit oder bei ihrer Krönung durch Christus. – Seit dem 5. Jahrhundert aber werden die Heiligen allein für sich dargestellt.
Das christliche Altertum und Mittelalter hat seine Kathedralen, Dome und Kirchen mit Heiligenbildern und Heiligenfiguren geschmückt. In dieser Bilderbibel konnte auch der Ärmste und Ungebildetste lesen und verstehen: „Was sie getan haben, das soll ich nachahmen.“ Die Heiligenbilder rufen uns zur Nachahmung auf, sooft wir sie anschauen.
Das Konzil von Trient hat gegen Überschwang und Verirrungen definiert: „Wir glauben nicht, in den Bildern wohne etwas Göttliches oder eine besondere Kraft.“ Nein, sondern die Bilder erinnern uns an den Heiligen. Sie haben nicht eine besondere Kraft in sich. Sie machen nicht den Heiligen selbst gegenwärtig – das wären abergläubische Verirrungen, sondern es ist so, daß die Heiligenbilder uns an ihre Tugenden erinnern und zu ihrer Nachfolge aufrufen.
Jeder von uns trägt das Bild seiner lieben Angehörigen – des Vaters, der Mutter, des Ehegatten, der Kinder – im Herzen. Wir haben ihre Bilder auch in unseren Wohnungen aufgestellt, in unseren Fotoalben aufbewahrt. Wir halten die Bilder unserer Lieben in Ehren und bewahren sie sorgfältig auf. Um wieviel mehr muß das von den Bildern derjenigen gelten, die mit Sicherheit den Sieg über Sünde, Tod und Teufel errungen haben!
Mancherorts wird die Verehrung eines Heiligenbildes von Gott mit besonderen Gnadenerweisen bedacht. Um diese Gnadenbilder haben sich teilweise große Wallfahrten gebildet; etwa in Altötting oder in Kevelar.
Um die Heiligen, insbesondere unsere Patrone, zu ehren, sollen wir ihre Bilder in unseren Häusern aufhängen, schmücken und verehren. Mancherorts ist es Sitte zur Taufe, zur Erstkommunion und Firmung und auch zur Hochzeit Heiligenbilder zu schenken. Zur Primizfeier werden vom Neupriester Bildchen von Heiligen gedruckt und ausgeteilt. An den Schriftenständen der Kirchen sieht man Heiligenbildchen ausliegen, die mit Gebeten zu ihnen bedruckt sind. Wir legen sie in unsere Gebetbücher ein. – Wir tragen auch Medaillen mit der Prägung ihres Bildes. Bisweilen sieht man sogar eine Heiligendarstellung auch auf einem Grabstein. – Wir sollen die Bilder der Heiligen ehren.
Die Reliquienverehrung
Viertens: Wir verehren ihre Reliquien. Reliquien sind Überreste von Heiligen; Überreste ihres Leibes, ihre Gebeine und auch solche Gegenstände, die mit den Heiligen in besonders naher Beziehung gestanden haben: ihr Gebetbuch, ihr Rosenkranz, das Kruzifix, vor dem sie gebetet haben, das Gewand, das sie getragen bzw. in dem sie gestorben sind.
Die Reliquienverehrung ist uralt und wird sogar im profanen Bereich geübt. Man zeigt etwa den Säbel Napoleons, die Uniform von Admiral Nelson oder die Tagebücher berühmter Persönlichkeiten.
Wir Katholiken halten die Reliquien der Heiligen in Ehren, weil der Heilige Geist sich ihrer Körper als Organe und Gefäße zu allen guten Werken bedient hat. Wie bereits erwähnt, werden Reliquien in den Altar eingelegt; man spricht vom Reliquiengrab. Und das ist die Stelle, die der Priester während der heiligen Messe immer wieder küßt, bevor er sich zum Volk umwendet.
Gott selbst hat die Reliquien der Heiligen durch Wunder verherrlicht. Und auch zu ihren Gräbern haben sich zahllose Wallfahrten gebildet. Es seien hier nur Rom und Santiago de Compostella genannt.
Der Schutzpatron von Neapel ist der hl. Januarius, Bischof von Benevent, der zur Zeit des Kaisers Diokletian enthauptet worden war. Sein Haupt und sein eingetrocknetes Blut, sowie andere Reliquien von ihm ruhen seit dem Jahr 1497 im Dom San Gennaro in Neapel. Beim Ausbruch des Vesuv im Jahr 1707, der so schrecklich war, daß durch den Rauch der Himmel bis Konstantinopel verfinstert war, trug man die Reliquien des Heiligen in einem Schrein in feierlicher Prozession dem Lavastrom entgegen und ließ den Sarg in einer Kapelle am Fuß des Vesuv zurück. Auffallenderweise hörte die Lava sofort auf zu fließen. Und schon am selben Abend sah man wieder die Sterne am Himmel leuchten. – Ferner ereignet sich alljährlich am 19. September, dem Fest des hl. Januarius, ein Wunder an seinen Reliquien. Ein Glasgefäß, in dem das eingetrocknete Blut des Märtyrers aufbewahrt wird beginnt, sobald es an diesem Tag in die Nähe seines Hauptes gebracht wird, flüssig zu werden und aufzuschäumen, wie wenn es noch ganz frisch wäre.
Gott will mit solchen Reliquienwundern unser Vertrauen auf die Fürbitte der Heiligen stärken und uns selbst zur Verehrung der Heiligenreliquien anleiten.
Die Nachahmung der Heiligen
Fünftens, das ist vielleicht für uns das Gewichtigste: Wir ehren die Heiligen, indem wir ihr Beispiel nachahmen. – Die Heiligen waren keine anderen Menschen als wir. Sie waren von Natur aus genauso geartet wie wir. Sie haben sich gefreut und sie haben gelitten wie wir. Den Heiligen hat es noch nicht gegeben, dem Schmerz nicht weh getan hätte und den Lust nicht erfreut hätte. Aber sie haben eben den Hang zum Vergnügen, zum Genuß bekämpft und überwunden. Sie haben den Unmut und den Widerwillen gegen das Leiden besiegt.
Der hl. Pfarrer von Ars, das Idealbild des Priesters – unser beschämendes Vorbild – führte ein strenges Leben. Er pflegte sich vor Tagesanbruch zu erheben und weilte stundenlang vor dem Tabernakel, damit Jesus in seiner Kirche nicht allein sei. Viele Stunden saß er im Beichtstuhl und hörte immer wieder die gleiche Leier vom Verrat der Menschen an. Er aß nur einmal am Tag und schlief wenig.
Die Heiligen hatten Kämpfe zu bestehen. Die Angriffe kamen von innen und von außen. – Von innen: Selbstzweifel, Verzagtheit, Trockenheit nagten an ihnen. Sie fühlten sich von Gott verlassen. – Von außen: Demütigungen, Zurücksetzungen trafen sie genauso, wie sie uns treffen. Ihre besten Unternehmungen wurden verdächtigt und verhindert, trafen auf Widerstand. Ein Held ist, der standhält! Und die Heiligen haben standgehalten.
Den Heiligen haben auch Versuchungen nicht gefehlt. Der Satan macht sich immer noch mehr an diejenigen heran, die sich schon auf einem hohen Stand der Heiligkeit befinden, als an jene, die noch am Anfang stehen. Der Satan hat Sinn für Qualität, um gerade die besten und schönsten Werke der Heiligkeit Gottes zuschanden zu machen. Und so haben die Heiligen Versuchungen ohne Maß über sich ergehen lassen. Aber sie haben sie überwunden. – Sie haben die Mittel gebraucht, die zu ihrer Überwindung erforderlich sind. In den dunklen Stunden der Versuchung und der Prüfung wird die Heiligkeit geboren!
Die Heiligen haben die Erde gesehen und doch den Himmel nicht aus den Augen verloren. Sie haben in der Welt gedient und doch Gott über alles geliebt. Sie haben in ihrer Zeit gelebt und doch die Ewigkeit gewonnen. Sie haben Menschen umarmt, ohne Gott zu beleidigen. Sie haben sich zu Gott geflüchtet und doch die Menschen nicht vernachlässigt. Dafür sind die Heiligen ein Beispiel, das uns tröstet und zugleich aufruft. – Konnten sie es, warum wir nicht? Warum sind wir nicht ebenso mutig und ebenso tapfer und ebenso konsequent? Warum lassen wir unser Leben als eine Halbheit, als einen unfertigen Bau, als eine Ruine einfach liegen?
Die Marienverehrung
Heute, am Fest Allerheiligen, dürfen wir natürlich nicht schweigen von der Königin der Heiligen, von der allerseligsten Jungfrau und Gottesmutter Maria.
Sie ist aus zweifachem Grunde die Königin der Heiligen. Erstens: Sie steht Gott am nächsten. Sie war Sein auserwähltes Werkzeug, als Er Seinen ewigen Sohn in die Welt sandte. Sie hat der Welt den Erlöser geboren und ihr damit die Erlösung geschenkt. Gott wollte, daß uns alles, was übernatürlich und heilig ist, aus den Händen Mariens zuteil wird. Sie ist die Mittlerin aller Gnaden. – Und Zweitens: Maria ist von Gott ausgestattet worden wie kein anderer Heiliger. In ihrer Unbefleckten Empfängnis blieb sie von der Erbsünde frei. Durch ihr makel- und sündenloses Leben hat Maria ihren Schöpfer und Erlöser verherrlicht, wie niemand sonst. Sie wurde mit Leib und Seele in den Himmel aufgenommen.
Da könnte man meinen: Ja, ist Maria uns nicht durch solche Auszeichnungen und solche Erhebungen entrückt, fern und entfremdet? Nein, sie ist unsere Mutter. Sie ist uns nahe, wie eine Mutter. Sie ist um uns besorgt, wie die beste Mutter! Am Kreuz hat sie Christus als Seine Mutter und unsere Mutter bezeichnet. Darum sammeln sich um Maria ihre glücklichen Kinder: Jung und Alt, Männer und Frauen, Gottgeweihte und Laien. Unaufhörlich strömt der Ruf zu ihr: „Heilige Maria, Muttergottes, bitte für uns Sünder, jetzt und in der Stunde unseres Todes.“ Dieser Ruf wäre schon längst erstorben, wenn er nicht erhört würde. Denn wenn Maria, die fürbittende Allmacht am Throne Gottes, mit uns die Hände faltet, dann steigt unser Gebet wahrlich zum Himmel auf. Maria, die Gottesmutter, die uns einst mit Jesus den Heiligen der Heiligen gebracht hat, will uns alle zu Jesus bringen. Sie will uns alle zu Heiligen formen.
Der Weg zur Heiligkeit
Worin aber besteht die Heiligkeit? – Aus drei Dingen. Erstens: Man muß sich selbst aus der Hand Gottes annehmen. Das ist nicht so leicht, wie es ausgesprochen wird, denn mancher von uns klagt über seine Unzulänglichkeit, möchte ein anderer oder wenigstens anders sein. Aber nein, wir müssen uns bescheiden und uns so aus der Hand Gottes annehmen, wie wir geschaffen und begabt worden sind; aus welcher Familie und aus welchen Verhältnissen wir hervorgegangen sind; welche Möglichkeiten und Fähigkeiten uns in die Wiege gelegt wurden – oder eben nicht. Nicht allen hat Gott fünf Talente gegeben. Manchen nur zwei. Manchen sogar nur eines. Man darf nicht mit Gott hadern, daß wir so sind, wie wir sind. Gott hat nicht alle gleich begabt. Er wird aber auch nicht von allen das Gleiche verlangen. Wem viel gegeben ist, von dem wird auch viel gefordert werden. Wem wenig gegeben ist, der muß sich mit eben dem bescheiden. So ist also das Erste, um heilig zu werden: sich aus der Hand Gottes annehmen, sich mit Gott bejahen.
Das Zweite besteht darin, und das ist noch schwerer, nämlich die Menschen aus Gottes Hand annehmen; die Menschen, die Gott uns an den Lebensweg gestellt hat. Nicht klagen und nicht jammern: „Ich möchte andere Menschen haben.“ Eine andere Familie, andere Nachbarn, andere Arbeitskollegen, andere Vorgesetzte! Nein, die Menschen, die uns umgeben, das sind die, welche Gott ausgewählt hat und uns sendet. Das sind die, an denen wir unsere Heiligkeit wirken sollen! Wir brauchen keine anderen. Diejenigen, die uns umgeben, sind uns von Gott gesandt, auf daß wir an ihnen Heiligkeit lernen!
Drittens: Wir sollen in dem Bereich, der uns zugewiesen ist; also an dem Ort, an den uns die weise Vorsehung Gottes hingestellt hat, die Ordnung herstellen, die Ordnung nach Gottes Willen. Diese Ordnung vollziehen in der kleinen und in der großen Welt; in unserem inneren Seelenleben – in der Gedankenwelt – und im persönlichen Umfeld des täglichen Lebens, aber auch im gesellschaftlichen und staatlichen Leben. Wir müssen die göttliche Ordnung in dem Stück Welt schaffen, das uns anvertraut ist, soweit es uns tatsächlich aufgegeben ist und soweit wir dazu fähig sind.
Gerade das Leben der Heiligen beweist, daß es darauf ankommt, das ewige Glück im Jenseits durch die Erfüllung unserer diesseitigen Pflichten, die sog. Standespflichten, zu erwerben. Das ewige Glück können wir nur dadurch erreichen, daß wir es auf Erden verdienen, daß wir unsere Diesseitsaufgaben, die uns nach dem Willen Gottes zugewiesen sind, in heiliger Treue, Hingabe und Opferbereitschaft erfüllen.
Gewiß glauben wir, daß ein guter Tod für uns von ausschlaggebender Bedeutung ist. Aber wir wissen auch, daß ein guter Tod nur die Frucht eines guten Lebens ist. In Gott hinein sterben ist genauso leicht oder so schwer wie in Gott hinein zu leben. Wer in Gott hinein lebt – wer also nach der Heiligkeit strebt – der wird auch die Kraft finden, selig in Gott hinein zu sterben.
Folgen wir deshalb der Lebensweisheit der Heiligen. Folgen wir dem Weg der Heiligen zur Heiligkeit! Wo findet sich der Weg zur Heiligkeit? – Christus hat uns den Weg der Heiligen soeben im Evangelium des heutigen Tages beschrieben: Sie waren arm im Geiste, und deswegen besitzen sie jetzt das Reich Gottes. Sie waren sanftmütig und deshalb sind sie zur Selbstbeherrschung gelangt. Sie trauerten und beweinten ihre Sünden. Sie besserten ihre schlechten Gewohnheiten, deshalb wurden sie mit einem guten Gewissen getröstet, das die Angst vor dem Tode vertrieb. Sie hungerten und dürsteten nach Werken der Buße und der Gerechtigkeit und werden jetzt gesättigt mit der ewigen Seligkeit Gottes. Sie waren friedfertig, und deswegen fanden sie heim zum ewigen Frieden. Sie waren barmherzig, und deswegen haben sie Barmherzigkeit erlangt. Sie waren reinen Herzens, und deswegen dürfen sie jetzt Gott schauen. Sie haben gelitten und gekämpft, geduldet und getragen, und deswegen haben sie den verheißenen Lohn gefunden.
Heute rufen sie uns zu: „Diesen Weg müßt auch ihr gehen!“ Ist es auch kein leichter Weg, fordert er auch Entsagung und Überwindung, es ist der einzige Weg, der sicher – ja, todsicher – zur letzten Erfüllung des Menschenlebens führt. „Freut euch und frohlocket, denn euer Lohn ist groß im Himmel.“ Amen.