„Er muß herrschen!“

Geliebte Gottes!

„So ein gottverlassenes Tal!“, so sagte ein Kurgast, der unzufrieden und gelangweilt im Garten einer kleinen Pension saß. „Weit und breit nichts als Bäume. Hier sagen sich Fuchs und Hase gute Nacht. An diesem abgelegenen Ort, ist die Welt wie mit Brettern vernagelt.“ – Oben auf dem Berg rief gleichzeitig ein Wanderer aus: „Was für ein wunderschönes Tal da unten! Was für ein herrlicher Ausblick. Hier die Wälder in ihrem bunten Blättergewand; dazwischen Wiesen, auf denen Kühe grasen. Dort das idyllische Dorf, von wo ich heute Morgen aufgebrochen bin. Und da, am anderen Ende des Tales, der See, auf dessen Oberfläche sich die Herbstsonne golden spiegelt. Einfach herrlich!“

Beide, der Kurgast und der Bergsteiger, haben ein und dasselbe Tal gemeint. Aber weil sie nicht das Gleiche gesehen haben, kommen sie jeweils zu einem ganz anderen, ja sogar gegensätzlichen Urteil. Warum haben sie nicht das gleiche gesehen? Weil sie an verschiedenen Punkten standen. Der eine unten im Tal, mitten im Wald. Der andere oben auf dem Berggipfel. Der Standpunkt ist entscheidend für den Ausblick und für ein wahrheitsgemäßes Urteil. Der Standpunkt macht die Weltsicht aus!

Genau so ist es, wenn es nicht mehr nur um ein Tal geht, nicht einmal nur um die ganze Erde, sondern weit darüber hinaus, um die ganze Schöpfung, den ganzen Kosmos. Wie man sie beurteilt, das hängt von der Sicht ab. Und wie die Sicht ist, das hängt von dem Punkt ab, wo man steht. Mit anderen Worten, die „Weltanschauung“ hängt vom jeweiligen Standpunkt ab. Je höher der Standpunkt, umso vollkommener der Ausblick und folglich, um so zutreffender das Urteil.

Der Standpunkt des Liberalen

Der liberale Mensch der Moderne befindet sich auf dem Standpunkt der Egalität – „Alle sind gleich. Jeder hat die gleichen Rechte. Jeder soll das für wahr halten, was er will. Jeder soll nach seiner Fasson selig werden; eine Religion, seine Weltanschauung praktizieren; seinem moralischen Empfinden folgen.“ Damit steht er gewissermaßen im Tal, mitten im finsteren Wald der verschiedensten einander wiederstreitenden Meinungen, Philosophien und Weltanschauungen, die der Geist im Laufe der Menschheitsgeschichte ersonnen hat. Der moderne Mensch steht im finsteren Tal, weil er in der Ablehnung jeder höheren Autorität als Wesen jeden Gesetzes und in der Zurückweisung jeder Wahrheit, die den beschränkten Horizont seines Verstandes übersteigt, auf sich selbst zurückgeworfen bleibt. Sein privates Urteil ist für den Liberalen das alleinige Maß aller Dinge.

Der Liberale findet sich im heutigen Festtagsevangelium repräsentiert im römischen Statthalter Pontius Pilatus. Pilatus war kein Mensch, der sich von Prinzipien und Grundsätzen leiten ließ, stattdessen war er ein gleichgültiger Pragmatiker. Er diente den Interessen seiner Obrigkeit, ohne dabei seine Methoden allzusehr auf den Prüfstand zu stellen, frei nach dem Motto: „Gut ist, was nützlich ist. Was wahr ist, das ist Ansichtssache. Und Recht behält letztlich immer der Stärkere.“

So erwähnt der hl. Lukas in sei­nem Evan­ge­lium etwa die Nie­der­met­ze­lung gali­lä­i­scher Pil­ger auf Befehl des Pila­tus, womit er kurzerhand einen vermeintlichen Unru­he­herd ersti­cken ließ. Er scheute sich auch nicht, aus dem Heiligtum des Tempelschatzes Geld zu entnehmen, um damit eine Wasserleitung zu bauen. Als aber die Über­tra­gung der römi­schen Feld­zei­chen nach Jerusalem – also des römischen Adlers als Siegessymbole – bei den Juden Empö­rung aus­löste, da wußte Pila­tus in pragmatischer Geschmeidigkeit nachzugeben, und ließ die Herrschaftsabzeichen wie­der ent­fernen. Die Pragmatik seiner Rechtsprechung findet sich besonders gut durch den Prozeß Jesu dokumentiert. „Ich finde keine Schuld an Ihm“, so urteilt Pilatus über Christus. Doch trotz mehrmaliger Wiederholung derselben Feststellung, spricht er ihn nicht frei, sondern versucht den Fall zunächst auf einen anderen Richter abzuwälzen – auf den Herodes Antipas; doch dieser tut ihm den Gefallen nicht. Dann läßt er den eindeutig unschuldigen Heiland blutig geißeln, in der Hoffnung auf diese Weise den Blutdurst der Ankläger zu stillen. Als auch das fehlschlägt, versucht er Jesus durch die Osteramnestie zu retten. Doch erreicht er damit genau das Gegenteil. Indem Jesus, der Unschuldige, von Pilatus auf eine Stufe mit dem gefürchteten Terroristen und Schwerverbrecher Barabbas zur Wahl gestellt wird, spricht er Christus bereits indirekt schuldig. Die Rechnung geht abermals nicht auf. „Da schrien sie zurück: Nicht die­sen, son­dern den Barab­bas!“ (Joh. 18,40). – Pilatus selbst hatte Jesus mit einem Mörder gleichgestellt. Das wußten seine Feinde auszunutzen und forderten die Strafe des Mörders für Jesus: „Kreuzige! Kreuzige Ihn!“ Und als wenig später Pilatus selbst in die Angelegenheit hineingezogen wird gibt er nach. „Wenn du diesen freiläßt, bist du kein Freund des Kaisers.“ (Joh. 19,12). Nein, seine politische Existenz, sein Leben, seine Zukunft wollte Pilatus nicht für Recht und Wahrheit aufs Spiel setzen. Zwar fügte er sich nur widerwillig in die Niederlage, gibt jedoch von Angst getrieben nach und überläßt ihnen Jesus zur Kreuzigung. Die Waschung seiner Hände war da nur noch leere Symbolpolitik. Er konnte sich das Blut Christi, des Königs der Wahrheit, nicht von den Händen waschen.

So ist Pilatus das Exempel für die Liberalen aller Zeiten geworden. Seine und ihre Persönlichkeit läßt sich kurz zusammenfassen in dem Wort, das Pilatus dem Heiland erwiderte. Jesus bekannte damals: „Jeder, der aus der Wahrheit ist, hört auf Meine Stimme.“ Und darauf Pilatus: „Was ist Wahrheit?“

Die­ses Wort sprechen die Liberalen aller Zeiten dem Pilatus nach­. Wahr­heit ist für zahl­lose Men­schen ein Fremd­wort. Sie wis­sen, was Arbeit und Bezahlung, was Nut­zen und Scha­den ist; was Leben und Über­le­ben, was Aus­le­ben und Genuß ist; das wis­sen sie. Aber sie wis­sen nicht – und wol­len auch nicht wis­sen – was Wahr­heit ist. Denn die Wahr­heit ist unbe­quem. Die Wahr­heit ist den meis­ten Men­schen das Gleich­gül­tigste. Darum ist auch das Wir­ken des Predigers so schwer, um in die gleichgültigen Geister und Herzen der Menschen vorzudringen. Er möchte den Men­schen die Wahr­heit Got­tes, die Offen­ba­rung Got­tes brin­gen. Er möchte sie zu Chris­tus, dem Sohn Gottes emporfüh­ren. Aber was die Men­schen wol­len, das ist etwas ganz ande­res: Sie wollen Erleich­te­rung des Lebens, Ent­he­bung von den Pflich­ten der Moral, ein paar bil­lige religiöse Gefühle, eine pragmatische Sit­ten­lehre ohne Schuld und ohne Pflicht zur Wiedergutmachung. Deshalb bleiben sie im Tal der Sünde; im finstern Dickicht der Lügen und Meinungen, mit denen sie sich den Verstand vernageln lassen; in dem bedrohlichen Wald, wo sich nicht Fuchs und Hase gute Nacht sagen, sondern wo Wölfe und Löwen auf ihre Seelen Jagd machen. „Der Teufel geht umher wie ein brüllender Löwe und sucht, wen er verschlinge.“

Der Standpunkt der göttlichen Offenbarung

Um aus der Finsternis des Liberalismus heraus zu gelangen, muß sich der Mensch einerseits auf den Standpunkt des Evangeliums emporführen lassen und auch eine geistige und sittliche Anstrengung auf sich nehmen, um zur einzig wahren und gültigen Weltanschauung zu gelangen. So versucht uns der hl. Paulus in der heutigen Epistel auf den Standpunkt der christlichen Offenbarung empor zu führen, wenn Er an die Kolosser schreibt: „Wir danken Gott dem Vater, der uns befähigt hat, am Lose der Heiligen im Lichte teilzunehmen. Er hat uns der Gewalt der Finsternis entrissen und in das Reich Seines geliebten Sohnes hineinversetzt.“ Das Reich Seines geliebten Sohnes ist nichts anderes als das „Reich der Wahrheit“, das Reich des Lichtes, die katholische Kirche.

Die christliche „Weltanschauung“, so wie sie uns der hl. Apostel Paulus im Kolosserbrief vermittelt hat, wird von niemandem verstanden, der nicht selber auf dem höchstmöglichen Standpunkt steht, sozusagen auf dem einzigen Gipfel der katholischen Wahrheit, auf den hin jede wahre Erkenntnis sich zuspitzt und in dem alle Wahrheiten zusammenlaufen. Und diese höchste Wahrheit lautet: Jesus Christus ist der menschgewordene Gottessohn!

Nur von diesem Standpunkt aus, kann alles andere richtig betrachtet und beurteilt werden. Deshalb erklärt der hl. Völkerapostel feierlich: „Er [Christus] ist das Ebenbild Gottes, des Unsichtbaren.“ D.h. Er ist der wesensgleiche Sohn. Das Ebenbild des Vaters. Gleich ewig, gleich allmächtig, allwissend und allgegenwärtig. „Der Erstgeborene vor aller Schöpfung.“ D.h. Er ist unerschaffen, aus dem Vater gezeugt. Geboren im Schoße des Vaters vor aller Zeit. „Denn es gefiel Gott in Ihm die ganze Fülle der Gottheit wohnen zu lassen.“ In Christus wohnt die Fülle der Gottheit! Er ist Gott von Gott, wahrer Gott vom wahren Gott; gezeugt, nicht geschaffen, eines Wesens mit dem Vater.

a) Schöpfer und Erhalter der Welt

Erst vom Standpunkt der Gottheit unseres Herrn Jesus Christus aus ergibt sich eine wunderbare Schau auf das sichtbare und unsichtbare Ganze, wie sie uns der hl. Paulus vorstellt: „Denn in Ihm wurde alles erschaffen im Himmel und auf Erden, das Sichtbare und das Unsichtbare. Alles ist durch Ihn und für Ihn geschaffen. Er ist vor allem, und alles hat in Ihm Bestand.“ Das ist keine Poesie! Auch keine Rhetorik! Das ist die Beschreibung der Wirklichkeit, wie sie sich aus der Gottheit unseres Heilandes ergibt.

Der Völkerapostel zieht einfach die logischen Konsequenzen und stellt sie uns vor Augen: Jesus Christus ist wahrer Gott. Also war Er schon vorher da, bevor es eine Welt gab – als Gottessohn. Folglich wird Er weiter da sein, auch wenn am Ende der Zeiten alle Uhren still stehen – als Gottessohn.

Als Gott von Ewigkeit her den Schöpfungsratschluß faßte, war der Sohn Gottes zugegen. Er hat alles Geschaffene mitersonnen, -erdacht, -beabsichtigt, -beschlossen. In Ihm wurde alles erschaffen im Himmel und auf Erden.“ Er hat ganz am Anfang mitgesprochen, als der Dreifaltige Gott sprach: „Es werde!“ Also kann der hl. Paulus zu Recht sagen: Durch Ihn ist alles geschaffen.“ Diese Aussage ist nur ein Echo des Johannes-Prologs, wo es vom göttlichen Wort heißt: „Nichts was geworden ist, ist ohne Es geworden“ (Joh. 1,3). Alles ist durch den göttlichen Logos geworden. „Durch Ihn ist alles geschaffen.“ – Alles, die Gesamtheit des Universums liegt ihm zu Füßen, sowohl die unsichtbare Schöpfung – also die Welt der Engel mit den Chören der Throne, Herrschaften, Fürstentümer und Gewalten – als auch die sichtbare, ausgedehnte, die stofflich-materielle Welt. Das ist Tatsache! „Er ist vor allem, und alles hat in Ihm Bestand.“ Als göttlicher Schöpfer und Erhalter der Welt ist Christus das Oberhaupt der ganzen Schöpfung. Kurz: Christus ist König, kraft Seiner ewigen Geburt aus dem göttlichen Vater.

b) Erlöser des Menschengeschlechtes

Aber Christi Königsanspruch leitet sich noch von einer anderen Seite her. Er ist nicht nur Gott von Ewigkeit. Er ist auch menschgewordener Gott. Er ist nicht nur Schöpfer und Erhalter der ganzen Welt, sondern auch Erlöser des Menschengeschlechtes. „Er ist das Haupt des Leibes, nämlich der Kirche.“ Um Haupt des Leibes der Kirche zu werden, mußte Gott eine menschliche Natur annehmen, d.h. einen menschlichen Leib und eine menschliche Seele. „Und das Wort ist Fleisch geworden, und hat unter uns gewohnt.“ Dazu bedurfte es einer zweiten Geburt. Von Ewigkeit wird der Sohn aus dem Vater geboren. In der Zeit erfolgte die Geburt aus Maria, der Jungfrau. Dabei wurde die menschliche Natur unseres Herrn in der Person Christi mit der Gottheit vereinigt. Das nennt man in der Fachsprache die hypostatische Union. Allein in der göttlichen Person des Sohnes erfolgte die Annahme eines menschlichen Leibes und einer menschlichen Seele. Deshalb ist weder der Vater, noch der Heilige Geist Mensch geworden, sondern allein der Sohn, Jesus Christus!

Als Menschgewordener in der Zeit, aus der Jungfrau Maria, ist der Gottessohn das vollkommenste und wertvollste aller Geschöpfe; so wertvoll, daß alle anderen Geschöpfe zur Bedeutungslosigkeit herabsinken würden, wenn sie nicht der Rahmen wären um Sein Bild, die Fassung des kostbarsten Edelsteines, der Hofstaat, der die Größe, Macht und Herrlichkeit des „Königs der Könige“ ins rechte Licht setzt.

In der Menschwerdung ist Christus „das Haupt des Leibes, nämlich der Kirche“ geworden, so daß Er vor Pilatus sagen konnte: „Dazu bin ich in die Welt gekommen, daß Ich für die Wahrheit Zeugnis gebe.“ Damit ist Er als König der Wahrheit das unangefochtene Oberhaupt der katholischen Kirche, die das Reich der Wahrheit ist, welches nicht „von der Welt“, sehr wohl aber „in der Welt“ ist. „Jeder, der aus der Wahrheit ist, hört auf Meine Stimme.“ D.h. Jeder der die Wahrheit, die Christus bringt, im Glaubensgehorsam annimmt, wird eben durch diesen Glaubensgehorsam Bürger dieses Reiches der Wahrheit.

Doch Christus hat der Welt als Erlöser nicht nur die Wahrheit gebracht, sondern auch das Leben. Denn es hat, wie der hl. Paulus sagt, dem himmlischen Vater gefallen, „durch Ihn alles wieder mit Sich zu versöhnen, alles auf Erden und alles im Himmel, indem Er durch das an Seinem Kreuz vergossene Blut Frieden stiftete, in Christus Jesus unserem Herrn.“

Kein König wie alle anderen

Wenn in Ihm, durch Ihn und für Ihn alles erschaffen ist; wenn in Ihm alles Bestand hat und alles durch Sein am Kreuz vergossenes Blut erlöst und mit Gott versöhnt worden ist, dann ist das Wort „König“ noch reichlich blaß für seine wahre Stellung im Gefüge des Kosmos. – Ein irdischer König ist über ein Volk gesetzt von dem er (in der Regel auch) selbst abstammt; vielleicht hat auch das Volk ihn gewählt. Dieser König, der „König der Könige“ aber hat sein Volk aus dem Nichts erschaffen.

Ein irdischer König ist für sein Volk da. – Hier verhält es sich gerade umgekehrt. Die ganze Schöpfung ist für Christus da – zu Seiner Verherrlichung, zu Seiner Ehre. Die Welt erhält in Christus erst ihren Sinn und ihre Daseinsberechtigung! „So sollte er in allem den Vorrang haben“, sagt Paulus deshalb. – Ein irdischer König kann mit seinen menschlichen Qualitäten, Begabungen und Fähigkeiten sein Volk zu Frieden und Wohlstand führen. Das ist ihm jedoch nur möglich, wenn das politische Klima und die Weltlage seiner Regierungszeit entsprechend günstig sind. – Als der von Isaias prophezeite „Friedensfürst“ hat Christus die ganze Welt in dem souveränen Akt seines Opfers am Kreuz dem Satan entrissen, „indem Er durch das an seinem Kreuz vergossene Blut Frieden stiftete.“ Einen Frieden, nicht wie die Welt ihn gibt, sondern einen Frieden wie nur Gott ihn geben kann. „Meinen Frieden gebe Ich euch.“ Er hat also die Geschicke der Welt und die Schicksale der Seelen insgesamt in Seiner Hand.

Das sind die grundlegenden Wahrheiten vom höchsten Standpunkt jenes Reiches der Wahrheit aus, dessen König unser Herr und Heiland, Jesus Christus, ist.

Die Königsrechte Christi

Das ist der erhabene Standpunkt, der einzige Standpunkt von dem aus man die Welt richtig sehen und richtig deuten kann. Je höher der Standpunkt, umso umfassender der Ausblick. Der hl. Paulus, vom heiligen Geist erleuchtet, erhebt mit der heutigen Epistel unsere Perspektive bis zu Gott hinauf. Jesus ist Gottes Sohn! Er ist der Allherrscher, der Pantokrator, der Welterlöser.

Jesus Christus hat deshalb nicht nur Führungsqualitäten, Er hat auch Führungsansprüche. Es wäre also ein Mißverständnis, wollte man jetzt eine Wahl organisieren und möglichst viele Menschen dazu einladen Christus zu ihrem König zu wählen. Denn es wäre eine Zumutung, Christus die Krone anzubieten – Er hat sie mitgebracht bei Seiner Menschwerdung. Oder hat etwa der hl. Erzengel Gabriel nicht der Jungfrau Maria prophezeit: „Siehe du wirst empfangen und einen Sohn gebären; dem sollst du den Namen Jesus geben. Dieser wird groß sein und der Sohn des Allerhöchsten genannt werden. Gott der Herr wird Ihm den Thron Seines Vaters David geben. Er wird herrschen über das Haus Jakob in Ewigkeit, und Seines Reiches wird kein Ende sein.“ Wenn der Gottessohn in die Schöpfung eintritt, die Er mit dem Vater und dem Heiligen Geist erschaffen hat, dann kommt Er in Sein Eigentum und ist Herr im eigenen Hause. Nicht wählen sollen wir, sondern anerkennen!

Weil wir nicht zu wählen, sondern zur Kenntnis zu nehmen und uns zu beugen haben, können wir auch den Umfang der Rechte und Gewalten des Christkönigs nicht bestimmen. Das Reich Jesu Christi hat keine Verfassung, es sei denn den ewigen Ratschluß des Vaters, der da lautet: „Alles in Christus erneuern.“ Alles auf Christus, das Haupt, zurückführen. – Diese nicht beratende, sondern diktierte Verfassung gibt Christus alle Rechte. „Mir ist alle Gewalt gegeben im Himmel und auf Erden.“

Der Umfang Seiner Königsrechte läßt sich auch nicht einschränken durch jenes Wort aus seinem Mund: „Gebt dem Kaiser was des Kaisers ist“ – als habe Christus damit zumindest auf den außen- und innenpolitischen Sektor des öffentlichen Lebens freiwillig verzichtet, so wie es Joseph Ratzinger vor einigen Jahren in einem seiner berüchtigten „Jesus-Büchern“ behauptet hat. Eine Aussage, die nicht vom Gipfel der katholischen Wahrheit aus getätigt wurde, sondern vom finsteren Tal des modernistischen Irrglaubens, der in der auf dem 2. Vatikanum gegründeten konziliaren Gegenkirche handgreiflich geworden und seither überall auf der Welt verbreitet wird, um die Gesellschaft und das öffentliche Leben der Völker zu entchristlichen. – Dabei hat Christus mit dem Worten „Gebt dem Kaiser was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist“ nur die Existenz zweier Sektoren des Lebens und zweier Instanzen, nämlich Staat und Kirche, anerkannt. In beiden Sektoren aber ist Sein Wille maßgebend. Kirchenregierung und Staatsregierung haben Seinen Willen zu erforschen, auf ihren Aufgabenbereich anzuwenden und in der Praxis, also im täglichen öffentlichen Leben durchzusetzen. Denn auch der Kaiser ist nur Stellvertreter des göttlichen Christkönigs und muß Gott geben, was Gottes ist!

Daß einflußreiche Machtgruppen diesen Rechtsanspruch Christi ignorieren, verwerfen oder gar bekämpfen ändert nichts an den Rechtsansprüchen Christi; so wie die Einwände, die gegen die Wahrheit erhoben wurden noch nie die Wahrheit daran gehindert haben wahr zu sein.

Seines Reiches wird kein Ende sein!

Der Liberale fragt spöttisch wie Pilatus: „Was ist Wahrheit?“ und will damit sagen: „Es gibt keine Wahrheit!“ Das ist das Dogma des Liberalismus. Es gibt keine Wahrheit! Ist das nicht seltsam? Gerade das soll die einzige, sichere und unumstößliche Wahrheit sein, daß es keine Wahrheit gäbe.

Ohne ihren Selbstwiderspruch zu bemerken ziehen die Liberalen die Schlußfolgerung: Wenn es keine Wahrheit gibt, dann darf auch niemand behaupten, er sei im Besitz der Wahrheit! Wer es dennoch tut, der muß als in mittelalterlichen Denkmustern zurückgeblieben, der Lächerlichkeit preisgegeben, oder, wenn das nicht hilft, als Extremist, als Fundamentalist rücksichtslos bekämpft werden.

Der militante Arm der Liberalen ist die Sekte der Freimaurer, die seit der sogenannten „Aufklärung“ daran arbeitet, die auf der ewigen Wahrheit gründenden Rechtsansprüche Christi auf allen Ebenen des Staates und in allen Bereichen der öffentlichen Gesellschaft zu bekämpfen. Sie sind angetreten mit dem ehrgeizigen Ziel die Bastion der katholischen Kirche zu schleifen, die christlichen Könige und Fürsten verschwinden zu lassen und das Christentum durch Laizismus und Sozialismus aus den Herzen der Völker zu vertilgen. Wir können heute deutlich sehen, wie erfolgreich ihre Unternehmungen bislang waren. Und deshalb dürfen wir uns ihnen nicht beigesellen, indem wir ihre wirklichkeitsverweigernden liberalen Grundsätze annehmen.

Die Rechtsansprüche Christi auszuschalten, abzuschaffen oder ihnen die Anerkennung zu verschweigen ist nicht nur dumme Wirklichkeitsverweigerung, sondern raubt einem Volk, der Menschheit, ja der ganzen Welt ihre Daseinsberechtigung! Deshalb wird der Abfall von Christus für die Völker, die Menschen und die Welt nicht ohne Folgen bleiben. Im Gegenteil! Er rächt sich und wird sich immer nur noch bitterer rächen – für den Einzelnen, wie für die Völker. Deshalb kommt die Strafe des Sozialismus und des Kommunismus über uns.

Als Reaktion der Abschaffung der christlichen Monarchien nach dem 1. Weltkrieg schenkte Papst Pius XI. der Welt im Jahr 1925 das Christ­kö­nigs­fest. In einer Zeit, die ganz ver­welt­licht ist, tritt der König vor uns, der nie gestürzt wer­den kann und der bleibt, auch wenn alles sich gegen Ihn auf­lehnt. „Ja, ich bin ein König“, so spricht der Herr, gefes­selt, ver­las­sen, ver­ra­ten, ver­leug­net vor Pila­tus, dem Exempel des Liberalen. Sein König­tum ist gött­li­che Wirk­lich­keit.

Eben in dem Jahr 1925, als das Christ­kö­nigs­fest nach dem Untergang der christlichen Monarchien in vollem Glanze erstrah­lte, da fan­den einige Bedui­nen im Wüs­ten­sand Ägyp­tens ein paar alte Papy­rus­blät­ter; den sog. Papy­rus 52. Sie ver­kauf­ten ihren Fund nach Eng­land. Erst zehn Jahre später, 1935, ent­zif­ferte man diese Blät­ter, und man staunte, es waren Verse aus dem Johan­nes­evan­ge­lium: „Ja, ich bin ein König.“ Hier fand sich also im Wüstensand Ägyptens der 37 Vers des 18. Kapitels des Johan­nes­evan­ge­li­ums. Es ist das älteste, bis auf unsere Tage erhaltengebliebene Blatt des Evan­ge­li­ums. Es wurde auf die Jah­re 125-130 datiert; also in eine Zeit, da der hl. Johannes, der das Selbstbekenntnis Christi niedergeschrieben hatte, gerade einmal wenige Jahre tot war.

Aus den­sel­ben Quel­len, aus denen die Urkun­den der zer­fal­le­nen Welt­rei­che der Pha­rao­nen, der Hethi­ter, der Baby­lo­nier, der Pto­le­mäer gefun­den wur­den, wurde auch die Reichs­ur­kunde des­sen geborgen, „des­sen Reich kein Ende kennt“. Es ist der ewige König, den wir beken­nen, zu dem wir gehö­ren, dem wir unter­wor­fen sind, den wir lie­ben und dem wir die Treue hal­ten wol­len. Wir wollen, daß Christus herrscht! „Er muß herrschen!“ (1. Kor. 15,25). In den Beratungen der Regierungen, in der Gesetzgebung, im Bildungswesen, in der Kunst, in der Wissenschaft, in den Amtsbüros der staatlichen Behörden, in der Öffentlichkeit, wie im Privaten; in den Familien, über die Herzen jedes einzelnen Menschen; über Jung und Alt, über Arm und Reich, über Gebildete und Ungebildete, über Gesunde und Kranke.

Deshalb wollen wir für die Völker beten, damit sie trotz der derzeitigen Verfinsterung der Kirche zu Christus, ihrem König finden, Seine Gebote als einzigen erträglichen Ordnungsfaktor – als milde Herrschaft – entdecken und so ihre Seelen retten. Vom hohen Standpunkt aus, auf den uns heute der heilige Paulus erhoben hat, wollen wir mit der Kirche beten: „Allmächtiger ewiger Gott, du hast in Deinem geliebten Sohne, dem König des Weltalls, alles erneuern wollen. So gib denn gnädig, daß alle Völker, die durch das Unheil der Sünde entzweit sind, sich Seiner so milden Herrschaft unterwerfen.“ Amen.

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