4. Sonntag nach Pfingsten
Der Fels
Geliebte Gottes!
Das Fest der Apostelfürsten Petrus und Paulus ist alljährlich das Fest der katholischen Kirche. Die katholische Kirche ist jene Heilsanstalt, die unser Herr Jesus Christus eingerichtet hat, damit die erlösungsbedürftigen Menschen aller christlichen Jahrhunderte, bis zum Ende der Welt, in dem einen wahren, von Gott geoffenbarten Glauben gesichert würden; damit sie durch die Gnadenmittel, insbesondere durch die von Christus eingesetzten hl. Sakramente, das ewige Leben der Gnade empfangen würden; und damit sie unter der Leitung eines obersten Hirten, sowohl zu einer heiligen, sichtbaren Gemeinschaft verbunden würden, als auch mittels der gehorsamen Befolgung seiner Gesetze das Gnadenleben für die Ewigkeit bewahren und vermehren könnten. Kurz: Die Kirche ist dazu eingesetzt, um die Menschen zu lehren, zu leiten und zu heiligen.
Christus der Fels
Schon im Alten Testament wird Gott häufig „Fels“ genannt. Es ist ein Ausdruck der Unerschütterlichkeit und Zuverlässigkeit Gottes und des Schutzes, den Er den Seinen bietet: „Jahwe ist mein Fels und meine Burg“ (2. Sam. 22, 2). Gott wurde jedoch nicht nur mit dem Felsen verglichen. Der Ausdruck tritt wiederholt als Gottesname auf, wie „Jahwe“ oder „Eloim“. Für den Frommen ist Gott ein Fels, der Sicherheit verleiht (vgl. Ps. 39, 3); für den Ungläubigen aber ein Fels, auf dem er anstößt und strauchelt (vgl. Is. 8, 14).
Der hl. Paulus wendet sodann den Gottesnamen im 1. Brief an die Korinther auf Christus an: „Der Felsen aber ist Christus“ (1. Kor. 10, 4) Und schon zuvor: „Denn ein anderes Fundament kann niemand legen, als jenes, welches gelegt ist, das ist Christus Jesus“ (1. Kor. 3, 11). Christus ist der Fels. Er ist das alleinige Fundament. Er ist der Grund- und Eckstein. Darauf wies schon Christus die Pharisäer hin, als Er ihnen erklärte: „Habt ihr niemals in der Schrift gelesen: ‚Der Stein, den die Bauleute verworfen haben, dieser ist zum Eckstein geworden‘“ (Mt. 21, 42). Die Bauleute waren die Führer des auserwählten Volkes. Sie haben den Messias verworfen und gekreuzigt, weil sie nicht an ihn geglaubt haben. Nichts desto trotz, ist Er durch Seine glorreiche Auferstehung zum Eckstein, zum Fundament der neuen Gottesstadt, der katholischen Kirche, geworden. Dazu erklärt der hl. Apostel Petrus: „Darum heißt es in der Schrift: Siehe, Ich setze auf Sion einen auserlesenen, kostbaren Eckstein; wer an Ihn glaubt, wird nicht zuschanden werden. Für euch nun, die ihr glaubt, ist Er kostbar; den Ungläubigen aber ist Er ‚der Stein , den die Bauleute verwarfen und der dennoch zum Eckstein wurde‘, und ‚ein Stein des Anstoßes und ein Fels des Ärgernisses. Die dem Wort nicht glauben, stoßen sich daran; dazu sind sie auch bestimmt.“ (1. Petr. 2, 6-8).
Ferner belehrt uns der hl. Paulus darüber, daß der Felsen in der Wüste, auf welchen Moses mit seinem Stab schlug, um daraus Wasser hervorquellen zu lassen und das dürstende Volk zu tränken, ein Vorbild gewesen ist für Christus, den Fels. Der Völkerapostel sagt von den Hebräern: „Sie tranken nämlich aus einem geistigen Felsen, der sie begleitete. Der Fels aber war Christus“ (1. Kor. 10, 4). Am Kreuz ist das Vorbild des Felsens in der Wüste verwirklicht worden. Als der Soldat, mit seinem bewehrten Holzstab gleichsam an die Brust Christi schlug und dabei die Seite Christi öffnete, da flossen Blut und Wasser aus diesem „Felsen“ hervor. Jesus Christus ist der wahre Grundstein, der eigentliche Felsen der Kirche. Weil Christus selbst die Wahrheit ist, so stützt Er das Lehrgebäude der Kirche durch Seine göttliche Unfehlbarkeit. Er ist der Felsenquell, der die Seelen der Gläubigen durch das Blut und das Wasser, welches aus Seinem Innersten hervorquillt, bewässert und belebt. Weil Er die Quelle der Heiligkeit ist, so zieht die Kirche, die ihn Ihm verwurzelt ist, ihre Heiligkeit ganz aus der Seinen. Weil Christus der absolut makellose Sohn Gottes ist, der keinen Defekt aufweist, so nimmt auch die Kirche, die auf diesem Fundament erbaut ist, an Seiner Indefektibilität Anteil. Wie sich an dem Gehorsam gegen den göttlichen Primat Christi das Heil jedes Menschen entscheidet, so entscheidet sich auch am Gehorsam gegen die Autorität der katholischen Kirche das ewige Schicksal einer jeden Seele! Denn wer den Eckstein verwirft, der wird zuschanden, wie Christus ausdrücklich sagt: „Wer auf diesen Stein fällt, der wird zerschmettert werden; auf wen er aber fällt, den wird er zermalmen“ (Lk. 20, 18). Wer sein ewiges Heil sichern will, muß durch Glaube und Gehorsam auf jenem Felsenfundament bauen, auf welchem die katholische Kirche errichtet ist, sonst hat er auf Sand gebaut, wie der Herr erklärt: „Jeder nun, der diese Meine Worte hört und sie in die Tat umsetzt, der gleicht einem klugen Manne, der sein Haus auf den Felsen baute. Da ging der Wolkenbruch nieder und es kamen Wasserfluten; es brausten die Winde und stießen gegen jenes Haus. Doch es stürzte nicht ein; denn es war auf den Felsen gegründet. Jeder aber der diese meine Worte hört und sie nicht in die Tat umsetzt, der gleicht einem törichten Manne, der sein Haus auf den Sand baute. Da ging der Wolkenbruch nieder und es kamen Wassergüsse; es brausten die Winde und stießen gegen jenes Haus und es stürzte ein. Und sein Zusammenbruch war groß“ (Mt. 7, 24-27).
Simon Petrus
Christus hatte Sich schon gleich zu Beginn Seiner öffentlichen Lehrtätigkeit einen Menschen auserkoren, dem Er auf ganz besondere Weise an Seiner Funktion als Felsenfundament der neuen Gottesstadt, der katholischen Kirche, Anteil verleihen wollte. – Es war in den Tagen nach der Taufe Jesu im Jordan. Da wurde Christus mit einem Mann namens Simon bekannt gemacht. Dessen leiblicher Bruder, Andreas, führte den Simon zu Jesus. Von dieser ersten Begegnung berichtet uns das Evangelium: „Jesus schaute ihn (den Simon) fest an und sprach: Du bist Simon, der Sohn des Johannes; du sollst Kephas genannt werden“ (Joh. 1, 42). Kephas, das ist der aramäische Ausdruck für das deutsche Wort „Fels“. Jesus sagte also: „Du sollst Fels heißen“, lateinisch Petrus.
Wem Gott einen neuen Namen gibt, dem gibt Er auch eine neue Aufgabe. Die Namensgebung durch den Schöpfer geschieht nicht nur um des schönen Klanges willen. Jesus hat den Simon fest angeschaut heißt es. Er hat Ihm gleichsam mit Seinem allwissenden Blick ins Innerste, ins Herz, auf den Grund seiner Seele geschaut und mit dem neuen Namen den Wesenskern des Simon, seine von Gott gegebene Berufung, seine Auserwählung ausgesprochen und schöpferisch gestaltet. Denn die Worte Gottes bewirken stets das, was sie bezeichnen. Wenn Simon künftig Kephas, Petrus, Fels heißen sollte, dann ist damit ausgedrückt, daß er eine neue Aufgabe, eine neue Funktion erhielt. Und zwar eine Funktion die ihn auf einzigartige Weise dem Christusfelsen gleichgestalten würde.
So ist es nicht verwunderlich, daß Christus fortan in Seiner Wahlheimat Kapharnaum im Hause des Simon ein und aus ging, und dort die Kranken heilte (vgl. Mt. 8, 14-17); daß Er vom Schiff des Simon aus den zusammenströmenden Volksscharen predigte (vgl. Lk. 5 ,1-3); daß Er zur Begleichung der Tempelsteuer eine Münze, die Simon Petrus auf Sein Geheiß hin, im Maul eines Fisches geborgen hatte, gemeinsam für Sich und ihn entrichtete (vgl. Mt. 17, 24-27). Simon Petrus war in einzigartiger Weise mit Christus verbunden. Doch mußte der Rohling erst noch auf Paß gebracht werden. Simon mußte Schritt für Schritt an seine hohe Aufgabe als Glaubensfundament der katholischen Kirche herangeführt werden.
a) Der Menschenfischer
Am hellichten Mittag fuhr ein Fischerboot über das Galiläische Meer, wie man den See Genezareth auch nennt. Die Menschenmassen am Ufer, die kurz zuvor den Herrn vom Schiff des Petrus haben predigen hören, schauten zu. Darunter befanden sich gewiß auch erfahrene Fischer, die sich gedacht haben: „Wie kann man nur jetzt, am hellichten Tag, hinausfahren, um Fische zu fangen? Der Fischfang ist ein Geschäft der Nacht, wenn man Erfolg haben will.“ Im Schiff sitzt Kephas. Er ist gehorsam: „Meister, die ganze Nacht haben wir uns abgeplagt und nichts gefangen. Doch auf Dein Wort hin will ich das Netz auswerfen“ (Lk. 5, 5). Und Simon fing eine so große Menge Fische, daß das Netz zerriß und er seine Gefährten herbeirufen mußte, damit sie die Menge der Fische überhaupt bergen konnten. Dieses Ereignis erschütterte Petrus. Er fiel vor Jesus auf die Knie und rief: „Herr, geh weg von mir, denn ich bin ein sündiger Mensch“ (Lk. 5, 8). Und Christus belohnte sowohl den Gehorsam als auch die Demut des Kephas: „Fürchte dich nicht, von nun an sollst du Menschenfischer sein“ (Lk. 5, 10). Der Herr bestellte Petrus zum Mitarbeiter an Seinem Werk. Dabei schwand vor dem Auge des Heilandes gleichsam das Ufer des Sees. Sein allwissender Blick weitete sich bis ans Ende der Weltzeit, bis an die Gestade der Ewigkeit. Das Galiläische Meer wurde zum Meer der Weltzeit; zum wogenden Auf und Ab der Menschheitsgeschichte, das teils friedvoll im Sonnenschein daliegt, oder aber von den tobenden Stürmen der Zeit aufgepeitscht und zerwühlt wird. Ungezählte Menschenseelen sind in dem Meer der Weltzeit, gleich wie Fische, in den finsteren Tiefen der Weltmeere. Und für diese Menschenfische braucht es Fischer, welche die Seelen durch das Netz ihrer Predigt aus der Finsternis des Unglaubens und aus den kalten Tiefen der Sünde herausheben; sie an das helle, wärmende Tageslicht des katholischen Glaubens und in die Atmosphäre des übernatürlichen Lebens der Gnade emporziehen. Deswegen sagt Christus zu Simon: „Von nun an sollst du Menschenfischer sein.“ Das Schifflein Petri wird dem Herrn zum Sinnbild der Kirche, die Er stiften will. Und zu Petrus gesellt Er sodann andere, die zusammen mit Petrus und unter der Führung Petri in die Arbeit eintreten; die unter der Leitung und im Auftrag Petri die Netze auswerfen sollen. Christus schult sie und nennt sie Apostel. Aber immer ist und bleibt klar: Simon Petrus ist der Erste unter ihnen. Er ist ihr Sprecher. Vor allem in den bedeutendsten Augenblicken der Glaubensprüfung.
Als etwa der Herr die Verheißung gab, ein Brot zu geben, das Sein Fleisch und Blut ist, und Ihn daraufhin viele Jünger wieder verließen, da sprach Simon Petrus für alle Treugebliebenen: „Herr, zu wem sollen wir gehen? Du hast Worte des ewigen Lebens. Und wir haben geglaubt und erkannt, daß Du der Heilige Gottes bist“ (Joh. 6, 69). Wenngleich die Apostel immer wieder in kindischer Weise darum gestritten haben, wer von ihnen der Größte sei, so ist doch Petrus der Erwählte unter den Zwölfen, damit die Einheit unter ihnen gewährleistet sei.
b) Der Felsenmann
Seine herausragende, gottgesetzte Stellung unter den Aposteln trat am deutlichsten bei Cäsarea Philippi hervor. Unser Herr fragte die Jünger: „Für wen halten die Leute den Menschensohn?“ Die Apostel antworteten: „Die einen für Johannes den Täufer, andere für Elias, wieder andere für Jeremias oder einen der Propheten.“ Diese enttäuschenden Antworten haben den Herrn veranlaßt, nun die Apostel selbst zu fragen: „Ihr aber, für wen haltet ihr Mich? Da antwortete Simon Petrus und sprach: Du bist Christus, der Sohn des lebendigen Gottes“ (Mt. 16, 15 f.). Das war ein eindeutiges Bekenntnis zur Gottheit Jesu Christi! Und der Herr wies sofort darauf hin, daß es sich bei den Worten Petri nicht um dessen persönliche Meinung handelte, sondern um ein Bekenntnis, das von einer übernatürlichen Offenbarung, von einem unfehlbaren, göttlichen Glaubenslicht herstammte: „Selig bist du, Simon, Bar Jona, denn nicht Fleisch und Blut haben dir das geoffenbart.“ Nicht deine persönlichen Überlegungen, nicht deine natürliche Verstandesleistung hat dich zu der Erkenntnis Meiner Gottheit gebracht, „sondern Mein Vater, der im Himmel ist“ (Mt. 16, 17). Gott selbst hat dich erleuchtet.
Der göttliche Beistand ist die Ursache des Petrusbekenntnisses bei Cäsarea Philippi! Und deshalb wird Petrus auch seliggepriesen: „Selig bist du, Simon, Bar Jona.“ – „Bar Jona“ wird für gewöhnlich mit „Sohn des Jona“ übersetzt, kann jedoch auch „Sohn der Taube“ bedeuten. Wir alle wissen, daß mit dem Bild der Taube der Heilige Geist gemeint ist, der bei der Taufe Jesu in Gestalt einer Taube erschien. Der hl. Hieronymus erklärt die Seligpreisung Petri scharfsinnig: „Was Fleisch und Blut nicht offenbaren konnten, ist durch die Gnade des Heiligen Geistes offenbart worden; denn er (Simon) hat eine Offenbarung vom Heiligen Geiste empfangen, und ist darum auch ein Sohn dessen zu nennen; denn ‚Sohn des Jona‘ heißt in unserer Sprache soviel wie: ‚Sohn der Taube‘.“ Weil Simon der „Sohn der Taube“, also gleichsam der „Sohn des Heiligen Geistes“ ist und in unfehlbarer Erleuchtung erklärt hat, wer Christus ist, so folgt nun, gleichsam als ein von der Felswand widerhallendes Echo, die feierliche Erklärung Christi, wer Simon Petrus ist: „Ich aber sage dir: Du bist Petrus, und auf diesen Felsen will Ich meine Kirche bauen, und die Pforten der Hölle werden sie nicht überwältigen.“ Simon Petrus heißt Fels, weil er Fels ist. Fels ist ein Standort, der unerschütterlich ist. Fels besagt, daß ein Bau errichtet wird, der nicht vom Sturm weggefegt wird und den Wassermassen nicht zerreißen können. Simon Petrus wird Kraft des Heiligen Geistes Anteil an der Unerschütterlichkeit und Festigkeit des Christusfelsens haben, so daß alle Anfeindungen der Hölle, ob sie nun mit brachialer Gewalt anstürmen oder durch listige Täuschung von Innen heraus auszuhöhlen versuchen, machtlos an diesem Felsen zerschellen werden. Der hl. Papst Leo der Große läßt den Heiland zu Petrus sagen: „‚Du bist Petrus, der Fels‘, das heißt: So wie Ich der unzerstörbare Felsen bin; so wie Ich der Eckstein bin, der aus zweien eins macht; so wie Ich das Fundament bin, außer dem niemand ein anderes legen kann; in gleicher Weise bist auch du (Simon) Felsengrund, weil du durch Meine Macht gefestigt wirst, damit all das, was mir aus (göttlicher) Macht eigen ist, dir durch Anteilnahme zusammen mit Mir gemeinsam sei“ (Sermo 2). Und dem hl. Basilius wird der Ausspruch zugeschrieben: „Christus ist der unerschütterliche Felsen. Petrus ist es aufgrund des (Christus-)Felsens. … Alles was Sein ist, teilt Er Seinen Dienern mit“ (hom. de poeni. 28). So ist Simon Petrus, gleichsam wie Christus, die Unerschütterlichkeit, Festigkeit und Sicherheit der Kirche selbst. Denn die Unerschütterlichkeit des Gebäudes hat ihre Hauptursache in der Unerschütterlichkeit des Fundaments. Nicht das Gebäude hält das Fundament zusammen, sondern das Fundament trägt das Gebäude. Diese Unerschütterlichkeit bezieht sich zuerst und vor allem auf den heilsnotwendigen Glauben. Petrus könnte nämlich gar nicht Fundament der Kirche sein, wenn er nicht vor allem im wahren Glauben feststünde und der unerschütterliche Träger und Schützer des wahren Glaubens wäre. Deshalb hat Christus für Petrus eigens gebetet: „Simon, Simon, der Satan hat verlangt, euch zu sieben, wie man den Weizen siebt. Ich aber habe für dich gebetet, daß dein Glaube nicht wanke. Und wenn du dich dereinst zurückgefunden hast, stärke deine Brüder!“ (Lk. 22, 31). Alle Menschen, die den von Petrus verkündeten Glauben annehmen werden, sollen also im Glauben Petri eine von Gott verbürgte Sicherheit für ihren persönlichen Glauben finden. – Wir halten fest: Das gläubige Christusbekenntnis des Petrus bei Cäsarea Philippi ist also nicht die Ursache sondern die Wirkung, seiner Auserwählung zum unfehlbaren Verkünder und Bewahrer der göttlichen Wahrheit. Gott bewirkt in Petrus, daß er im Glauben nicht wankend wird.
Erst diese unüberwindliche Festigkeit in der göttlichen Wahrheit befähigt ihn eine Gewalt zu empfangen, die alles Menschliche, ja, alles Geschaffene übersteigt. Christus fuhr nämlich fort: „Dir will Ich die Schlüssel des Himmelreiches geben“ (Mt. 16,19). Das Himmelreich ist das große Werk, das Christus bauen will. Es ist das Reich Gottes, das auf diese Erde kommt und in dem die Kirche den Anfang bildet. Die Schlüssel geben die Gewalt über dieses Reich. Der Schlüsselträger ist nicht einfach nur der Pförtner. Schlüsselträger ist der Hausherr! Ihm sind die Schlüssel anvertraut und damit der Einlaß und der Ausschluß. Petrus wird zum Hausherrn dieses neuen Bauwerks gemacht. Und damit immer noch nicht genug: „Was auch immer du auf Erden binden wirst, das wird auch im Himmel gebunden sein; und was auch immer du auf Erden lösen wirst, das wird auch im Himmel gelöst sein“ (ebd.). Die Ausdrücke binden und lösen, waren den damaligen Menschen vertraut. Binden heißt jemanden unter Zwang stellen. Es heißt jemandem ein bestimmtes Gebot auferlegen. Binden heißt, jemanden auf bestimmte Vorschriften verpflichten. Wer die Bindegewalt hat, der vermag Gesetze aufzustellen und von ihnen zu dispensieren. Er vermag Strafen auszusprechen – auch das ist eine Bindung – aber er vermag genauso von Strafen loszusprechen. Petrus tut all das im Namen Gottes. Es geschieht dabei so, als handelte Gott selbst dabei. Das ist also die herausragende Sendung, die dem Simon Petrus bei Cäsarea Philippi verheißen wurde. Es ist die Stiftungsurkunde des Papsttums.
c) Der von Gott gestärkte Oberhirte
Hoch hatte der Herr den Simon gestellt. Hoch hat Er ihn erhoben. Aber Petrus war noch von überheblichem Stolz und von eitlem Selbstvertrauen beherrscht. Er vertraute auf seine eigene Stärke und überhob sich über die anderen Apostel. Es war am Gründonnerstagabend. Der Herr sprach auf dem Weg zum Ölgarten von Seinem Leiden: „In dieser Nacht werdet ihr alle an Mir irre werden“ (Mt. 26, 31). Da empörte sich Petrus: „Wenn auch alle an Dir irre werden, ich niemals!“ (Mt.26, 33). „Und wenn ich mit Dir sterben müßte, niemals werde ich Dich verleugnen!“ (Mk.14, 31). Petrus war selbstsicher und stolz. Er glaubte aus sich selbst stark, fest und unüberwindlich zu sein. Er vergaß zum einen, daß es ihm nicht zukommt Christi Aussprüche zu verbessern und zu korrigieren. Außerdem vergaß er, daß er die unüberwindliche Festigkeit im Glauben, die ihm verheißen war, noch nicht empfangen hatte; und daß er diese Festigkeit selbst dann nicht aus sich selbst, sondern nur von Christus her haben würde. Also überhob er sich und hielt sich für stärker als die anderen Apostel, obwohl er doch genauso schwach war, wie diese. Deshalb mußte Petrus gedemütigt werden. Und der Herr ließ es zu, daß er gedemütigt wurde: „Wahrlich, Ich sage dir, gerade du wirst Mich noch heute, in dieser Nacht, bevor der Hahn zweimal kräht, dreimal verleugnen“ (Mk. 14, 30). Und wie der Herr es vorausgesagt hat, so geschah es. „Der war auch bei Jesus, dem Nazarener“ (Mt. 26, 71), so sagte eine Magd. „Weib, ich kenne ihn nicht!“ (Lk. 22, 57). Petrus mußte gedemütigt werden. Einen Stolzen kann Christus als Papst nicht brauchen. Der Stolze baut auf sich selbst, auf sein eigenes Genie, auf seine persönliche Wissenschaft. Und dabei empfängt doch der menschliche Petrus alles Große, wie wir gesehen haben, einzig aus seiner Verbundenheit dem Christusfelsen, der ihn stärkt.
Petrus hatte nach seinem Fall vielleicht gar nicht mehr daran gedacht, daß ihm die bei Cäsarea Philippi verheißene Würde überhaupt noch zuteil werden würde. Die anderen Apostel mochten raten, wer nun der Führer des irdischen Gottesreiches werden sollte. Da geschah es nach der Auferstehung des Herrn in der Morgenfrühe, wiederum nach einem wunderbaren Fischfang am See von Tiberias, daß Christus Seine Jünger um sich versammelte. „Simon, Sohn des Johannes“, so redet Er ihn an. Feierlich, gespannt schauten alle auf den Herrn und auf Petrus. Und dann die Frage: „Liebst du Mich mehr als diese?“ (Joh. 21, 15). Was sollte Petrus antworten? Im Abendmahlssaal hätte er sofort gesagt: „Ja, selbstverständlich liebe ich Dich viel, viel mehr als alle anderen.“ Aber dieses überhebliche Urteil traute er sich jetzt nicht mehr. „Ja, Herr“, so stammelte er, „Du weißt, daß ich Dich liebe“ (ebd.). Dreimal dieselbe Frage, und dreimal dieselbe Antwort, als Buße für die dreimalige Verleugnung, und gleichzeitig die entscheidende Amtseinführung, die Erfüllung aller an Petrus ergangenen Verheißungen: „Weide meine Lämmer! Weide meine Lämmer! Weide meine Schafe!“ Simon Petrus ist fortan der Hirt der Kirche; der Oberhirte; der oberste aller Hirten. Ihm ist die Lenkung der Herde Jesu anvertraut. Vor dieser Erhöhung mußte Petrus mit seiner menschlichen Schwäche konfrontiert werden, damit sich in seiner Schwäche untrüglich die unfehlbare Macht Gottes verherrlichen konnte. „Denn die Kraft Gottes kommt in der menschlichen Schwachheit zur Vollendung“ (2. Kor. 12, 9). Wer sonst konnte fortan dem wankelmütigen Menschen Simon eine unfehlbare, unerschütterliche und unüberwindliche Glaubensfestigkeit geben, als Gott allein! Nur Gottes Geist, kommt auf den Gedanken, das Schwache zu erwählen, um damit andere zu bestärken. Nur Gottes Hand kann über einem von Natur aus wankenden Grundstein, ein ewiges Gebäude aufrichten. Das war des Heilands letztes Wort in der Papstfrage.
Das römische Papsttum
Seitdem wissen wir: Im Nachfolger Petri auf dem römischen Bischofsstuhl, im Papst, da finden sich alle Verheißungen Christi verwirklicht, wie Er sie an Simon Petrus wahr gemacht hat. Der Papst ist der fortlebende Petrus. Nicht der fortlebende Simon Petrus versteht sich, aber der fortlebende Fels, der Christus ist. Im römischen Papsttum hat der Herr die letzten Worte aus Seinem Munde wahr gemacht, die uns die Evangelien aufgezeichnet haben: „Seht, Ich bin bei euch alle Tage, bis ans Ende der Welt“ (Mt. 28, 20).
Gott verherrlicht Sich in einem schwachen Menschen. Denn es ist Seine göttliche Macht, die dem jeweiligen Nachfolger Petri verleiht, daß seine Glaubensverkündigung unfehlbar wahr und sein Befehl von unlösbarer Verbindlichkeit ist, obwohl er ansonsten ein schwacher, vielleicht sogar „sündiger Mensch“ (Lk. 5, 8) ist. Es ist allein Gottes Kraft, die in der schwachen Person des Nachfolgers Petri wirkt, daß er in Fragen die das ewige Heil der Seelen betreffen nicht irren und nicht fehlgehen kann. Deshalb gelten die erhabenen Dinge die von Gott, von Jesus Christus, und von Simon Petrus gelten, auch von dessen jeweiligem Nachfolger: Der Papst ist der Garant und die sichere Norm für den wahren Glauben, kraft des Beistandes des Heiligen Geistes. Der Papst besitzt die Autorität Jesu Christi. Er besitzt die Schlüsselgewalt über die gesamte Kirche. Was er bindet ist von Christus gebunden. Was er löst ist von Christus gelöst. Was er entscheidet, das hat Christus entschieden. Er selbst repräsentiert die Einheit und die Wahrheit der Kirche Jesu Christi. Wer nicht mit ihm ist, der ist gegen ihn. Wer nicht mit ihm sammelt, der zerstreut (vgl. Mt. 12, 30; Lk. 11, 23). Wer nicht durch die gläubige Annahme der Glaubensverkündigung des Papstes und durch die gehorsame Unterwerfung unter seine Gesetze mit ihm verbunden ist, der gehört nicht zur katholischen Kirche, weil er nicht auf dem Felsenfundament der katholischen Kirche gebaut hat, sondern auf Sand. Wer aber nicht zur katholischen Kirche gehört, der kann nicht gerettet werden.
Der Katholik
Aus diesen Worten wird unausweichlich klar: Man kann als Katholik in der Papstfrage nicht gleichgültig bleiben. Man kann sich angesichts der Konzilspäpste nicht neutral verhalten. Der Katholik ist durch seine Anhänglichkeit an den Papst definiert. Ein Katholik muß immer so glauben, wie der Papst in Rom lehrt, weil ein wahrer Papst nichts anderes lehren kann, als das, was Christus lehrt. Niemand kann katholisch sein, der nicht den Glauben des römischen Papstes annimmt. Der Konsens mit seinem Lehramt macht den Katholiken aus!
Wenn der Katholik nun gerade durch die gehorsame Unterwerfung unter einen wahren Papst definiert ist, dann ist er in gleicher Weise dadurch definiert, daß er einen falschen Papst zurückweisen muß. Ein Beispiel: Angenommen nach dem Tod eines Papstes stünde in der unter normalen Umständen vielleicht drei bis vier Wochen dauernden Zeit der Sedisvakanz ein Gegenpapst auf. Und einige Menschen, vielleicht sogar die ganze Weltöffentlichkeit, würden diese Person, die sich als Papst ausgibt, auch tatsächlich als Papst anerkennen. Was würde passieren? Diese Menschen würden aufhören katholisch zu sein, weil sie sich einem Gegenpapst, einem falschen Kirchenoberhaupt angeschlossen haben. Sie würden ins Schisma gehen, wie etwa die Orthodoxen, die sich einem Kirchenoberhaupt angeschlossen haben, das nicht der römische Papst ist. – Wenn der Papst gestorben ist, dann muß jeder Katholik Sedisvakantist sein! Um katholisch zu bleiben, muß der Katholik während einer papstlosen Zeit, egal wie lange sie dauert, sagen: „Gegenwärtig gibt es keinen Papst.“ – Wie die Unterwerfung unter einen wahren Papst einen Katholiken wesentlich ausmacht, so macht auch die Zurückweisung irgendeines Hochstaplers, eines Häretikers, eines Schismatikers, der kein legitimer Papst ist, einen Katholiken wesentlich aus.
Die konziliaren Scheinpäpste
Sind nun die Konzilspäpste wahre Päpste oder nicht? Jeder Katholik, der seinen Katechismus kennt – und jeder Katholik ist spätestens seit der Firmung dazu verpflichtet, seinen Katechismus zu kennen – jeder Katholik also, der seinen Katechismus kennt, wird feststellen, daß die Konzilspäpste allesamt (nicht nur Bergoglio, auch Ratzinger, Wojtyla, Montini und Roncalli) etwas anderes lehren bzgl. der Häretiker und Schismatiker, bzgl. des Judentums und der heidnischen Religionen, bzgl. der Erlösung, in Fragen der Ehemoral usw., als es Christus durch die Päpste bis Pius XII. getan hat. Die Konzilspäpste lehren aber nicht nur etwas anderes, sondern genau das, was die Päpste bis Pius XII. unter dem Beistand des Heiligen Geistes verurteilt haben. Gott kann sich nicht widersprechen. Christus kann nicht heute das gutheißen, was Er Jahrhunderte hindurch verurteilt hat. Folglich kann auch kein wahrer Papst das erlauben und gutheißen, was seine Vorgänger für falsch und sündhaft erklärt haben. Das weiß jeder Katholik, der seinen Katechismus kennt. Dazu muß man nicht eigens Theologie studiert haben. Aus dem offensichtlichen Widerspruch zwischen dem Lehramt der Päpste aller früheren Jahrhunderte und den Lehren der Konzilspäpste kann jeder Katholik sodann mit moralischer Gewißheit den Schluß ziehen, daß es sich bei den Konzilspäpsten unmöglich um wahre Päpste handeln kann, sondern um Gegenpäpste, die den Glauben zerstören und eine falsche Religion lehren.
Hinzu kommt, gleichsam als rückversichernder Beweis, folgende Überlegung: Der Papst ist das Einheitsprinzip der katholischen Religion. Er schafft, fördert und erhält die Einheit der Kirche im Glauben, in der Liturgie und in der Disziplin. Schon frühere Perioden der Kirchengeschichte haben gezeigt, daß die längere Abwesenheit eines Papstes, oder die Unklarheit, wer der wahre Papst ist, eine destabilisierende Auswirkung auf die kirchliche Einheit hat. Seit Jahrzehnten erleben wir eine bis dato noch nicht dagewesene Zersetzung des katholischen Glaubens, eine Auflösung der Liturgie und den Zerfall der katholischen Kultur. Wir erleben das nicht nur in unserer Gesellschaft, sondern in aller Welt. Die Novus-Ordo-Religion des sog. 2. Vatikanums und ihre „Päpste“ haben den Zerfall des katholischen Lebens nicht nur nicht aufgehalten, sondern ihn sogar gefördert! Kurz: Die Zersplitterung unter denen, die sich Katholiken nennen, ist der indirekte Beweis, daß derzeit niemand da ist, der die Einheit unter den Katholiken herstellt, erhält und ausbreitet. Es fehlt ein Papst.
Nach fast 70-jähriger Sedisvakanz können wir mit Händen greifen, was mit Notwendigkeit passiert wäre, wenn Christus der Kirche das Papsttum nicht eingestiftet hätte. Die katholische Kirche hätte kein Jahrhundert überlebt! Sie hätte sich, wie wir es am Beispiel der Konzilskirche sehen, in zig verschiedene Parteien und Splittergruppen aufgelöst, wie zuvor schon der Protestantismus. Der Papst ist das Fundament und das einheitsstiftende Prinzip der von Christus gestifteten Religion. Wenn es über einen längeren Zeitraum keinen Papst gibt, ist es ganz natürlich, daß sich die Einheit der Gläubigen untereinander auflöst. Ein derartiger Zerfall, wie wir ihn heute erleben, ist nur durch die Abwesenheit des Stellvertreters Christi zu erklären.
Wir halten fest: Die Konzilspäpste können also nicht wahre Päpste sein. Denn: 1. beweist ihre falsche Lehre, daß sie nicht über den Beistand des Heiligen Geistes verfügen. 2. beweist der Zustand des kirchlichen Lebens, daß sie nicht die Einheit im wahren Glauben unter den Gläubigen verwirklichen und bewahren. Beides hat der Sohn Gottes, seinen Stellvertretern jedoch in Simon Petrus zugesichert.
Und deshalb noch einmal: Wie der Katholik um seines ewigen Heiles willen zur gehorsamen Unterwerfung unter einen wahren Papst verpflichtet ist, genauso ist er um seines ewigen Heiles willen verpflichtet, einen Gegenpapst, einen Häretiker, einen Hochstapler, entschieden zurückzuweisen. Wie dem Katholik, um seines ewigen Heiles willen, geboten ist, nur den Gottesdiensten beizuwohnen, die in Gemeinschaft mit dem wahren Statthalter Jesu Christi gefeiert werden, so ist es ihm genauso, um seines ewigen Heiles willen, verboten, an Gottesdiensten teilzunehmen, die in Gemeinschaft mit einem Scheinpapst gefeiert werden. Selbst wenn solche Messen bei der Piusbruderschaft in der Regel gültig sind, müssen wir uns trotzdem davon fernhalten, weil diese Messen in Einheit mit dem Konzilspapst gefeiert werden und wir uns bei einer Teilnahme einer falschen Kirche anschließen würden. Das ist der Grund. warum wir hier in dieser Kapelle die hl. Messe feiern: Weil wir sonst nirgends an einer katholischen hl. Messe teilnehmen können, die der Tatsache Rechnung trägt, daß die katholische Kirche derzeit keinen Papst hat! Deshalb muß es nach der Bitte um die „Bewahrung des Glaubens“ und um die „Gnade der Beharrlichkeit bis ans Ende“ unser größtes Gebetsanliegen sein, von Gott einen wahren Papst zu erflehen; einen wahren Hirten und Menschenfischer, der die Seelen im einzig wahren Glauben sichert und stärkt. Einen Statthalter Christi, von dem die Worte gelten: „Du bist Petrus und auf diesen Felsen will ich meine Kirche bauen, und die Pforten der Hölle werden sie nicht überwältigen.“ Amen.