Unser Wandel ist im Himmel

Geliebte Gottes!

In den Abschiedsreden sprach unser göttlicher Erlöser zu Seinen Aposteln: „Im Hause meines Vaters sind viele Wohnungen. Wenn es nicht so wäre, hätte Ich es euch gesagt. Ich gehe ja hin, euch eine Stätte zu bereiten“ (Joh. 14, 2). Diese tröstenden Worte richten sich nicht nur an die Apostel, sondern an die Christen aller Jahrhunderte. Denn diese Welt in der wir Leben ist und bleibt ein Ort des Elends und der Traurigkeit. Wenn wir das „Gegrüßet seist du, Königin“ beten, nennen wir sie ein „Tal der Tränen“, einen Ort, an dem wir unser Dasein als Verbannte fristen.

In den Himmel vorausgegangen

Christus ist am Tag Seiner Himmelfahrt vorausgegangen, um uns einen anderen Ort, eine bleibende Wohnung, eine Heimat zu bereiten. Das soll uns trösten und unser Sinnen vom Irdischen emporrichten auf das Himmelreich, und zwar so, wie die Blicke der Apostel dem Herrn nachfolgten, als Er „in den Himmel auffuhr“ (Lk. 24, 51) – wörtlich „in den Himmel hinein fuhr“ – bis „Ihn eine Wolke ihren Blicken entrückte“ (Apg. 1, 9). – Bei der Wolke handelte es sich im übrigen wohl kaum um eine gewöhnliche Nebel- oder Regenwolke, sondern wie bei den außerordentlichen Gotteserscheinungen, von denen uns in der Heiligen Schrift berichtet wird, um eine wundersame Lichtwolke; wie etwa die Glanzwolke der Schechina, in der Gott im Alten Bund über der Bundeslade erschien (vgl. Ex. 40, 34 ff.); wie die Herrlichkeit Gottes, welche die Hirten in der heiligen Weihnacht umleuchtete (vgl. Lk. 2, 9); oder die Lichtwolke, welche die Verklärung Christi auf dem Tabor überschattete (vgl. Mt. 17, 5). Es sind die übernatürlichen Gloriolen, d.h. ein schatten- oder wolkenartiges Ausstrahlen „des unzugänglichen Lichtes, in dem der König der Könige wohnt“ (vgl. 1. Tim. 6, 15 f.). Das glänzende Licht, welches die verklärte Gestalt des in den Himmel auffahrenden Christus ausstrahlte, vereinigte sich mit dieser von oben herableuchtenden Wolke, die gleichsam die äußere Illumination des Eigangstores zur himmlischen Herrlichkeit bildet. Nachdem Christus als Gottessohn vom Himmel herabgestiegen war, kehrt er nun als Menschensohn in den Himmel zurück, wie Er gesagt hat: „Niemand ist hinaufgestiegen in den Himmel als der aus dem Himmel Herabgestiegene, der Menschensohn, der im Himmel ist“ (Joh. 3, 13). Wie ein siegreicher Feldherr zieht Christus im Triumphzug in den Himmel ein. Am Kreuz hatte Er über die Welt den Sieg errungen. Das Buch der Psalmen kündete von der triumphalen Himmelfahrt im Voraus: „Gott steigt empor im Siegesjubel; der Herr im Schalle der Posaunen“ (Ps. 46, 6). „Er stieg empor und führt als Beute die Gefangenen mit“ (Ps. 67, 19). Gefesselt sind die Feinde – die Sünde, der Tod und der Teufel. Als gewonnene Siegesbeute begleiten Ihn die Heiligen des Alten Bundes und die Seelen der Gerechten aus der Vorzeit, die er aus der Vorhölle erlöst hat. So trat der ewige Sohn Gottes, bekleidet mit unserer gebrechlichen Natur, die Er um unseretwillen angenommen hatte, in die Herrlichkeit Gottes ein, um dort zur Rechten des Vaters auch als Mensch jene Herrlichkeit in Besitz zu nehmen, um welche Er Seinen himmlischen Vater vor Seiner Passion gebeten hat: „Jetzt verherrliche Du Mich, Vater, mit der Herrlichkeit bei Dir selbst, die Ich bei Dir hatte, ehe die Welt war“ (Joh. 17, 5). Von dort aus, zieht Er alle, die Ihm treu auf dem Kreuzweg nachgefolgt sind und sich Ihm nicht wiedersetzt haben, an sich: „Wenn ich von der Erde erhöht sein werde, werde Ich alles an mich ziehen“ (Joh. 12, 32). Zuerst an das Kreuz, und vom Kreuz in den Himmel hinauf.

Keine bleibende Stätte auf Erden

Wir sind vorläufig in dieser, von der Erbsünde belasteten Welt zurückgelassen; in einer Welt, die von der finsteren Wolke des Todes und seiner zahlreichen, meist schmerzhaften Vorboten überschattet wird; in einer Welt, in der uns das Ticken der Uhr an die Gewißheit erinnert, daß wir jede Sekunde dem Augenblick näherkommen, in dem uns die Dunkelheit des Todes ganz umfangen wird. Wir wissen zwar nicht wann, nicht wo und nicht wie; nur daß der Tod unaufhaltsam näherrückt, das wissen wir mit Gewißheit. Die Himmelfahrt unsers göttlichen Erlösers soll uns daran erinnern, was der hl. Paulus in seinem Brief an die Hebräer geschrieben hat: „Wir haben hier keine bleibende Stätte, sondern trachten nach der zukünftigen“ (Heb. 13, 14). Damit ist ein Zweifaches ausgesagt. Weder die Freuden und Genüsse dieses Lebens bleiben, noch die Leiden und Schmerzen.

Unser Wandel im Himmel

Eine weitere Lehre, die wir aus der Himmelfahrt unseres Herrn Jesus Christus ziehen müssen, ist die, daß Er nicht gekommen ist, um ein irdisches Reich eines allgemeinen, materiellen Wohlstandes zu begründen, sondern ein himmlisches. Er kehrt in den Himmel zurück, um im Himmel zu herrschen, um über den Himmel zu herrschen und um vom Himmel aus über die Erde zu herrschen. – Diese Tatsache erinnert uns daran, daß wir durch den Empfang der hl. Taufe, in dem Augenblick, als uns das übernatürliche Leben der heiligmachenden Gnade eingegossen wurde, als wir des göttlichen Lebens teilhaftig und Kinder Gottes wurden, auch Bürger eines anderen Reiches geworden sind; Teil einer anderen Welt und daß unser Wandel hienieden nur eine Durchgangsstation ist. Obwohl wir noch im Fleisch auf Erden zurückgehalten sind, muß unser Lebenswandel als gnadenhafte Gotteskinder jetzt schon so sein, wie im Himmel, wie es der hl. Paulus sagt: „Unser Wandel ist (jetzt schon) im Himmel, von wo aus wir den Heiland erwarten, unseren Herrn Jesus Christus, welcher den Leib unserer Niedrigkeit umgestalten wird, daß er gleichgestaltet werde dem Leibe Seiner Herrlichkeit, vermöge der Kraft, durch welche Er sich auch alles unterwerfen kann“ (Phil. 3, 20 f.). Der hl. Thomas von Aquin sagt, daß sich der Wandel im Himmel an den Heiligen – also an jene Menschen, die sich hier auf Erden im Stand der heiligmachenden Gnade befinden – auf dreifache Weise zeigt: 1. indem sie beständig an die Seligkeit des Himmelreiches denken; 2. indem sie beständig die Seligkeit des Himmelreiches begehren; und 3. indem sie beständig nach dem heiligen Gesetz des Himmelreiches leben. Wenn wir wirklich dem Himmelreich angehören, in welchem der göttliche Erlöser Jesus Christus heute den Thron zur Rechten der Herrlichkeit Gottes bestiegen hat, dann müssen unsere Gedanken, unser Verlangen und unsere Handlungen beständig auf dieses Reich gerichtet sein. Wir sollen unser Leben auf Erden bereits so gestalten, als lebten wir im Himmel, indem wir nach Kräften zu verwirklichen suchen, worum wir im „Vater unser“ beten: „Zu uns komme Dein Reich. Dein Wille geschehe, wie im Himmel also auch auf Erden.“

Die Verfälschung Christi

Die moderne Welt weist einen Christus, der nicht von dieser Welt ist, zurück. Dabei gibt es zwei Arten, wie Christus zurückgewiesen werden kann. Die eine besteht darin, daß Christus als Gott und Erlöser der Menschen ausdrücklich und bewußt verworfen wird, wie das von Seiten der Gegner des Christentums mit aller Entschiedenheit geschieht. Die andere Zurückweisung ist heimtückischer. Sie besteht in der Transformation, in der Umwandlung Christi, nach den eigenen Ideen, Wünschen und Vorstellungen. Denjenigen, welche sich ihren Christus selbst zusammenbasteln, fehlt zumeist die Ehrlichkeit, den wahren Christus, wie Ihn die katholische Kirche verkündet freiheraus abzulehnen. Stattdessen formen sie Ihn um, machen Ihn zu einer Gestalt „von dieser Welt“. Zu jemandem, der nicht vom Himmel herabgestiegen ist, um wieder hinaufzusteigen (vgl. Joh. 3, 13); zu jemandem, der nicht kam um die Menschheit zum Himmelreich emporzuführen, emporzuziehen, emporzuheben; sondern um den „Himmel“ auf die Erde herabzuholen. D.h. um die Welt zu einem besseren Ort zu machen, wo alle Menschen in Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit, in der Einheit kunterbunter Diversität zusammenleben sollen, wie sie sagen. Jene, die in der Lösung der globalen Weltgesundheit, in der Entwicklungshilfe, im Klimaschutz und der sozialen Gerechtigkeit die Hauptaufgabe der menschlichen Existenz erblicken. Jene, die Christus zu einem Gesellschaftsreformer im Sinne des Sozialismus oder Kommunismus gemacht haben, in der Meinung damit die Welt zu verbessern. – Aber das ist nicht der wahre Christus! Der wahre Christus ist der König des Himmels und der König des Himmelreiches auf Erden, welches nichts anderes ist als die römisch-katholische Kirche. Darüber hinaus herrscht der wahre Christus über jeden Menschen, sei er Christ, Jude, Muslim oder sonst ein Heide. Warum? Weil Er, ohne den nichts wurde, was geworden ist (vgl. Joh. 1, 3), ausnahmslos alle Menschen in Seiner göttlichen Allmacht geschaffen und für sie als Mensch Sein kostbares Erlöserblut vergossen hat. Deshalb ist Er König über alle Menschen. Und deshalb wird Er jene, die Ihm den Glauben oder den Gehorsam verweigern, richten, wie Er selbst sagt: „Wer an Ihn (Christus) glaubt, wird nicht gerichtet; wer aber nicht glaubt, ist schon gerichtet, weil er nicht geglaubt hat an den Namen des eingeborenen Sohnes Gottes. Das aber ist das Gericht, daß das Licht in die Welt gekommen ist und die Menschen die Finsternis mehr liebten als das Licht; denn ihre Werke waren böse“ (Joh. 3, 18 f.). Er wird sie richten, weil Sie Ihn als den wahren Gott und Erlöser durch Unglaube und Ungehorsam zurückgewiesen haben. Wir haben im heutigen Festtagsevangelium gehört, daß das Evangelium vom Reich in der ganzen Welt verkündet werden soll. „Wer glaubt und sich taufen läßt, wird gerettet; wer nicht glaubt, wird verdammt werden“ (Mk. 16, 16). Das Wort Christi hat Macht! Es hat die Allmacht Gottes. Und deshalb steht Ihm das Gericht zu.

Der Grund, warum Christus gekreuzigt wurde, war, daß Er nicht jener Messias der zeitlichen Güter ist, den sich die Juden ausgemalt hatten. Die Pharisäer wollten das Joch der Besatzung durch die Römer mittels einer Revolution abschütteln und das weltliche Königreich Israel wiederhergestellt sehen. Eine Vorstellung, welche selbst die Apostel bis zum Himmelfahrtstag noch nicht völlig überwunden hatten, wie wir in der Epistel gehört haben (vgl. Apg.1, 6). Der Messias ist in den Augen des Judentums derjenige, der diese Weltrevolution anführen, und Israel als Weltreich, dem alle anderen Völker unterworfen sind, errichten soll. Doch Christus wollte das nicht. Schon nach der wunderbaren Brotvermehrung wollten sie Ihn mit Gewalt zum König machen (vgl. Joh. 6, 15), weil sie in Ihm die Lösung der „sozialen Frage“ wähnten. Nicht Reichtum und Wohlstand für alle, nicht Bürgergeld für alle wollten sie. Brot für alle hätte ihnen genügt, um Christus zu krönen. Aber Er wollte nicht. Weil sie Ihn zu einem zeitlichen König machen wollten, deshalb entzog Er sich ihrem Zugriff. Wenn Christus gekommen wäre ein weltliches Reich zu gründen; wenn er gekommen wäre, um durch zeitliche Glücksgüter die Stillung aller menschlichen Bedürfnisse zu gewährleisten, dann hätten Ihn die Juden als Messias angenommen. Sie hätten Ihn nicht gekreuzigt, sondern auf den Thron gesetzt. Am Karfreitag hätten sie von Pilatus Ihn verlangt, nicht Barabbas. Aber sie forderten den Tod für Christus und wählten den Anführer einer Revolte, an dessen Händen Blut klebte, weil Sein Reich „nicht von dieser Welt ist“ (Joh. 18, 36), sie aber nur ein solches wollten. Das haben die Juden auch deutlich zum Ausdruck gebracht, indem sie erklärten: „Wir haben keinen König außer den Kaiser“ (Joh. 19, 15) Als ob sie sagen wollten: „Wir haben nur diese irdische Welt. Wir sind nicht interessiert an Seinem geistigen Königtum.“ Aber das ist nicht das Evangelium, das uns Christus durch Seine Apostel und durch die katholische Kirche gepredigt hat. Es besagt, daß das Himmelreich nur erlangt werden kann durch Selbstverleugnung, durch das Tragen des Kreuzes und durch die Nachfolge Christi auf den Kalvarienberg. „Wenn einer in Meine Gefolgschaft eintreten will, der verleugne sich selbst, nehme sein Kreuz auf sich und folge Mir nach“ (Mt. 16, 24). Jeden Tag! Mehrmals am Tag! Wir müssen Gott huldigen durch unsere guten Werke; durch unser Sein, indem wir den Stand der heiligmachenden Gnade bewahren und Kinder Gottes bleiben; durch unsere Treue in den Versuchungen. Durch unsere innere Loslösung von den geschaffenen Dingen und unsere wachsende Anhänglichkeit an Gott. So und nur so beweisen wir Gott, daß wir Ihn mehr lieben als uns selbst. Und daß wir das nächste Leben im Himmel mehr lieben, als dieses Leben auf Erden. Nur so, werden wir verdienen einst in das Himmelreich einzugehen.

Die Loslösung von der Welt

Das fortschreitende innere Leben des Christen kann deshalb mit einer Himmelfahrt verglichen werden. Das geistliche Leben eines Katholiken verlangt eine heilige Verachtung dieser Welt. Sie besteht darin, daß wir diese Welt und ihre Güter lediglich gebrauchen, d.h. sie nur als Mittel zum Zweck benutzen, ohne sie selbst zum Zweck, zum Ziel zu machen. Denn das Ziel ist einzig und allein die höhere Ehre Gottes und die Rettung unserer Seele. Freilich benötigen wir bestimmte irdische Güter. Wir müssen sie besitzen und sie gebrauchen. Es gibt auch eine legitime Freude an den irdischen Gütern. Nämlich insofern sie in dem vom göttlichen Gesetz abgesteckten Bereich bleibt. Jedoch dürfen wir niemals von den Gütern dieser Welt beherrscht werden. Wir dürfen nie unser Herz an sie klammern. Warum? Weil wir uns in dem Maß, als wir den geschaffenen Gütern anhängen, von Christus loslösen. Stattdessen müssen wir umgekehrt bemüht sein, um so mehr Jesus Christus, dem König des Himmelreiches, anzuhängen; dem Christus, der uns immer mehr von der Welt loslöst, damit wir schon in diesem Leben mehr und mehr jenem Reich angehören, das nicht von dieser Welt ist.

Die Umwandlung des inneren Lebens

Wir kennen es aus eigener Erfahrung: Wenn der Mensch aufhört, sich äußerlich zu beschäftigen oder mit seinesgleichen zu sprechen; wenn er sich allein findet, dann beginnt er selbst im Lärm der Straßen eine Unterhaltung mit sich selbst. Ist er noch jung, so denkt er oft an seine Zukunft. Ist er alt, so denkt er an die Vergangenheit, wobei ihn die verschiedenen Erfahrungen seines Lebens in sehr unterschiedlicher Weise über Personen und Ereignisse urteilen lassen.

Wenn der Mensch im Irdischen verhaftet, also im Grunde Egoist bleibt, dann ist seine innere Unterhaltung mit sich selbst eingegeben von der Sinnlichkeit oder dem Stolz. Er unterhält sich über den Gegenstand seiner Habgier, seiner Begierden, und da er dabei in sich Traurigkeit und Unzufriedenheit findet, so sucht er sich selbst zu entfliehen, sich ans Äußerliche hinzugeben, sich abzulenken, um die innere Leere und das Nichts seines Lebens zu vergessen. In der vertrauten inneren Unterhaltung des Egoisten mit sich selbst findet sich eine gewisse, niedrige Selbsterkenntnis und eine sehr niedere Eigenliebe. Er kennt vor allem die sinnlichen Kräfte seiner Seele – die Leidenschaften, nach deren Befriedigung er strebt. Im Vordergrund steht also das, was dem Menschen und dem Tier gemeinsam ist. Folglich wird er von sinnlicher Freude und sinnlicher Traurigkeit dominiert, je nachdem ob schönes oder schlechtes Wetter ist; je nachdem, ob er Geld gewinnt oder verliert. Seine Wünsche und Abneigungen sind ähnlicher Art. Und wenn er auf Widerstand stößt, wird er wegen seiner ungeordneten Selbstliebe ungeduldig und zornig. Der Egoist kennt den geistigen Teil seiner Seele, der dem Menschen und dem Engel gemeinsam ist, nur sehr wenig. Selbst wenn er um die höheren Seelenkräfte – Verstand und Wille – weiß, so lebt er doch nicht in der geistigen Ordnung dieser höheren Seelenkräfte. Fast ständig gleiten seine Gedanken zurück zu dem Niedrigen in ihm. Selbst wenn er Beweise von Intelligenz, von großer Geschicklichkeit, bis hin zu List und Schläue liefert, so wenden sich die Leistungen seiner Intelligenz – statt sich zum Himmlischen, Ewigen, Geistigen zu erheben – immer wieder dem Irdischen zu; zu dem, was unter ihr ist. Er steht nicht nur mit beiden Füßen auf dem Erdboden, sondern auch seine Seele klebt am Irdischen. Sein Verstand ist dafür geschaffen, Gott, die höchste Wahrheit, zu schauen. Doch er hält sich oft im Irrtum auf, wobei er sich mitunter darauf versteift, seine irrige Meinung mit allen Mitteln zu verteidigen. – Wenn das Leben sodann nicht auf der Höhe des Denkens steht, so sinkt das Denken schließlich zum niedrigeren Niveau des Lebenswandels herab. Die einst hohen Überzeugungen, die man vielleicht hatte, werden immer schwächer.

Die innere Unterhaltung des Egoisten mit sich selbst führt auf diese Weise zur Todsünde. Seine überbordende Eigenliebe tötet die Gottesliebe, denn er liebt sich selbst und das Irdische mehr als Gott und das Himmlische. Seine Eigenliebe führt ihn dazu, sich zum Mittelpunkt von allem zu machen, alles auf sich zu beziehen, sowohl die Personen als auch die Dinge. Er wird unerträglich für sich selbst und für die anderen. Und weil er sich selbst zu sehr hat lieben wollen, haßt er sich schließlich. Bisweilen haßt er am Ende das Leben selbst. Wenn der Mensch, noch ohne im Stand der heiligmachenden Gnade zu sein, jedoch anfängt nach dem Himmlischen zu streben, so ist seine innere Unterhaltung mit sich selbst schon eine ganz andere. Er spricht mit sich z.B. über das, was zu einem ehrbaren Leben gehört, und über das, was er tun muß, damit der Nächste, den er mag oder für den er verantwortlich ist, leben kann. Um diese Dinge empfindet er bisweilen große Sorge. Er fühlt seine Schwäche und die Notwendigkeit, sein Vertrauen nicht nur auf sich selbst, sondern auf Gott zu setzen. Ein solcher Mensch kann, obwohl er noch im Stand der Todsünde ist, den christlichen Glauben und die Hoffnung haben, die in uns, selbst nach dem Verlust der gnadenhaften Gottesliebe, bestehenbleiben. Die innere Unterhaltung des Todsünders mit sich selbst ist zuweilen durch das übernatürliche Licht des Glaubens erleuchtet. Er denkt an das ewige Leben und verlangt danach, obwohl dieses Verlangen schwach bleibt. Er wird mitunter durch eine besondere Eingebung angetrieben zu beten – aber meist nur in seinen persönlichen Anliegen. Es sind nur kurze Luftsprünge über den Horizont des Irdischen hinaus. Sein Wandel ist noch Irdisch.

Wenn dieser Mensch aber wenigstens eine unvollkommene, übernatürliche Reue über seine Sünden hat und die Lossprechung im Bußsakrament empfängt, so wird ihm mit dem Leben der heiligmachenden Gnade sowohl die übernatürliche Liebe zu Gott als auch zum Nächsten eingegossen. Von da an ändert sich, sobald er sich allein sieht, seine innere Unterhaltung mit sich selbst. Die Loslösung vom Irdischen beginnt mit der Erhebung und Umbildung der inneren Unterhaltung eines jeden mit sich selbst, nämlich sobald diese danach strebt eine Unterhaltung mit Gott zu werden. Er fängt an, sich in heiliger Weise zu lieben, nicht um seiner selbst willen, sondern um Gottes willen, und auch den Nächsten wegen Gott. Er begreift, daß er seinen Feinden verzeihen müsse, wenn er von Gott Verzeihung erhoffen will; ja, daß er sie sogar um Gottes willen lieben müsse, wenn er von Gott geliebt werden will. Er wünscht für sie das ewige Leben, wie für sich selbst. – Aber oft bleibt die innere Unterhaltung des Menschen im Gnadenstand doch vom Egoismus, von der Eigenliebe, der Sinnlichkeit und dem Stolz angesteckt. Diese Fehler sind bei ihm nicht schwere, sondern läßliche Sünden. Aber bei Wiederholung machen sie ihn geneigt, in die Todsünde zurückzufallen, d.h. wieder vom Leben des Himmelreichs ins Jammertal des geistigen Todes herabzusinken. Die fortschreitende Loslösung vom Irdischen und die Erhebung der Seele zum Himmlischen verläuft nicht ohne Kampf. Man muß die Ketten der schlechten Gewohnheiten sprengen, die eine Folge alter Sünden sind. Erst allmählich verschwindet das, was der hl. Paulus den „alten Menschen“ nennt; und es bildet sich der „neue Mensch, der nach Gott geschaffen ist, in wahrer Gerechtigkeit und Heiligkeit“ (Eph. 4, 24). Was der Völkerapostel den „neuen Menschen“ nennt, ist das, was in uns das Hauptsächlichste und Höchste ist: die vom übernatürlichen Gnadenleben durchdrungene Seele, mit ihrer durch den Glauben erleuchteten Vernunft und dem über die Sinnlichkeit herrschenden Willen.

Durch die fortschreitende Loslösung wird das innerliche Leben mehr und mehr ein Verkehr mit Gott, wobei der Mensch sich allmählich losmacht vom Egoismus, der Eigenliebe, der Sinnlichkeit und dem Stolz, indem er in häufigem Gebet den Herrn um immer neue helfende Gnaden bittet, derer er zum weiteren Aufstieg bedarf. Nach und nach macht der Gedanke an unser eigenes Ich, worin wir bisher alles einmünden ließen, dem dauernden Gedanken an Gott Platz. Und ebenso weicht die selbstsüchtige Liebe zu den geschaffenen Gütern, der Liebe zum höchsten und ungeschaffenen Gut, der Liebe zu Gott; und in Gott zu den Seelen. Die innere Unterhaltung wird anders, so sehr, daß für das innere Leben der Seele das, was hl. Paulus sagt, zunehmend wirklich wird: „Unser Wandel aber ist im Himmel“ (Phil. 3, 20). Das innerliche Leben einer Seele im Stand der heiligmachenden Gnade ist vor allem ein Leben der Demut, der Selbstverleugnung, des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe. Es ist begleitet von einem Frieden, der von der wachsenden Unterordnung der sinnlichen Leidenschaften unter die übernatürliche Liebe zu Gott herrührt. In diesem inneren Verkehr mit Gott, der danach strebt, zu einer beständigen Unterhaltung zu werden, spricht die Seele im Gebet, bald eine Bitte, bald Anbetung und Danksagung aus. Immer aber ist es eine Erhebung der Seele zu Gott. Und Gott antwortet, indem Er uns die Lehre des Evangeliums und alles, was für die Heiligung des gegenwärtigen Augenblicks nützlich ist, mitteilt. Auch hier gilt das Wort des Heilandes: „Der Heilige Geist, den der Vater in Meinem Namen senden wird, wird euch alles lehren und wird euch alles eingeben, was Ich euch gesagt habe“ (Joh. 14, 26).

Auf diese Weise löst sich der Mensch von seiner Anhänglichkeit an das eigene Ich, an die irdischen Güter und verinnerlicht seine Verbindung mit Gott dem Allerhöchsten, der ihn emporzieht zu Sich und ihn mehr und mehr zum Gotteskind um formt, indem Er ihn Christus, dem von Natur aus eingeborenen Sohn Gottes, verähnlicht. – Die Heiligen folgen diesem Weg und werden in ihrer inneren Unterhaltung mit Gott derart fest begründet, daß sie gar nicht mehr aufhört. So sagt man etwa vom hl. Dominikus, daß er nur von Gott oder mit Gott zu sprechen wußte. Dadurch vermochte er stets liebenswürdig gegen die Menschen zu sein und gleichzeitig klug, gerecht und standhaft. Von dieser Höhe des innerlichen Lebens aus ist es dann nur ein kleiner, fast selbstverständlicher Schritt durch die Himmelspforte, die sich einer derart mit Gott verbundenen Seele im Tod öffnet und sie die herrliche Wohnstatt in Besitz nehmen läßt, welche ihr von Christus bereitet worden ist.

Notwendigkeit der Entweltlichung

Das Geheimnis der Himmelfahrt Christi ist vielleicht mehr als jedes andere Ereignis im Leben unseres Heilandes, der unzweideutige Beweis dafür, daß Sein Reich nicht von dieser Welt ist. Es lehrt uns, daß die Teilhabe an Seinem Reich nur durch die Loslösung vom Irdischen erreicht werden kann. An dieser Stelle hat das Ordensleben seinen Ursprung. Überall in der Christenheit wurden Klöster gegründet, um sich einerseits mittels der drei Gelübde der Armut, der Keuschheit und des Gehorsams möglichst vollkommen von allem Irdischen loszulösen und dadurch gleichzeitig eine möglichst vollkommene Bindung an den auferstandenen und in den Himmel aufgefahrenen Erlöser zu erreichen.

Niemals zuvor war es so schwierig sein Leben zu „entweltlichen“ wie heute. Die Welt ist voll von Versuchungen. Das war immer schon so. Aber niemals zuvor war es für die Versuchungen so einfach, uns zu erreichen und ihre geballte Anziehungskraft auf uns auszuüben. Auf allen Kanälen sendet die Welt die Wellen ihres Magnetfelds aus; im Fernsehen; im Radio; in Filmen, Theaterstücken und Romanen. Insbesondere durch das Internet. Und noch auf vielen, vielen anderen Wegen brechen die Versuchungen wie ein Sturzbach über uns herein. Die linke, sozialistische Ideologie treibt uns mehr und mehr in die Enge, versucht uns dazu zu zwingen, all das anzunehmen, was sie predigt. Und dieser Druck wird vermutlich noch stärker werden, bis er früher oder später, in der Zeit des Antichrist, seinen Höhepunkt erreichen wird. Wir leben – trotz der angespannten wirtschaftlichen Lage – immer noch in einem materiellen Wohlstand wie nie zuvor. Alle erdenklichen Güter sind für jeden von uns vergleichsweise leicht erreichbar. Obwohl die meisten Güter an sich nicht schlecht sind, bergen sie trotzdem die Gefahr in sich, daß sie uns zerstreuen und unser Sinnen, Reden und Tun vom Himmel abziehen und auf die Erde fixieren; auf die Vermehrung materieller Güter und auf die Verlängerung dieses vergänglichen Lebens um jeden Preis. Sie machen auf das Himmelreich vergessen und lassen uns nur mehr das irdische Glück im Auge haben.

Möge uns also die Himmelfahrt unseres göttlichen Erlösers die Augen öffnen für die Eitelkeit und die Vergänglichkeit aller irdischen Güter. Und möge uns das heutige Festgeheimnis davor bewahren die allgegenwärtige Apostasie mit zu vollziehen, indem wir diese Welt nicht mehr lieben als das ewige Leben; das Christus uns am Kreuz verdient hat, das Er uns in der hl. Taufe eingegossen hat; das sich im Inneren unsere Seele immer mehr „zum Wandel im Himmel“ entfalten soll; das zu vollenden Christus am Ende der Welt wiederkommen wird, um uns in der Auferstehung des Fleisches einen unverweslichen Leib, der Seinem herrlichen Leib ähnlich gestaltet ist, zu schenken, ehe Er zu denjenigen zu Seiner Rechten sagen wird: „Kommt, ihr Gesegneten meines Vaters, nehmt das Reich in Besitz, das euch bereitet ist seit Grundlegung der Welt“ (Mt. 25, 34). Amen.

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