Fest des hl. Erzmärtyrers Stephanus
Das christliche Martyrium
Geliebte Gottes!
Durch die Menschwerdung des Gottessohnes in der Heiligen Nacht hat uns Christus „Macht gegeben, Kinder Gottes zu werden“ (Joh. 1, 12). Durch den „Glauben an Seinen Namen“ und die „Geburt aus Gott“ in der hl. Taufe sind wir „Mitbürger der Heiligen und Hausgenossen Gottes“ (Eph. 2, 18 f.) geworden. Als „Kinder des Zornes“ wurden wir einst zum Taufbrunnen hingetragen, als „Kinder Gottes“ wurden wir im Schoß der katholischen Kirche wiedergeboren. „Wir haben Gott zum Vater, weil wir die Kirche zu unserer Mutter haben“, sagt der hl. Cyprian. Als Hausgenossen Gottes und Mitbürger der Heiligen nehmen wir Anteil an den Werken und Verdiensten der heiligen Märtyrer, wie diese auch unsere Fürsprecher am Throne Gottes sind. Deshalb ist uns der Gedächtnistag ihres Todes immer ein Freudenfest, weil sie in ihrem Blutzeugnis so glorreich für die Ewigkeit geboren wurden. Wir freuen uns mit ihnen, daß sie die „Herrlichkeit des Eingeborenen vom Vater, voll Gnade und Wahrheit“ (Joh. 1, 14), welche sie auf Erden im Glauben bekannt und in ihren Martern bis aufs Blut bezeugt haben, jetzt von Angesicht zu Angesicht schauen dürfen. So ist auch die heutige Festfreude vom Martyrium des hl. Erzdiakons Stephanus begründet, des ersten neutestamentlichen Blutzeugen.
Warum feiert die Kirche sein Fest gerade am Tag nach der Geburt ihres göttlichen Bräutigams? Wegen des engen Zusammenhanges der Menschwerdung Christi, der sich vom Thron der Gottheit in die Niederungen dieser Welt herabließ, um Seine auserwählten Brüder und hl. Freunde in den Himmel zu erheben. Der hl. Fulgentius sagt: „Gestern ging unser König, angetan mit dem Gewand des Fleisches, aus dem Schoße der Jungfrau hervor und trat ein in die Welt; heute verließ der Kämpfer Stephanus die Hütte des Leibes und ging als Sieger in den Himmel ein. Jener kam in der Majestät der ewigen Gottheit, angetan jedoch mit dem Fleische der Knechtschaft, auf den Kampfplatz der Welt; dieser warf die vergängliche Rüstung des Leibes ab und stieg hinauf in die himmlischen Paläste, um dort ewig zu herrschen. Christus stieg herab, in Fleisch gehüllt, Stephanus stieg empor, mit blutigem Kranze geschmückt. Dieser stieg empor unter den Steinwürfen der Juden, weil jener herabgestiegen war unter den Lobliedern der Engel. … Gestern verließ der Herr den Schoß der Jungfrau; heute verließ sein Streiter den Kerker des Leibes. Gestern wurde Christus für uns in Windeln eingehüllt; heute wird Stephanus von ihm mit dem Gewand der Unsterblichkeit umkleidet. Gestern umschloß die enge Krippe den neugeborenen Heiland; heute nimmt der unermeßliche Himmel den triumphierenden Stephanus auf. Allein stieg der Herr hernieder, um viele zu erhöhen; unser König erniedrigte sich, um seine Streiter zu erheben.“
Damit wir den Heldenmut des hl. Stephanus in rechter Weise würdigen und den überschwenglichen Jubel der Kirche besser verstehen können, der sie alljährlich dazu veranlaßt, das Martyrium dieses Heiligen gleich einer blutroten Rose als Erstlingsgabe an der Krippe ihres göttlichen Erlösers und Bräutigams niederzulegen, wollen wir unsere Aufmerksamkeit auf die Frage richten, was denn ein Märtyrer überhaupt ist.
Was ist ein Märtyrer?
Das Wort „Märtyrer“ stammt von dem griechischen Wort „μάρτυρ“ und bedeutet „der Zeuge“. Der Begriff entstammt der Rechtssprache. Zeuge ist derjenige, welcher vor einem Gericht und in der Gegenwart des Angeklagten durch sein öffentliches Zeugnis, als lebendiger Beweis für die Wahrheit eines Sachverhaltes auftritt. Der Zeuge tritt für die Wahrheit ein.
Das höchste Zeugnis, welches ein Mensch für die Wahrheit geben kann, ist das Zeugnis des Blutes. Wer für die Wahrheit seines Bekenntnisses bereitwillig den Tod auf sich nimmt, bekundet damit, daß die Überzeugung von eben dieser Wahrheit, für die er eintritt, über dem höchsten Gut des Menschen steht; höher als das eigene Leben, welches der Blutzeuge eher bereit ist aufzugeben, als seine Überzeugung zu widerrufen. Das Blutzeugnis gibt somit die höchstmögliche Glaubwürdigkeit von der Überzeugung eines Menschen. So allgemein gefaßt werden all diejenigen „Märtyrer“ genannt, welche für eine echte oder vermeintliche philosophische, politische oder religiöse Wahrheit aus Überzeugung in den Tod gehen.
Das christliche Martyrium überragt das soeben ganz allgemein gefaßte Blutzeugnis jedoch, weil dessen Gegenstand ein wesentlich übernatürlicher ist. D.h. es handelt sich um eine Wahrheit oder eine Tugend des katholischen Glaubens, deren Wahrhaftigkeit von Gott selbst oder durch die Verkündigung des kirchlichen Lehramtes verbürgt ist. Die katholische Kirche nennt deswegen nur denjenigen einen Märtyrer, dessen Zeugnis für die göttliche Wahrheit vier Merkmale aufweist:
1. Der Tod muß tatsächlich eingetreten sein. D.h. ein Märtyrer im eigentlichen Sinne muß nicht nur dazu bereit sein, sein Blut zu vergießen. Er muß es auch tatsächlich vergießen. Und zwar bis zum Tod. Menschen, die sich im Dienst um den Nächsten aufreiben und durch ihre tätige Liebe „Märtyrer der Nächstenliebe“ genannt werden, sind nicht im eigentlichen Sinne Märtyrer. Auch jene Katholiken, die während der Christenverfolgungen Folterqualen überlebt hatten, waren zwar als „Bekenner“ hochverehrt, doch wurden sie nicht „Märtyrer“ genannt. Denn solange der Mensch noch lebt, hat er noch nicht auf alle irdischen Güter zugunsten der katholischen Wahrheit verzichtet. Solange der Mensch noch lebt, hat er noch nicht das höchste Opfer für Gott gebracht, zu dem er fähig ist. Das Martyrium besteht also wesentlich in der tatsächlichen Hingabe des höchsten (natürlichen) Gutes, über welches der Mensch verfügt; in der Hingabe des eigenen Lebens.
2. Der Tod muß von einer äußeren Gewalteinwirkung herrühren, die von einem ungerechten Angreifer verursacht wird. – Ausgeschlossen ist damit der natürliche Tod durch Alter oder Krankheit. Auch die gläubige und tapfere Annahme einer qualvollen, tödlichen Krankheit als Sühne für die Sünden, welche im Volksmund bisweilen „Martyrium“ genannt wird, ist kein Martyrium in unserem Sinne, weil die Todesursache nicht von außen herrührt. – Unmöglich kann ferner der Tod bei einem Unfall für eine gute Sache, wie etwa bei einer Rettungsaktion oder gar durch Selbstmord, wie im islamischen Dschihad, „Martyrium“ heißen. Der Tod muß von einem anderen Menschen und zwar zu ungerecht zugefügt werden. Deshalb ist der hl. Dismas, jener „gute Schächer“, der zusammen mit dem Heiland gekreuzigt wurde, kein Märtyrer. Es waren zwar die Henkersknechte, die sein Blut vergossen und ihm den Tod beigebracht haben. Aber nicht zu unrecht! Dismas selbst hatte bekannt, daß ihm kein Unrecht geschieht: „Wir leiden mit Recht, denn wir empfangen, was unsere Taten verdienen“ (Lk. 23, 41). Der Verbrecher, welcher seine Hinrichtung als gerechte Strafe für seine Schuld tapfer annimmt, ist ein Büßer, aber kein Märtyrer. Sein Blut fließt. Jedoch aus einem gerechten Grund. – Das Martyrium ist also seiner Natur nach ein Mord. D.h. es handelt sich dabei wesentlich um die absichtliche Tötung eines Unschuldigen.
3. Das Mordmotiv ist nun ein ganz entscheidender Faktor. Der Angreifer muß nämlich aus Haß gegen den katholischen Glauben handeln. – Ausgeschlossen sind daher alle Mordmotive, die den katholischen Glauben gar nicht berühren. Wenn ein ungläubiger Verbrecher einen Katholiken tötet, nur weil er dessen Reichtümer stehlen will, so handelt es sich bei dem Opfer um keinen Märtyrer. Genausowenig kann als Märtyrer etwa eine Frau gelten, die aus Eifersucht von einem abgewiesenen Verehrer; ein Bräutigam, der aus Mißgunst von einem Nebenbuhler, oder ein Mensch, der aus irgendeinem natürlichen Motiv des Hasses, der Eifersucht oder der Rache ermordet wird. Bei einem echten Martyrium muß sich der Wille des Angreifers gegen den Glauben, gegen etwas Übernatürliches richten. Also gegen eine katholische Glaubenswahrheit, ein Dogma; oder etwas, das mit dem Dogma wesentlich in Verbindung steht.
Der hl. Johannes der Täufer ist beispielsweise ein Märtyrer im wahrsten Sinne des Wortes. Mit den Worten „Es ist dir nicht erlaubt die Frau deines Bruders zu haben“ (Mk. 6, 18) trat er vor König Herodes Antipas für das Dogma von der Einheit der Ehe ein und zog sich damit den Haß der Herodias, dessen Buhle, zu. Herodias gelang es, den König mittels ihrer Tochter dazu zu bewegen, Johannes den Täufer zu enthaupten. Der Haß gegen das Dogma war Ursache der Mordtat. – Eine Märtyrerin wäre ferner eine Frau, die dafür getötet wird, weil sie ihre Jungfräulichkeit nicht preisgeben will, wie etwa im Fall der hl. Maria Goretti. Ihr Mörder tötete sie aufgrund des katholischen Jungfräulichkeitsideals. – Märtyrer waren ferner jene Priester, die sich, etwa während der Französischen Revolution, weigerten, dem Staat per Unterschrift Rechte zuzusprechen, welche sich gegen die von Gott herstammenden Rechte der katholischen Kirche richten. – Kein Märtyrer war hingegen der heldenhafte polnische Franziskaner-Minorit Maximilian Kolbe. Im KZ Auschwitz interniert, trat er an die Stelle eines für den „Hungerbunker“ bestimmten Familienvaters. Dieses Opfer von Pater Kolbe war ein heroischer Akt der Nächstenliebe, jedoch kein Martyrium. Denn das von den Nazis verhängte Todesurteil, welches Pater Kolbe stellvertretend auf sich nahm, war nicht vom Haß gegen den Glauben motiviert, sondern eine willkürliche Vergeltungsmaßnahme für den Fluchtversuch eines anderen Häftlings. – Gleiches gilt von Edith Stein. Sie wurde ermordet. Aber nicht weil sie Karmelitin oder Katholikin war, sondern weil sie jüdischer Herkunft gewesen ist. Auch bei ihrer Ermordung richtete sich das Tatmotiv somit nicht gegen den katholischen Glauben.
4. Zum Martyrium erforderlich ist schließlich die freiwillige Annahme des Todes seitens des Blutzeugen. Das Martyrium ist der höchste Akt der Tugend des Starkmutes. Dabei muß der wahre Märtyrer nicht nur passiv, sondern selbst auch aktiv sein, indem er in den eigenen Tod einwilligt. – Ein Katholik, der beispielsweise von einem mohammedanischen Tribunal zum Tod verurteilt wurde, weil er sich weigert zum Islam zu konvertieren, sich sodann aber gegen die Vollstreckung des Todesurteils wehrt oder bei einem Fluchtversuch ums Leben kommt, wäre kein Märtyrer, weil er durch seine Auflehnung oder durch den Versuch der Flucht beweist, daß er nicht bereit ist, sein Leben freiwillig hinzugeben. – Das Martyrium ist ein Akt vollkommener Gottesliebe. Durch die göttliche Gnade bewegt, liebt der Märtyrer Gott mehr als sein eigenes Leben und schenkt es freiwillig hin. Seine Gottesliebe ist die Quelle, die ihm den übernatürlichen Starkmut gibt, in den Tod einzuwilligen. Nur die übernatürliche Liebe zu Gott befähigt den Menschen dazu, Gott und die übernatürlichen Dinge dem höchsten irdischen Gut, nämlich dem Leben, vorzuziehen. – Hier unterscheidet sich der Märtyrer schließlich auch von einem heldenmütigen Soldaten, der sein Leben freiwillig für sein Vaterland opfert. Der Soldat gibt sein Leben zwar ebenfalls freiwillig hin, aber nicht um des Glaubens, nicht um eines übernatürlichen Gutes willen, sondern zur Verteidigung irdischer Güter. Er ist ein Held, aber kein Märtyrer, denn sein Tod geht aus einem natürlichen Heldenmut hervor. Das Martyrium aber ist wesentlich übernatürlich motiviert.
Wir sehen also, daß die Handlungen, sowohl des Mörders als auch des Märtyrers, in einem Punkt deckungsgleich zusammentreffen: im Glauben. Wofür der eine tötet, ist der andere bereit zu sterben. Und tatsächlich geschieht es dann auch so. – Ob der Blutzeuge den Tod freiwillig annimmt, ist dabei ebenso entscheidend wie der religiöse Haß als Motiv des Angreifers. Der Heiligsprechungsprozeß bei Märtyrern prüft insbesondere diese beiden Punkte. Wenn nicht bewiesen werden kann, wie ein Katholik um des Glaubens willen gestorben ist – ob freiwillig oder nicht –, so kann nicht zur Heiligsprechung geschritten werden.
Sind die Unschuldigen Kinder Märtyrer?
Wie sieht es dann aber mit dem Martyrium der Unschuldigen Kinder aus? – Die Mordtat des Königs Herodes war religiös motiviert. Der Haß des Herodes richtete sich gegen den von Gott verheißenen Messias, den König über ganz Israel, den Herodes zur Sicherung seiner Herrschaft auszuschalten beabsichtigte. Der Schwertstreich, der die bethlehemitischen Kinder traf, sollte eigentlich Christus treffen. Damit war die Bedingung des vom Glaubenshaß herstammenden ungerechten Angriffs erfüllt. – Wie sieht es nun aber mit der Freiwilligkeit der Kinder aus? Es waren „Knaben von zwei Jahren und darunter“ (Mt. 2, 16). Deshalb war bei ihnen sowohl der Vernunftgebrauch und in der Folge auch die freiwillige Annahme des Todes ausgeschlossen. Gerade weil sie noch nicht zur hinreichenden Vernunft- und Willensreife gelangt sein konnten, war damit aber auch mit Sicherheit ausgeschlossen, daß sie einen der freiwilligen Annahme des Todes entgegenstehenden Akt setzen konnten. – Es verhält sich hier ähnlich wie bei der hl. Taufe. Während bei der Taufe eines Erwachsenen dessen freier Willensentschluß zur Gültigkeit erforderlich ist, genügt es bei den Unmündigen zum gültigen Empfang des Sakramentes, daß sie mit Sicherheit außerstande sind, einen vernünftigen Akt gegen den Empfang der hl. Taufe zu setzen. – Genauso war es ausgeschlossen, daß sich die Unschuldigen Kinder gegen das Blutzeugnis für Christus auflehnten. So sagt der hl. Augustinus: „Nur derjenige wird Zweifel haben an eurer Krone im Leiden für Christus, der auch nicht glaubt, daß die Taufe den Kindern nütze. Ihr hattet noch nicht das Alter, um an den in der Zukunft leidenden Christus zu glauben, aber ihr hattet den Leib, um für den in der Zukunft leidenden Christus euer Leiden zu erdulden“ (de Epiph. serm. 373). Ist die Reife der Seele nicht hinreichend vorhanden, um die Gnadengaben Gottes anzunehmen, so genügt es, den Leib nicht zurückzuziehen.
Wir halten also fest: Märtyrer im katholischen Sinne ist nur derjenige, welcher, wie St. Stephanus, zum Zeugnis für eine Wahrheit oder Tugend des katholischen Glaubens freiwillig den Tod auf sich nimmt, der ihm von einem ungerechten Angreifer, aus Haß gegen die katholische Religion, beigebracht wird.
Das Martyrium des hl. Stephanus
Ja, große Helden sind die hll. Märtyrer! Sie haben verstanden, daß der Weihnachtsfriede nicht die von Gott gesetzte Feindschaft zwischen Christus und der Schlange, zwischen Seiner Nachkommenschaft und ihrer Nachkommenschaft, zwischen Gott und der Welt aufhebt. „Ich bin nicht gekommen, Frieden zu bringen, sondern das Schwert“ (Mt. 10, 34). „Ein Knecht ist nicht größer als sein Herr. Haben sie Mich verfolgt, werden sie auch euch verfolgen“ (Joh. 15, 20). „Ich bin gekommen, Feuer auf die Erde zu senden, und was will Ich anderes, als daß es brenne?“ (Lk. 12, 49). Das reine Feuer der Gottesliebe hat das Herz des hl. Stephanus soweit durchglüht, daß es sogar in seinem Antlitz aufleuchtete und ihn seinen Gegnern wie einen liebeglühenden Seraph erscheinen ließ: „Alle, die im Hohen Rat saßen, richteten den Blick auf ihn und sahen sein Gesicht gleich dem Gesicht eines Engels“ (Apg. 6, 15). In aller Geduld und Lehrweisheit setzte Stephanus seinen Gegnern den katholischen Glauben an die Messianität und Gottheit Jesu Christi sowie dessen Tod und Auferstehung aus der alttestamentlichen Überlieferung auseinander. Er machte ihnen Vorhaltungen aufgrund ihrer Halsstarrigkeit und ihres heuchlerischen Buchstabendienstes. Sie stritten mit ihm, doch „vermochten sie der Weisheit und dem Geist, der aus ihm sprach, nicht zu widerstehen“ (Apg. 6, 10). Sie ergrimmten im Haß gegen das Evangelium, knirschten mit den Zähnen, versuchten den Stephanus mit lauten Schreien zu übertönen, hielten sich die Ohren zu, bis sie in blinder Wut alle zugleich über ihn herfielen, ihn zur Stadt hinauszerrten und ihn steinigten. – Warum haben sie so gehandelt? Aus leidenschaftlichem Haß gegen das Evangelium, das ihnen verkündet wurde! Aus Haß gegen den katholischen Glauben! – Wie reagierte der hl. Stephanus? Er sah „den Himmel offen und den Menschensohn zur Rechten Gottes stehen“ (Apg. 7, 55) und wurde dadurch übernatürlich erleuchtet und gestärkt. Dazu bemerkt der hl. Johannes Chrysostomus: „Er sah mit den Augen des Glaubens Christus den Herrn, und darum sah er den Steinregen nicht, womit er überschüttet wurde.“ Keine Gegenwehr. Kein Fluchtversuch. Freiwillig nahm Stephanus den Tod an und betete für seine Verfolger: „‚Herr Jesus, nimm meinen Geist auf!‘ Er sank in die Knie und rief mit lauter Stimme. ‚Herr, rechne ihnen diese Sünde nicht an!‘“ (Apg. 7, 59 f.). Unerschrocken und unerschütterlich verharrte er bis zum letzten Atemzug in der vollkommen übernatürlichen Liebe zu Gott, dem er sein Leben zum Opfer darbrachte.
Die Worte des hl. Ignatius von Antiochien, der ebenfalls des Martyriums gewürdigt wurde, sollen uns einen kleinen Einblick vom Innenleben eines Märtyrers vermitteln, wie es sich in ähnlicher Weise gewiß auch im Herzen des hl. Stephanus fand. Der hl. Märtyrer Ignatius schreibt kurz vor seinem Tod: „Nun fange ich an, ein Jünger Christi zu werden; ich will nichts mehr von dem, was sichtbar ist auf Erden; nur Jesus Christus möchte ich finden. Feuer, Kreuz, wilde Tiere, Zertrümmerung der Knochen, Zerstückelung der Glieder und die Zermalmung des ganzen Körpers; alle Foltern des Teufels, alles mag über mich kommen, wenn ich nur Christus besitze. … Ich frage nicht nach dem Sichtbaren und nicht nach dem Unsichtbaren, wenn ich nur Christi teilhaftig werde! Lebendig schreibe ich – nach dem Tode mich sehnend! Meine Liebe ist gekreuzigt worden! Das Feuer, das in mir ist, verlangt kein Wasser! Jesus lebt und redet in meinem Innersten und spricht: ‚Komme zum Vater‘ – Das Brot Gottes verlange ich, welches ist das Fleisch Jesu Christi; und zum Tranke will ich Sein Blut, das da ist unvergängliche Liebe und ewiges Leben. … Ich bin Christi Weizenkorn; mit den Zähnen der wilden Tiere will ich gemahlen werden, auf daß ich ganz reines Brot werde.“
Aufgrund ihrer alle Todesqualen überwindenden, übernatürlichen Liebe feiert der hl. Cyprian, der ebenfalls später sein eigenes Blut für Christus vergießen durfte, die hl. Märtyrer mit diesen schönen Worten: „Wie kann ich euch gebührend preisen, heldenmütige Brüder! Wie soll ich eure Tapferkeit und Glaubenstreue nach Verdienst rühmen? Bis zum herrlichen Ende habt ihr die schwere Probe bestanden, und nicht ihr seid den Qualen unterlegen, sondern die Qualen euch … Die Gepeinigten hielten tapferer aus als die Peiniger; die zerschlagenen und zerfleischten Glieder trugen den Sieg davon über die Marterwerkzeuge. … Euren Glauben zu Boden werfen konnte weder die Heftigkeit noch die Wut der Schläge. … Welch ein Schauspiel für den Herrn! …. ‚Kostbar in den Augen des Herrn ist der Tod Seiner Heiligen‘ (Ps. 115, 6) … Wie war doch Christi Freude so groß! … Er, der mit einem Male den Tod besiegt hat für uns, besiegt den Tod zu jeder Zeit in uns.“
Das weiße Martyrium
Wie können nun aber auch wir Anteil am Los und an der Seligkeit der hl. Märtyrer gewinnen? – Der hl. Papst Gregor d. Gr. weist darauf hin, daß es neben dem blutigen auch ein „weißes“ Martyrium gibt: „Es sind zwei Arten des Martyriums: das eine vor den äußeren Feinden Jesu Christi, das andere in uns selbst. Es hat nämlich auch die äußere Ruhe ihre Kämpfe, da wir mit dem Schwerte des Geistes wider die Begierden streiten.“ Und der hl. Johannes Chrysostomus fügt hinzu: „Die heiligen Märtyrer haben ihr Blut vergossen. Laß du doch deine Reuetränen fließen. Tränen können ja das Feuer [der Leidenschaften] löschen, welche die Sünden entzündet haben! Der Leib der Märtyrer wurde zerfleischt, und sie sahen sich von Henkern umringt. Mache nun du es so mit deinem Gewissen! Setze die Vernunft als einen unbestechlichen Richter auf den Thron. Führe alle deine Sünden davor hin. Erschütternde, schreckvolle Gedanken sollen gleich jenen Henkern um deine Vergehen herumstehen. Strafe die törichten, unreinen Begierden, welche die Sünden in dir erzeugt haben, und laß sie heftig und qualvoll gemartert werden.“
Sollten also auch wir, genauso wie die beiden soeben zitierten hll. Kirchenväter, nicht mit dem „roten“ Martyrium des wahrhaftigen Blutzeugnisses von Gott geadelt werden, so wollen wir doch nach dem „weißen“ Martyrium der Buße streben. Die Kirche will nicht nur mit roten Rosen die Krippe ihres göttlichen Bräutigams schmücken, sondern auch mit weißen.
Die Fruchtbarkeit der Feindesliebe
Dabei dürfen wir ebenso sicher sein, daß unser Opfer in ähnlicher Weise fruchtbar wird, wie das des hl. Erzmärtyrers. Der hl. Gregor von Nyssa sagt: „Stephanus ist mitten unter den Verfolgern wie ein Priester gewesen, der sich selbst und sein Gebet opferte, um für seine Feinde Gnade und Verzeihung zu erlangen. Das Opfer des Sterbenden hat nicht ohne Kraft sein können.“ Nein, der Triumph des hl. Stephanus und die Kraft seines Opfers leuchten am herrlichsten in der Bekehrung jenes jungen Mannes auf, zu dessen Füßen seine Steiniger ihre Gewänder niederlegten. Saulus, der „von Wut und Mordgier gegen die Jünger des Herrn entbrannt“ (Apg. 9, 1) war, dann aber durch die Gnade Gottes zu jenem „auserwählten Werkzeug“ (Apg. 9, 15) umgeformt wurde, welches das Licht des Evangeliums zu allen Völkern, bis an die Grenzen der Erde und bis an die Grenzen der Zeiten tragen würde, ist die Frucht aus dem Blut des hl. Stephanus. Das Blut der Märtyrer ist der Same der Christenheit. – Und wie die Feindesliebe des hl. Stephanus die Bekehrung des Völkerapostels Paulus mitverdient hat, so ist auch unser Opfer und Gebet für die Feinde des katholischen Glaubens nicht ohne Kraft, wenn wir die Worte aus dem Munde des Christkindes beherzigen: „Tut Gutes denen, die euch hassen, und betet für die, welche euch verfolgen und verleumden“ (Mt. 5, 44). Deshalb beten die Kinder Gottes heute zusammen mit Mutterkirche: „Wir bitten Dich, o Herr: laß uns nachahmen, was wir feiern, so daß wir lernen selbst unsere Feinde zu lieben; denn wir begehen ja das Geburtsfest dessen, der es verstand, sogar für seine Verfolger unseren Herrn anzuflehen, Jesus Christus Deinen Sohn.“ Amen.