Rechtmäßigkeit der Heiligenverehrung

Geliebte Gottes!

In der Zeit des römischen Kaiserreiches wurde in Rom ein „Tempel zu Ehren aller Götter“ errichtet. Dieser Bau steht bis heute und ist bekannt als unter der Bezeichnung „das Pantheon“. In dem kolossalen Kuppelbau trugen die heidnischen Römer die Götzenbilder all jener Völker und Nationen zusammen, welche sie sich mit der Gewalt ihren Legionen unterworfen hatten. Die Idee eines Tempels aller Weltreligionen ist also nicht erst eine Erfindung der Ökumeniker aus der Zeit nach dem sog. 2. Vatikanum, sondern sie entstammte schon dem Heidentum der Antike. Doch das nur nebenbei. – Nach dem Sturz des Heidentums nahmen die Christen das Pantheon in Besitz. Papst Bonifazius IV. konsekrierte den ehemalige Tempel am 13. Mai 609 zu Ehren der allerseligsten Jungfrau Maria und aller heiligen Märtyrer und ließ 28 Wagenladungen mit zahllosen hll. Reliquien, die aus den Märtyrergräber um Rom herum geborgen worden waren, darin beisetzen. Das Pantheon bekam den Namen „St. Maria zu den Märtyrern“. Das jährliche Kirchweihfest des Pantheon wurde in Rom nach und nach zum Fest Allerheiligen; zu jenem Fest, das nicht mehr zu Ehren aller Götter, sondern zu Ehren allen Heiligen, also aller Freunde des einen und einzig wahren Gottes, begangen wird. – Papst Gregor IV. dehnte später das römische Allerheiligenfest auf die ganze Weltkirche aus und verlegte es vom 13. Mai auf den 1. November.

Die Absichten der Kirche

Die Kirche verfolgte mit der Einführung eines allgemeinen Festes zu Ehren aller Heiligen verschiedene Absichten. 1. Sie wünscht, daß die Gläubigen an diesem allgemeinen Festtag all das wiedergutmachen, was sie bei der Feier der besonderen Heiligenfeste über das Jahr verteilt vielleicht vernachlässigt haben. 2. Sie will die Unmöglichkeit, jeden Heiligen mit einem eigenen Festtag zu ehren, dadurch ersetzen. Wir haben in der Epistel soeben gehört, daß eine Schar unzähliger Heiliger um den Thron Gottes versammelt ist. Das Kirchenjahr hat aber nur eine begrenzte Zahl an Festtagen. So verschafft uns die Kirche mit diesem Fest die Gelegenheit, wirklich allen Heiligen, selbst denen, die ganz unbekannt geblieben sind, die ihnen gebührende Verehrung zu erweisen. 3. Die Kirche will die verherrlichten Kinder Gottes im Himmels und die um die Krone ringenden Kinder Gottes auf Erden nicht erst in der Ewigkeit, sondern schon jetzt zu einer gemeinsamen Festfeier zusammenführen. Das Allerheiligenfest ist das Familienfest der katholischen Kirche. 4. Die Kirche ruft uns mit diesem Fest in Erinnerung, daß jeder Einzelne von uns, egal welcher Altersgruppe, welchem Geschlecht oder welchem Stand er angehört, zur Heiligkeit berufen ist. Die Zeit dieses Lebens ist uns geschenkt, um uns würdig zu erweisen, einst in ihre glorreiche Schar der Heiligen aufgenommen zu werden. 5. Die Kirche möchte mit dem Einblick in das himmlische Fest am Thron Gottes in uns eine große Sehnsucht nach dem Himmel entfachen, die uns alle irdischen Güter geringschätzen läßt und uns dazu antreibt, all unsere Kräfte zu mobilisieren und gerne alle Mühen auf uns zu nehmen, damit auch wir der ewigen Seligkeit einst teilhaftig werden.

Vorhaltungen der Häretiker

All diese guten Absichten der Kirche werden von den Gegnern der katholischen Religion verdreht und mißdeutet. Insbesondere die Protestanten sind bekanntlich große Gegner der katholischen Heiligenverehrung. Der Protestantismus klagt die katholische Kirche an, mit ihrer Heiligenverehrung ins Heidentum zurückgefallen zu sein. Wie die heidnischen Römer ihr Pantheon mit unzähligen Götzenbildern ausgefüllt hätten, so würde die katholische Kirche in ihrem Heiligenkult unzählige Götzen verehren, was einen Frevel gegenüber dem einzig wahren Gott darstelle. – Ferner behaupten die Protestanten, die Verehrung der Heiligen sei unbiblisch. Die Heilige Schrift besage eindeutig: „Dem alleinigen Gott sei Ehre und Herrlichkeit in alle Ewigkeit“ (1. Tim. 1, 17). Deshalb habe es der Engel, welcher dem hl. Evangelisten Johannes auf Patmos erschien ist, auch nicht gestattet, daß dieser sich vor ihm niederwerfe (vgl. Offb. 19, 10). – Schließlich behaupten die Protestanten: Christus allein sei der Vermittler zwischen Gott und den Menschen. Die Anrufung der Heiligen sei auch deshalb völlig überflüssig, nutzlos und falsch. – Kurz zusammengefaßt lautet also der Vorwurf: Die Heiligenverehrung sei nutzlos und darüber hinaus sogar freventlicher Götzendienst. Um diesen Anschuldigungen zu begegnen, wollen wir heute zwei Dinge versuchen deutlich zu machen: 1. Es ist nicht nur erlaubt, sondern sogar Gottes ausdrücklicher Wille und deshalb für uns von großem Nutzen, die Heiligen zu verehren. Und 2. Es ist erlaubt und für uns von großem Nutzen, die Heiligen nicht nur zu verehren, sondern sie auch um ihre Hilfe anzurufen.

Die Verehrung der Heiligen 

Zuerst wollen wir beweisen, daß es richtig ist, die Heiligen zu ehren. D.h. wir tun nichts Unrechtes, nichts Unerlaubtes, nichts Verbotenes, sondern wir tun etwas Gutes, etwas Nützliches und Gottwohlgefälliges, wenn wir die Heiligen verehren. Wie soll man das beweisen? – Als Beweis müßte eigentlich schon genügen, daß die Kirche ausdrücklich und feierlich lehrt, man dürfe die Heiligen ehren. Ferner, daß die unfehlbare Kirche selbst in ihrer Heiligenverehrung uns täglich ein Beispiel gibt. Sie selbst ordnet es ja fast an jedem Tag des Jahres an, einen oder mehrere bestimmte Heilige, die sie zuvor feierlich zur Ehre der Altäre erhoben hat, durch eine Festfeier zu ehren. Die hll. Väter und Kirchenlehrer stimmen mit der Kirche in diesem Punkt völlig überein. Und auch das gläubige Volk legte zu allen Zeiten in der Verehrung der Heiligen stets großen Eifer an den Tag. – Doch das sind nur die äußeren Gründe. Kommen wir zu den inneren Beweisgründen, auf welche sich die katholische Glaubenslehre und die tägliche Praxis der Kirche stützen. Warum ist es richtig, gut und erlaubt die Heiligen zu verehren?

Erstens: Weil der allmächtige Gott selbst die Heiligen ehrt! – Das ist der Grund, welcher alle Argumente unserer Gegner mit einem Schlag entkräftet. – Gott selbst ehrt die Heiligen! Die Heiligen haben, solange sie auf dieser Erde lebten, Gott, ihrem Schöpfer und Erlöser, gedient und Ihn geehrt: durch ihre Arbeiten, ihre Gebete, ihre Leiden, ihre Tugenden, ihre Wunder, durch ihren Tod, manche sogar durch das Martyrium. – Jetzt, nachdem sie in die Ewigkeit eingegangen sind, ist es Sache Gottes, Seine Heiligen zu ehren, wie Er selbst verheißen hat: „Wer Mich ehrt, den werde Ich ehren“ (1. Kg. 2, 30). Und wie sehr verherrlicht Gott doch Seine Heiligen! Ihre Namen sind eingeschrieben in das Buch des Lebens! Sie wohnen in dem Haus Seiner ewigen Herrlichkeit. Sie sind aufgenommen in die Gemeinschaft der seligen Geister im Himmel. Sie stimmen ein in die Chöre der himmlischen Lobgesänge. Sie schauen das Angesicht des dreimal heiligen Gottes. Gott hat sie, wie die Heilige Schrift sagt, zu Säulen Seines Reiches gemacht, ihnen einen neuen Namen gegeben, sie mit der Krone des Lebens gekrönt. Viele verherrlicht Gott auch auf Erden immer noch durch fortlaufende Wunder. So ehrt Gott selbst die Heiligen. – Und wenn Er nun die Heiligen ehrt, da sollte Er uns gleichzeitig verbieten, sie auch unsererseits zu ehren? Gott gibt ein Beispiel, und uns sollte es verboten sein, Seinem Beispiel zu folgen? Er gibt ihnen einen zusätzlichen Namen, und wir sollten sie nicht „heilig“ nennen dürfen? Er nimmt sie in das Haus Seiner ewigen Herrlichkeit, in die himmlischen Wohnungen, die Er ihnen bereitet hat auf, und wir sollten unsere Häuser nicht mit ihren Bildern und Figuren schmücken dürfen? Gott selbst hat sie mit der Krone des ewigen Lebens gekrönt. Warum sollten wir ihre Bilder nicht mit einem Heiligenschein versehen dürfen?

Es ist lächerlich, wenn die Feinde und Gegner der katholischen Religion behaupten, durch die Verehrung der Heiligen werde die Verehrung Gottes beeinträchtigt, würden Geschöpfe auf eine Ebene Gottes erhoben werden. Das ist gewiß nicht der Fall! – Die katholische Kirche ehrt die Heiligen nicht in derselben Weise, wie sie Gott ehrt. – Die Heiligen verehrt sie. Gott allein erweist sie Anbetung. Es besteht dabei ein doppelter Unterschied zwischen der Ehre, die wir Gott in der Anbetung erweisen, und der Ehre, die wir den Heiligen zuteil werden lassen. (1.) Gott ehren wir als den Allerhöchsten, weil Er allein alles andere erschaffen hat. Er besitzt das Sein aus sich selbst. Alles andere ist durch Ihn geworden. Deshalb erweisen wir Gott allein die höchste Ehre, die nur Ihm zukommt. – Die Heiligen ehren wir, weil sie Diener und Freunde Gottes sind. – Ein Beispiel: Der Ehrentitel „Majestät“ kommt allein dem König zu. Nur der König wird damit angesprochen. Wird es aber der König wohl übelnehmen, wenn auch seinen Ministern, Gesandten und Beamten gebührende Titel gegeben werden, die ihre Stellung bei Hofe angemessen widerspiegeln? Gewiß nicht! Lediglich „Majestät“ dürfen die königlichen Diener nicht genannt werden. – (2.) Wir ehren Gott wegen Seiner unendlichen Vollkommenheit, die Er in Sich, und aus Sich selbst hat. – Die Heiligen ehren wir wegen der zahlreichen Gnaden und Vorzüge, die sie von Gott empfangen haben. Im Gegensatz zu Gott sind sie nicht heilig aus sich selbst, sondern haben alles, was sie sind, von Gott erhalten. – Wer das Licht des Mondes lobt, der lobt automatisch auch die Sonne. Denn die Helligkeit des Mondes stammt zur Gänze von der Sonne. Wenn wir die Heiligen ehren, so ehren wir zugleich Gott. Von Ihm haben sie alles.

Kommen wir auf einen zweiten Beweisgrund zu sprechen: Auf das Zeugnis der Heiligen Schrift. Ja, die Heiligenverehrung ist ganz und gar nicht unbiblisch. Die Heilige Schrift, die vom Geist Gottes inspiriert, und damit Wort Gottes ist, ehrt und preist die Heiligen Gottes an vielen Stellen. Im alttestamentlichen Buch Jesus Sirach beschäftigen sich sechs aufeinanderfolgende Kapitel ausschließlich mit dem Lob der großen und heiligen Männer des Alten Testamentes.„Lasset uns loben die ruhmvollen Männer, die Ahnen unseres Geschlechtes“ (Sir. 44, 1), so beginnt dieses Kapitel. Sodann hebt der Lobgesang an auf Henoch, der in das Paradies entrückt wurde; Noe, der als vollkommen erfunden wurde; Abraham, der große Vater einer Menge von Völkern, der wie kein anderer das Gesetz des Allerhöchsten befolgt hat. Sodann Isaak, in dem Gott allen Völkern Segen verheißen hat; Moses, dem Gott am Sinai Sein Gesetz gab, mit dem der Allerhöchste den Alten Bund geschlossen und ihm Seine Herrlichkeit gezeigt hat; Aaron, dem Er das Hohepriestertum Seines auserwählten Volkes verlieh; Josue, der starke Krieger und Nachfolger des Moses. Sodann Samuel, der Liebling Gottes, der die ersten Könige Israels salbte; David, der Besieger des riesigen Goliath, der sowohl mit Löwen als auch mit Lämmern gespielt hat; Salomon, wie ein Strom voll Weisheit; Elias, der den Himmel über Jahre verschloß, so daß es nicht regnete und der Feuer vom Himmel herabrief. Ezechiel, der den Wagen Gottes sah. – Wenn der Heilige Geist in der Heiligen Schrift die Heiligen des Alten Bundes in Lobsprüchen ehrt, wie dürften wir dann nicht dasselbe mit den Heiligen des Neuen Testamentes tun? Dürfen wir von ihnen etwa nicht sagen, daß sie besondere Freunde Gottes sind? Vollkommen durch die Gnade Gottes; heilig durch Gott; in den Himmel verpflanzt durch Gott; selig in Gott; gekrönt durch Gott? Ohne jeden Zweifel dürfen wir das. Wenn die Base Elisabeth die allerseligste Jungfrau Maria mit den Worten seligpreist „Du bist gebenedeit unter den Weibern“ – und das wohlgemerkt, als die Gottesmutter noch auf Erden weilte –, dürfen wir dann jetzt diesen Lobspruch etwa nicht wiederholen, nachdem Maria glorreich mit Leib und Seele in den Himmel aufgenommen wurde? Auch daran kann es keinen Zweifel geben, nicht nur, daß wir es dürfen, sondern auch, daß wir es sollen. Sagt doch Maria über sich selbst, erleuchtet vom Heiligen Geist: „Selig werden mich preisen alle Geschlechter“ (Lk. 1, 48).

Für wen aber sowohl das Beispiel Gottes, als auch das Beispiel der Heiligen Schrift nicht maßgeblich wäre, dem würde doch wohl das Verhalten der Weltmenschen einen dritten einleuchtenden Grund liefern, warum wir Katholiken die Heiligen vollkommen berechtigt verehren. – Verehrt die Welt etwa nicht auch ihre großen Männer und Frauen? Sie lobt sie in Lobreden, Festschriften und Biographien; durch Preisverleihungen, Siegerehrungen, Ehrentitel und durch öffentliche Denkmäler. Straßen, Brücken und öffentliche Plätze werden nach ihnen benannt aufgrund ihrer Verdienste für ihr Land, für ihr Volk. Präsidenten, Könige, Fürsten, Politiker und Feldherren. Wissenschaftler, Schauspieler und Sportler. Maler, Musiker und Dichter. Die Entdecker neuer Kontinente, die Sieger großer Schlachten, die Eroberer ganzer Länder, die großen Denker und Geisteswissenschaftler. Die Welt gibt ihnen die glänzendsten Titel und Ehrungen, schmückt sie mit Medaillen, Preisen und Trophäen. – So verehrt die Welt ihre herausragenden Größen und Idole, und wir sollten dann etwa nicht das Recht haben, die Heiligen zu ehren, die sich selbst bezwungen haben; die sich als Helden der Tugend, als Helden der Gottes- und Nächstenliebe bewiesen haben; die als Lichter des Himmels uns durch ihr Vorbild den dornigen, engen und steilen Höhenweg zur ewigen Glückseligkeit ausgeleuchtet haben? Verdienen die Großen des Himmels etwa weniger Ehre als die Großen der Erde? – Wenn es also durchaus richtig und erlaubt ist, die Heiligen zu verehren, dann ist es auch von großem Nutzen, sie darüber hinaus auch um ihre Hilfe anzurufen.

Die Fürsprache der Heiligen

Gehen wir deshalb auch dieser Frage noch auf den Grund, ob wir die Heiligen nicht bloß verehren, sondern sie auch um ihre Fürsprache bitten dürfen. Die katholische Kirche lehrt, wie wir schon sagten, es sei richtig und von großem Nutzen, daß wir die Heiligen um ihre Fürbitte anrufen. – Auch für diese Lehre gibt es zahlreiche Gründen. Man könnte sie zusammenfassen in dem einen Satz: Es spricht alles dafür und nichts dagegen.

Erstens: Es spricht alles dafür! Die allgemeine Praxis der Gläubigen, die Überlieferung der hll. Väter und die Tatsache, daß die Heiligen vom christlichen Altertum angefangen bis hinauf in unsere Tage stets um ihre Fürbitte angegangen wurden und werden, sind schon zahllose Beweise dafür, daß die Anrufung der Heiligen nicht so ganz unnütz und vergeblich sein kann. Wäre es so, hätten es die Menschen längst aufgegeben. – Aber auch die Heilige Schrift liefert uns hierfür einen Beweis. Dabei wollen wir kurz einen Augenblick verweilen. Im zweiten Buch der Makkabäer wird berichtet, wie Judas Makkabäus vor der Schlacht mit einem übermächtigen Feind seinen Soldaten von seinem Traum in der letzten Nacht erzählte. Er habe im Traum den verstorbenen hl. Hohepriester Onias gesehen, wie er mit ausgestreckten Armen für das ganze Volk der Juden betete. Dann sei ihm noch ein anderer Mann erschienen, wunderbar durch sein Alter und seine Herrlichkeit. Onias habe dann auf die Frage, wer das wäre, erklärt: „Das ist der Freund der Brüder, des Volkes Israel, der ist es, welcher so viel für das Volk und die ganze heilige Stadt betet, Jeremias, der Prophet Gottes“ (2. Makk. 15, 14). Hier wird uns von einem Heiligen des Alten Testamentes berichtet, der dem jüdischen Feldherrn in einem Traum erschienen ist. Was wird von ihm gesagt? Er betet. Er betet viel. Er betet im Jenseits, damals noch in der Vorhölle. – Für wen betet er? Für das auserwählte Volk, dem er schon zu Lebzeiten angehört hatte; für die heilige Stadt Jerusalem, deren Untergang er zu Lebzeiten vorhergesagt und miterlebt hatte. Wenn nun die Heiligen des Alten Bundes für die Ihrigen zu Gott beten, so darf man doch wohl erwarten, daß die Heiligen des Neuen Testamentes dasselbe tun. Wenn sie aber Fürbitte für uns einlegen, so ist es auch erlaubt und angebracht, sie um ihre Fürsprache bei Gott zu bitten.

Im Neuen Testament berichtet uns der hl. Apostel Paulus in seinen Briefen oftmals, daß er für seine Gemeinden bete, und die Gläubigen dringend und wiederholt darum bat, daß sie auch für ihn beten mögen. – War es in Ordnung, daß der noch lebende Völkerapostel die noch lebenden Gläubigen um ihre Fürbitte anging? Gewiß, wer wollte das bestreiten. Füreinander beten, das tun auch die Protestanten. – Wenn es sich aber so verhält und es in Ordnung ist, daß wir Menschen, die noch auf Erden leben, die wie wir Sünder sind, die selbst des Gebetes bedürfen, deren künftiges Schicksal noch keineswegs feststeht, um ihr Fürbittgebet bei Gott bitten dürfen, dann ist es doch wohl auch und noch viel mehr in Ordnung, die Heiligen Gottes um ihre Fürsprache anzurufen. Oder hat der Tod etwa die Kraft des Gebetes der Heiligen vermindert? Keineswegs! Im Gegenteil; sogar vermehrt! – Sind sie vielleicht nicht mehr gewillt, für uns zu bitten? Noch mehr als zuvor, weil sie für sich selbst des Gebetes nicht mehr bedürfen. – Oder ist vielleicht ihre Verbindung zu uns abgeschnitten? Nein. Sie gehören immer noch zur Gemeinschaft der Heiligen. Ja, sie sind sogar deren vornehmster Teil. – Alles spricht also dafür, daß es richtig und nützlich ist, die Heiligen um ihre Fürsprache anzurufen.

Es spricht aber auch nichts dagegen. Denn alle Einwände, die gegen die Anrufung der Heiligen vorgebracht werden, sind nicht stichhaltig. – Man behauptet, es sei nutzlos, die Heiligen anzurufen, da sie ja doch von unserem Gebet keine Kenntnis hätten. Wissen denn die hll. Engel nichts von uns? Durchaus. Sogar sehr viel. Christus selbst sagt: „Ich sage euch, es ist Freude bei den Engeln Gottes über einen einzigen Sünder der Buße tut“ (Lk. 15, 10). Die Engel freuen sich über einen bekehrten Sünder mehr als über neunundneunzig Gerechte, die meinen, der Buße nicht zu bedürfen. Wenn also die Engel Kenntnis haben von dem, was die Menschen auf Erden tun, ja sogar über eine Bekehrung, die im Herzen eines Menschen vorgeht, warum sollten dann die Heiligen des Himmels nicht die gleiche Erkenntnis haben? Auch sie schauen Gott von Angesicht zu Angesicht. Und wer wollte so vermessen sein und behaupten zu wissen, wie viele Dinge und wie klar und deutlich sie im Angesicht Gottes schauen? Nicht bloß ein Weg, sondern hunderte und tausende Wege stehen der göttlichen Allmacht und Weisheit offen, um die Heiligen von unserer Anrufung in Kenntnis zu setzten.

Ferner sagt man, die Anrufung der Heiligen sei unzulässig, denn dadurch würden die Heiligen zu Mittlern zwischen Gott und den Menschen aufgestellt. Der hl. Paulus aber habe gesagt: „Nur einer ist der Mittler zwischen Gott und den Menschen, Christus Jesus“ (1. Tim. 2, 5). Das hat der hl. Paulus tatsächlich so gesagt. – Aber dieses Wort bleibt auch dann wahr, wenn wir die Heiligen um ihre Fürsprache anrufen. Denn die Heiligen sind nicht in gleicher Weise Mittler, wie Christus unser Mittler ist. – Warum? „Mittler“ oder „Vermittler“ nennen wir denjenigen, der zwischen dem Beleidigten und dem Beleidiger Versöhnung stiftet. Der Mittler muß zunächst beiden Parteien nahestehen. In diesem Sinne ist Christus schon der einzige Mittler. Denn niemand steht zugleich Gott und den Menschen so nahe wie Er. Er ist wahrer Gott und wahrer Mensch. – Sache des Mittlers ist es, zu untersuchen, wer der Beleidiger und wer der Beleidigte sei. In diesem Sinne ist kein Mittler nötig. Denn es gibt keinen Zweifel, daß Gott der Beleidigte und daß wir die Sünder sind, die Ihn beleidigt haben. Die Hauptaufgabe des Mittlers ist, den Preis der Sühne, der Wiedergutmachung zu zahlen. In diesem Sinne ist Christus der einzige Mittler, der den Lösepreis Seines kostbaren Blutes aufbieten konnte und bezahlt hat. Ein Lösepreis, kostbar genug, um für alle Sünden aller Menschen genugzutun. In diesem Sinne ist Christus der Mittler, und zwar der einzige Mittler zwischen Gott und den Menschen. Und zwar auch für diejenigen, die heute von uns als Heilige verehrt werden. „Niemand kommt zum Vater außer durch mich“ (Joh. 14, 6), hebt Christus Seine alleinige Mittlerrolle unterstreichend hervor. – Keinem Katholiken fiele es ein, die Heiligen in diesem Sinne als Mittler anzurufen. Wir rufen sie nicht als Mittler der Erlösung an, sondern nur als Fürsprecher für unsere Gebete. In diesem Sinne war schon Moses ein Mittler zwischen Gott und dem auserwählten Gottesvolk und wird in der Heiligen Schrift selbst als Mittler (vgl. Gal. 3, 19) bezeichnet. Außerdem sind sie als die besonderen Freunde und Brüder Jesu unsere Mittler bei unserem Mittler.

Schließlich wird behauptet, es sei doch ein überflüssiger Umweg, die Heiligen um ihre Fürbitte anzurufen, da ja Gott unser Gebet viel besser kenne als die Heiligen, uns mehr liebe und mehr bereit sei, uns zu erhören als die Heiligen. Das sei zugestanden. – Aber es ist auch wahr, daß Gott die Heiligen mehr liebt als uns. Also wird Er auch die Bitten der Heiligen lieber erhören als unsere, die wir Ihn täglich mehrmals beleidigen, ohne daß wir dessen überhaupt gewahr werden. – Und auch das ist wahr: Daß unser Gebet vereint mit der Fürsprache der Heiligen mehr vermag als unser Gebet allein. Christus sagt: „Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen“ (Mt. 18, 20). Wenn das von denjenigen gilt, die auf Erden zusammen in einem Anliegen beten, soll es dann etwa nicht gelten, wenn Himmel und Erde im Gebet übereinstimmen? Als die Freunde des Dulders Job sich verfehlt hatten, da befahl ihnen Gott selbst, sie sollten ihren Freund Job um seine Fürsprache bei Gott angehen. Um des Gebetes des Job willen wolle Gott den Freunden verzeihen.

Die Königin aller Heiligen

Die Verehrung der allerseligsten Jungfrau und Gottesmutter Maria verdient es, am Ende noch besonders hervorgehoben zu werden. Es ist keine Übertreibung, daß die Verehrung und Anrufung der „Königin aller Heiligen“ ein unfehlbares Mittel zum ewigen Heil ist. Der hl. Bonaventura nennt Maria „das Heil derer, die sie anrufen.“ D.h. um das Heil zu erlangen, ist es hinreichend, die Gottesmutter in guter Absicht, mit Vertrauen und dem ernsten Willen sich zu bessern um ihre Fürsprache anzurufen. Und der hl. Anselm sucht unser Vertrauen auf die Fürbitte Mariens zu steigern, indem er die gewagte Behauptung aufstellt: „Wenn wir an diese göttliche Mutter uns wenden, so dürfen wir nicht bloß ihres Schutzes versichert sein, sondern manchmal werden wir schneller erhört und wird uns eher geholfen, wenn wir den Namen Mariens, als wenn wir den Namen Jesus unseres Erlösers anrufen.“ Wie kann das möglich sein? Aus zwei Gründen. (1.) Von unserer Seite aus finden wir leichter durch die Anrufung Maries als mittels des direkten Gebetes zu Christus Erhörung, nicht weil Maria etwa mächtiger wäre als ihr Sohn; denn wir wissen ja, daß Jesus Christus der allmächtige Gottessohn und unser einziger Erlöser ist; sondern deshalb, weil es so leicht geschieht, daß wir es an dem zur Gebetserhörung notwendigen Vertrauen fehlen lassen, wenn wir uns an Jesus Christus wenden und dabei erwägen, wie es Ihm einst als unserem Richter zukommen wird, unsere Undankbarkeit und Sündhaftigkeit zu strafen und zu züchtigen. Wenn wir aber zu Maria gehen, die ja als Mutter der Barmherzigkeit kein anderes Amt hat, als sich unser zu erbarmen und uns als Fürsprecherin zu verteidigen, so wird unser Vertrauen zu ihr zuversichtlicher und größer sein. Um vieles bitten wir Gott direkt und erhalten es nicht, weil wir angesichts unserer Unwürdigkeit zu wenig Vertrauen haben. Bitten wir Maria, so erhalten wir es. (2.) Der hl. Nikephorus gibt noch einen anderen Grund an, warum unser Gebet eher auf die Anrufung der Gottesmutter als des göttlichen Erlösers Erhörung findet: „Nicht daher, weil Maria mächtiger ist als Gott, sondern weil Gott beschlossen hat, auf solche Weise Seine Mutter zu ehren.“ Der Gottessohn ehrt Seine Mutter dadurch, daß Er Seine Wohltaten durch Maria austeilen läßt. Deshalb will Er es sehen, daß wir zu ihr laufen und Maria um ihre Fürsprache bei Ihm angehen. Denn das soll nach göttlichem Ratschluß der Ruhm der Gottesmutter sein, daß jede Wohltat Gottes durch die Hand Mariens ausgeteilt werden und damit auch eine Wohltat Mariens sein soll.

Verehren wir also vor allem die „Königin aller Heiligen“, die makellose Jungfrau und Gottesmutter Maria. Verehren wir alle anderen Heiligen, deren Fest wir heute begehen. Ehren wir sie durch unser Lob, durch unsere Anrufung, durch die Nachahmung ihrer Tugenden, durch die Feier ihrer Feste. Verehren wir besonders unseren hl. Namenspatron und unseren hl. Schutzengel. Verehren wir den hl. Joseph, den Schutzherrn der hl. Kirche und den hl. Erzengel Michael, den Schutzpatron unseres Landes. Verehren wir sie und wir werden an ihnen Freunde haben; nicht irdische, sondern himmlische Freunde. Freunde, die uns nicht vergessen. Freunde, die sich in tatkräftiger Hilfe beweisen, nicht bloß in wohlklingenden Worten. Freunde in der Not, nicht bloß im Glück. Freunde, die stets zugänglich, stets treu sind. Freunde, die mächtig sind bei Gott, die uns behilflich sind, daß wir zu ihnen gelangen ins ewige Leben. Amen.

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