Gott wird Kind, damit wir Kinder Gottes werden

Liebe Gläubige!

Im Anfang war das Wort und das Wort war bei Gott und Gott war das Wort. Und das Wort ist Fleisch geworden“ (Joh. 1, 1.14)“ Das sind gewichtige Sätze, die uns beschreiben, was in der Heiligen Nacht geschehen ist. Gott wird Mensch. Der Allerhöchste neigt sich herab zur Erde. Christ, der Retter ist da. Doch in der Freudenbotschaft klingen auch Dissonanzen mit. Da heißt es bei Lukas: „Maria gebar ihren erstgeborenen Sohn, wickelte ihn in Windeln und legte ihn in eine Krippe, weil in der Herberge kein Platz für sie war“ (Lk. 2, 7). Und auch Johannes spricht davon: „Er kam in sein Eigentum, doch die seinigen nahmen ihn nicht auf“ (Joh. 1, 11). Der Stall, die Krippe, das Stroh. Ein dürftiger Empfang für den ersehnen Messiaskönig, für den Erlöser, für den Sohn Gottes! Für gewöhnlich würden wir uns den Empfang eines neugeborenen Königs anders vorstellen, als es uns die Evangelien berichten. 

Wenn wir an Gottes Stelle gewesen wären ...

Ja, aber darf sich Gott denn darüber wundern? Woher hätten die Bewohner Bethlehems auch wissen sollen, wer da eigentlich zu ihnen kommt? Zu einfach, unscheinbar und bescheiden ging das Geschehen der Heiligen Nacht vonstatten. Wenn wir an Gottes Stelle gewesen wären, dann wäre die Geburt des Gottessohnes im Fleische ganz anders verlaufen. Zuerst einmal hätten wir eine ganz andere Zeit gewählt, nicht die Antike, sondern eher unser heutiges Kommunikationszeitalter mit all seinen technischen Hilfsmitteln, um ein Großereignis von diesem Format öffentlichkeitswirksam zur Geltung zu bringen. – Wir hätten einen anderen Ort gewählt. Nicht das unbedeutende Städtchen Bethlehem, sondern eine wichtige Metropole, eine Weltstadt; als Eltern ein weltbekanntes und möglichst beliebtes Königspaar, nicht unbekannte, arme Leute. – Ja, wir hätten alles ganz anders gemacht! Vielleicht wäre es so abgelaufen, wie etwa im britischen Königshaus, wenn sich dort Nachwuchs einstellt. Sofort nach der Niederkunft twittert die frohe Kunde schon durchs Netz. Die Online-Nachrichten-Dienste der ganzen Welt schalten einen Liveticker. In Sekundenschnelle sind die Journalisten auf dem Globus informiert. Ob ein „Prinz“ oder eine „Prinzessin“ zur Welt kommt, ist für gewöhnlich schon Monate vor der Geburt bekannt, so daß es in diesem Punkt keine Neuigkeit zu verbreiten gibt. Aber Hauptsache: „Das Kind ist da.“ Die Nachricht wird von der Presse aufgegriffen und in Zeitungen oder Hochglanzmagazinen verbreitet. Bei den Fernsehnachrichten am Abend wird selbstverständlich der Korrespondent vor Ort aus London mit dem Buckingham-Palast im Rücken zugeschaltet und bis ins kleinste befragt: wie die Geburt genau verlaufen sei, wie sich die Mutter fühle, wie groß und schwer das Kind sei, wie des Prinzgemahls erste Reaktion war, dann vielleicht auch welchen Hut die Queen trug, als man ihr die Nachricht überbrachte. – Die Welt würde gespannt die ersten Bilder des glücklichen Elternpaares mit dem Neugeborenen auf dem Arm erwarten. In den Online-Kommentaren könnten die Menschen aus allen Herrenländern bequem ihre Glückwünsche aussprechen oder einfach nur die Bild „liken“. – Die Geburt eines künftigen Königs wäre so in aller Munde und allen bekannt.

Gott handelt anders

Gott ist Gott. Er handelt ganz anders. „Meine Gedanken sind nicht eure Gedanken, und eure Wege sind nicht meine Wege, spricht der Herr“ (Is. 55, 10). Doch was wollte Er mit der Geburt in einem Stall bezwecken? Das haben sich vielleicht auch Maria und Joseph gefragt. Sie hatten die Geburt des Jesuskindes vielleicht in Nazareth vorbereitet. Die Wiege war zusammengezimmert. Die Windeln lagen bereit. Da wird auf einmal ein kaiserlicher Erlaß bekanntgegeben. Alle haben sich auf Befehl Kaiser Augustus an ihren Geburtsort zu begeben, um sich dort in Steuerlisten eintragen zu lassen. – Alle Vorbereitungen waren umsonst. Was wird werden? Wo wird das göttliche Kind geboren? Maria überläßt sich der göttlichen Vorsehung, nimmt die Windeln mit und begleitet den hl. Joseph nach Bethlehem. Und auch dort ist alles ganz anders gekommen, als sich die allerseligste Jungfrau und ihr reinster Bräutigam die Erfüllung der Botschaft Gabriels vorgestellt hatten: „Gott der Herr wird ihm den Thron seines Vaters David geben“ (Lk. 1, 32). – Da ist Sein Königsthron: Die Krippe. Sein Königsbett: Das Stroh. Sein Königsschloß: Der Stall. Sein Königshof: Ochs und Esel. Gabriel sagte: „Er wird herrschen über das Haus Jakob in Ewigkeit“ (ebd.) Aber Sein Volk weist Ihm die Türe. Kein Platz findet sich für ihn in der Herberge.

Gott wird Kind

Trotzdem ist Er gekommen als König. Als König in der Davidstadt. Er braucht die Menschen nicht dazu. Was niemand dachte, geschieht! Er wird den Thron seines Vaters David tatsächlich erben. Er ist König. Die Engel sind seine himmlischen Boten, die seine Geburt verkünden. Sein wahres Volk sind die Hirten. „Heute ist euch in der Stadt Davids der Retter Geboren, Christus der Herr“ (Lk. 2, 11). Das Reich Gottes ist gekommen! Das Licht leuchtet in der Finsternis. Die Prophetie ist erfüllt: „Siehe die Jungfrau wird empfangen und einen Sohn gebären; dem wird sie den Namen Emanuel geben – das heißt: ‚Gott mit uns‘“ (Is. 7, 14). Die Verheißung wurde eine Tatsache! Seit dieser Nacht ist Gott mit uns. Das Wort ist Fleisch. Gott ist Mensch. Gott ist Kind geworden! Schon beim Propheten heißt es: „Ein Kind wird uns geboren, ein Sohn wird uns geschenkt, auf dessen Schultern Herrschaft ruht. Sein Name heißt Wunderbarer, Ratgeber, Starker, Gott, Vater der Zukunft, Friedensfürst“ (Is. 9, 6). Auch der Weihnachtsengel verkündet den Hirten den menschgewordenen Gottessohn als Kind: „Ihr werdet ein Kindlein finden, in Windeln gewickelt und in einer Krippe liegend“ (Lk. 2, 12). Der Gottessohn ist Kind geworden. Gott ein Kind!

Blicken wir in die Krippe: Jesus kommt als Kind! Jesus, das göttliche Wort, war von Ewigkeit im Herzen des Vaters, von niemand erkannt. Doch Gott hat Sein Wort, daß er von Ewigkeit zu Ewigkeit ausspricht im Fleische niedergeschrieben. Gottes unendliches Wort hat sich kurz gemacht. So kurz, daß es in die bescheidene Krippe hineinpaßt. Gott kann man nicht sehen, als Kind ist er sichtbar geworden. Gott war fern von uns, jetzt ist er uns nahe. – Er wird Mensch, damit wir ihn berühren. Er wird klein, damit wir ihn aufnehmen. Er wird demütig, damit wir uns Ihm anschließen. Gott ist Kind, damit wir den Unbegreiflichen anfassen und betasten können.

Ein Kind, insbesondere ein kleines Kind ist immer der Liebling aller. Man muß es einfach lieben! Es ist so klein und hilflos. Man braucht vor ihm keine Angst zu haben. Wenn Gott ein Kind ist, muß man Ihn lieben! Weil Gott uns liebt, will Er bei uns bleiben. Er ist Emanuel als Kind und auch in der Gestalt des Brotes in der Er in unser Herz kommen will. Es ist wahr geworden, was der hl. Paulus sagt: „Erschienen ist die Güte und Menschenfreundlichkeit Gottes unseres Heilandes“ (Tit. 3, 4). Schande über uns, wenn wir Ihn nicht lieben! Wenn wir Ihm den Weg der Erlösung und des Heils den Er uns zeigt, nicht folgen wollten.

Kinder Gottes

Jesus zeigt uns den Weg zum Heil. Er ist der Weg (vgl. Joh. 14, 6). Der Sohn Gottes wird Kind, damit wir Kinder Gottes werden. Schauen wir auf sein Beispiel. „Allen, die ihn aufnahmen, gab er die Macht Kinder Gottes zu werden“ (Joh. 1, 12). Nehmen wir Ihn auf in uns. In unseren Verstand, durch den übernatürlichen Glauben. In unser Herz, durch das Allerheiligste Sakrament. In unsere Seele, durch die heiligmachende Gnade. Machen wir Ihm alles nach: wie Er betet, wie Er gehorcht, wie Er sanftmütig und demütig ist, wie Er die Menschen liebt, wie Er arm und keusch ist, wie Er leidet und stirbt, um „allen, die ihn aufnehmen“ in Sein ewiges Reich hinein zu helfen. Jesus zeigt uns wie wir Kinder Gottes werden. 

Wickelkind

Es heißt von Jesus, daß Er in Windeln gewickelt wurde (vgl. Lk. 2, 7). Ein Kind in Windeln ist schwach und hilfsbedürftig, ohne Macht und Kraft. Es muß sich legen, nähren, betten, bedienen und tragen lassen, wie seine Mutter es will. Es muß sich fügen und gehorchen. – Gott kam nicht mit Gewalt zu den Menschen, sondern in Schwachheit. Es ist gut, wenn wir gerade dann daran denken, wenn wir uns oft so ohnmächtig fühlen gegenüber dem Siegeszug der Feinde der Kirche, gegenüber den beängstigenden Entwicklungen in der gleichgeschalteten Politik, in unserer, vom Christentum abgefallenen, Gesellschaft aber auch gegenüber unseren persönlichen Schicksalen. Auch darin findet sich die Ohnmacht des Wickelkindes. Der Teufel flüstert uns ein: „Ihr werdet sein wie Gott“ (1. Mos. 3, 5) groß, stark und mächtig. – Jesus mahnt uns: „Wenn ihr nicht werdet wie die Kinder, so werdet ihr in das Himmelreich nicht eingehen“ (Mt. 18, 3). Nicht groß sein wollen, sondern klein! Groß sein wollen, führt zu Größenwahn. Der Größenwahn beraubt uns der „Freiheit der Kinder Gottes“ und legt uns die Ketten der „Knechtschaft Satans“ und die Fesseln der Sünde an.

Ein kleines Kind in Windeln, vor allem zur Zeit Jesu, sieht wirklich aus wie ein kleiner Gefangener. Wie mit Fesseln gebunden kann es sich nicht bewegen. Ein Bild für uns Menschen! Der Teufel hält den Menschen gefesselt und gebunden, er kann sich aus eigenen Kräften nicht befreien, kann sich nicht selbst erlösen. Der Mensch ist wie der verlorene Sohn im Gleichnis (vgl. Lk. 15, 11-32). Er hat sich an einen fremden Herrn verkauft und hütet jetzt die Schweine – d.h. er ist zum Diener seiner Leidenschaften und Begierden geworden –, ohne selber dabei satt zu werden. Auch Jesus liegt in den Windeln gebunden, wie ein Gefangener in der Krippe. Er läßt sich binden, wiegen und tragen von Menschen, wie von einem fremden Herrn. In Wahrheit ist er jedoch wie kein anderer gebunden, durch den Willen des göttlichen Vaters, der Seinen Lebensweg minutiös durch die Propheten vorherbestimmt hat. Das ganze Leben des göttlichen Sohnes ist gebunden durch den Ratschluß des Vaters. Er läßt Sein Leben auf diese Wese gehorsam nach vom göttlichen Willen formen. So ist Er der Gottesknecht, der den Menschen durch Seinen Gehorsam aus der Knechtschaft der Sünde befreit. Er begab sich in Knechtschaft, um uns loszukaufen. – Denken wir an das Beispiel des Gehorsams, wenn wir Jesus in Windeln gewickelt sehen. Denken wir an den Gehorsam, den auch wir üben müssen, indem wir uns vom Willen Gottes, von Seinem Gesetz, von Seiner Vorsehung binden und unser Leben nach Seinen Grundsätzen formen lassen. Dann werden wir nicht nur Kinder Gottes heißen, sondern es auch sein.

Krippenkind

Das Jesuskind liegt in einer Futterkrippe – ganz arm. Vor Bethlehems Mauern, in denen kein Platz für Ihn war litt Er im Stall äußerste Armut. Auch das ist ein Bild für uns, die wir seit der Sünde Adams ein verarmtes Geschlecht sind! Die ersten Menschen hatten Gott verlassen und ihr Glück bei den Früchten des verbotenen Baumes gesucht. Voll Lust und Begierde haben sie sich auf die weltlichen Genüsse gestürzt und sich an ihnen vergiftet. – Jetzt sind sie arm, elend und verbannt, wie der verlorene Sohn. Das himmlische Erbe ist verpraßt. Es ist kein Platz mehr für den Menschen im himmlischen Vaterhaus. 

Jesus kommt als armes Kind. Er verzichtet auf alle Herrlichkeit des Himmels und auf alle Bequemlichkeit der Welt, auf den Königsthron, die goldene Wiege, auf den Palast und die Ehrengarde, auf die Glückwünsche der Volksvertreter und aller Regierungen der Welt. Er wird arm, ehrlos und ausgestoßen und lehrt uns damit: Auch in der Armut kann man glücklich sein. Betrachten wir nur die unbefleckte Gottesmutter und hl. Joseph. Eines genügt zum Glück: Gott! Gott allein! Gott lieben. Gott anbeten, Ihm gehorchen, Ihm allein dienen. Wer Gott hat, der hat alles! Wer zu Gott zurückkehren will, muß Ihn zu seinem einzigen Schatz erwählen. Deshalb ist Christus arm geworden, damit wir arm werden und als wahre Gotteskinder einzig Gott begehren. – Deshalb wurde er arm, damit wir reich würden. Er ist ein Menschensohn geworden, damit die Adamssöhne Kinder Gottes werden. Damit aus Sklaven Freie, aus Sündern Gerechte, aus Knechten Freunde würden.

Das Wunder von Weihnachten

Gott ist Mensch geworden, damit der Mensch Gott werde!“ ruft der hl. Augustinus. Jetzt wird uns klar, warum Gott alles so schlicht und einfach gemacht hat. Die Krippe ist so reich, weil sie klein und arm ist. Sie ist so reich an Lehren für uns! Doch weil sie klein ist, würde menschlicher Prunk und Glanz all das verdecken, was Gott Großes und Großartigeshineingelegt hat: Gott ein Kind. Nehmen wir also an, was Gott uns bietet. Nehmen wir Christus und sein Vorbild, das Er uns als Mensch gibt, und steigen wir auf zu Gott. Bringen wir heute unsere Vorsätze zur Krippe des Herrn. Sie müssen lauten: „Ich will als Gotteskind leben, Ihm glauben, Ihn lieben, Ihm vertrauen. Wir wollen uns gerne schwach fühlen vor Gott, uns wickeln lassen durch die Binden Seiner Gebote und Seiner weisen Vorsehung. Wir wollen Seinen Willen tun, damit Er uns frei mache von den Fesseln der Sünde und von allem Bösen. Wem Gott hilft, der ist stark, der ist mächtig, ja unüberwindlich. Wie die Jungfrau und Gottesmutter Maria und der hl. Joseph wollen auch wir zufrieden sein mit unserem Leben und unseren Verhältnissen. Selbst im Stall ist glücklich, wer Gott hat. Wer Gott hat, um ihn zu lieben. „Gott ist Mensch geworden, damit der Mensch Gott werde!“ – „Gottessohn wird Kind damit wir Kinder Gottes werden.“ Amen.

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