Von der Aussendung des Heiligen Geistes

Geliebte Gottes!

Unser göttlicher Erlöser hat vor Seiner Himmelfahrt gesagt, daß Er zum Vater gehe, um uns den Heiligen Geist zu senden. Aus diesem Grund forderte Er die Apostel und Jünger auf, zunächst in Jerusalem zu bleiben, um die „Kraft aus der Höhe“ zu empfangen, bevor sie dann hinausgehen sollten, um das Evangelium bis ans Ende der Welt einer jeden Kreatur zu predigen. Und in der Tat geschah es am Pfingstfest, als die Juden ihre jährliche Gedächtnisfeier an den fünfzigsten Tag nach der Befreiung aus der Knechtschaft Pharaos begingen und dabei des großen Tages gedachten, an dem Gott auf dem Berg Sinai unter Blitz und Donner das Gesetz des Alten Bundes auf zwei steinerne Tafeln geschrieben erlassen hatte; da geschah es, daß der Heilige Geist in Form eines Sturmwindes auf die im Abendmahlsaal versammelten Jünger und Apostel herabkam und sich in Gestalt feuriger Zungen auf die Versammelten niederließ.

Der Neue Bund, in fleischernen Tafeln des Herzens geschrieben

Dabei ging in Erfüllung, was Gott schon durch den Propheten Jeremias ankündigen ließ: „Siehe, es kommen Tage, spricht der Herr, da schließe ich mit dem Hause Israel und mit dem Hause Juda einen neuen Bund; nicht wie der Bund war, welchen Ich mit ihren Vätern geschlossen habe am Tage, da Ich ihre Hand erfaßte, um sie aus dem Lande Ägypten zu führen; einen Bund, den sie gebrochen haben, da Ich doch ihr Gebieter war, spricht der Herr; sondern dies ist der Bund, den Ich mit dem Hause Israel nach jener Zeit schließen werde, spricht der Herr. Ich will Mein Gesetz in ihr Inneres legen und in ihr Herz schreiben; und Ich will ihr Gott sein, und sie sollen Mein Volk sein.“ (Jer. 31,31-33). Und durch den Propheten Ezechiel kündigte Er an: „Ich werde euch ein neues Herz geben und einen neuen Geist in euer Inneres einführen; Ich werde das Herz von Stein aus eurem Leibe nehmen und euch ein Herz von Fleisch geben.“ (Ez. 36,26).

Nicht auf Tafeln aus Stein, sondern in die Herzen aus Fleisch und Blut sollte das Gesetz des Neuen Bundes geschrieben werden, wie auch der Heiland im heutigen Evangelium andeutet: „Wenn jemand Mich liebt, wird er Mein Wort halten, und Mein Vater wird ihn lieben. Wir werden kommen und Wohnung bei ihm [in seinem Herzen] nehmen.“ (Joh. 14,23). Das aber geschieht durch den Heiligen Geist, wie der hl. Paulus im 2. Korintherbrief erklärt: „Ihr seid offenbar ein Brief Christi, ausgefertigt von uns, und geschrieben nicht mit Tinte, sondern _mit dem Geiste des lebendigen Gottes, nicht auf steinerne Tafeln, sondern auf fleischerne Tafeln des Herzens.“ (2. Kor. 3,3).

Das Alte Testament war auf steinerne Tafeln geschrieben, die gleichsam das Bild der steinernen Herzen der Juden waren, welche weder durch Wohltaten noch durch Drohungen und Strafen zum Gehorsam gebracht werden konnten. Deshalb hatte Gott verheißen, im Neuen Testament fleischerne Herzen zu geben, in die Er Sein Gesetz der Liebe schreiben könne. Und dies geschah durch die Sendung des Heiligen Geistes am ersten Pfingsttag nach der Auferstehung unseres göttlichen Erlösers.

Lassen Sie uns heute deshalb drei Fragen genauer beleuchten:

  1. Wer wurde da gesandt?
  2. Wie wurde Er gesandt?
  3. Wem wurde Er gesandt?

Wer ausgesandt worden ist

Wer ist Derjenige, welcher am Pfingstfest gesandt wurde? Wer ist der Heilige Geist? – Antwort: Der Heilige Geist ist die dritte göttliche Person.

Der Heilige Geist ist also „Person“. Das ist wichtig festzuhalten, denn es hat Irrlehrer gegeben und es gibt sie heute wieder, welche behaupteten, der Heilige Geist sei lediglich eine unpersönliche, göttliche Kraft, und Gott gebrauche diese Kraft und wirke durch sie in den Seelen der Menschen.

Die katholische Kirche hat hingegen stets gelehrt, daß unter dem Heiligen Geist keine bloße Kraft Gottes, sondern eine eigenständige Person zu verstehen sei. Dabei wies sie als Beweis auf die Heilige Schrift hin, wo dem Heiligen Geist Handlungen beigelegt werden, die nur eine Person vollbringen kann. Es wird z. B. gesagt, daß Er „von Christus Zeugnis gebe“ (Joh. 15,26). Keine unpersönliche Kraft kann als Zeuge auftreten. Dazu bedarf es einer eigenständigen Persönlichkeit. – Weiter heißt es, daß der Heilige Geist „reden und was zukünftig ist verkünden werde“ (Joh. 16,13). Reden und Zukünftiges verkündigen, das kann nur eine Person. Außerdem wird von Ihm gesagt, daß Er die Apostel „alles lehren“ und sie „an alles erinnern werde“ (Joh. 14,26), was ihnen Christus gesagt hatte. Nur eine Person kann lehren und an die Worte eines anderen erinnern. Ferner wird der Heilige Geist von Christus „Paraklet“ (Joh. 14,16) – d. h. „Beistand“ bzw. „Anwalt“ – und an anderer Stelle auch „Tröster“ (Joh. 14,26) genannt. Keine unpersönliche Kraft ist in der Lage, Trost zu spenden, als Anwalt die Verteidigung für uns zu übernehmen oder uns in der Not als Beistand zur Seite zu stehen. Wäre der Heilige Geist keine eigenständige Person, so könnten Ihm diese Handlungen nicht zugeschrieben werden.

In gleicher Weise sprechen auch die ältesten Väter vom Heiligen Geist. Papst Clemens von Rom nennt Ihn „den Spender der Gnade und den Erleuchter der Propheten“. Auch er gibt Ihm also Eigenschaften, die einer Person zukommen. Origenes nennt Ihn ausdrücklich eine Person, wenn er sagt: „Es sind drei Personen: der ungeborene Vater, der eingeborene Sohn und der Heilige Geist.“ Sehr bestimmt ist der Ausspruch des hl. Cyrill von Jerusalem in der „16. Mystagogischen Katechese“, wo er sagt: „Der Heilige Geist ist keine Beschaffenheit, wie der Atem des Menschen, welcher hervorgeht und entschwindet, sondern der Heilige Geist ist eine für sich bestehende Person, die mit Persönlichkeit begabt redet, wirkt, herrscht und heilig macht.“

Der Heilige Geist ist also eine Person. Mehr noch: Er ist eine göttliche Person! Denn in der Heiligen Schrift wird der Heilige Geist „Gott“ genannt. So sprach der hl. Apostel Petrus zu Ananias, der die Kirche betrogen hatte: „Ananias, warum hat der Satan dein Herz versucht, daß du den Heiligen Geist belogen hast. … Nicht Menschen hast du belogen, sondern Gott.“ (Apg. 5,3).

Ferner werden dem Heiligen Geist auch göttliche Eigenschaften beigelegt. So die Allgegenwart: „Der Geist Gottes erfüllt den Erdkreis.“ (Weis. 1,7). Die Allwissenheit: „Der Geist Gottes erforscht alles, selbst die Tiefen der Gottheit; keiner erkennt, was Gottes ist, als nur der Geist Gottes.“ (1. Kor. 1,10 f.). Auch die göttliche Allmacht wird Ihm vom Völkerapostel zugesprochen: „Dem einen wird durch den Geist verliehen das Wort der Weisheit, dem anderen das Wort der Wissenschaft, einem anderen der Glaube, einem anderen die Gabe zu heilen, einem anderen Wunder zu wirken, einem anderen die Weissagung. Dieses alles bewirkt ein und derselbe Geist.“ (1. Kor. 12,8–11). Wenn der Heilige Geist also Eigenschaften besitzt, die nur Gott zukommen, dann muß Er auch notwendigerweise selber Gott sein.

So lehrt der hl. Cyrill von Alexandrien: „Der Heilige Geist ist wahrer Gott, weil Er von dem Sohne Gottes, welcher Gott ist, das vollkommenste Bild ist.“ (expos. symb. Nicaen.). Und der hl. Basilius: „Wenn von Gott gesagt wird, Er wohne durch den Heiligen Geist in uns, muß es da nicht offenbar Gottlosigkeit sein, wenn man sagen wollte, der Heilige Geist ermangele der Gottheit?“

Der Heilige Geist ist eine Person. Er ist eine göttliche Person. Noch genauer müssen wir sagen: Der Heilige Geist ist die dritte göttliche Person. Denn Er ist eine Person, die vom Vater und vom Sohn verschieden ist. So sagte der Heiland soeben im Evangelium: „Ich will den Vater bitten und Er wird euch einen anderen Tröster geben, den Geist der Wahrheit“ (Joh. 14,16). Hier stellt Jesus den Heiligen Geist sowohl sich als auch dem Vater gegenüber und sagt damit, daß der Heilige Geist ein anderer sei als Er – der Sohn – und der Vater. So faßte es auch Origenes auf, der schrieb: „Der Sohn ist ein anderer als der Vater, und der Heilige Geist ist ein anderer als der Vater und der Sohn.“

Schließlich muß vom Heiligen Geist gesagt werden, daß Er die dritte göttliche Person ist, welche vom Vater und vom Sohn zugleich ausgeht. – Der Ausgang des Heiligen Geistes vom Vater ist deutlich in der Heiligen Schrift geoffenbart. Da erklärt der Heiland: „Wenn der Tröster kommen wird, welchen Ich euch vom Vater senden werde, der Geist der Wahrheit, welcher vom Vater ausgeht, so wird Er Zeugnis geben von mir.“ (Joh. 15,26). Der Heilige Geist geht also vom Vater aus. Das ist deutlich gesagt. – Christus sagt jedoch im selben Atemzug, da Er vom Ausgang des Heiligen Geistes aus dem Vater spricht, daß auch Er selber den Heiligen Geist senden werde; daß also der Heilige Geist nicht nur der Geist des Vaters, sondern zugleich auch der Geist Jesu Christi ist. Im Anschluß daran lehrt der Völkerapostel in seinem Brief an Titus: „Gott hat uns gerettet durch das Bad der Wiedergeburt und der Erneuerung des Heiligen Geistes, welchen Er reichlich ausgegossen hat durch Jesus Christus, unseren Heiland.“ (Tit. 3,5 f.). Und an die Galater schrieb derselbe Apostel: „Gott sandte den Geist Seines Sohnes in eure Herzen, der da ruft: Abba, Vater.“ (Gal. 4,6).

Der Heilige Geist geht also nicht nur vom Vater allein aus, sondern zugleich vom Vater und vom Sohn. Denn obwohl der Vater und der Sohn in den Personen voneinander unterschieden sind, so sind sie zwei verschiedene Personen, in der Wesenheit hingegen sind sie eins, weil sowohl der Vater als auch der Sohn die eine göttliche Wesenheit besitzen. Weil nun der Heilige Geist vom Vater und vom Sohn ausgeht, insofern Vater und Sohn der eine Gott sind, insofern Vater und Sohn ein und dieselbe göttliche Wesenheit besitzen, so geht der Heilige Geist von beiden zugleich aus.  Zur Veranschaulichung erklärt hierzu Tertullian: „Die dritte Person stammt vom Vater und vom Sohne, wie die Frucht von der Wurzel und vom Baum herstammt. Die Wurzel ist der Ursprung; diese bringt den Baum hervor und von der Wurzel und dem Baume entsprießt die Frucht.“ (Apok. 21,43).

Das ist also kurz zusammengefaßt die Antwort auf unsere erste Frage – wer Derjenige sei, der da an Pfingsten gesandt wurde: Der Heilige Geist ist die dritte göttliche Person, welche vom Vater und vom Sohn zugleich ausgeht.

Wie der Heilige Geist ausgesandt worden ist

Wenden wir uns sodann der zweiten Frage zu: Wie, d. h. auf welche Weise, ist der Geist Gottes gesandt worden? Zu diesem Zweck unterscheiden wir, was der Sendung des Heiligen Geistes vorausging, was sie begleitete und was daraus folgte.

Voraus gingen der Aussendung des Heiligen Geistes die Weissagungen der Propheten, welche von der künftigen Ausgießung des Heiligen Geistes redeten; vor allem ging voran die Verheißung unseres Heilandes, der wiederholt und in den bestimmtesten Worten – zuletzt noch bei Seiner Himmelfahrt – vorhersagte, daß Er den Heiligen Geist senden werde: „Bleibt in der Stadt, bis daß ihr ausgerüstet worden seid mit der Kraft aus der Höhe.“ (Lk. 24,49). „Johannes hat mit Wasser getauft. Ihr sollt in wenigen Tagen mit dem Heiligen Geist getauft werden.“ (Apg. 1,5).

Die Herabkunft des Heiligen Geistes wurde begleitet von bestimmten Umständen: nämlich von einem lauten Brausen, einem gewaltigen Sturmwind und von feurigen Zungen, die sich über die Versammelten im Abendmahlsaal herabließen.

Was bedeutet das Brausen? Daß ein Ereignis von großer Bedeutung und Wichtigkeit bevorstand. Große Dinge werden durch große, aufsehenerregende, oft auch lautstarke Ankündigungen bekanntgemacht. Das Läuten der Kirchenglocken ruft die Menschen zum Gebet und zum Gottesdienst; der Startschuß eröffnet das Wettrennen; der Schall der Posaune wird zum jüngsten Gericht rufen; als der Heilige Geist kam, wurde Seine Ankunft angekündigt durch das Brausen eines gewaltigen Windes.

Was bedeutet der Wind, der gewaltige Sturmwind? Der Wind ist zunächst außerordentlich schnell. Er deutet an, daß sich auch die Kraft des Heiligen Geistes und durch Ihn die Lehre Christi mit großer Schnelligkeit von Stadt zu Stadt, von Land zu Land, von Volk zu Volk ausbreiten wird, genau so, wie es dann auch wirklich geschehen ist. – Sodann hat der Sturm eine außerordentliche Kraft. Der Sturm ist nichts anderes als bewegte Luft. Was ist scheinbar leichter, schwächer, dünner, zarter als der Hauch der Luft? Aber was ist andererseits stärker als die Luft in Bewegung? Der Sturm hat gewaltige Kraft. – Stark sind die Wellen des Flusses und des Meeres, aber wie wächst ihre Kraft, wenn die Gewalt des Windes hinzukommt! – Das Feuer eines Brandes wird noch heftiger, wenn es vom Sturm angefacht wird und die Flammen himmelhoch emporjagen. – Der Sturm verscheucht die Nebel, jagt die Wolken vor sich her, entwurzelt Bäume, deckt Häuser ab, wühlt das Meer auf. Er zerreißt die Segel der Schiffe und zerbricht ihre Masten. Es gibt nicht viel, was der Heftigkeit des Sturmes standhalten könnte. Alles reißt er mit sich. – So deutet der Sturmwind an, daß der Heilige Geist alles besiegen würde, was sich der Ausbreitung der Kirche Christi in den Weg stellen würde: Der Nebel des Irrtums, der Haß der Juden, die Verachtung der Heiden, das Schwert der Verfolger, die Kunstgriffe der Irrlehrer; Nichts, aber auch gar nichts wird der Kraft des Heiligen Geistes widerstehen können.

Christus hat erklärt: „Der Geist weht, wo Er will, und du hörst Sein Brausen.“ (Joh. 3,8). Er weht, wo Er will. D. h., Er ist gänzlich dem menschlichen Einfluß entzogen. Man kann Ihn weder sehen noch fassen. Er zeigt nicht überall und zu jederzeit Seine mitreißende Wirkung. Wenn Er aber weht, dann hört man Sein Brausen in Form des Jubels, der sich aus den geisterfüllten Menschenherzen bahnbricht. „Der Geist weht, wo Er will, und du hörst Sein Brausen.“ Und der Herr fährt fort: „Doch du weißt nicht, woher Er kommt und wohin Er geht.“ (ebd.) Auch wenn der Mensch immer schon die Windrichtung wahrnehmen konnte, so ist doch wahr: Wenn man auch seine Richtung weiß, so kann keiner sagen: „Hier, an dieser Stelle, hat der Wind angefangen zu blasen, und genau dort hört er auf damit.“ Er ist wie eine unsichtbare Macht, die uns ihr Dasein zwar deutlich zu spüren gibt, aber wir kommen ihm nicht bei. Genauso ist die Wirkung des Geistes. Wie der Wind, so ist auch die Kraft des Heiligen Geistes unsichtbar und nur an Seinen übernatürlichen, wundersamen Wirkungen erkennbar. Er stammt aus der Sphäre des Göttlichen; aus einer übernatürlichen Welt, die dem Menschen unbekannt ist. Deshalb weiß der Mensch nicht, woher der Gottesgeist kommt und wohin Er geht. Er stellt zwar Seine Nähe, Seinen Antrieb, Seine heiligenden, kraftvollen Wirkungen fest; doch bleibt ihm der Heilige Geist geheimnisvoll, unbegreiflich und unnahbar.

Was deuteten die feurigen Zungen an, die sich auf die Apostel und Jünger niederließen? Die Zunge ist das Werkzeug der Sprache, das Instrument der Predigt. Diese Zungen bedeuten, daß die hl. Apostel durch den Heiligen Geist die wunderbare Gabe erhielten, in Sprachen zu reden, die sie nie gelernt hatten. So zu reden, daß die Zuhörer von verschiedener Sprache und Abstammung sie zugleich verstehen würden. Und zwar nicht nur den Wortlaut der Rede, sondern – was ja noch viel wichtiger ist – den Sinn ihrer Predigt; also die geheimnisvollen Wahrheiten des katholischen Glaubens, welche die Apostel fortan verkünden würden.

In feurigen Zungen kam der Heilige Geist auf sie herab. Das Feuer macht hell, es macht warm, es macht weich und schmilzt sogar das härteste Metall zu einer Flüssigkeit. Ein schönes Bild! Nicht bloß bekommen die hl. Apostel die Gabe der Sprachen, sondern ihre Predigt wird auch die Kraft haben, die finsteren Herzen zu erleuchten, die kalten Herzen zu erwärmen, ja die verhärteten Herzen zu erweichen, sie zu Tränen der Reue, zu der Glut der Gottesliebe, zum Eifer der Buße zu entflammen.

Als Drittes haben wir zu beachten, welche Umstände auf die Herabkunft des Pfingstgeistes folgten. Zum einen ging eine auffallende Veränderung in den Aposteln vor. Der hl. Petrus, welcher früher vor den Fragen einer einfachen Magd erzitterte, ist jetzt mit der Kraft des Heiligen Geistes erfüllt. Furchtlos tritt er der zahlreichen Volksmenge gegenüber. Mutig bekennt er Jesus Christus als den Sohn Gottes, den er früher aus Menschenfurcht verleugnet hatte. Freimütig klagt er die Juden an, daß sie den verheißenen Messias, den Sohn Gottes, unschuldig ermordet hatten. Deutlich zeigt der hl. Petrus, daß in der Auferstehung Christi der Beweis für Seine Gottheit erbracht worden ist. Schließlich fordert er die zusammenströmenden Juden auf zum Glauben, zum Empfang der Taufe, zum Eintritt in die Kirche Christi.

Aber nicht nur an den Aposteln, sondern auch an den versammelten Juden ging eine wundersame Veränderung vor sich. Statt sich nach dem freimütigen Bekenntnis Petri haßerfüllt auf ihn zu stürzen und ihn zu steinigen, nehmen sie die Lehrverkündigung und die Mahnung des ersten Papstes an. Sie fragen ihn, was zu tun sei, damit sie das ewige Leben finden könnten. Und es bekehrten sich an jenem Tag ungefähr 3000 Seelen, die in der geistigen Wiedergeburt des Taufsakraments zum ewigen Leben geboren wurden. Das ist die erste Frucht der Wirkung des Heiligen Geistes, die erste Ernte, welche die Apostel in die Scheune der katholischen Kirche einbringen konnten. Es war der Grundstamm der katholischen Kirche, die erste christliche Gemeinde, die erste Frucht des Heiligen Geistes.

Wem der Heilige Geist gesandt worden ist

Beim dritten Punkt angelangt, wenden wir uns noch der Frage zu, wem der Heilige Geist gesandt wurde, wo Er ist und was Er dort wirkt. Er ist gesandt worden, ist und wirkt besonders in der katholischen Kirche und in der Seele des einzelnen Gerechten im Gnadenstand.

Was tut und wirkt der Heilige Geist in der katholischen Kirche? Er lehrt, heiligt und regiert die Kirche unsichtbar bis ans Ende der Welt.

Er lehrt die Kirche. Man dürfte sagen, es sei mit Händen zu greifen, daß der Heilige Geist die Kirche lehrt. Die Glaubenslehre, welche die Kirche uns durch die Päpste und Konzilien zu glauben vorlegt, ist eine Summe von erhabenen, schwer zu glaubenden, wunderbaren, geheimnisvollen Sätzen. Woher kommt es, daß die ganze Summe der Glaubenssätze bis zu Pius XII., dem bislang letzten Papst, so streng und rein bewahrt und über all die Jahrhunderte hindurch ohne einen einzigen Widerspruch verkündet worden ist? Das ist nur durch einen besonderen, übernatürlichen Beistand zu erklären, der den Lehrern der Kirche – als da sind der Papst und die ihm unterworfenen Bischöfe – gegeben ist, damit sie die von Gott geoffenbarte Glaubenswahrheit unfehlbar bewahren. – Woher kommt es sodann, daß die ganze Summe dieser Sätze so treu und mit solcher Festigkeit von allen Katholiken geglaubt worden ist? Auch das ist kein Menschenwerk! Denken wir nur daran, wie viele Sätze und Behauptungen von Menschen schon aufgestellt, gelehrt, verkündet, verteidigt, angegriffen und umgestoßen worden sind. Wie viele bedeutende Männer haben im Laufe der Zeit Aufsehen erregt mit ihren „neuen Lehren“ und „modernen Weltanschauungen“? Aber wie auf dem See einer Welle eine andere Welle folgt, so sind menschliche Lehren gekommen und gegangen; oft verschwunden, ehe ihre Urheber gestorben waren; oft vergessen, ehe sie unter die Leute kamen. Wo sind sie? – Aber eine Lehre, die vom Heiligen Geist gelehrt und rein erhalten und verkündigt wurde, kann alle Zeiten überdauern, wie der Fels im Meer steht, wenn auch die Fluten um ihn kommen und gehen.

Der Heilige Geist lehrt nicht nur, Er heiligt die Kirche auch. Die Gnade der Heiligung wird vorzüglich mittels der Sakramente der katholischen Kirche ausgespendet. Rein äußerlich betrachtet, durch sichtbare, sinnfällige Zeichen und wenige schwache Worte. Kein Mensch wird glauben, daß das Wasser der Taufe, das hl. Öl, der Chrisam, die Worte des Priesters, des Bischofs die Kraft hätte, die Menschen zu heiligen. Aber mit den äußeren Zeichen verbindet sich die übernatürliche Kraft und Tätigkeit des Heiligen Geistes, und dann vermögen sie Wirkungen hervorzubringen, die keine Kraft des Wassers, des Feuers, der Elektrizität, der Menschenhand; keine Kraft guter oder böser Geister hervorbringen kann: die Heiligung der Seelen! Auch eine Säge schneidet nicht, wenn sie nicht von der Kraft desjenigen bewegt wird, der sie in der Hand führt. Die Sakramente sind die Werkzeuge des Heiligen Geistes, durch die Er auf die Seelen der Menschen heiligend einwirkt.

Drittens: Der Heilige Geist regiert die Kirche. Oft wird die Kirche dargestellt als ein Schifflein auf sturmbewegtem Meere. Am Ruder sitzt der hl. Petrus, der Papst. Ein schönes Bild. Ein wahres Bild. Bedenken wir, wie lange das Schifflein schon fährt. Bedenken wir, wie zahlreich die Mannschaft auf dem Schiff war und ist. Bedenken wir, wie aufgeregt das Meer der Weltgeschichte stets war, in wie vielen Händen das Ruder schon gewesen ist. In schwachen, in alten und greisenhaften, in unerfahrenen, in zitternden, in unbeständigen, in furchtsamen und sterbenden Händen. Und wahrlich, wenn dieses Schiff auf so langer Fahrt durch die Jahrhunderte nur von Menschenhand gelenkt worden wäre. Längst, ja längst hätte der Sturm der Leidenschaft das Schifflein Petri zerschmettert. Längst hätte die Uneinigkeit der Mannschaft das Schiff ins Unglück gebracht. Wer weiß, wie oft wäre das Ruder den schwachen Händen des Papstes entglitten, wenn nicht in Wirklichkeit der Heilige Geist durch die Päpste das Schifflein der katholischen Kirche gesteuert hätte? Längst wäre das Ruder zerbrochen. Und gerade weil wir heute allenthalben Uneinigkeit unter denjenigen sehen, die katholisch sein wollen, die den geoffenbarten Glauben rein bewahren wollen, sehen wir den besten Beweis dafür, daß wir in einer papstlosen Zeit leben. Nichtsdestotrotz hat der Heilige Geist die Regierung der Kirche auch heute nicht aufgegeben. Aber wir lernen heute an den schrecklichen Umständen und Folgen – eben weil wir keinen Papst haben –, welch eine Wohltat, welch hohes Gut der römische Oberhirte für die katholische Kirche ist. Denn durch den Papst werden wir nicht von einem bloßen Menschen regiert, sondern vom Heiligen Geist. Das ist der Grund, warum der Papst „Heiliger Vater“ genannt wird, warum die Menschen durch alle Jahrhunderte hindurch nach Rom gereist sind, um den Papst zu sehen, warum sich die Menschen vor ihm niedergekniet haben, um seinen Segen zu empfangen; warum der Papst von allen Staatsoberhäuptern aufgesucht, um Rat gefragt, um Vermittlung gebeten, so reich beschenkt wurde und vom gläubigen Mittelalter mit dem Titel „Gott auf Erden“ verehrt wurde.

Ja, wirklich nur der Gedanke, daß eine übernatürliche Kraft den Papst und durch ihn das Regiment der gesamten katholischen Kirche leitet, kann es erklärbar machen, daß die Kirche älter ist als alle Staaten, daß sie alle Stürme der Jahrhunderte, die Verfolgungen, die Irrlehren, siegreich und in ihrem Wesen gänzlich unverändert überstanden hat.

Ähnlich wie in der Kirche wirkt der Heilige Geist auch in der Seele der einzelnen Menschen, der Gläubigen, vor allem der Gerechten, die sich im Gehorsam von den Hirten der Kirche leiten lassen. Er erleuchtet sie, indem Er bald wie mit innerem Blitz die Seelen über ihren Zustand aufklärt; ihre Vergangenheit, ihre Zukunft; bald ihre Zweifel auflöst; wie die aufgehende Sonne den Nebel zerstreut. Er heiligt sie durch Mitteilung Seiner Gnade. Er stärkt die Seelen, indem Er ihnen insbesondere durch Seine sieben Gaben einen übernatürlichen Antrieb gibt, den sie von sich aus nicht haben können; indem Er ihnen Kraft und Ausdauer und Geduld zu solchen Werken gibt, welche durch rein menschliche Kraft nicht zustande gebracht werden können. Er tröstet die Seelen mit jenem Trost, den die Welt nicht geben kann. Er spendet mit einem Wort alle die sieben Gaben aus, welche als die „Gaben des Heiligen Geistes“ bezeichnet werden: die Gabe der Weisheit, des Verstandes, des Rates, der Stärke, der Wissenschaft, der Frömmigkeit und der Furcht des Herrn.

Unsere Vorbereitung auf den Empfang des Heiligen Geistes

Die göttliche Kraft des Heiligen Geistes ist immer dieselbe und heute genauso groß wie am ersten Pfingstfest. Der Heilige Geist will auch heute das „Gesetz der Liebe“ in unsere Herzen einschreiben. Seine Bereitwilligkeit, in unseren Herzen zu wirken, ist vorhanden. Bereiten wir Ihm ein empfängliches Herz; also kein Herz aus Stein, sondern ein Herz aus Fleisch; eine Stätte, wo Er wohnen, eine Werkstatt, wo Er tätig sein, ein Werkzeug, womit und woran Er wirken kann.

Auf welche Weise können wir unser Herz und unsere Seele auf den Empfang des Heiligen Geistes vorbereiten? – Vor allem durch eine große Reinheit! Zur vollkommenen Reinheit gehört als Erstes die Gewissensreinheit. Die Sünde, und zwar schon jede freiwillige läßliche Sünde, mißfällt dem Heiligen Geist und hält Ihn davon ab, in unserer Seele tätig zu werden. Deshalb reinigen wir unser Gewissen durch die gute, demütige und reuevolle hl. Beichte und meiden wir jede freiwillige läßliche Sünde! – Zweitens bedarf es neben der Reinheit des Gewissens auch der Keuschheit des Leibes. D. h., jeder muß die seinem jeweiligen Stand zukommende Keuschheit bewahren, denn der Heilige Geist wohnt nicht in einem Leib, welcher den Sünden und Lastern des Fleisches ergeben ist. – Drittens müssen die geistigen Vermögen unserer Seele gereinigt sein: unser Gedächtnis von allein eitlen, unreinen und lieblosen Erinnerungen; unser Verstand von allem Dünkel, von eitler Selbstgefälligkeit und von voreiligen Unterstellungen; unser Wille von aller Trägheit, Feindseligkeit und Eigenliebe. – Je mehr wir diese dreifache Reinheit des Gewissens, des Leibes und des Geistes besitzen, desto größere Gnadenfülle können wir vom Heiligen Geist empfangen.

Um sie zu erlangen, wollen wir uns vertrauensvoll an die allerseligste Jungfrau und Gottesmutter Maria wenden. Sie ist ja die reinste, die keuscheste, die unbefleckte „Braut des Heiligen Geistes“ und hatte vom ersten Augenblick ihres Daseins an eine ganz makellose Reinheit. Darum hat sie Gnade gefunden beim Heiligen Geist, daß Er sich ihr in einzigartiger Weise mitteilen und in ihr tätig werden wollte. Der Heilige Geist entfaltete in Maria eine so wunderbare Tätigkeit, die nichts Geringeres als das Geheimnis der Menschwerdung Gottes, den Gottmenschen, hervorgebracht hat. Opfern wir daher die Reinheit Mariens und die göttliche Frucht ihres Leibes dem Heiligen Geiste auf, damit wir durch ihre Verdienste und die Verdienste Jesu Christi das erlangen, was wir aus unseren eigenen Kräften nicht zu erlangen vermögen.

Dann aber wenden wir uns voll Vertrauen an die „Kraft aus der Höhe“: Plagen uns Zweifel, wenden wir uns an den „Geist der Wahrheit“. Fühlen wir unsere Schwäche, so wenden wir uns an den „Geist der Stärke“. Ist unser Herz betrübt, so suchen wir Trost beim „Tröstergeist“. Er wird uns aufrichten. Erfahren wir unsere ganze geistige Armut, so wenden wir uns an den „Geber aller guten Gaben“, den „Vater der Armen“. Fallen wir in Sünde, so wenden wir uns an den „Geist der Heiligkeit und Reinheit“. Er wird uns zur Reue führen. Ja, selbst der verhärtete Sünder, der seine Sünde so liebhat, daß er sich nicht von ihr loszureißen vermag, obwohl sie ihn ins ewige Verderben reißt; auch er soll sich unter Berufung auf die Gottesmutter und auf das Opfer Jesu Christi an den Geist des göttlichen Feuers wenden. Dieser wird selbst solche Seelen erweichen und sie zur Reue und zur Buße führen. Beten wir oft und viel zum Heiligen Geist, und Er wird Seine Kraft auch an uns offenbaren: im Leben, im Tod, in alle Ewigkeit. Amen.

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