Vigil von Ostern
„Er sah und glaubte.“
Geliebte Gottes!
Es ist etwas passiert, worüber man zusammen mit dem hl. Augustinus eigentlich schmunzeln könnte, wenn es nicht doch zu ernst wäre. Der hl. Kirchenvater sagt: „Soldaten standen als Wächter an seinem Grab. Da bebte die Erde und der Herr stand auf. Am Grab geschahen solche Wunder, daß selbst die Soldaten, die als Wächter dort standen, sie bezeugen mußten, falls sie nur die Wahrheit bekennen wollten. Aber die Habsucht, die den Judas Iskariot gepackt hatte, ergriff auch die Soldaten, die das Grab bewachten. ‚Wir geben euch Geld‘, sprachen die Hohenpriester; ‚Sagt: Seine Jünger sind bei Nacht gekommen, während wir schliefen, und haben ihn gestohlen.‘ Welch dumme und unselige Verschlagenheit! … Ihr Juden, Schlafende führt ihr also als Zeugen an?“ Ja, während sie schliefen, wollen sie gesehen haben, daß der Leichnam Jesu von Seinen Jüngern geraubt wurde; und somit die Botschaft und der Glaube an die leibhaftige Auferstehung unseres göttlichen Erlösers als ein „Lügenmärchen“ entlarvt seien. Zu so einer phantastischen Geschichte mit schlafenden Zeugen kann man nur sagen: „Wer’s glaubt, wird selig!“
Die beiden „Traditionen“ von der Auferstehung
Doch seitdem die Hohenpriester und Pharisäer damals diese Legende in die Welt gesetzt hatten, hat die sog. „kritische Wissenschaft“ aller Jahrhunderte nicht mehr aufgehört, die Auferstehung Christi zu leugnen. „Fälschung“ und „Aberglaube“ und „Lüge“ sei die christliche Überlieferung. Gestützt auf ihre schlafenden Zeugen behaupten sie stocksteif: „Der Gekreuzigte war tot und blieb tot! Der Auferstehungsglaube ist nur ein Märchen.“ Und bei näherem Zusehen solle das sogar aus dem Evangelium selbst hervorgehen, weil sich nämlich die Auferstehungsberichte widersprächen.
Was sollen wir dazu sagen? Sehr einfach: Daß Christus nicht auferstehen konnte und nicht auferstanden sei, ist erst einmal auch nur ein „Glaube“ in der Begriffsfassung unserer Gegner; nämlich ein unbewiesener, ja sogar ein unbeweisbarer „Glaube“ – und außerdem auch: ein trauriger „Glaube“! Jeder, der behauptet, er könne beweisen, daß Jesus nicht auferstanden sei, ist überheblich. Niemand hatte in den letzten 2000 Jahren einen stichhaltigen Beweis erbringen können. Keiner konnte uns anhand der Überreste des Leichnams Christi beweisen, daß Er nicht auferstanden sei. Und wenn er seine strikte Leugnung der Auferstehung auch noch auf die schlafenden Zeugen am Beginn dieser lügnerischen „Tradition“ stützt, setzt er sich nicht nur verdientermaßen dem Spott des hl. Augustinus aus, sondern zeigt durch solch eine dumme Behauptung, daß sein Problem nicht auf der Ebene mangelnder Vernunft liegt, sondern auf der Willensebene. Er will die Wahrheit und Tatsachen nicht erkennen.
Wir Katholiken aber glauben an die Auferstehung Christi. Unser Glaube ist dabei nicht blind! Wir haben dafür eine lückenlose Kette an Zeugen, welche durch die Jahrhunderte hinabreicht bis zu jenem Morgen, als die Frauen das leere Grab entdeckten. Bis zu jenen Frauen, die aufgrund ihrer Treue, welche sie unserem Herrn Jesus Christus am Karfreitag bis unter das Kreuz erwiesen hatten, noch vor den Aposteln gewürdigt wurden, die frohe Botschaft von der herrlichen Auferstehung Jesu zu verkünden. Das erste Glied unserer Zeugenkette, sind also jene Frauen, welche durch ihre Tapferkeit gleichzeitig auch ihre Ehrbarkeit unter Beweis gestellt haben!
Die „Beweiskette“ der Leugner reicht bis zu den schlafenden Wächtern. Ferner haben sie sich die verschiedenen Osterberichte der Evangelien vorgenommen und sie „kritisch“ nebeneinander gehalten, um sie auf Unterschiede zu prüfen. Triumphierend meinen sie dabei, Widersprüche und Ungereimtheiten feststellen zu können. Mit dem Glauben an den Auferstandenen haben diese vermeintlichen „Widersprüche und Ungereimtheiten“ nichts zu tun; Höchstens so viel, daß von hier aus für den Glauben keine Schwierigkeiten entstehen! Man bedenke: Wenn sich Zeugen im Wesentlichen widersprechen, dann kann man die Wahrheit nicht finden. Man sollte ihnen nicht glauben! – Wenn Zeugen wortwörtlich übereinstimmen, liegt der Verdacht nahe, daß sie sich vorher abgesprochen haben und kein echtes Zeugnis vorliegt. So war es der Fall beim Zeugnis der schlafenden Wächtern. Der vollkommene Gleichklang ihres Zeugnisses ist verdächtig. Man sollte ihnen ebenfalls nicht glauben. Wenn nun aber bei verschiedenen Zeugnissen im Wesentlichen Übereinstimmung herrscht und im Unwesentlichen die Eigenart der Einzelaussage sich bemerkbar macht, hat man berechtigtes Vertrauen auf die Wahrheit. Genau das Letztere liegt vor. Alle Evangelien und die Apostelgeschichte sind sich einig: Christus ist auferstanden! Die Situationsschilderungen haben in den einzelnen Berichten verschiedene Färbungen, die widersprüchlich klingen. Uns kann es aber egal sein, ob nun Maria Magdalena mit den anderen Frauen geschwiegen hat oder ob sie schnurstracks zu Petrus und den Aposteln lief. Das zieht die Tatsache der Auferstehung nicht im Geringsten in Zweifel. Derlei nebensächliche „Spitzfindigkeiten“ verbittet sich der Gläubige.
Der Jünger, den Jesus liebt, und das lehramtliche Urteil
Für den wahrhaft Gläubigen, d. h. für den Katholiken, kommt aber noch eine Tatsache hinzu, die unserem Glauben die unumstößliche Gewißheit verleiht. Denn das Zeugnis der Frauen wurde nicht ungeprüft aufgenommen, sondern sorgfältig geprüft. Es wurde sofort geprüft. Es wurde „amtlich“ geprüft!
Nachdem die Frauen die Kunde von den seltsamen Vorgängen am Grab des Heilandes zu den Aposteln in den Abendmahlsaal gebracht hatten, machten sich sofort – noch am selben Ostermorgen – zwei Apostel zum Grabe auf, um das mysteriöse Zeugnis der Frauen kritisch in Augenschein zu nehmen. Der hl. Johannes berichtet uns in seinem Evangelium: „Petrus und der andere Jünger [der Jünger, den Jesus liebte] eilten zum Grab. Beide liefen zusammen, aber der andere Jünger lief voraus, schneller als Petrus, und kam als Erster zum Grab.“ Petrus, der designierte Papst; das sichtbare Haupt der Kirche, der Stellvertreter Christi und Träger des „Charismas der sicheren Wahrheit“, wie die Kirchenväter es nennen, macht sich auf, um der Sache auf den Grund zu gehen. Und Petrus ist in Begleitung. Es begleitet ihn „der Jünger, den Jesus liebte“. Wir haben diesen geheimnisvollen Jünger bereits in den letzten beiden Tagen am Gründonnerstag im Abendmahlsaal – wo er an der Brust des Heilandes ruhte – kennengelernt. Und auch unter dem Kreuz haben wir ihn gesehen, als ihm Jesus Seine Mutter zu eigen gab. Und auch am Ostertag begegnet uns dieser geheimnisvolle Jünger wieder. Inzwischen wissen wir, warum sich der Apostel Johannes an den wichtigsten Stellen seines Evangeliums nicht namentlich nennt, sondern sich gleichsam namenlos als „Jünger, den Jesus liebte“, bezeichnet. Er will, daß jeder von uns seinen eigenen Namen an dieser Stelle einsetzen könne, ja, auch tatsächlich einsetze. Jeder von uns ist jener „Jünger, den Jesus liebt“.
Der Jünger, den Jesus liebte, läuft bei diesem Osterwettlauf zum Grab schneller als Petrus. Für den, der liebt, gibt es kein Halten. Die Liebe verleiht Flügel. Diese Schnelligkeit ist also nicht altersabhängig. Nein, einer sich nach dem Geliebten sehnenden Seele ist immer eine innerliche Jugendfrische eigen.
Was aber macht der Jünger am Grab? Es heißt von ihm: „Er beugte sich vor und sah die Leinenbinden dort liegen, aber er ging nicht hinein.“ „Der Jünger, den Jesus liebte“ ist zwar schnell, aber er ist nicht voreilig. Er geht noch nicht hinein. Nur ein vorläufiger, ein vorsichtiger Blick. Aber nicht mehr! Er wagt es nicht, sich sein eigenes Urteil zu bilden. Er wartet auf Petrus. Er ist der Papst. Er muß zuerst prüfen und die Lage beurteilen. Er hat bei seinem Urteil den Beistand des Heiligen Geistes. Sein Urteil ist die Norm des Glaubens für alle Katholiken. – Als der hl. Petrus eintrifft, läßt ihm der Jünger den Vortritt in die leere Grabkammer. Und unter der Anleitung Petri sieht nun der „Jünger, den Jesus liebte“ auf einmal viel mehr als zuvor. Nachdem der hl. Petrus die Grabkammer betreten hatte, fährt der Evangelist fort: „Da ging auch der andere Jünger, der zuerst zum Grab gekommen war, hinein. Er sah und glaubte!“
Was hatte denn der hl. Petrus gesehen? Worauf hat er den „Jünger, den Jesus liebte“, aufmerksam gemacht, daß sich ihm mit einem Mal das geistige Auge des Glaubens öffnete? Eine Grabkammer ohne Leichnam. Die Leinenbinden von der Grablegung. Und separat, an einem anderen Ort, fein säuberlich zusammengefaltet das Schweißtuch, das auf dem Angesicht des toten Heilandes gelegt worden war. Was sollen all diese Details? Sie können nur etwas andeuten. Nämlich: So hinterlassen Diebe keine Grabkammer. Aber genügte das für den „Jünger, den Jesus liebte“, um an die Auferstehung von den Toten zu glauben? – Eben nicht! Das sind nur „Beruhigungen für die Sinne“, daß sie sich nicht auflehnen gegen den Glauben. Was aber war ihm Fundament des Glaubens? Der Evangelist nennt es, indem er fortfährt: „Bisher hatten sie noch nicht die Schrift verstanden, daß er von den Toten auferstehen müsse.“ Wie oft mag der „Jünger, den Jesus liebte“, als frommer Beter den 15. Psalm rezitiert haben, wo es heißt: „Du läßt Deinen Heiligen nicht die Verwesung schauen.“ (Ps. 15,10). Als Petrus dem „Jünger, den Jesus liebte“, das zusammengefaltete Schweißtuch hinhielt, fiel es diesem wie Schuppen von den Augen. Nie war ihm der Gedanke gekommen, daß der Satz wörtlich in Erfüllung gehen würde, auch nicht als sein Meister selbst diesbezüglich Andeutungen machte: „Reißt diesen Tempel nieder, in drei Tagen werde ich ihn wieder aufbauen.“ (Joh. 2,19).
Zwischen dem „er sah“ und dem_ „er glaubte“_ ist durch die Vermittlung des hl. Petrus etwas geschehen: das Verstehen des gläubigen Herzens. Wir sagen auch die Glaubensgnade. So wurde es für den Jünger eine feste Überzeugung, eine Gewißheit, daß der Herr wahrhaftig auferstanden ist.
Glaubensgnade
Jeder von uns ist ein „Jünger, den Jesus liebt“. Jeder von uns muß selbst, von der Liebe zu Gott getrieben, im Geiste zum Grab laufen, um zu sehen, wer recht hat: Die Frauen oder die schlafenden Wächter. Jeder von uns muß sich von dem Glauben an die Auferstehung Jesu Christi und damit von der Wahrheit der katholischen Religion selbst überzeugen. Das können nicht die Eltern, die Großeltern oder Paten für uns tun. Man saugt den Glauben eben leider nicht mit der Muttermilch auf. Auch eine katholische Familie ist keine Garantie, daß alle ihre Mitglieder den Glauben empfangen. Es können dort nur optimale Bedingungen geschaffen werden, daß der Glaube in einer Familie gedeihen kann. Jeder bleibt selbst gefordert, sich von der Glaubwürdigkeit des Evangeliums zu überzeugen.
Das kann jedoch nur gelingen, nicht in Eigenregie, sondern indem wir uns auf glaubwürdige Zeugen stützen. Wir müssen uns überzeugen, aber wir dürfen es nicht ohne das kirchliche Lehramt, nicht ohne den hl. Petrus, nicht ohne die Unterweisungen der Päpste und erst recht nicht gegen ihre Bezeugung tun. Denn sonst würden wir Protestanten werden. Egal ob wir nämlich, wie die Protestanten es tun, die Heilige Schrift nehmen und sie auslegen, wie sie uns gefällt, oder ob wir uns auf irgendeine „Tradition“ stützen, die wir wie die „Traditionalisten“ und Lefebvristen eigenmächtig auslegen. Beide Formen stützen sich letztlich nicht auf glaubwürdige Zeugen, sondern auf das eigene Urteil.
Nein, wir Katholiken müssen unseren Glauben ganz vom Lehramt der Päpste bestimmen lassen, unser persönliches Urteil nach demselben ausrichten und es mit diesem gleichförmig machen. Das ist besonders in der papstlosen Zeit wichtig zu betonen, wo es niemanden gibt, der uns in seiner lehramtlichen Autorität ein Urteil vorlegen kann und deshalb die Versuchung groß ist, sich selbst zum „Papst“ aufzuschwingen.
Wir müssen uns also auf das Urteil des hl. Petrus folgen, der in seinen wahren Nachfolgern immerfort die von Gott geoffenbarte Wahrheit stets zuverlässig und unfehlbar verkündet hat. Nicht die Heilige Schrift und auch nicht die mündliche Überlieferung, sondern die amtliche Lehrverkündigung der katholischen Kirche gilt für uns als Norm für unseren persönlichen Glauben. Die Lehrverkündigung der Päpste, die wir in ihren Rundschreiben, Verordnungen und Gesetzen, in den katholischen Katechismen niedergelegt finden – so etwa im „Römischen Katechismus“ des Konzils von Trient oder im „Kompendium der christlichen Lehre des hl. Papstes Pius X.“ – bildet das für unseren Glauben normative Zeugnis der an die Apostel ergangenen Offenbarung Gottes. An dem, was uns der hl. Petrus durch seine Nachfolger in den genannten Zeugnissen vor die Augen hält und zu glauben vorlegt, müssen wir unseren persönlichen Glauben messen, und diesem durch den Beistand des Heiligen Geistes verbürgten Zeugnis unsere innere Glaubenszustimmung geben; so wie es der „Jünger, den Jesus liebte“, im leeren Grab getan hat.
Immer wieder muß sich dieser Vorgang wiederholen – sehen und glauben; nicht glauben, weil man sieht, sondern „sehen und glauben“! Sehen, was das Lehramt aufzeigt, und zustimmen. Aber vergessen wir dabei nicht, daß noch etwas dazukommen muß, das uns innerlich dazu befähigt, die innere Glaubenszustimmung geben zu können; etwas, das auch mit dem „und“ gemeint ist. Denn historische Forschung, literarische Untersuchungen an den Texten der Offenbarungsquellen, ja selbst lehramtliche Urteile werden allein nie ausreichen. Sie können nur Hindernisse wegräumen. Wenn wir uns wie jener „Jünger, den Jesus liebte“, mitnehmen lassen vom Strom jener Gläubigen, die seit den Aposteln die Auferstehung Christi angenommen haben, und uns nicht irre machen lassen von jenen anderen, die einen gegenteiligen „Glauben“ vertraten und vertreten, von den damaligen Pharisäern bis zu den heutigen Modernisten und Gottleugnern, dann ist das ein Aufleuchten gottgeschenkten Glaubenslichtes in uns. Es ist letztlich die Gnade Gottes, die uns glauben läßt! Das haben wir in aller Demut und Dankbarkeit anzunehmen. Auch müssen wir darum beten, daß Gott uns das gnadenhafte Glaubenslicht weiterhin erhalte. So richtete etwa der hl. Thomas von Aquin folgende Worte an die allerseligste Jungfrau: „Ich bitte Dich, Pforte des Himmels und Fürsprecherin der Sünder, nicht zuzulassen, daß ich, dein unwürdiger Diener, am Ende meines Lebens vom heiligen katholischen Glauben abirre; hilf mir vielmehr in deiner großen Güte und Barmherzigkeit und verteidige mich gegen die bösen Geister.“
Das Licht in uns, die Tatsache, daß wir glauben können und wirklich glauben, gehört zu dem, was der hl. Paulus soeben in der Epistel sagte: „Ihr seid mit Christus auferweckt.“ Unser Glaube ist erste gnadenhafte Teilnahme an jenem Leben, des Auferstandenen. Wie damals bei dem „Jünger, den Jesus liebte“.
So stehen wir vor dem Auferstandenen nicht einfach in stummem Staunen, sondern im österlichen Jubel derer, die an Seiner Auferstehung jetzt schon durch die übernatürliche Gnade teilhaben und erwarten voll Hoffnung, bis einmal bei der Auferstehung des Fleisches an der ganzen Menschheit offenbar werden wird, was wir heute im Glauben an dem glorreich aus dem Grabe erstandenen Leib des Auferstandenen sehen. Und weil wir den verklärten Leib mit seinen strahlenden Wundmalen im Glauben sehen, deshalb wollen wir heute schon wie Auferstandene ein neues Leben beginnen. Ein Leben, das gegründet ist auf den katholischen Glauben, das verankert ist in der Hoffnung auf die verheißenen Güter und das belebt ist von der übernatürlichen Liebe. Ein Leben, wie das des „Jüngers, den Jesus liebte“. Amen.