Vom Weg der Weisen zu Gott

Geliebte Gottes!

Durch einen Engel und den Gloria-Gesang der himmlischen Heerscharen hatte der Herr die Hirten zu Seiner Krippe gerufen, durch den Stern die drei Weisen aus dem Morgenland. Jene stammten aus einem gläubigen Volk, diese aus den Heiden. So beruft Gott die Vielen in ganz verschiedener Weise; so, wie es den Verhältnissen eines jeden am angemessensten ist.

Allgemein ist der Ruf Gottes, der an alle Menschen ergeht. Allen gemeinsam ist das Ziel: die Krippe des Erlösers. Ganz persönlich sind die Umstände, in denen der Ruf Gottes an den Einzelnen ergeht. Und ganz einzigartig ist auch der Weg, den ein jeder von uns zu gehen hat, um zu Gott zu gelangen.

Auch wenn jeder seinen Lebensweg zu Gott auf einzigartige Weise zu meistern hat, so müssen wir doch alle gemeinsam dieselben Irrwege meiden und dieselben Tugenden üben, um uns dem Ziel Schritt für Schritt zu nähern.

Zur Orientierung stellen uns die Begebenheiten, von denen uns das heutige Festtagsevangelium berichtet, mehrere gute und schlechte Beispiele vor. Nutzen wir die Festwoche des Dreikönigsfestes, um die darin vorgestellten Personen und Personengruppen – genauer, als wir es hier in gedrängter Weise tun können – zu betrachten und ihr Beispiel auf uns zur Anwendung zu bringen.

Lassen Sie uns zu diesem Zweck die drei Weisen aus dem Morgenland aufmerksam auf ihrer Reise begleiten, wobei sich dieselbe in vier Abschnitte untergliedern läßt:

  1. Ihre Abreise aus dem Morgenland.
  2. Ihr Aufenthalt in Jerusalem.
  3. Ihr Aufenthalt in Bethlehem. Und
  4. Ihre Rückkehr in die Heimat.

Ihre Abreise

Alles begann mit dem Erscheinen des rätselhaften Sterns. Mit einem Mal leuchtete er strahlend hell am Firmament des nächtlichen Himmels. Und doch geschah es offensichtlich, daß sein farbenfrohes Schillern von vielen, ja von den meisten, nicht beachtet wurde. Von vielen wurde der Stern einfach übersehen. Sie erkannten ihn gar nicht. Sie schliefen, während er am Himmel zu sehen war. Von anderen wurde der sonderbare Stern keiner großen Aufmerksamkeit wert erachtet. Diese sahen ihn zwar, vermochten aber nicht, dessen Bedeutung zu erkennen.

Anders verhielt es sich bei den drei Weisen. Ihre Aufmerksamkeit für das Geschehen um sie herum, ließ sie den in schillernden Farben leuchtenden Stern nicht übersehen, noch ließ sie ihre Weisheit dessen Bedeutung verkennen.

Wie viele Ereignisse gibt es doch im Leben eines jeden Menschen – auch in unserem –, die unserer Aufmerksamkeit in hohem Grade wert wären. Glücks- und Unglücksfälle, Freud und Leid, Erfolge und Mißerfolge, Anerkennung und Verachtung, die uns zuteil werden, Krankheit und Todesfälle; all diese Dinge kommen nicht von ungefähr. Von jedem wechselnden Umstand wird unser Leben durch Gottes Vorsehung in ein ganz unterschiedliches Licht getaucht, auf das wir entsprechend reagieren sollen. – Die meisten Menschen beachten nicht, was Gott ihnen mit den Ereignissen um sie herum sagen will. Aus Gottvergessenheit, Leichtsinn oder beständiger Zerstreuung nehmen sie den Leuchtstern Gottes gar nicht wahr. Andere nehmen das Wirken Gottes zwar wahr, können es aber nicht richtig deuten.

Die drei Weisen vermochten die Bedeutung des Sternes aus zwei Gründen richtig zu deuten: Sie verfügten über hinreichende Kenntnisse. Die Prophetie des Balaam war ihnen vermutlich bekannt:_ „Ich werde Ihn_ [den Messias] sehen, doch nicht jetzt; ich werde Ihn schauen, aber nicht nahe. Es wird ein Stern aufgehen aus Jakob, ein Zepter sich erheben aus Israel, und wird die Fürsten Moabs zerschmettern und alle Söhne Seths vernichten.“ (Num. 24,17). Doch – wie wir später noch sehen werden – das Glaubenswissen und die Kenntnis der Schrift allein genügen nicht. Ohne besonderes Gnadenlicht hätten es die drei Weisen wohl kaum richtig zu deuten vermocht.

So bedürfen auch wir nicht nur der Aufmerksamkeit auf die Ereignisse um uns und einer soliden Kenntnis des katholischen Glaubens, sondern auch des Beistands der helfenden Gnade, damit wir in unserem Verhalten auf die Wechselfälle unseres Lebens wirklich als Christen, als Katholiken reagieren, und zwar so, daß wir dabei Gottes Wohlgefallen suchen. Um diese höhere Erleuchtung müssen wir stets bitten. Ja, nicht nur darum bitten, sondern auch ein offenes Herz dafür haben und uns dem Willen Gottes vollkommen hinzugeben, auch wenn Er von uns persönliche Opfer verlangt.

Die drei Weisen machten sich also auf. Dabei ließen sie sich sowohl von ihrer Vernunft als auch durch den Gehorsam leiten. Ihr Entschluß, nach Jerusalem zu reisen, war vernünftig! Wo sonst durfte man in Israel einen neugeborenen König erwarten als in Judäas Königsstadt? Wo sonst dürfte man genauere Kunde über ein göttliches Kind erhoffen als in der Priesterstadt des auserwählten Volkes?

Lehrreich ist dieser Entschluß für uns, denn auch wir sollen im Gebet nicht nur die Erleuchtung durch die Gnade suchen, sondern das als gut und richtig und als notwendig Erkannte auch durch den Gebrauch unseres Verstandes in vernünftiger Weise auf unsere konkrete Lebenssituation zur Anwendung bringen. Kurz: Wir müssen die Tugend der Klugheit üben. Wir dürfen uns nicht nur in frommen Betrachtungen ergehen, sondern müssen uns dann auch auf den Weg des Heiles begeben, durch die Umsetzung in die Tat. Dabei müssen wir vernünftigerweise die Leitung derer suchen, die Gott als Dolmetscher Seiner Offenbarungen und Gebote an den Wegesrand unseres Lebens gestellt hat – also die Leitung der Kirche bzw. ihrer Stellvertreter. Hervorzuheben ist auch der Gehorsam der drei Weisen. Ohne Zögern, ohne Zaudern, sondern mit erstaunlicher Geschwindigkeit folgten sie dem göttlichen Wink. Nur aufgrund eines so geringen Zeichens am nächtlichen Firmament traten sie ihre Reise an! – Wir hingegen sind nach so vielen Belehrungen, Predigten, Mahnungen, Drohungen, vielleicht sogar Züchtigungen Gottes, noch so träge und saumselig im Guten. – Aber nicht nur ihre prompte Folgsamkeit ist uns ein Vorbild, auch ihr dadurch zutagetretender Starkmut. Sie mußten mit Gefahren und Beschwerden auf einer derart weiten Reise rechnen. Weder war es sicher, ob sie ihr Ziel überhaupt erreichen, noch ob sie von diesem Abenteuer lebend wieder heimkehren würden. Diese Erwartungen konnten sie nicht abschrecken. Auch ließen sie sich ihr Vorhaben weder durch Einwände seitens ihres Umfeldes ausreden noch durch Spötteleien ihrer Mitmenschen miesmachen. – Wie sieht es da bei uns aus im Hinblick auf unsere Trägheit, Opferscheu und Menschenfurcht?

In Jerusalem

Sobald die drei Weisen Jerusalem erreicht hatten, begegneten sie mehreren Personen und Personengruppen. Zuerst wurden sie vom gottlosen König Herodes persönlich empfangen und teilten ihm ihre gewonnenen Erkenntnisse mit: „Der Messias ist geboren worden. Wir haben Seinen Stern im Osten gesehen und sind gekommen, um Ihn anzubeten.“ Herodes erschrak über diese Nachricht. Er erzitterte vor einem Kind! – Der Gottlose ist niemals ruhig und zufrieden. Selbst wenn er auf dem Thron sitzt, ist er nicht glücklich! Stets verursacht ihm sein schlechtes Gewissen innere Unruhe und Unzufriedenheit. Er grübelt, um sich und sein früheres Verhalten zu rechtfertigen; führt innere Monologe, um sein sündhaftes Denken und Tun ins Recht zu setzen; weist die Schuld stets den andern zu, um sich von allem Unrecht freizusprechen; projiziert seine eigene Bosheit auf andere Personen. Um sich die Unrechtmäßigkeit seiner Herrschaft nicht eingestehen zu müssen, dient dem Herodes das Messiaskind als Projektionsfläche und wird für ihn zum gefährlichen „Thronräuber“, dessen Anspruch im Keim erstickt werden muß. Voll Grausamkeit legt sich der Gottlose einen Mordplan zurecht, heuchelt den Gästen aus dem Morgenland religiöses Interesse vor und unterstützt vorgeblich ihre Suche durch die Einberufung der Priesterschaft. – Aber Gott vereitelt alles. Das gesuchte Kind wird von den Weisen umso leichter entdeckt, verherrlicht und dann gerettet. Herodes hingegen wurde durch seinen Kindermord nur noch verhaßter und bald von Gottes Strafe ereilt.

In den Hohenpriestern und Schriftgelehrten begegnen den drei Weisen aus dem Morgenland kompetente Theologen. Sofort sind sie in der Lage, die richtige Stelle aus der Heiligen Schrift anzuführen und über den Geburtsort des Messias genau Auskunft zu geben. „Zu Bethlehem im Lande Juda! Denn so steht es geschrieben beim Propheten Michäas“, wissen sie zielsicher anzugeben. Durch ihre prompte Auskunft bestätigen sie uns nur die Offensichtlichkeit der messianischen Prophezeiungen. Doch gerade ihre gute Kenntnis des Glaubens wurde ihnen zum Fallstrick, weil sie ihrem überlegenen Wissen keine angemessenen Handlungen folgen ließen. Der hl. Augustinus sagt: „Was die Wegweiser an unseren Straßen sind, das wurden die Schriftgelehrten den Weisen aus dem Morgenland: Sie zeigten den Wanderern den Weg, sie selbst aber blieben an ihrem Ort, unbeweglich und so gescheit, wie sie vorher waren.“ Anderen zeigten sie den Messias an, sie selbst aber wollten sich nicht zur Anbetung bewegen lassen. Sie ignorierten ihren Erlöser, als Er noch Kind war, und verfolgten Ihn, als Er zum Mann herangewachsen war und Wunderzeichen wirkte. – Damals wie heute ist es traurig, wenn jene, die den Glauben haben und durch ihr Wissen und ihre Ratschläge in der Lage sind, anderen den rechten Weg zu weisen, der katholischen Lehre durch ihr eigenes schlechtes Beispiel widersprechen und mit ihrem Reden, Tun und Lassen Ärgernis geben.

Schließlich war da noch das Volk von Jerusalem. Es erschrak mit Herodes. Aus rein menschlichem Blickwinkel war das sogar nachvollziehbar. Die Herrschaft des Herodes durchzog eine breite Blutspur. Der König war vom Verfolgungswahn beherrscht und hatte bereits viele auf den bloßen Verdacht hin, daß sie ihm die Herrschaft streitig machen könnten, exekutieren lassen. Für die Einwohner der Stadt war die Botschaft der drei Weisen aus dem Morgenland gleichbedeutend mit der Nachricht: Es wird wieder Blut fließen. Nichtsdestotrotz ist das servile Verhalten eines Bücklings, der erschrickt, weil der Herrscher erschrickt, des auserwählten Volkes unwürdig. Ihre Vorfahren harrten seit Jahrhunderten auf die Ankunft des Erlösers. Die Nachricht, daß Er nun endlich geboren sei, hätte helle Freude auf den Straßen Jerusalems hervorrufen müssen und nicht ängstlichen Schrecken auslösen dürfen.

Aber erschrecken nicht auch Christen oft über das, was eigentlich Grund ihrer höchsten Freude sein sollte? Z. B. über die Festzeiten, weil sie dabei mehr beten, öfters die hl. Messe besuchen oder die Predigt hören müssen? Oder über die Bußzeiten, weil sie mit der Sünde brechen, beichten und durch Fasten, Abstinenz und Besserung des Lebens hinlänglich Buße tun müssen? Sowohl die Bußzeiten als auch die Festzeiten sind die Hochzeiten des Kirchenjahres, an denen wir Gott näherkommen können; Gnadenzeiten, in denen Gott besonders an unserer Seele arbeitet, indem Er uns mehr Gnadenhilfe als sonst zur Verfügung stellt.

Welches Gegenstück erkennen wir an den drei Weisen? Sie scheuen sich nicht, aufgrund dessen, was ihnen vom Himmel her bekannt war, vor den ungläubigen König hinzutreten, ihren Glauben und ihr Verlangen nach Anbetung offen und öffentlich auszudrücken; ganz unbekümmert, ob sie damit etwa dem Ehrgeiz des Herodes zu nahe treten würden. – Manche Christen bringen leider oft nicht den Mut auf, ihren Glauben offen zu bekennen, geschweige denn ihre Andacht unbekümmert zu praktizieren. Schon das Kreuzzeichen vor und nach der Mahlzeit vor den Augen anderer zu schlagen, ist für manche ein unüberwindliches Hindernis.

Ferner bewundern wir an den drei Weisen auch in Jerusalem ihre Standhaftigkeit. Trotz aller Prüfungen ließen sie sich nicht von ihrem Vorhaben abbringen. Der Stern verschwand. Statt sich zu verunsichern, gingen sie hin und fragten: „Wo ist der neugeborene König der Juden?“ – Man wies sie an, Bethlehem, einen unbedeutenden, heruntergekommenen Ort aufzusuchen. Sie waren damit zufrieden. – Niemand ging mit ihnen; ja, man verspottete sie vielleicht sogar. Sie stießen sich nicht daran. Sollten andere über sie denken und reden, was sie wollten, sie gingen allein.

Wie wenig sind wir im Vergleich dazu imstande zu ertragen? Der schiefe Blick oder das höhnische Lächeln eines Menschen genügen bisweilen. Ja, manchmal reicht schon die Vorstellung, man könnte uns schief anschauen, aus, um uns vom Guten zurückzuhalten. Wie schnell lassen wir wieder von unseren guten Vorsätzen ab und passen uns an? Erst recht, wenn wir erkennen, daß wir die Einzigen sind. Dabei ist es doch immer so, daß derjenige, der Gott auch in verunsichernder Einsamkeit und dunkler Verlassenheit treu bleibt, umso reicher von ihm belohnt wird.

So war es auch bei den drei Weisen. Sie wurden mit einer großen Freude beschenkt, als sie den Stern wieder sahen, nachdem sie Jerusalem den Rücken gekehrt hatten. In der gottvergessenen Stadt konnte der Stern nicht scheinen. Aber Gott ließ Seine Diener nicht lange ohne Sein Licht. – Auch wir müssen deshalb den Umgang mit der gottlosen Welt auf das Notwendigste beschränken, um nicht der göttlichen Erleuchtungen verlustig zu gehen. Und wenn auch uns Gott bisweilen prüft, indem Er uns eine Zeitlang im Dunkeln beläßt und sich scheinbar vor uns verbirgt, so wird uns dann umso freudiger Sein Gnadenlicht wieder aufgehen, wenn wir in der Prüfung treu in Seinem Dienste ausharren.

In Bethlehem

Doch als die drei Weisen das Städtchen Bethlehem erreichten, wurde ihr Glaube noch viel mehr auf die Probe gestellt. Denn was fanden sie? Der Stern blieb über dem Ort stehen, wo das Kind war. Welcher Ort war das? Ein Haus. Ein Haus wie viele andere in Bethlehem. Ein ärmliches Haus! – Und darin fanden sie ein Kind. Ein Kind wie hundert andere in Bethlehem. Ein Kind auf dem Schoß seiner armen Mutter. Das also sollte der große König sein, um dessen Willen sie die weite, gefährliche und beschwerliche Reise unternommen hatten? – An ihrem Verhalten erkennen wir, inwieweit ihr Glaube aufgereinigt war. Nur weil sie ihre menschliche Anspruchshaltung und ihre persönlichen Erwartungen abgelegt und ihr eitles Vertrauen auf das eigene Urteil aufgegeben hatten, konnten sie in diesem armen Kind den „König der Könige“ erkennen und vor ihrem Gott anbetend niederfallen. Welche Demut und welcher Glaube gehören dazu, sich an der niedrigen Erscheinung des Jesuskindes nicht zu stoßen!

Die drei Weisen vergessen gänzlich ihren irdischen Rang, sind ganz versenkt in Lob und Dank und Anbetung des göttlichen Erlösers. Mit ihren kostbaren Kleidern werfen sie sich in den Staub und überreichen ihre königlichen Geschenke.

Wie beschämend! Wie ehrerbietig benahmen sie sich in diesem einfachen, ärmlichen Haus. Für uns genügen die geschmückten Kapellen und Gotteshäuser oft nicht, um uns der Gegenwart Gottes und der Heiligkeit des Ortes bewußt zu werden und uns entsprechend zu verhalten bzw. uns dazu anzuhalten, die Andacht anderer nicht zu stören. – Sie knieten nieder vor einem weinenden Kind. Wir wissen um die Verklärung. – Sie legten Prunkgewänder an. Wir begehren dagegen auf, wenn es auf die „Kleiderordnung“ und die „Kopfbedeckung für die Frau“ im Gotteshaus zu sprechen kommt. – Sie sind die Erstlinge der Heiden. Wir sind im Christentum geboren und unter christlichen Einflüssen aufgewachsen.

Erleuchtet war nicht nur der Glaube der drei Weisen. Auch ihre Liebe scheint in übernatürlichem Glanz. Denn ihre drei Opfergaben tragen, jede für sich genommen, eine dreifache Aussage, ein dreifaches Glaubens- und Liebesbekenntnis in sich.

Die erste Ebene ist die dogmatische, d.h. das Glaubensbekenntnis, welches mit den drei Geschenken ausgesagt ist: Da bedeutet das Gold ihren Glauben an den König des Weltalls, dem sie in dem Kinde huldigten; der Weihrauch den Gott, den sie anbeteten; die zur Bestattung eines Toten gebrauchte Myrrhe den leidensfähigen Menschen, den sie in Jesus erkannten.

Die Gaben charakterisieren jedoch nicht nur den Beschenkten als den Erlöser und Gottmenschen. Die drei Weisen stellen mit ihren Geschenken auf der zweiten Bedeutungsebene auch eine moralische Forderung auf, die wir erfüllen müssen, wenn wir uns dem Jesuskind nahen wollen. So steht das sichtbare Gold stellvertretend für die wertvollste Gabe, die der Mensch zu geben imstande ist: die reine Liebe. Auch wir sollen die Liebe, das unsichtbare Gold unseres Herzens, zur Krippe tragen. Dazu müssen wir das Katzengold unserer Eigenliebe zur Gänze verkaufen, um dem Heiland die reine Gabe unserer übernatürlichen Gottes- und Nächstenliebe zu schenken. – Mit dem Weihrauch brachten die drei Weisen dem göttlichen Kind auf sichtbare Weise den Wohlgeruch ihrer Gebete dar. Er ist für uns ein sinnfälliges Zeichen für unsere Pflicht zum unablässigen Gebet, zum Eifer für den Gottesdienst und für den Einsatz für das Gotteshaus, für unsere Kapelle. Aber nicht nur unsere Gebete, auch all unsere tätigen Werke sollen durch die morgendliche „gute Meinung“ den Duft des Weihrauchs an sich tragen, indem wir unsere täglichen Pflichten zur Ehre Gottes erfüllen und so unser ganzes Leben zu einem Gottesdienst machen. – Die Myrrhe stellt an uns die sittliche Forderung, unser sterbliches Fleisch zur Ehre Gottes einzusetzen, indem wir uns selbst abtöten, den Leidenden beistehen, für die Sterbenden um ein gottseliges Ende beten und uns selber stets zum Sterben bereithalten. Durch das geduldige Tragen des täglichen Kreuzes und mittels unserer persönlichen Opfer sollen wir dem Heiland unseren Anteil am Erlösungsopfer anbieten und ihn beim hl. Meßopfer mit Seinem Kreuzesopfer verbinden.

Auf der dritten Bedeutungsebene versinnbilden die drei Gaben das dreifache Ideal des christlichen Lebens, wie es vollkommen nur in einer klösterlichen Gemeinschaft gelebt werden kann. Nichtsdestotrotz sollen auch wir uns am Geist der evangelischen Räte orientieren. Da steht die Gabe des Goldes für das Opfer, welches durch das Gelübde der Armut dargebracht wird. Durch diese Gabe entledigt sich der Mensch allen Besitzes und aller irdischen Sicherheiten, um sich durch die vollkommene Übung der Tugend der Hoffnung vorbehaltlos der göttlichen Vorsehung zu überlassen. – Der Weihrauch steht stellvertretend für das vollkommenste Opfer, welches der Mensch überhaupt darbringen kann; nämlich für das Opfer seines eigenen Willens durch das Gelübde des Gehorsams. Damit verzichtet der Mensch auf seinen Eigenwillen, um stattdessen allein den Willen Gottes zu tun; und zwar so, wie er sich im Befehl des Vorgesetzten äußert. Um im Befehl eines fehlbaren Menschen den Willen Gottes zu erblicken und denselben stets treu auszuführen, ist ein großer Glaube erforderlich, weshalb durch das Gelübde des Gehorsams die Tugend des übernatürlichen Glaubens vollkommen geübt wird. So sagt der hl. Johannes Chrysostomus: „Zum rechten Glauben gehört nämlich in erster Linie auch, daß man bei einem Auftrag nicht nach dem Grunde forscht, sondern ruhig das, was einem befohlen wird, ausführt.“ (hom. 8,1). Durch gläubigen Gehorsam wird der Wille des Menschen mit dem göttlichen Willen in übernatürlicher Liebe vermählt, was unsere Aufmerksamkeit auf die dritte Gabe lenkt. – Die Myrrhe steht nämlich für die unversehrte Bewahrung dieser Liebe – allein und ungeteilt – für Gott. Das Gelübde der Keuschheit besteht zwar zuallererst in der äußeren Unversehrtheit und Enthaltsamkeit des Leibes, wird aber nur dann vollkommen gelebt, wenn das körperliche Äußere tatsächlich ein Spiegelbild der innerlichen Seele ist. Denn nur in jenem Herz, das innerlich ungeteilt Gott gehört und nicht teilweise einem Geschöpf anhängt, ist die innere Keuschheit verwirklicht. Nur dann wird die übernatürliche Liebe vollkommen geübt, wenn das Herz des Menschen, wie das der jungfräulichen Gottesmutter Maria, ungeteilt Gott gehört.

Ihre Heimkehr

Bisher hatte Gott die drei Weisen aus dem Morgenland nur teilweise durch den Stern unterwiesen, gelenkt und geleitet; sie aber auch mitunter im Ungewissen gelassen. Der Weg nach Bethlehem ist deshalb ein Sinnbild für den „Weg der Anfangenden“ im geistlichen Leben. Auf dem sog. Reinigungsweg wechseln Phasen des Trostes mit denen der Trostlosigkeit ab. Gott spricht zu uns nicht direkt, sondern durch die Umstände. Er gewährt uns bisweilen hohe Einsichten und Erleuchtungen, demütigt und prüft uns aber auch, indem Er sich scheinbar vor uns verbirgt.

Jetzt aber, nachdem die drei Weisen ihr vollkommenes Opfer dargebracht haben, werden sie von Gott unmittelbar unterrichtet: „Nachdem sie durch ein Traumgesicht Weisung erhalten hatten, nicht mehr zu Herodes zurückzukehren, zogen sie auf einem anderen Wege in ihr Land zurück.“ (Mt. 2,12). Nicht auf natürliche Weise, nicht durch die Vermittlung eines Geschöpfes, werden die drei Weisen nunmehr gelenkt, sondern Gott wendet sich unmittelbar durch einen inspirierten Traum an die Weisen; auf ähnliche Art und Weise, wie Er es mehrmals beim hl. Joseph zu tun pflegte. Dieser Traum ist Sinnbild für die höheren Gnadengaben, die Gott jenen verleiht, welche mit Niederen treu und gut mitgewirkt haben. In diesen Seelen sind die sieben Gaben des Heiligen Geistes so weit entfaltet, daß sie schnell, leicht und ohne Überlegung die Anregungen Gottes aufnehmen können und diese auch gleich in die Tat umsetzen.

Doch der Fortschritt der drei Weisen äußerte sich nicht nur in einem übernatürlichen Wachstum der Erkenntnis, sondern auch in der Unterscheidungsgabe hinsichtlich des Gehorsams. – Herodes hatte ihnen befohlen, wieder zu ihm nach Jerusalem zurückzukehren, sobald sie den neugeborenen Messias gefunden hätten. Er hatte sie durch fromme Vorspiegelungen getäuscht. Das ist sinnbildlich für die Lockungen der Welt und unserer Eigenliebe. Sie wissen uns das Böse, das Ungeordnete und Sündhafte stets im Gewand des Guten zu präsentieren. In Wirklichkeit sei das doch gar nicht verboten, gar nicht so schlimm, gar keine Sünde oder wenigstens nicht gleich eine Todsünde. Und auf diese Weise verschleiern sie vor uns die Gefahr des Rückfalles, welche unserem Gewissen droht, wenn wir diesen Einflüsterungen folgen. – Gott aber warnt die drei Weisen und schreibt ihnen einen anderen Weg vor. Und sie gehorchen Gott mehr als dem Menschen. – Damit beschämen sie uns, die wir schon so oft die Erfahrung machen mußten, daß die verführerischen Lockungen und sündhaften Tröstungen der Welt uns auf die alten Pfade der Sinnlichkeit und Bequemlichkeit zurückrufen, und wir einfach nicht lernen, daß gleiche Gegebenheiten immer und immer wieder zu den gleichen Ergebnissen führen werden. Dieselbe Gelegenheit führt so sicher zum Fall in dieselbe Sünde, wie das Wasser stets bergab und nie bergauf fließt.

Ändern müssen also auch wir unsere Wege, wenn wir bisher in Sünde oder Lauheit gelebt haben. So erklärt der hl. Ambrosius: „Die Weisen kehren auf einem anderen Weg zurück, als sie gekommen waren. Denn sie haben Christus gesehen und erkannt und sind jetzt, da sie heimkehren, gewiß bessere Menschen, als da sie kamen. Es gibt zwei Wege. Der eine führt zum Untergang, der andere zum Himmelreich. Der Weg, der zu Herodes führt, das ist der Weg der Sünder. Der andere Weg, auf dem man zum Heimatland zurückkehrt, ist Christus.“ (Lib. 2 in Luc., cap. 2).

Wer nach der Lossprechung in der hl. Beichte und nach der hl. Kommunion wieder die alten Wege – also die früheren Gelegenheiten zur Sünde aufsucht –, der gibt das durch die heiligmachende Gnade gerade in seiner Seele mittels der Lossprechung neugeborene Jesuskind dem mörderischen Stahl des Herodes preis. Die Welt und der Teufel haben dabei auch gar nichts dagegen, wenn wir ohne aufrechten Willen einer dauerhaften Bekehrung immer wieder in den hl. Sakramenten zu Jesus hintreten, wenn wir nur hinterher wieder hörig zu Herodes zurückkehren. Nein, wie die Weisen müssen wir den „anderen Weg“ beschreiten: den Weg, den uns Christus durch Sein Beispiel vorangegangen ist, den Weg der Gebote Gottes, den Weg der Selbstverleugnung, den Weg des Kreuzes. Dieser Weg führt uns in „unsere Heimat“ zurück.

Die Heimat nämlich, zu der die drei Weisen zurückgelangten, ist sinnbildlich für das himmlische Vaterland. So lehrt der hl. Papst Gregor d. Große: „Unsere Heimat ist das Paradies. Dorthin dürfen wir aber, nachdem wir Jesus einmal erkannt haben, nicht auf dem Wege gehen, auf dem wir gekommen sind. Denn von unserer Heimat entfernten wir uns dadurch, daß wir dem Stolz, dem Ungehorsam, der Liebe zum Zeitlichen, dem Genuß verbotener Speisen nachgingen. Dorthin müssen wir aber unter Tränen, in Gehorsam, unter Verachtung der sichtbaren Dinge, unter Bezähmung der fleischlichen Begierden zurückkehren.“ (hom. 10). Im Paradies wurde die Menschheit erschaffen. Dieses irdische Tränental ist nur der Ort unserer Verbannung. Der Weg, den uns Gott durch das Evangelium und durch die hl. Kirche vorschreibt, führt uns in die ewige Heimat zurück. Deshalb sei unsere Aufmerksamkeit in Freud und Leid, in Kampf und Versuchung stets auf den Himmel gerichtet.

Würdige Festfeier durch den Nachvollzug der drei Weisen

So sind auch wir am heutigen Fest den Weg des Weisen zu Gott im Geiste gegangen. Denn auch uns verkündeten die Himmel die Herrlichkeit Gottes. Auch uns führte die Wahrheit des Evangeliums wie ein strahlender Stern zur Anbetung Christi. Auch wir haben die im jüdischen Volk bekannte Prophetie gehört, aber mit gläubigem Ohr. Auch wir erkennen und loben den gottmenschlichen König und Priester, den für uns gestorbenen und wiederauferstandenen Christus, und ehren Ihn gleichsam mit dem Gold unserer Liebe, mit dem Weihrauch unserer Anbetung und mit der Myrrhe unserer Opfer. Jetzt bleibt uns zur würdigen Festfeier nur noch übrig, Maria um ihre Fürsprache anzurufen, damit wir durch ihre Vermittlung jene Gnaden erhalten, welche sie damals den drei Weisen aus dem Morgenland erlangt hatte; nämlich, daß wir durch ein vorbildliches Leben Christus verkünden; einen neuen Weg einschlagen und nicht wieder den beschreiten, auf dem wir gekommen sind. Amen.

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