Vom Papst als dem Nachfolger Petri

Geliebte Gottes!

Der hl. Apostel Petrus ist von unserem göttlichen Erlöser Jesus Christus persönlich zum ersten Oberhaupt der katholischen Kirche auserwählt und eingesetzt worden. Der Heiland hat die göttlichen Gewalten, die Er dem hl. Petrus zu übertragen beabsichtigte, angedeutet durch Seine Namensgebung; Christus hat diese Gewalten bei Cäsarea-Philippi erklärt; und Er hat sie dem Simon Petrus wenige Tage nach Seiner glorreichen Auferstehung von den Toten, in Folge des zweiten wunderbaren Fischfangs, tatsächlich übertragen.

Der hl. Petrus hat seinerseits nach der Himmelfahrt des Heilandes ganz selbstverständlich die Regierung der Kirche in die Hand genommen, wobei er von den übrigen hl. Aposteln wiederum als ihr unumstrittenes Oberhaupt anerkannt und als solches behandelt worden ist.

Der hl. Apostel Petrus ist längst nicht mehr unter den Lebenden. Er starb in der ersten Verfolgung des Nero den Martertod. Was ist daraufhin mit seinen Vorrechten geschehen? Wer ist seit dem Tod des hl. Petrus das Oberhaupt der katholischen Kirche und damit der Träger seiner Vorrechte und Gewalten? Um diese Frage zu beantworten, müssen wir uns folgende Dinge klar machen:

  1. Das Amt des obersten Hirten mußte auch nach dem Tod des hl. Petrus fortbestehen.
  2. Es ist eine historische Tatsache, daß der hl. Petrus nach Rom gekommen, Bischof von Rom gewesen und als Bischof von Rom gestorben ist.
  3. Daraus folgt, daß kraft göttlicher Anordnung bis zum Ende der Zeiten der rechtmäßige Nachfolger des hl. Petrus auf dem bischöflichen Stuhl von Rom – der Papst – auch wahrer Stellvertreter Christi auf Erden und das sichtbare Oberhaupt der katholischen Kirche sein soll; mit denselben Vorrechten und Gewalten ausgestattet, die der hl. Petrus von Christus übertragen bekommen hat.

Das Amt des obersten Hirten sollte über den Tod Petri hinaus fortdauern

Die Protestanten verneinen dies und stellten die Behauptung auf: Ja, der Heiland habe zwar Simon Petrus zum Oberhaupt der Kirche auserwählt und eingesetzt, dies sei aber nur für die Gründungszeit der Kirche notwendig gewesen. Deshalb seien die Vorrechte des hl. Petrus mit ihm gestorben.

Das katholische Bekenntnis hingegen lautet: Die Kirche sollte auch nach dem Tod des hl. Petrus ein Oberhaupt haben. – Woher wissen wir das? Nun, es war ganz offensichtlich die Absicht des Heilandes. Er hat ja die Kirche gestiftet, nicht für ein paar Jahre oder Jahrzehnte, nicht nur für die verbleibende Lebensspanne des Simon Petrus. Auch nicht für ein Jahrhundert, sondern für alle Zeiten.

Bei Seiner Himmelfahrt sprach der Herr: „Siehe, Ich bin bei euch alle Tage bis ans Ende der Welt.“ (Mt. 28,20). Damit versicherte Er den Jüngern, die Er auf Erden zurücklassen würde, daß Er – Christus, der wahre und eigentliche Petrus – stets in Form eines sichtbaren Stellvertreters bei Seiner Kirche bleiben werde. Wie lange? Bis ans Ende der Welt.

Die Dauerhaftigkeit des Stellvertreteramtes hatte der Heiland schon zuvor angedeutet, indem Er sprach: „Die Pforten der Hölle werden die Kirche nicht überwältigen.“ (Mt. 16,18). Wenn die Kirche aber allein in Petrus vor den Angriffen der Hölle gesichert ist, dann muß das unüberwindliche Felsenfundament der Kirche auch fortbestehen, solange die Kirche von den Mächten der Finsternis bedrängt wird. Die Hölle hat aber nicht mit dem Tod des hl. Petrus aufgehört, die Kirche Gottes zu bestürmen. Im Gegenteil! Sie hat ihre Bemühungen vervielfacht. Wie lange wird sie damit fortfahren? Bis ans Ende der Welt. Erst dann wird dem Satan alle Macht genommen werden. Solange braucht es dann aber auch das unüberwindliche Felsenfundament – den Petrus.

Ferner verhieß der Heiland beim letzten Abendmahl, Er werde den „Geist der Wahrheit“, den Heiligen Geist, senden. Dieser aber werde bei seiner Kirche bleiben in Ewigkeit. „Damit Er bei euch bleibe in Ewigkeit.“ (Joh. 14,16). Auch diesem Wort ist zu entnehmen, daß der unfehlbare Beistand, der „Geist der Wahrheit“, weit über die Lebensdauer des Simon Petrus tätig sein werde. Wie lange? In Ewigkeit!

Der Befund aus der Heiligen Schrift ist glasklar. Die Kirche, die Christus gegründet hatte, sollte für immer bestehen. Offensichtlich ist, daß der Heiland Seiner Kirche für die erste Zeit in der Person des hl. Petrus ein Oberhaupt gegeben hat. Wenn aber in der ersten Zeit ein Oberhaupt nötig war, dann auch später und zu allen Zeiten ihres Bestehens.

Der Heiland verglich Seine Kirche mit einem Gebäude. Kann ein Gebäude bestehen ohne Fundament? Nein. Im Anfang nicht. Aber später ebenso wenig.

Der Herr verglich die Kirche mit einer Herde. Kann eine Herde sein ohne Hirten? Nein, weder wenn sie klein, noch weniger, wenn sie groß ist. Ohne Hirten zerstreuen sich die Schafe. Ein Phänomen, das man in der Natur an jeder Schafherde ohne einen Hirten beobachten kann. Ein Phänomen, das sich auch immer dann in der Kirchengeschichte eingestellt hat, wenn das Petrusamt längere Zeit vakant geblieben ist. So wie heute.

Der göttliche Erlöser verglich die Kirche sodann mit einem Reich. Kann ein Reich existieren ohne einen Regenten, ohne Staatsoberhaupt? Unmöglich. Weder in seiner Gründung noch in seinem Fortbestand.

Der Völkerapostel vergleicht die Kirche in seinen Briefen mit einem Leib. Kann ein Leib sein ohne Haupt? Unmöglich! Weder wenn der Leib jung noch wenn er alt ist.

Wenn zwischen dem Anfang der Kirche und den folgenden Jahrhunderten ein Unterschied bestehen soll, so muß man sagen, daß in den späteren Zeiten ein Oberhaupt für die Kirche sogar noch notwendiger war als am Anfang. Warum? Im Anfang war die Kirche klein und überschaubar. Wenige Gemeinden mit wenigen Seelen. Diese Gläubigen waren ein Herz und eine Seele. Sie haben den Heiland entweder noch persönlich gehört oder wurden von den hl. Aposteln unterrichtet. Sie waren, man könnte fast sagen, größtenteils Heilige; alles Bürger ein und desselben Gottesreiches. Dem hl. Petrus standen außerdem die hl. Apostel zur Seite, allesamt hl. Männer, vom Heiland selbst unterrichtet, geprägt und geformt; voll des Heiligen Geistes, jeder von ihnen unfehlbar in seiner Lehre. – Wenn es also eine Zeit gab, in der ein Oberhaupt für die katholische Kirche am ehesten entbehrlich oder weniger notwendig war, dann war das mit Sicherheit zur Zeit der Apostel der Fall. Und dennoch hatte der Herr schon für jene Zeit höchstpersönlich ein Oberhaupt bestimmt und eingesetzt. Wie bitteschön sollte der Heiland, trotz Seiner göttlichen Weisheit und Vorsehung, welche die Ausbreitung der katholischen Kirche, ihre Verfolgungen und ihre Spaltungen voraussah und voraussagte, kein für die künftigen Zeiten fortwährendes Kirchenoberhaupt gewollt haben? Für die Zeiten, in denen die Kirche über viele Länder, Völker, Nationen und Sprachen ausgebreitet sein wird? Für die Zeiten, in denen keiner der Apostel mehr leben wird? Für die Zeiten, in denen die Gläubigen so zahlreich, die Zahl der Bischöfe und Priester so groß sein würde; in denen die Kirche mehr Sünder als Heilige, mehr unwissende als im Glauben gut ausgebildete Christen in ihrem Schoß bergen würde; Zeiten, in denen sie so viele verborgene Feinde innerhalb ihrer Strukturen und offene Verfolger von außen haben wird?

Nein, nein! Wenn der Heiland Seiner Kirche, die bis zum Ende der Welt fortbestehen sollte, schon für die apostolische Zeit ein Oberhaupt bestellt hatte, dann ist es zweifelsohne auch Seine Absicht gewesen, daß diese Kirche zu keiner Zeit ohne Oberhaupt sein sollte.

Bedenken wir ferner: Die Gewalten des unfehlbaren Urteils und der universalen Binde- und Lösegewalt im Himmel und auf Erden wurden dem hl. Petrus ja nicht zum Selbstzweck verliehen, sondern um damit dem Gemeinwohl der Kirche und unserem ewigen Heil zu dienen. Durch den Beistand des Heiligen Geistes ist nämlich Petrus derart in der Wahrheit des göttlichen Glaubens befestigt, daß seine Lehrverkündigung und seine Urteile in verworrenen Fragen allen Gliedern der katholischen Kirche eine zuverlässige Norm, d.h. eine lebendige Glaubensregel sein konnten. – Und in dem Wissen, daß seine Entscheidungen, Gesetze und Anordnungen stets auch vor Gott im Himmel Bestand haben werden, können dieselben von jedem gläubigen Katholiken ohne jedes Bedenken mit wahrem Gehorsam angenommen werden. Denn Petrus kann nichts als Wahrheit lehren, was vor Gott ein Irrtum ist. Petrus kann nicht gutheißen, was Gott mißbilligt. Petrus kann nichts gebieten, was Gott verbietet. Wer ihm den schuldigen Gehorsam leistet, der wird unfehlbar das ewige Heil erlangen. Was ist das doch für eine Sicherheit für unseren Glauben, für unser ewiges Heil? Und diese Sicherheit sollte der Heiland mit dem Tod des hl. Petrus Seiner Kirche wieder genommen haben? Gerade dann, wenn die Hölle ihre Angriffe fortsetzt und vervielfacht? Unmöglich.

Wahr ist hingegen, was der hl. Papst Leo der Große (†461) sagt: „Wie dasjenige fortbesteht, was Petrus in Christus geglaubt hat [nämlich die Gottheit], so bleibt auch das, was Christus in Petrus eingesetzt hat [das Papsttum].“ (Serm. 3,2). So wie die Gottheit Christi unveränderlich ist und nie aufhören kann zu bestehen, so auch nicht das Papsttum. Wie dasjenige fortbesteht, was Petrus in Christus geglaubt hat, so bleibt auch das, was Christus in Petrus eingesetzt hat.

Der Aufenthalt und Tod Petri in Rom

Fragt sich nun: Wo findet sich dieses Oberhaupt? Wer sollte nach dem Tod des hl. Petrus dessen Stellung und Würde als Oberhaupt erben? Kurz: Wer sollte sein Nachfolger werden? – Um das zu erkennen, müssen wir Folgendes bedenken:

Erstens. Der hl. Petrus ist nach Rom gekommen. Er ist in Rom gewesen. Ist das wahr? Im ganzen Altertum und im Mittelalter wurde diese Tatsache von niemandem angezweifelt. Nicht einmal die Reformatoren erhoben ernstliche Zweifel gegen den römischen Aufenthalt Petri. Nur vereinzelte Stimmen griffen seit der Reformation die Stichhaltigkeit der Tradition an. Erst im 19. Jahrhundert wurde von der protestantischen Kritik ihre historische Zuverlässigkeit kategorisch bestritten und systematisch zu erschüttern gesucht. Freilich ist es nachvollziehbar, daß diejenigen, die vom römischen Papst nichts wissen und seine Vollmacht nicht anerkennen wollen, auch sagen, der Papst wäre gar nicht der Nachfolger des hl. Petrus. Er könne gar nicht der Nachfolger des hl. Petrus sein, weil Petrus ja nie in Rom gewesen sei.

Weil nun sehr viel von der Frage abhängt, ob es nun sicher ist, daß der hl. Petrus tatsächlich in Rom gewesen ist oder nicht, haben die Feinde der Kirche und des Papsttums alles aufgeboten, um diese Tatsache aus der Welt zu schaffen. – Es ist ihnen jedoch nicht gelungen.

Petrus ist in Rom gewesen. Wer sagt uns das? – Eine ganze Schar ehrwürdiger Zeugen aus dem Altertum, und zwar gerade solcher, die nicht aus Rom stammten, sondern aus den verschiedensten Gegenden der damaligen christlichen Welt und trotzdem einmütig bezeugen, daß der hl. Petrus tatsächlich die römische Kirche gegründet hat. Aus Gallien bezeugt das etwa der hl. Irenäus von Lyon; aus Afrika der hl. Clemens von Alexandrien und der Kirchenschriftsteller Tertullian; aus Griechenland Dionysius von Korinth; aus Asien, Eusebius von Cäsarea. Diese Liste ließe sich noch beliebig erweitern.

Es würde zu weit führen, schon allein diese wenigen Zeugnisse zu sichten und auszuwerten. Man müßte ja, um ihre Beweiskraft zur Geltung zu bringen, nicht nur ihre Namen nennen, sondern die Zeit ihres Lebens beschreiben, ihr Ansehen herausstellen, ihre Worte anführen und deren Sinn im Zusammenhang mit unserer Frage herausarbeiten.

Aber ein Zeugnis – das erste von allen; das schlagendste von allen – das wollen wir angeben und eingehender beleuchten. Es ist das Zeugnis des hl. Petrus selbst. Er hat ja zwei Briefe geschrieben, die sich in der Heiligen Schrift finden. – An das Ende des ersten Briefes setzte der Apostelfürst folgende Grußformel: „Es grüßt euch die Kirche der Mitauserwählten zu Babylon.“ (1. Petr. 5,13). Wo befand sich also der hl. Petrus, als er diesen Brief abfaßte? In Babylon, möchte man meinen. Er sagt es ja selber: „Es grüßt euch die Kirche von Babylon.“ – Aber welches Babylon soll das sein? Etwa das Babylon, das sich damals in Mesopotamien, d.h. in den Grenzen des heutigen Irak, befand? Das Babylon am Fluß Euphrat? Das Babylon, wo die Könige Nabuchodonosor und Baltassar das babylonische Reich beherrschten, wohin die Juden verschleppt worden waren und wo der Prophet Daniel seine Wunder gewirkt hatte? Jenes Babylon, das durch den persischen König Cyrus erobert wurde? – Nein, dieses Babylon war zu der Zeit, als der hl. Petrus seine Briefe schrieb, längst ein Ruinenfeld. Dort war kein Apostel. Dort war auch keine christliche Gemeinde. Dieses Babylon kann also nicht gemeint sein.

Aber was für ein Babylon ist dann gemeint? – Mit dieser Bezeichnung ist Rom gemeint. Es lag den damaligen Christen nahe, Babylon und Rom nebeneinander zu stellen, weil sie sich in so vielen Punkten ähnlich waren. – Babylon war 600 Jahre vor Christus ein Weltreich mit 120 Provinzen. Babylon war also Welthauptstadt. Zur Zeit des hl. Petrus war Rom die Beherrscherin der Völker und „caput mundi“, d.h. „Oberhaupt der Welt“. Babylon war der Sitz und die Verteidigerin des Heidentums und der Vielgötterei. Dasselbe galt für Rom zur Zeit des hl. Petrus. Babylon war ein Sumpf aller Laster und Unsittlichkeit. Nicht anders, Rom. Die Könige Babylons waren die größten Feinde der wahren Religion, des wahren Gottes und seiner Bekenner im Alten Testament. Rom war zur Zeit der Apostel die Erzfeindin und Verfolgerin der katholischen Religion und ihrer Bekenner im Neuen Testament. – Aufgrund dieser Parallelen lag es nahe, Rom das „neue Babylon“ zu nennen, oder einfach nur „Babylon“, wie es der hl. Petrus getan hat.

Aber nicht nur Petrus. Auch der hl. Apostel Johannes schreibt in der Geheimen Offenbarung von dem großen Babylon. Und wie beschreibt er dieses Babylon? Als eine Stadt, gelegen auf sieben Hügeln, herrschend über alle Könige der Erde; eine Stadt, die noch nicht gestürzt ist, aber noch stürzen soll. – Offenbar versteht auch der Lieblingsjünger unter der Bezeichnung „Babylon“ die Welthauptstadt Rom. Denn Rom ist auf sieben Hügeln gebaut. Es war groß. Es herrschte über die Könige der Erde. Es war damals noch nicht gestürzt, aber es eilte seinem Sturz entgegen. Wenn also der hl. Apostel Johannes Rom einfach nur Babylon nennt, warum sollte es der hl. Petrus nicht auch getan haben?

Als Petrus also seinen ersten Brief verfaßt hatte, befand er sich offenbar in Rom. Deshalb konnte er schreiben: „Es grüßt euch die Kirche, die in Babylon“, d.h. in Rom ist.

Der Tod Petri in Rom

Zweitens: Der hl. Petrus ist nicht bloß in Rom gewesen, sondern er hat dort auch seine Kathedra aufgeschlagen, die Kirche von Rom aus regiert und schließlich ist er auch in Rom gestorben. Von den vielen Zeugnissen sei wiederum nur eines besonders hervorgehoben. – Eusebius von Cäsarea (†339), der Vater der Kirchengeschichte, schreibt: „Paulus ist laut der Überlieferung zu Rom unter der Herrschaft des Nero enthauptet, Petrus gekreuzigt worden. Es verbürgt aber diese Überlieferung die bis heute bestehende Anrufung des Petrus und Paulus in den Zömeterien daselbst.“ Zur Zeit des Eusebius wurden also die Überreste der hl. Apostel Petrus und Paulus verehrt und zwar an ihren Grabstätten. Sie wurden verehrt, weil die beiden hl. Apostel unter dem Kaiser Nero zu Rom den Martertod erlitten hatten. Diese Grabstätten waren also Orte des Märtyrerkultes den die römischen Christen den Apostelfürsten seit langer Zeit erwiesen. Aber nicht nur römische Christen, sondern auch Auswärtige kamen extra nach Rom, um die Gräber des hl. Petrus und des hl. Paulus zu besuchen. Um seinem Zeugnis besonderes Gewicht zu verleihen, berief sich Eusebius von Cäsarea auf den Brief eines römischen Priesters namens Gaius, der selbst Ende des 2. Jahrhunderts in Rom gelebt und geschrieben hatte – also über hundert Jahre früher als Eusebius. Er führt dessen eigene Worte an. Sie lauten: „Ich aber kann die Trophäen der Apostel vorweisen. Denn magst du an den Vatikanischen Hügel gehen oder auf die Straße nach Ostia, so wirst du die Trophäen derer sehen, die diese Kirche gegründet haben.“ Unter den „Trophäen“ verstand man im Sprachgebrauch der Verfolgungszeit die Siegesdenkmäler, welche damals über den Gräbern der hll. Apostelfürsten Petrus und Paulus errichtet waren. Zur Zeit, wo diese Worte geschrieben wurden, gab es also in Rom Denkmäler des hl. Petrus und des hl. Paulus, sei es an der Stelle, wo sie gemartert oder wo sie begraben wurden. Der Priester Gaius hatte sie gesehen. An seinen Worten ist nicht zu zweifeln.

Errichtet man jemandem ein Grabmal in Rom, wenn er dort nie gewesen ist? Wenn er dort gar nicht gestorben ist? Unmöglich! Rom war auch kein unbekanntes Dorf, sondern die Hauptstadt der Welt; voll von Christen, Priestern, Gelehrten und Künstlern. Konnte man dort ein lügenhaftes Denkmal eines Märtyrers aufrichten, wenn derselbe dort gar nicht für den Glauben gestorben war? Oder war es möglich, ein Grabmal des Petrus zu errichten, wenn seine Gebeine gar nicht darin enthalten wären? Unmöglich! Konnte der Besuch und die Verehrung seines Grabes aufkommen und Jahrhunderte lang sich erhalten, wenn er dort gar nicht begraben lag? Unmöglich, doppelt und dreifach unmöglich. Man pilgert an die Gräber, wo sich die Gebeine der Märtyrer befinden, um in den Gebeinen den Sieg der Märtyrer zu verehren. – Hinzu kommt: Kein anderer Ort hat für sich beansprucht, das „wahre Grab“ des hl. Petrus, welches seine Gebeine enthält, zu bergen. An kein anderes Petrusgrab pilgerte die gesamte Christenheit, außer zu dem in Rom.

Und die zwischen den Jahren 1939 und 1944 durchgeführten Ausgrabungen unter St. Peter haben ergeben, daß der heutige Papstaltar genau über einem Monument errichtet ist, in dem man mit Sicherheit das vom Presbyter Gaius erwähnte τρόπαιον erkannt hat. Dort fanden sich in einer mit Marmor ausgekleideten Nische Gebeine, die nach genauerer Untersuchung einem Mann in der zweiten Lebenshälfte zugeordnet werden können; einem Mann, der an Gicht litt, u.a. einer typischen Berufskrankheit der Fischer Galiläas.

Wer könnte in diesen historischen Tatsachen das Wirken der göttlichen Vorsehung verkennen? – Rom war der Mittelpunkt der Welt, die Hauptstadt der Welt, der Sitz unzähliger götzendienerischer Kulte, der tiefste Sumpf der Unsittlichkeit; aber auch die Stadt der mächtigsten Kaiser, der Ort, wo alle Bildung, Wissenschaft, Kunst und Größe des Heidentums aufgehäuft worden waren. Alle Straßen führten nach Rom. – War es nicht der göttlichen Vorsehung angemessen, daß das Haupt der Kirche Gottes seinen Lehrstuhl neben dem Thron der römischen Kaiser errichtete? Daß die Hauptstadt des heidnischen Reiches die Hauptstadt des Gottesreiches wurde? Daß das Haupt der Apostel seine Gemeinde gerade in der Stadt gründete, wo alle Mächte des Heidentums gegen ihn waren?

Ja, wenn wir dabei gewesen wären, als die hl. Apostel auseinandergingen und sozusagen die Welt unter sich aufteilten, um sie zu bekehren, und wenn man uns gefragt hätte, wohin sich der hl. Petrus wenden solle; welche Antwort hätten wir ganz spontan gegeben? – Wir hätten gesagt: „Der hl. Petrus ist das Haupt der Kirche Gottes. Folglich kommt es ihm auch zu, in die Hauptstadt der Welt zu ziehen, um eben diese Stadt für Gott zu erobern und dort die Standarte des Kreuzes aufzupflanzen. Petrus soll nach Rom gehen!“ So war es angemessen. Und so ist es tatsächlich gekommen.

Petrus lebt fort in den römischen Bischöfen

Petrus ist also in Rom gewesen. Er ist in Rom gestorben, und zwar als Bischof und Oberhaupt der römischen Kirche. Wer wurde also sein Nachfolger? Derjenige, der sein Nachfolger auf dem römischen Bischofsstuhl wurde. Das waren im 1. Jahrhundert die Päpste Linus (†79), Cletus (†90) und Clemens.

Und diese Nachfolger auf dem Bischofsstuhl des hl. Petrus zu Rom haben von Anfang an eine Vorrangstellung beansprucht und sich für die Einheit im Glauben und der sittlichen Ordnung in der gesamten Christenheit verantwortlich gefühlt.

Ein besonders eindrückliches Zeugnis hierfür ist das sog. „Mahnschreiben“ des hl. Papstes Clemens an die Gemeinde von Korinth. Also eine Gemeinde weit weg von Rom, im Osten des Reiches. Papst Clemens regierte die Kirche in den Jahren von 90 bis 99. Zu dieser Zeit war der hl. Apostel Johannes noch am Leben und war Bischof von Ephesus. In Korinth waren damals Zwistigkeiten ausgebrochen, weil ein Teil der Gemeinde einige ihrer kirchlichen Vorstehen ablehnte. Und es war nicht der im nahegelegenen Ephesus ansässige Lieblingsjünger und der letzte noch lebende Apostel, der in den Streit eingriff, sondern Clemens von Rom. Sein Brief nennt den Streit, der nur von „einigen wenigen hitzigen und verwegenen Leuten“ ausging (1,1) und nur „wegen einer oder zweier Personen“ entfacht wurde (47,6), einen „ruchlosen und unseligen Streit“ (1,1), „eine große Schande und Schmach für den Wandel in Christo“ (47,6) und urteilt, es sei „keine kleine Sünde, Männer, die tadellos und heiligmäßig ihre Opfer dargebracht haben, aus ihrem Bischofsamt zu vertreiben“ (44,4). Es sei „am Platz, den Nacken zu beugen und die Pflicht des Gehorsams zu erfüllen“ (63,1). Wenn Papst Clemens seine Weisung selber auch „einen Rat“ nennt (58,2), so geschieht das nur aus psychologischer Zurückhaltung. Das Schreiben fordert die Unterordnung unter die Presbyter (57,1 f.) und fordert das in einem autoritativen, drängenden Ton und in einer von Verantwortung und von Autoritätsbewußtsein getragenen Sprache: „Ihr werdet uns große Freude bereiten, wenn ihr, gehorsam gegen das, was wir, vom Heiligen Geiste geleitet, geschrieben haben, den sündhaften Zorn eurer Erbitterung ableget.“ (63,2). Der Entscheidung des römischen Bischofs ist also gehorsam zu leisten. Ungehorsam würde schwere Schuld bedeuten. „Wer aber ungehorsam ist gegen das, was Er [Gott] durch uns gesagt hat, der soll wissen, daß er sich in Sünde und nicht geringe Gefahr verstrickt. Wir aber werden keine Schuld haben an dieser Sünde.“ (59,1 f.). Der ganze Tenor des Schreibens läßt das Pflicht- und Verantwortungsbewußtsein des Clemens von Rom durchklingen und ist das erste Aufleuchten des päpstlichen Primates. Die römischen Bischöfe sahen sich immer in der Verantwortung und in der Autorität des hl. Petrus.

War das Anmaßung? Selbsterhebung? Herrschsucht? Nein, die primatiale Stellung der Päpste wurde von der Gesamtkirche schon in den ersten drei Jahrhunderten sowohl theoretisch als auch praktisch anerkannt. Es herrschte ein reger brieflicher Verkehr der Christen mit Rom. Man richtete Anfragen nach Rom, um die Meinung des Papstes in Erfahrung zu bringen; man wandte sich dorthin besonders, wenn es galt, Meinungsverschiedenheiten und Streitigkeiten irgendwelcher Art zu beseitigen. Sogar die Häretiker wandten sich anfänglich nach Rom. Sie wollten die Anerkennung oder Billigung des Papstes finden, weil sie wußten, daß eine solche Anerkennung ihren Meinungen zum Durchbruch und Sieg verhelfen würde, was jedoch nie geschah. – Besonders bedeutsam ist, daß sich die Bischöfe der ganzen Weltkirche vor allem dann nach Rom wandten, wenn ihre bischöflichen Rechte und ihre Stellung bedroht und angefeindet wurden. Sie suchten beim Papst Unterstützung und Schutz. Ferner läßt sich eine allgemeine Übereinstimmung nachweisen, nicht bloß daß jedem das Recht der Appellation nach Rom offen stehe, sondern auch daß gegen Rom keine Appellation mehr möglich sei, weil Rom die letzte und endgültige Entscheidungsinstanz bildet.

Ihr Verhalten beweist, daß das katholische Bewußtsein schon immer lebendig war, daß in der Kirche eine oberste Leitungsgewalt vorhanden ist und daß eben dieselbe der Kirche von Rom zukommt; genauer: Dem Bischof von Rom, dem Nachfolger Petri, dem Papst.

Daran sehen wir, wie von Anfang an die römischen Bischöfe über alle Bischöfe der Welt hervorragten. Bei ihnen wird Rat eingeholt; bei ihnen werden letztbindende Entscheidungen in Glaubensfragen und in Angelegenheiten der Disziplin getroffen; sie berufen Konzilien ein; sie führen den Vorsitz; sie sind die Ersten und allein Maßgeblichen. Ihr Urteil ist die bindende Norm für alle. Ihre Lehre formt das Bekenntnis jedes einzelnen Katholiken, wie es der hl. Papst Leo der Gr. sehr schön erklärt: „Durch den Mund der ganzen Kirche spricht Petrus jeden Tag: ‚Du bist Christus, der Sohn des lebendigen Gottes.‘ Jede Zunge, die den Herrn bekennt, ist von seinem Wort geleitet und gelehrt. … Er ist von Gott so fest gegründet, daß weder eine Häresie ihn jemals schwächen noch das ungläubige Heidentum ihn überwinden konnte. Das heutige Fest [des zweiten Jahrtages der Thronbesteigung Papst Leos], Geliebte, soll also vernünftig und ehrfurchtsvoll in der Weise gefeiert werden, daß man in meiner bescheidenen Person den sieht und ehrt, in dem die Sorge aller Hirten mit der Obhut über die ihnen anvertrauten Schäflein stets gründet, dessen Würde auch in einem unwürdigen Nachfolger nicht erlischt. Geliebte, wenn also ich [der Papst] meine Mahnungen an euch richte, dann sei es euch, als würde derjenige zu euch sprechen, dessen Stelle ich vertrete [nämlich Christus]. Ich mahne euch ja mit Seiner Liebe und ich sage euch nichts anderes, als was Er lehrte.“ (serm. 2, in anivers.).

Und der unmittelbare Vorgänger Leos, Papst Sixtus III. (†440), ermahnte den Patriarchen Johannes von Antiochien, der sich anfänglich der Häresie des Nestorius angeschlossen hatte, dann aber zur katholischen Einheit zurückgekehrt war, Johannes möge nun, durch seine eigene traurige Erfahrung belehrt, die Notwendigkeit erkennen, mit dem Papst im Glaubensgehorsam übereinzustimmen, da Petrus selbst die reine göttliche Lehre, die er nicht von Menschen oder aus Büchern, sondern von Christus empfangen, durch seine Nachfolger lehrt und überliefert. (vgl. Epist. VI. ad Joan. Anti. l. c. 1260). Oder wie der hl. Papst Leo sagt: „Diese Anordnung [Jesu Christi] der ewigen Wahrheit bleibt in Kraft. Der selige Petrus behält die Felsenkraft, die er empfangen, und hat das Steuer der Kirche, das er übernommen, nicht aus der Hand gegeben.“

Ja, Petrus lebt fort in seinen Nachfolgern auf dem römischen Stuhl. Dort bindet und löst er, vom Heiligen Geist geleitet. Von dort aus steuert er das Schifflein der katholischen Kirche durch die stürmische See der Jahrhunderte zielsicher dem Hafen der himmlischen Herrlichkeit entgegen. Wie glücklich jene Generationen, die unter dem sicheren Hirtenstab der Päpste leben und sterben durften. Wie glücklich jene kommende Generation, die sich wieder eines solch guten Hirten erfreuen darf. Amen.

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