Die Welt wird sich freuen – für eine „kleine Weile“

Geliebte Gottes!

Ein Junge schaute dem Großvater zu. Der Großvater war Gärtner, der Junge fünf Jahre alt; gerade in dem Alter also, in dem noch keine Schulpflicht die Zeit beschneidet, die man so notwendig zum Zuschauen braucht. Der Großvater pflanzte einen kleinen Obstbaum und erklärte, daß er einmal groß werden und rotbackige Äpfel tragen würde. – „Opa, wann wird das sein?“ fragte der staunende kleine Zuschauer. – „In zehn Jahren.“ – „In zehn Jahren erst!“ Was für eine Enttäuschung für die Erwartung eines Kindes. Erst in zehn Jahren! – Wenn der Opa gesagt hätte: Das dauert eine Ewigkeit, es wäre für den Kleinen nicht schlimmer gewesen. – Es hat zwar das Jahr sowohl für einen Fünfjährigen wie auch für den Großvater gleicherweise 365 Tage. Aber der Junge hat ein anderes Zeitgefühl. Für ihn ist ein Jahr ein Fünftel seines ganzen Lebens, für den Großvater vielleicht ein Sechzigstel. Zehn Jahre sind für den Kleinen viel länger als sein Leben, für den Großvater nur ein Lebensabschnitt.

Die „kleine Weile“

Nach diesen Vorüberlegungen hören wir dem Herrn zu, wenn Er von der „kleinen Weile“ spricht. Von dem Augenblick an, da Er das Wort beim letzten Abendmahl sagte, bis zu seiner Himmelfahrt waren es nur einige Wochen. Wenn man will, kann man dafür den Ausdruck „kleine Weile“ gelten lassen. – Aber seitdem stecken wir schon 2000 Jahre in der anderen „kleinen Weile“, weil das Wort nicht nur den Aposteln, sondern auch uns gesagt ist. „Eine kleine Weile und ihr werdet Mich wieder sehen.“ – Für die Apostel kam ein gewisses Wiedersehen nach ihrem Tode, der vor allem beim Evangelisten Johannes einige Jahrzehnte auch sich warten ließ. „Eine kleine Weile, und ihr werdet Mich wiedersehen.“ Aber das eigentliche Wieder-Sehen mit glücklichen Menschenaugen kommt auch für die Apostel erst bei der Wiederkunft des Herrn, wenn die Seelen der Heiligen wieder mit ihrem Leib vereint werden. Auch die Apostel können also erst dann, im verklärten Leib, mit verklärten menschlichen Augen, den Herrn wieder-sehen.

Man könnte bitter werden, wenn man von der „kleinen Weile“ hört, die Seine Kirche, und wir mit ihr, nun schon wartet. Und doch darf der Herr so reden, weil Er mit Ewigkeitsmaßstab mißt und lebt. „Für Gott sind tausend Jahre wie ein Tag.“ (2. Petr. 3,8). Umgerechnet wären also 2000 Jahre Kirchengeschichte wie zwei Tage im Zeit-„Empfinden“ Gottes. – Doch auch wir werden einmal soweit sein, daß wir zugeben: „Ja, es war eigentlich nur ‚eine kleine Weile‘“, so wie jener Junge einst lächeln wird, wenn er den ersten Apfel vom Baum seines Großvaters pflücken und verzehren wird. Da wird auch er denken: „Was habe ich gemeint, wie lange zehn Jahre seien, es war gar nicht so schlimm.“ Und weil wir wissen, daß auch wir einmal so sagen werden, sollten wir jetzt schon manchmal versuchen, „in Ewigkeit“ zu denken, d.h. in der Zeitkategorie der Ewigkeit; also die Zeit mit allem, was sie bringt, nicht zu überschätzen, nicht zu erschrecken vor der Dauer unseres Schmerzes und nicht zu pochen auf die Länge unseres Glückes. Es ist alles nur „eine kleine Weile“!

Das Ärgernis erregende Glück der Gottlosen

Über die „kleine Weile“, die wir durchstehen müssen, hat der Herr ein charakteristisches Wort gesagt: „Die Welt wird sich freuen.“ – Wenn wir dieses Wort treuer im Gedächtnis behalten würden, könnten wir uns viele Zweifel ersparen!

Freilich war es schon seit den Zeiten des Alten Bundes für alle gottesfürchtigen Menschen ein hartes Kreuz: Das Glück der Gottlosen – oder, wie es unser Herr Jesus Christus ausdrückt – „die Freude der Welt“ – zu sehen. Denn wenn die Verächter Gottes zu leiden haben, dauert es für sie nicht lange, und sie sind wieder guter Dinge, ohne an den Tod zu denken.

Im 72. Psalm betet der inspirierte Sänger: „Ich ereiferte mich über die Gottlosen, da ich das Glück der Sünder sah. Für sie gibt es ja keine Leiden bis an ihren Tod, und ihr Körper ist wohlgenährt. Sie spüren nichts von unserer Menschenmühsal und werden nicht geplagt wie andere Leute. Darum umgibt sie der Stolz wie ein Halsgeschmeide und umhüllt sie die Gewalttat wie ein Gewand. Aus fettem Herzen entspringt ihr Unrecht.“ (Ps. 72,3-7). Die Frevler dünken sich in ihren Reden über die himmlischen Dinge erhaben und maßen sich an, über alles zu reden und zu urteilen, was auf Erden geschieht. Sie höhnen: „Was kümmert sich Gott darum? Gibt es denn beim Höchsten ein Wissen?“ (Ps. 72,11). Darum hängt ihnen das religiös gleichgültige Volk an den Lippen und macht den Gottesverächtern alles nach. – Der Psalmist bringt seinen Schmerz auf den Punkt, wenn er ausruft: „Seht, das sind die Frevler, allezeit in Ruhe häufen sie Reichtum an!“ (P. 72,12).

Der Schmerz über das leichtlebige Glück der Sünder angesichts des eigenen Unglücks treibt den Gottesfürchtigen zu verwegenen Kurzschlüssen. Vielleicht sind dem ein oder anderen von uns schon ähnliche Gedanken angesichts unserer gottlosen Zeitgenossen gekommen, wie dem Psalmisten: „Und ich sprach: Also habe ich umsonst mein Herz gerecht erhalten und unter den Unschuldigen meine Hände gewaschen? Denn ich bin geplagt den ganzen Tag, und meine Züchtigung ist jeden Morgen da.“ (Ps. 72,13 f.). All mein Beten, Fasten und Almosengeben; all mein Kämpfen gegen die Versuchungen, das wiederholte Beichten meiner Sünden; all das bringt doch gar nichts; das ist alles vergeblich.

Wie der Psalmist, so müssen jedoch auch wir uns besinnen und uns für solch törichte, rein menschliche Gedanken, die eines Gotteskindes unwürdig sind, tadeln und mit ihm zu Gott sprechen: „Aber wenn ich sage: Solches will ich reden; siehe, so hätte ich das Geschlecht Deiner Kinder verleugnet.“ Der hl. Sänger weist sich selbst zurecht. „Ich sehe ein, daß ich Unrecht hatte, solche Reden und Zweifel nachzusprechen; denn dadurch habe ich mich den Gottlosen angeschlossen, die ja gerade behaupten, daß Frömmigkeit nichts bringt und daß es keinen vergeltenden Gott gibt.“ Und was brachte den Psalmisten zu dieser besseren Einsicht? – Antwort: Die „kleine Weile“. D.h. die kurze Dauer des Glückes der Gottlosen, aus der Perspektive der Ewigkeit. Im hebräischen Text fährt der hl. Sänger fort: „Es [das Glück der Sünder] war mir zur Qual bis ich eindrang in Gottes heilige Pläne, und merkte, wie jene einst enden. – Fürwahr, Du stellst sie auf schlüpfrigen Boden, du stürzest sie ins Verderben. Wie wurden sie plötzlich zunichte. Dahingerafft, nahmen sie ein Ende mit Schrecken!“ (Ps. 72,18 f.). Und der Psalmist schließt versöhnt mit seinem Kreuz im Angesicht der scheinbaren Folgenlosigkeit gottlosen Tuns: „Ich war ein Tor ohne Einsicht, wie dummes Vieh stand ich vor Dir. … Du leitest mich nach Deinem Rat und wirst mich dereinst zur Herrlichkeit holen. Wen hab‘ ich im Himmel außer Dir? Bin ich bei Dir: Nichts freut mich auf Erden. Mag auch Fleisch und Herz mir schwinden, Gott bleibt meines Herzens Fels, mein Erbteil ewiglich. Denn siehe, die Dich verlassen, kommen um, Du vernichtest alle, die Dir untreu werden. Doch mir ist Gottes Nähe Seligkeit, auf Gott, den Herrn, setz‘ ich mein Vertrauen.“ (Ps. 72, 22.24-28).

Freilich, eine Last wird es bleiben, mit anzusehen, wie die Ungläubigen in diesem Leben bekommen, was sie wollen, wie es ihnen gut oder wenigstens besser geht; eine Last wird es bleiben, aber kein Rätsel und kein Ärgernis darf es uns sein. Denn der Herr hat es uns vorhergesagt: „Die Welt wird sich freuen.“ In dieser „kleinen Weile“, während wir trauern, wird sich die Welt freuen.

„Die Welt wird sich freuen“ – über den Tod Christi

Worüber freut sich aber die Welt? – Als der Lanzenstich des römischen Soldaten die Brust des gekreuzigten Herrn öffnete, da freute sich die damalige Welt, daß sie einen lästigen Mahner und Warner los war. Es fiel zwar auch in diese Freude ein Wermutstropfen, weil die dreistündige Finsternis so bedrückend über der Welt lag und das Erdbeben die Gemüter der lästernden Menschenmenge für einen Augenblick aufrüttelte oder gar erschütterte. Aber immerhin, Er war tot! Und sie waren wieder ungestört. – Die Frage nach der Verantwortung stellen die Schuldigen nicht. Die Welt stellt sich nie ihrer Verantwortung, sondern versucht sie stets zu fliehen durch die Flucht in den Augenblick. Fürs erste war Er tot.

Und weiter denkt die Welt nicht, weil sie um die „kleine Weile“ nicht weiß. Sie nimmt den Augenblick als das einzig Wichtige. „Lebe den Augenblick, denn morgen sind wir tot.“ Das ist das Motto, auf dem sich die Freude der Welt gründet.

Lebe den Augenblick! Das gibt den Menschen um uns herum, die ein verweltlichtes Leben führen, etwas Unbeschwertes, Leichtfüßiges, ja, Tänzerisches, was den ein oder anderen gläubigen Menschen auch heute bisweilen mißgünstig werden läßt. „Die machen es sich leicht“, sagt der fromme Katholik ein wenig neidisch. – Und sie tun es tatsächlich häufig! Sie machen es sich leicht.

Diese Menschen werden unzweifelhaft auch den Kummer der erbsündlich belasteten Welt zu spüren bekommen, aber für gewöhnlich überwiegt die Leichtigkeit, – oder besser: der Leichtsinn! Doch hinter dem leichten Leben der Weltmenschen, hinter der „dolce vita“, tut sich ein ewiger Abgrund auf. Der Abgrund der ewigen Verdammnis – des immerwährenden Gescheitert-Seins. Weil die Welt nichts von der „kleinen Weile“ weiß, bzw. nichts davon wissen will, nutzt sie die „kleine Weile“ unserer Lebensdauer nicht als Vorbereitung für die bleibende Freude.

„Die Welt wird sich freuen“ – über die Bedrängnisse der Kirche

Worüber freut sich die Welt? – Daß die Kirche am Sterben ist, wie einst ihr Stifter auf Golgatha!

Die Zeiten sind schlecht, sagen wir. Den Weltmenschen geht es materiell gut. In unserem Land herrscht ein Wohlstand wie nie zuvor. Andererseits ist das Christentum derzeit die am meisten verfolgte Religion weltweit. Millionen sind auf der Flucht. Andere Millionen werden auch in den „freien, demokratischen Ländern“ in der Karriere behindert, als rückständig verlacht, nicht ernst genommen oder als Fundamentalisten dämonisiert. So ist das heute!

Aber ist es nur heute so? Wenn wir die Geschichtsbücher aufschlagen und in alten Büchern blättern bis hinauf in die ersten christlichen Jahrhunderte, so stellen wir fest, daß es eigentlich immer so war. Die Kirche mußte im Verlauf ihrer Geschichte beständig Kämpfe ausfechten.

Die Kirche wurde von der Welt stets als Übeltäterin verunglimpft. Das ist eine Tatsache! Die Christen litten von Anfang an unter Verkennung und Verleumdung. Wie sollte es anders sein, sagte doch der Herr: „Der Schüler steht nicht über dem Meister. Haben sie Mich verfolgt, so werden sie auch euch verfolgen.“ – Greifen wir nur exemplarisch einige solcher „kleinen Weilen“ des Triumphes der Welt aus der langen Kirchengeschichte heraus.

Die heidnische Welt verleumdete, unterdrückte und verfolgte die junge Christenheit bis aufs Blut. Und sie freute sich darüber! Die damaligen Weltmenschen strömten in Scharen in die Arenen, um sich an den Todesqualen der Christen zu weiden. Das war für sie Unterhaltung. Sie lechzten nach dem Blut der Christen. Während die Christen in den Klauen der Löwen „weinten und wehklagten“, freute sich die Welt und feierte den vermeintlichen Untergang dieser jüdischen Sekte.

Im 16. Jahrhundert stand ein abgefallener Augustinermönch auf und riß viele Länder entweder ganz oder teilweise mit sich in den Glaubensabfall. Mit wilder Entschlossenheit fiel Luther über die katholischen Christen her. Er bezeichnete die Katholiken als „Papisten“. Die „Papisten“ seien ärgere Feinde Deutschlands als die Türken. Das hl. Meßopfer müsse mit Gewalt ausgerottet werden, denn es sei Götzendienst. Die „rechtgläubigen“ Fürsten sollten die „Papisten“ aus ihren Herrschaftsgebieten ausweisen. So sollten sie heimatlos gemacht werden. Und so geschah es. „Die Welt“ freute sich damals in Gestalt der zum Protestantismus abgefallen deutschen Landesfürsten. Die protestantischen Fürsten beschützen und förderten Luther. Sie benutzten den Protestantismus, um sich mehr Rechte gegenüber dem Kaiser und die Unabhängigkeit vom Papst zu sichern. Ja, vor allem freuten sie sich, daß ihnen der Protestantismus erlaubte, die klammen Kassen durch Enteignung der Kirchengüter aufzubessern. Groß war die Freude der protestantischen Welt, als man die unerträglich scheinenden Bande der Klostergelübde und der Unauflöslichkeit der Ehe endlich abgestreift hatte.

Die katholische Kirche wurde seit der Aufklärungszeit beständig als rückständig und staatsgefährdend verdächtigt. Ihre Lehräußerungen wurden verunglimpft, der päpstliche Syllabus von 1864 wurde als Kriegserklärung gegen die moderne Kultur bezeichnet. Die Dogmatisierung der päpstlichen Unfehlbarkeit auf dem Vatikanischen Konzil von 1870 wurde als eine Übergriffigkeit des Papsttums auf den Staat beklagt. Reichskanzler Bismarck brach den Kulturkampf gegen die katholische Kirche und gegen die katholische Bevölkerung vom Zaun. Die parlamentarische Vertretung der Katholiken, die Zentrumspartei, wurde als Reichsfeind bezeichnet.

Auch das nationalsozialistische Regime führte einen heimtückischen Kampf gegen den christlichen Glauben, vorwiegend aber gegen die katholische Kirche. Die Nazis sahen im Protestantismus einen Bundesgenossen gegen den Katholizismus. Der Protestantismus wurde geschont, ja begünstigt. Katholiken, Freimaurer und Juden wurden unter die überstaatlichen Mächte eingereiht, die angeblich die Wohlfahrt und den Fortbestand des Deutschen Reiches bedrohten. Die katholische Bevölkerung stand unter Generalverdacht. Praktizierende gläubige Katholiken galten als unzuverlässige Staatsbürger; man schloß sie aus von der Beförderung, von der Einstellung, von höheren Positionen.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden die katholischen Christen in paradoxer Verkehrung als Kollaborateure des Hitler-Regimes bezeichnet, also als solche, die sich dem Nationalsozialismus angedient hätten. Man verwies auf den Abschluß des Reichskonkordats und auf die weiterbestehenden diplomatischen Beziehungen mit dem Apostolischen Stuhl. Der protestantische Schriftsteller Rolf Hochhut stellte Papst Pius XII. als den verächtlichsten aller Päpste hin. Er habe sich durch sein Schweigen zur Judenverfolgung der unterlassenen Hilfeleistung schuldig gemacht. Hochhuts Schauspiel „Der Stellvertreter“ wurde an zahllosen Bühnen in Deutschland und außerhalb Deutschlands aufgeführt: zur Freude aller Katholikenfeinde.

Ja, und wie groß war erst die Freude und der Applaus der Welt am Ende des sog. 2. Vatikanums, als unter den Gegenpäpsten „Johannes XXIII.“ und „Paul VI.“ eine neue, modernisierte, weltaufgeschlossene Kirche gegründet worden war. Eine neue Kirche, die endlich mit den ach so störenden katholischen Glaubens- und Moralprinzipien gebrochen hatte; die ihren unerträglichen Absolutheitsanspruch aufgegeben und damit endlich eingestanden hatte, daß ihre frühere Lehre anmaßend, übergriffig und falsch gewesen ist. Welch ein Triumph für die Freidenker, die Liberalen und Modernisten! Sie hatten solches ja immer schon gewußt.

Heute stehen wir Katholiken „trauernd und weinend“ im 66. Jahr, seitdem die Kirche keinen Papst mehr hat. Währenddessen freut sich die heutige Welt, die katholische Religion in Form der apostatischen und sittlich verkommenen Afterkirche des 2. Vatikanums als korrupte und sittlich verkommene Kloake vorzuführen. Die wahre katholische Kirche hingegen, die „Kirche in der Zerstreuung“, muß ein karges Dasein fristen. Uns Gotteskindern mag dieser Zustand nun schon unerträglich lang vorkommen. Aber – das ist der Trost, den uns Christus spendet – auch das wird mit den Augen der Ewigkeit betrachtet, nur „eine kleine Weile“ dauern.

Ja, die Kirche trug in irgendeiner Hinsicht stets das Aussehen eines Sterbenden an sich. Indem die Welt die Kirche angreift, unterdrückt, marginalisiert oder gar verfolgt, wird die Welt scheinbar eine unangenehme Mahnerin los. Eine unangenehme Mahnerin, vor der sie sich sehr fürchtet, weil sie ihr nachweist, daß sie schrecklich angibt mit der „kleinen Weile“, die ihr zur Verfügung steht. Weil die Kirche es wagt zu sagen: Es gibt noch mehr als den kurzen Augenblick dieses Lebens. Mehr als das leichtsinnige Auskosten des Augenblicks. Und dieses „Mehr“ ist so gewaltig, daß das längste Menschenleben bloß „kleine Weile“ genannt werden kann.

Solange die Kirche das Aussehen eines Sterbenden hat, werden viele lieber der Welt glauben und ihr prahlerisches Angeben vom ungehemmten Genuß des Augenblicks ernstnehmen, als könne die Welt das Heil bringen, als hätte sie das Rezept für ein wertvolles Leben. Nur den aufmerksamen und wachen Zuhörern Christi kann dieses prahlerische Gebaren der Welt nicht beeindrucken und das stete Sterben seiner Kirche nicht irremachen. Er wußte es vorher, weil der Herr es vorhergesagt hat: „Ihr werdet weinen und wehklagen, die Welt aber wird sich freuen.“

Trauer, die sich in Freude wandelt

Noch einmal: Worüber freut sich die Welt? – Über die Tränen der Frommen; daß sie trotz ihrer Beichten immer wieder sündigen; daß sie trotz ihrer Güte und Bravheit leiden müssen; daß sie auf die Erfüllung ihrer Hoffnung so lange warten müssen; daß ihre Gebete so wenig sichtbare Früchte tragen; daß ihr Erlöser immer noch nicht zum Gericht wiedergekommen ist. – Das läßt sich alles ertragen, weil der Herr es wußte, daß die Welt sich freuen wird und daß wir weinen werden.

Und so sind gerade wir von Christus gerufen, daß wir dieser ungläubigen Welt, die nichts von der vergleichsweise kurzen Dauer ihres Triumphs weiß, nicht auch noch mutwillig das Schauspiel der Wehleidigen geben, indem wir in der Hoffnung schwach werden, die Köpfe hängen und den Mut sinken lassen. Wenn es soweit käme, dann hätte die Welt uns angesteckt mit ihrem Irrtum, als ob die kleine Weile nicht zu Ende ginge.

Nein, unser Christus kommt wieder, und unsere Hoffnung wird erfüllt: „Ihr werdet traurig sein, doch eure Traurigkeit wird in Freude gewandelt werden.“ Denn: „Wieder eine kleine Weile, und Ihr werdet Mich wiedersehen.“ – Ja, wenn dieses Leben durchgestanden ist, werden wir die Frohen sein. Der Herr hat es gesagt: „Euer Herz wird sich freuen!“

Den raschen Wechsel der Trauer zur Freude vergleicht Jesus mit dem Bild einer Mutter, deren Schmerz schnell umschlägt in Freude über das geborene Leben. „So habt auch ihr jetzt zwar Trauer.“ Also „jetzt“, während der kleinen Weile dieses irdischen Lebens. Ja, wir werden – wie auch die Apostel damals – in dieser Welt äußerlich und innerlich noch bittere, wehe, entsagungsvolle Stunden durchleiden müssen. Und zwar in der Schmerz-Bandbreite von der heimlichen Träne bis u.U. zum blutigen Martyrium. Die Weltkinder indes, selbst viele getaufte, werden im irdischen Freudentaumel schwelgen. Doch gemessen an der Ewigkeit sind alle zeitlichen Bedrängnisse und Trübsale nur wie schnell vorübergehende Wehen unserer geistigen Wiedergeburt für den Himmel. Dort werden wir einst aller irdischen „Not nicht mehr gedenken vor Freude“, daß wir als Gotteskinder für den Himmel geboren worden sind.

Die Hoffnung auf diese Verheißung Christi ließ den hl. Paulus den berühmten Satz im Römerbrief niederschreiben: „Sind doch die Leiden dieser Zeit gar nicht der Rede wert im Vergleich zur Herrlichkeit, die künftig an uns offenbar wird.“ (Röm. 8,18). Und an anderer Stelle sagt der Völkerapostel: „Wir gelten als Trauernde und sind doch immer fröhlich, als Arme und machen doch viele reich, als solche, die nichts haben, und wir besitzen doch alles.“ (2. Kor. 1,6; 6,10).

So ist es! Die „kleine Weile“ geht vorüber. Dann kommt die Ewigkeit, die niemand kennt als Er, der aus der Ewigkeit kam und wieder dorthin zurückging, um „uns eine Wohnung zu bereiten“. Damit wir eine Ewigkeit lang dort bei Ihm sind. Eine Ewigkeit, die in Wirklichkeit ein nimmer endender Augenblick des Glückes und der Seligkeit in Gott ist.

Was das genau heißt können wir nicht begreifen. Aber soviel hat der Herr uns über jenen ewigen Augenblick gesagt: „Eure Freude wird niemand mehr von euch nehmen.“ – Diese Aussicht läßt uns die „Freude der Welt“ ertragen. Nicht schadenfroh! Das wäre häßlich. – Nicht verächtlich! Das wäre lieblos. – Sondern gelassen! Wir können es uns leisten, zu warten. Denn, nur eine „kleine Weile“ – und unsere Freude wird niemand mehr von uns nehmen. Während dieser „kleinen Weile“ unserer noch verbleibenden Lebenszeit wollen wir tapfer das Kreuz Christi tragen und dabei beherzigen, was der hl. Hieronymus sagt: „Schwierig, ja unmöglich ist es, daß einer sowohl die gegenwärtigen als auch die zukünftigen Güter zugleich genießt, daß einer hier den Leib, dort den Geist in aller Fülle sättigt, daß er von Genuß zu Genuß übergeht, daß er in beiden Leben der Erste sei im Genuß, daß er sowohl auf Erden wie im Himmel geehrt und gerühmt erscheint.“ Das ist unmöglich. Deshalb sagte der hl. Pfarrer von Ars seinen Pfarrkindern über das Kreuztragen:

„Leiden müssen wir, ob wir wollen oder nicht. Die einen leiden wie der gute Schächer, die anderen wie der böse. Beide litten auf gleiche Weise. Aber der eine verstand es, sein Leiden fruchtbar zu machen. Er nahm es im Geiste der Buße an, und als er sich zu dem gekreuzigten Heiland wandte, hörte er aus dessen Mund die wunderbare Verheißung: ‚Heute noch [also in einer kleinen Weile] wirst du mit Mir im Paradiese sein.‘ – Im Gegensatz zu ihm stieß der andere Flüche, Verwünschungen und Gotteslästerungen aus und starb in schrecklichster Verzweiflung.

Es gibt ein zweifaches Leiden, nämlich ein liebendes und ein ablehnendes. Die Heiligen litten geduldig, freudig und standhaft; denn sie liebten. – Wir leiden mit Zorn, Ärger und Überdruß, weil wir nicht lieben. Wenn wir Gott liebten, würden wir uns freuen, leiden zu dürfen aus Liebe zu Ihm, der so viel für uns leiden wollte. – Ihr sagt, das sei schwer. Nein, es ist süß, sanft und tröstend, es ist ein Glück … Nur muß man lieben im Leiden und leiden in der Liebe.

Seht, meine Kinder, auf dem Weg des Kreuzes fällt einem nur der erste Schritt schwer. Die Furcht vor den Kreuzen ist unser schlimmstes Kreuz! … Wir haben nicht den Mut, unser Kreuz zu tragen. Welch ein Irrtum! Denn was immer wir tun, das Kreuz hält uns fest, und wir können ihm nicht entrinnen. … Trotzdem wenden sich die meisten vom Kreuz ab und fliehen. Je mehr sie laufen, desto mehr verfolgt sie das Kreuz, desto stärker trifft es sie und erdrückt sie unter seiner Last. – Versteht dies gut, meine Kinder! Wer dem Kreuz gefaßt und tapfer entgegensieht, dem wird es seltener begegnen. Und wenn es ihm begegnet, wird es ihn nicht unglücklich machen. Als Liebender nimmt er es auf sich, mutig trägt er es und wird eins mit unserem Herrn. Es reinigt ihn und nimmt seiner Seele die Anhänglichkeit an diese Welt. Die Leiden helfen ihm in seinem Leben hinüber zum Ufer der ewigen Glückseligkeit wie eine Brücke über den Strom. … Durch das Kreuz gehen wir in den Himmel ein. Die Krankheiten, Versuchungen, Schmerzen sind die Kreuze, die uns zum Himmel führen. Das alles wird bald, [in einer kleinen Weile] vorüber sein.“

„Nicht alle Heiligen haben ihr Leben gut begonnen, aber sie haben alle gut geendet. Wir haben schlecht angefangen, laßt uns gut enden, und wir werden eines Tages im Himmel mit ihnen beisammen sein.“ In einer ewigen Freude, welche uns „die kleine Weile“ der Trübsale völlig vergessen läßt. In einer ewigen Freude, die dann niemand mehr von uns nehmen kann. Amen.

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