Grabrede zur Beerdigung von P. Weinzierl
„Die größte Wohltat, die man einem Menschen erweisen kann, besteht darin, daß man ihn vom Irrtum zur Wahrheit führt.“ (de div. nom.).
Lieber Mitbruder! Hochwürdige Herren! Sehr geehrte Familie Weinzierl! Verehrte Trauergäste!
Der Tod eines Menschen reißt uns heraus aus unserem alltäglichen Trott und bringt uns ins Grübeln. – Der Tod eines Vaters trifft seine Familie bis ins Mark. Ehefrau und Kinder werden sich schmerzhaft bewußt: Das Vaterherz schlägt nicht mehr. Wer wird uns jetzt leiten? Wer wird für uns sorgen? – Um so größere Betroffenheit verursacht der Tod eines Priesters, der für so viele Vater und Hirte gewesen ist.
Wie viele von uns haben in den letzten Wochen und Monaten gebangt, gebetet, gehofft, geopfert; ja, Gott sogar ihr eigenes Leben angeboten, wenn uns nur der P. Hermann wiedergegeben wird. – Gott hat es anders gefügt. Am vergangenen Dienstagmorgen wurde P. Weinzierl aus diesem Leben in die Ewigkeit gerufen.
Wie Blitze zucken da vielleicht dem einen oder anderen von uns Fragen durch den Kopf: Warum? Warum jetzt schon? Wir hätten ihn doch noch so dringend gebraucht! – Auf alle diese Fragen gibt es nur eine gültige Antwort. Sie lautet: Gott macht keine Fehler! Wir dürfen den göttlichen Ratschluß nicht zu ergründen suchen, sondern müssen ihn in Ehrfurcht anbeten und ergeben annehmen.
So stehen wir heute voll Trauer am Sarg von P. Weinzierl, um von ihm Abschied zu nehmen und seinen Leib zur letzten Ruhe zu betten. Abschied nehmen wollen wir durch die Erinnerung an sein reiches Priesterleben. Unter Gebeten und Gesängen zur letzten Ruhe betten wollen wir ihn im Gedenken an die priesterliche Würde seiner Seele und seines vor uns aufgebahrten Leibes.
Der Lebensweg
Am 13. Januar 1960 erblickte unser lieber, verstorbener Mitbruder als zehntes von elf Kindern der Eheleute Georg und Maria Weinzierl das Licht der Welt und wurde auf den Namen „Hermann Josef“ getauft. Nach der Volksschule in Aicha vorm Wald besuchte er das Adalbert-Stifter-Gymnasium in Passau, wo er sich durch überdurchschnittlich gute Leistungen auszeichnete. – Während seiner Jugend erlebte er, wie die Revolution des „II. Vatikanums“, die Pfarreien erreichte und sowohl die Gotteshäuser und den Gottesdienst, als auch den Glauben und die Sitten verwüstete.
Studium und Ausbildung
Der mit Scharfsinn und Empfindsamkeit begabte Abiturient verwarf den Wunsch, eine Künstlerlaufbahn einzuschlagen, und entschied sich stattdessen, dem Anruf Gottes Folge zu leisten, um nach dem katholischen Priestertum zu streben. Zu diesem Zweck trat er Anfang der 1980er Jahre in das damals erst kürzlich gegründete deutschsprachige Priesterseminar des französischen Erzbischofs Marcel Lefebvre in Zaitzkofen ein.
In diesen Jahren flammte seine Liebe zur „philosophia perennis“ des hl. Thomas von Aquin auf, die ihm zeitlebens ein geliebtes Studienobjekt blieb. Sodann begann er in „heiligem Wettstreit“ mit einem Studienkollegen die theologische Summe des Aquinaten „um die Wette“ zu studieren. Durch die Unterweisung renommierter Dozenten, die damals in diesem Seminar unterrichteten, eignete sich Hermann Weinzierl das priesterliche Rüstzeug der Philosophie und Theologie an. Charakterlich wurde er geprägt durch das Vorbild und den Rat erfahrener Pfarrer und bewährter Priesterpersönlichkeiten, die im Sturm des konziliaren Zusammenbruchs tapfer standgehalten hatten. Unter diesen muß besonders Hw. Pfarrer Hans Milch hervorgehoben werden.
Schließlich empfing Hermann Weinzierl am 4. Juli 1987 aus den Händen von Erzbischof Lefebvre die hl. Priesterweihe.
Priesterliches Wirken
Sein priesterliches Wirken hatte in den folgenden Jahrzehnten zahlreiche Stationen. Als Neupriester trat er die Nachfolge von Pfarrer Milch als Seelsorger in Hattersheim an, nachdem diesen, wenige Wochen nach der Priesterweihe von P. Weinzierl, plötzlich der Tod ereilt hatte.
Ferner lehrte er Philosophie an den Gymnasien in Diestedde und Schönenberg und erteilte an der Schule von Saarbrücken Religionsunterricht.
Weitere Stationen seines seelsorglichen Wirkens waren Neustadt an der Weinstraße, Karlsruhe, Rheinhausen und schließlich Überlingen am Bodensee.
Bekehrung vom Lefebvrismus
Trotz der Anforderungen durch die Seelsorge unterließ P. Hermann nie das Studium. So wurde ihm unter Anregung eines theologisch gebildeten Freundes schon bald klar, daß die lefebvristische Antwort auf den kirchlichen Umsturz der Nachkonzilsära nicht in Einklang zu bringen war mit dem katholischen Dogma von der Unfehlbarkeit der Kirche, vom kirchlichen Lehramt als unfehlbarer nächster Glaubensregel und mit dem Dogma vom päpstlichen Primat.
Was zunächst eine Befürchtung war, wurde durch eingehendes Studium dieser Gegenstände zur Gewißheit: Die katholische Kirche hat – allem äußeren Anschein zum Trotz – seit dem II. Vatikanum keinen Papst. Diese Erkenntnis und das daraus resultierende Bekenntnis führte schließlich zu seinem Ausscheiden aus der Piusbruderschaft im Jahr 2012 und zur Gründung des Vereins St. Thomas von Aquin.
Neben der Betreuung einer Kapelle in Wigratzbad setzte er den Fokus seines Wirkens, zusammen mit einem Mitbruder, vor allem auf ein im deutschen Sprachraum weitestgehend brach liegendes Feld, nämlich auf die wissenschaftliche Aufarbeitung der herrschenden Irrtümer und die Wiederbelebung der katholischen Wissenschaft. In zahlreichen Internet-Publikationen und Broschüren, sowie in der Quartalszeitschrift „Antimodernist“ zeigte er mit klaren Argumenten – und bisweilen auch in kämpferischem Ton – die Widersprüche des Liberalismus, des Evolutionismus, des Modernismus und des Lefebvrismus auf und bekräftigte ihnen gegenüber die katholische Lehre.
Vom Mitleid mit den vielen Seelen, die keinen Hirten haben, bewegt, unternahm er trotz seiner fordernden Studien Pastoralreisen in die Uckermark, engagierte sich lange Jahre als außerordentlicher Beichtvater eines Frauenklosters, als Exerzitienmeister, Seelenführer und Beichtvater.
Letzte Krankheit und Tod
Die Aufbietung aller Kräfte auf so vielfältigen Feldern forderte ihren Preis. Nach seiner letzten Pastoralreise im Oktober letzten Jahres und der Anfertigung einer ausführlichen Studie über die Ungültigkeit der Novus-Ordo-Bischofsweihen „Pauls VI.“ erlitt er am 18. November 2023 eine Aortendissektion und darauffolgend einen schweren Schlaganfall, von dem er sich nicht mehr erholen konnte. Nach vergeblichen Behandlungen in Zürich und Bad Aibling wurde er vor zwei Wochen nach Passau, in die Nähe seiner bayerischen Heimat und seiner lieben Angehörigen verlegt. Schon nach kurzer Zeit ereilte ihn dort ein erneuter Schlaganfall, nach dem er nicht mehr zu Bewußtsein kam. Am Dienstag, den 5. März, nahm Gott seine Seele zu Sich.
Die abgeschiedene Priesterseele
Wir haben uns versammelt, um den Leichnam dieses verdienten Priesters zur letzten Ruhe zu betten. Dabei versetzen uns die Gebete der Totenliturgie in den Augenblick des Hinscheidens. Also in den Moment, da sich die Seele vom Leibe trennt. Da ruft der Priester: „Kommet zu Hilfe, ihr Heiligen Gottes! Eilet entgegen, ihr Engel des Herrn! Nehmet seine Seele in Empfang und bringt sie dem Allerhöchsten dar! Christus, der dich gerufen hat, nehme dich auf, und die Engel mögen dich geleiten in Abrahams Schoß.“
Wie oft mag wohl P. Hermann diese Segensworte schon über einen Verstorbenen gesprochen haben, bis sie jetzt auch über ihm selbst ausgesprochen werden?
Versetzen wir uns kurz im Geiste an sein Sterbebett und werfen wir einen Blick auf die scheidende Seele. „Kommet zu Hilfe, ihr Heiligen“ – „Eilt entgegen, ihr Engel des Herrn.“ Wieviele heilige Seelen und himmlische Geister mögen P. Hermann begrüßt haben? Welch herrliche Ernte durfte er für Christus einbringen? Die Seelen, die unter seinem Beistand selig verstorben sind. Die vielen Seelen die durch seine Opfer, seine Segnungen und Gebete aus dem Fegfeuer erlöst worden sind.
Wieviele Seelen hat P. Hermann für das Himmelreich zu gewinnen gesucht! Die Kinder, die er getauft hat. Die vielen Sünder, die er im Bußsakrament mit Gott versöhnt hat. Die frommen Seelen, die er geleitet, getröstet, ermutigt und gestärkt hat. Sodann auch jene Seelen, deren gefährlichen oder schlechten Lebenswandel er mahnend korrigiert hat. Jene, die von ihm aus der Unwissenheit und dem Irrtum hin zur Kenntnis der katholischen Wahrheit geführt worden sind. – Der hl. Thomas von Aquin schreibt am Ende seines Kommentars zu dem areopagitischen Werk „de divinis nominibus“: „Die größte Wohltat, die man einem Menschen erweisen kann besteht darin, daß man ihn vom Irrtum zur Wahrheit führt.“ Wie oft und wievielen – auch von uns – hat er diese Wohltat erwiesen! Deshalb sind auch wir heute herbeigeeilt, um für seine Seele zu beten.
Ja, so wenig beneidenswert das irdische Los eines katholischen Priesters – besonders in der heutigen papstlosen Zeit – auch sein mag, der Moment des Hinscheidens fördert zutage: Es ist etwas Großes, sein Leben als Priester ganz der Ehre Gottes und dem ewigen Heil der Seelen geweiht zu haben.
Weiter betet die Totenliturgie: „Christus, der dich gerufen hat, nehme dich auf.“ – Schon beim Eintritt in den geistlichen Stand – bei der Tonsur – hat P. Hermann feierlich mit den Worten des Psalmisten auf den Ruf Christi geantwortet: „Der Herr ist mein Anteil, Du bist es, der mir mein Erbe verleiht.“ (Ps. 15,5).
Von da an war die Sache Christi seine Sache. Seine Zeit und seine Kräfte gehörten fortan ganz seinem göttlichen Meister Jesus Christus und dessen Braut, der katholischen Kirche. Der Ehre Gottes und dem Heil der Seelen galt fortan all seine Mühen, sein Denken, sein Wollen, sein ganzes Tun und Lassen. Um Christi und der Wahrheit Seines Evangeliums willen verließ er Heimat, Familie und Freunde; verzichtete auf alle Aussichten in der Welt und auf die materielle Abgesichertheit, die so viele Geistliche heute verstummen oder gar den Irrtum beklatschen läßt. Christus hat er sich zum Anteil erwählt.
Im Augenblick des Hinscheidens ist dann aber auch der Zeitpunkt gekommen, wo es heißt: „Du bist es, der mir mein Erbe verleiht.“ – Und der göttliche Heiland wird sich ohne Zweifel an die Verheißung erinnern, welche Er schon Seinen ersten Mitarbeitern gegeben hat: „Jeder, der Häuser, oder Brüder, oder Schwestern, oder Vater, oder Mutter, oder Weib oder Kinder oder Äcker um Meines Namens willen verläßt, wird ein Hundertfaches empfangen und das ewige Leben erben.“ (Mt. 19,29).
Wieviel hat die priesterliche Seele unseres lieben verstorbenen Mitbruders nicht an uns gedacht? Sich um unseren Glauben und unseren sittlichen Wandel gesorgt; für uns gewacht, gebetet, geopfert? Wozu? Um uns zum Heil zu führen. Um uns vor der Sünde und dem Bösen zu bewahren.
Heute versammeln wir uns an seinem Sarg, um ihm die letzte Ehre zu erweisen. Und dabei ist der beste Nachruf auf einen verstorbenen Priester das treue Andenken an die empfangenen Lehren und Mahnungen. Und die wertvollsten Gaben, um ihm all das Gute zu vergelten, sind fromme Gebete, für seine vielen Gebete und Opfer.
Der entseelte Priesterleib
Ist die Seele von der Ewigkeit aufgenommen worden, so bleibt der Leib zurück. Wie verehrungswürdig ist der entseelte Leib eines Priesters! Ein Leben lang rein bewahrt, um der hohen Würde und des heiligen Berufes willen; das Werkzeug der heiligsten und ehrfurchtgebietendsten Handlungen.
Seine priesterlichen Augen sind geschlossen. Jene Augen, die so viel um unseretwillen gelesen und studiert haben.
Der priesterliche Mund ist verstummt und erblaßt, der so viele Worte des Heiles verkündet hat, um die Kinder im katholischen Glauben zu unterweisen, die Gläubigen zu ermutigen, den Zweifelnden zu raten. So oft haben diese Lippen die heiligen Worte der Konsekration, der heiligen Sakramente und der kirchlichen Gebete geformt und ausgesprochen.
Das priesterliche Herz schlägt nicht mehr, welches so sehr für Gottes Ehre geeifert, die Wahrheit geliebt, den Irrtum gehaßt und in Liebe und Wohlwollen dem Nächsten zugetan war.
Die gesalbten Hände sind erstarrt, die uns so oft gesegnet; die so zahlreiche Schriften verfaßt und gute Werke verrichtet haben.
Die Füße sind unbeweglich, die ihn so oft als Opferpriester an den Altar; und als Hirte, Lehrer, Tröster und Helfer zu uns getragen haben. Man hat den Leichnam von P. Hermann in priesterliche Gewänder gekleidet und auch auf seinem Grab wird seine Priesterwürde erkennbar bleiben. Denn die Priesterwürde ist nicht bloß für dieses Leben, sondern für die Ewigkeit. Sie ist unauslöschlich! „Du bist Priester auf ewig“, so ruft die Kirche im göttlichen Offizium den heiligen Bischöfen nach. Dasselbe gilt für die Priester. Hier wird er ruhen, bis zu dem Tag an dem die göttliche Posaune durch die Gräber dringt und die Leiber der Verstorbenen wieder mit ihren Seelen vereinigt werden. Solange wollen und sollen wir das Grab des Priesters ehren, seines aufopferungsvollen Wirkens und seiner wohlwollenden Lehre gedenkend.
Die hohe Verantwortung des Priesters
Aber! Wo die Würde hoch ist, da sind auch die Pflichten und Lasten schwer. Dort ist auch hohe Verantwortung. Sind doch dem Priester nicht allein irdische Güter zur Verwaltung anvertraut, sondern himmlische; nicht nur vergängliche Materie, sondern unsterbliche Seelen, für die er seinem göttlichen Meister Rechenschaft schuldet.
Und wenn im Hinblick auf die Erhabenheit des Priestertums selbst die heiligsten Männer davor zurückgeschreckt sind, die Bürde der Priesterweihe auf sich zu nehmen, weil sie – trotz ihrer Heiligkeit – ihre Schultern für zu gebrechlich und schwach hielten, um diese Last zu tragen, so können wir unsere Dankbarkeit gegenüber P. Weinzierl nicht besser ausdrücken, als wenn wir denken: Für uns hat er so schwere Verantwortung vor Gott auf sich genommen; und wenn er dabei als schwacher Mensch auch nicht frei von Fehlern blieb, so möge Gott im Gericht seiner Seele gnädig sein und aus den Händen der allerseligsten Jungfrau Maria heute unsere Tränen, unseren Dank, unsere Gebete und Opfer entgegennehmen.
„Einst werde ich sie seh’n!“
Schon durch seinen Schlaganfall erblindet, hat P. Hermann Weinzierl nun im Tode die Augen für diese Welt ein für allemal geschlossen. Die Augen für die Ewigkeit aber sind ihm geöffnet worden. Deshalb wollen wir schließen mit einem marianischen Gedicht, welches sich in seinen persönlichen Aufzeichnungen fand und das wir ihn nun auf die Lippen legen:
„Einst werde ich sie seh‘n,
Im Himmel, in der Heimat,
Dort sehe ich Maria,
Die Freud‘ und Liebe mein.
Im Paradiese dort,
Dort werde ich sie seh’n,
Im Paradiese dort,
Werd‘ ich sie ewig seh’n.
Einst werde ich sie seh’n,
Das ist ein Ruf der Hoffnung,
Der all‘ mein Leiden heilt
In diesem Erdental.
Einst werde ich sie seh’n,
Gemeinsam mit den Engeln,
Dann singen wir ihr Lob,
Ja, dort an ihrem Thron.
Einst werde ich sie seh’n,
Ich geh‘ von dieser Erde
Zum Herzen meiner Mutter,
Um ewig auszuruh’n.
Einst werde ich sie seh’n
Ich geh‘ zu ihrem Throne,
Empfange meine Krone
Und herrsche dann mit ihr.“
Amen.