„Der Ochse erkennt seinen Besitzer und der Esel die Krippe seines Herrn.“

Geliebte Gottes!

In der Heiligen Nacht führt uns die Kirche hinaus auf die Fluren Bethlehems. Was finden wir dort? Einen ungastlichen, kalten Stall. Arme durchgefrorene Leute, die darin Zuflucht gesucht haben. Einen Ochsen und einen Esel. Eine zur Wiege umfunktionierte Futterkrippe, in welche die gerade niedergekommene Mutter ihr Neugeborenes hineingelegt hat. Eine ärmliche Gesellschaft finden wir dort vor. An sich nichts, was eine festliche Nachtwache rechtfertigen würde.

„Ein Kind ist uns geboren, ein Sohn ist uns geschenkt.“

Aber dort an der Krippe, im naßkalten, finsteren Stall, vernehmen wir abermals aus der Distanz von Jahrhunderten die Stimme des großen alttestamentlichen „Evangelisten“, der uns schon durch diesen Advent begleitet hat, den hl. Propheten Isaias. Er weissagt uns gar wunderbares von diesem neugeborenen Kind armer Eltern: „Ein Kind ist uns geboren, ein Sohn ist uns geschenkt. Auf Seinen Schultern ruht die Weltherrschaft. Man nennt Ihn: Wunderbarer, Ratgeber, starker Gott, Vater der Zukunft, Friedensfürst.“ (Is. 9,6).

Durch die Worte des Propheten Isaias verwandelt sich gleichsam die Ganze Szenerie des finsteren Stalles. An die Stelle der Krippe tritt ein erhabener Königsthron, auf dem ein Knabe mit allen Zeichen der göttlichen und königlichen Würde sitzt. Mit jubelndem Herzen rief Isaias mehr als 700 Jahre vor der Geburt unseres Herrn die Weihnachtsbotschaft hinaus in die ganze Welt, so laut, daß sie heute noch an unser Ohr dringt und selbst am Jüngsten Tag noch zu hören sein wird: „Ein Kind ist uns geboren, ein Sohn ist uns geschenkt. Auf Seinen Schultern ruht die Weltherrschaft!“

Es wird uns geboren, heißt es. Emmanuel, ist „Gott mit uns. Die Engel, die über den Fluren Bethlehems die Weihnachtsbotschaft zu den Hirten getragen haben, mußten sagen: Euch ist der Heiland geboren.“ (Lk. 2,11). Isaias durfte sagen: Uns ist er geschenkt.“ Emmanuel – „Gott mit uns“ – ist einer von uns.

Die armen Windeln dieses Kindes verwandeln sich gleichsam in einen wallenden Königsmantel, der die Weltherrschaft anzeigt. Denn es ist ja der gleiche Sohn, zu dem Gott im 2. Psalm spricht: „Fordere von Mir, so will Ich Dir die Völker zu Deinem Erbe geben und zu Deinem Besitztum, die Grenzen der Erde.“ (Ps. 2,8).

Das Wesen des Emmanuel-Kindes und den tiefen Inhalt Seines Namens, vermag keine menschliche Sprache vollkommen auszudrücken. Deshalb versucht der Prophet das göttliche Wesen des neugeborenen Erlösers in fünf Titeln einigermaßen auszuloten.

Isaias nennt das Kind „Wunderbarer“ und weist uns damit auf das größte Wunder der göttlichen Allmacht hin, in dem alle Wunder Gottes ihren Gipfel und Höhepunkt finden. Die Menschwerdung des ewigen Gottessohnes ist das höchste aller göttlichen Wunder überhaupt, wie der hl. Thomas von Aquin sagt: „Der Vereinigungsvorgang, der sich in der Menschwerdung vollzog, läßt alles menschliche Erkennen weit hinter sich. Es ist nämlich rein unmöglich, etwas Wunderbareres zu erdenken, als das gottgewirkte Einswerden des Sohnes Gottes mit den Menschen.“ (S. c. Gent. IV, 27).

Außerdem nennt Isaias das Krippenkind „Ratgeber“. In Ihm ruht der Geist des Rates in der siebenfältigen Fülle Seiner Gaben (vgl. Is. 11,2). Der Heilige Geist ruht auf Ihm (Is. 61,1). Er ist Sein bleibender Besitz, um den Armen, den Elenden und den Sanftmütigen die Frohbotschaft zu verkünden. In Ihm sind alle Schätze der Weisheit und Wissenschaft verborgen.

Aufgrund Seiner wunderbaren Salbung mit der Gottheit, erhält der neugeborene Emmanuel von Isaias sodann den Titel „starker Gott“ zugesprochen und betont dabei die Nachsilbe seines Namens. Die Nachsilbe „Emmanu-El erinnert nämlich an den aus Ehrfurcht verkürzten Gottesnamen El shaddai“, d.h. der „allgewaltige Gott“, mit dem Isaias an anderer Stelle den erhabenen Gottesnamen „Jahwe“ ersetzt. Der Emmanuel ist niemand anderes als Gott selbst. Denn der himmlische Vater spricht zu Ihm im ewigen Heute: „Mein Sohn bist Du. Heute habe Ich Dich gezeugt.“ (Ps. 2,7).

Doch das Kind ist nicht nur Sohn, nicht nur Sohn Gottes. Obwohl gerade erst geboren, ist dieses Kind schon Vater, wie uns Isaias wissen läßt: „Vater der Zukunft“. Die gefallene Menschheit hatte seit dem Sündenfall keine Zukunft zu erwarten. Sie war gefangen in der Sünde und verdient ewige Strafe. Lediglich an den kargen Glücksgütern dieses vergänglichen Lebens durfte sich der Mensch noch trösten, ehe für ihn mit dem Tode die ewige Strafe der Verdammnis anbrechen würde. Aber Emmanuel war in die Welt gesandt, um durch die Vergießung Seines göttlichen Blutes den Lösepreis zu entrichten. Die Tropfen Seines kostbaren Blutes sind gleichsam die Saat der Erlösung; die Saat einer Zukunft, die dem Menschen den Zugang zu den unvergänglichen Gütern der übernatürlichen Welt Gottes, eröffnet. Allen, die an Ihn Glauben hat Er Macht gegeben, durch Ihn „Kinder Gottes“ zu werden (vgl. Joh. 1,12). Damit ist Er ein zweiter Stammvater, der zweiter Adam, der „Vater der Zukunft“ und der Begründer des neuen Volkes der Erlösung, der in den Seinen ein Leben zeugt, das ewig währt.

Schließlich wird das Kind vom Propheten „Friedensfürst“ genannt. Denn Er ist Herrscher mit unbeschränkter Gewalt. Darum wird keine Macht der Welt den Bestand und den Frieden Seines Reiches erschüttern können. Den Frieden den Er mit Seinem Blute stiftet, hebt die Feindschaft zwischen Gott und dem Menschen auf. Für alle die sich Ihm anschließen wird der Friede endlos sein.

Eine gar wundersame Entdeckung machen wir da in dieser heiligen Weihnacht. Vom hl. Propheten belehrt erkennen wir in dem Kind in der Krippe den Erlöser der Welt: „Ein Kind ist uns geboren, ein Sohn ist uns geschenkt. Auf Seinen Schultern ruht die Weltherrschaft. Man nennt Ihn: Wunderbarer, Ratgeber, starker Gott, Vater der Zukunft, Friedensfürst.“

Haben und Sein

Aber warum müssen wir, um Ihn zu finden, in einen armen Stall hinausgehen? Warum finden wir Ihn nicht im Königspalast? Er ist doch der König der Könige und der Herr der Herren. – Oder warum nicht im prächtigen Tempel? Er ist ja der Sohn Gottes.

Er hatte doch die Wahl, die uns allen nicht offen stand. Wir wurden nicht gefragt, wann und wo und von welchen Eltern wir geboren werden wollten. Hier hätte der eine oder andere vielleicht anders gewählt. Ein anderes Blut, eine andere soziale Umgebung, eine andere Zeit, andere Erbanlagen. Dann sähe unser Leben anders aus. Im Gegensatz zu uns konnte der in die Menschheit hineingeborene Gottessohn wählen. Das Ergebnis Seiner Wahl ist erstaunlich: Arme Leute als Eltern; ein Stall als Geburtsort und ein gedemütigtes Volk, dem Er angehören wollte. – Warum diese seltsame Wahl des Erlösers? Damit wir uns vor Seiner Krippe aussöhnen, mit den Gegebenheiten und Härten unseres eigenen Lebens. Wir sollen lernen, bescheiden zu werden, unsere oft übersteigerten Erwartungen an das zeitliche Leben zu mäßigen und mit dem zufrieden zu sein, was uns von Gottes weiser Vorsehung zugedacht und beschieden wurde. Der Heiland hat niemandem etwas aufgebürdet, was Er nicht selbst zu tragen bereitgewesen wäre. – Und selbst wenn wir die Gegebenheiten unseres Lebens für glücklich halten sollten, so mahnt uns die Krippe und der kalte Stall, diesen vergänglichen Dingen nicht allzusehr zu trauen.

Ohne also auch nur ein einziges Wort gesagt zu haben, hat uns das menschgewordene Gotteskind über den Unterschied von „Haben“ und „Sein“ belehrt. – Ja, es kommt nicht darauf an, was der Mensch hat – welche Eltern, welches Haus, welche Freunde, welche Begabungen, welchen Lebensweg, welches Einkommen, oder sonstige materiellen Güter – sondern es kommt darauf an, wer er ist!

Das Kind in der Krippe sagt uns: Es ist nicht wichtig für den Menschen – auch nicht, oder vielleicht sogar erst recht nicht, zu seinem Glück – daß er alles bekommt, was er haben möchte, sondern daß er der wird, der er sein sollte! Was aber soll der Mensch sein? – Antwort: Er soll sein: Kind Gottes und Erbe des Himmels!

Auf der Suche nach einer Antwort auf die Frage, wie das geschehen könne, wie der Mensch Kind Gottes und Erbe des Himmels werden könne, begegnet uns ein weiteres Wort des Propheten Isaias, das sich in der Heiligen Nacht erfüllt hat: „Der Ochse erkennt seinen Besitzer und der Esel die Krippe seines Herrn.“

Ochs und Esel in der Krippe

In der Kunstgeschichte nehmen nämlich vor allem zwei Gestalten eine besondere Stellung an der Krippe ein. Für uns vielleicht überraschend, handelt es sich bei den beiden nicht um Maria und Joseph, sondern um Ochs und Esel! Gewiß, zu einem Futtertrog gehören Tiere, und da das neugeborene Jesuskind, wie der hl. Evangelist Lukas berichtet, von Seiner jungfräulichen Mutter „in Windeln gewickelt, in eine Krippe gelegt wurde“, könnte man meinen, Ochs und Esel, die derselbe Evangelist mit keinem Wort erwähnt, seien nur hinzugefügt, um romantische Stallatmosphäre zu verbreiten.

Es gibt aber zu denken, daß auf manchen der ältesten Geburtsdarstellungen des 4. Jahrhunderts alle Personen, einschließlich der hl. Joseph, ja sogar die allerseligste Jungfrau und Gottesmutter Maria, an der Krippe fehlen können, niemals aber Ochs und Esel! Diese beiden so gegensätzlichen Gesellen staffieren offensichtlich keine Idylle aus, sondern sind zentrale Gestalten an der Krippe des Erlösers.

Um ihre Bedeutung an der Krippe zu entschlüsseln, müssen wir die Auslegung der Kirche zu unserem Isaias-Wort erwägen: „Der Ochse erkennt seinen Besitzer und der Esel die Krippe seines Herrn.“ (Is. 1,3).

Der große alexandrinische Theologe Origenes, der zu Beginn des dritten Jahrhunderts lebte, kommentiert diesen Vers: „Der Ochse“, als reines, opferfähiges Tier „versinnbildet das Volk der Juden; der Esel“, unrein und für die alttestamentlichen Opfer untauglich, „das Volk der Heiden. Nicht das Volk Israel erkennt seinen Herrn, sondern das unreine Tier, nämlich die Heiden.“ Ochs und Esel stehen für Juden und Heiden. – Und heute für Deutsche und Franzosen, für Chinesen und Schwarzafrikaner, für Schwaben und Badener, kurz für die Völker der Menschheitsfamilie. Ohne Ihnen also zu nahe treten zu wollen, aber: Ochs und Esel, stehen für uns! Das sind wir, die da in der Krippe gezeigt werden. – Eine Frechheit, nicht wahr?

Der unerlöste Mensch

Und doch müssen wir leider zugeben, daß wir gar nicht so schlecht getroffen sind. Ochs und Esel. Beides sind Arbeitstiere, die ins Geschirr eingespannt werden und auf dem Acker oder an der Mühle rackern müssen. Ist nicht auch der gefallene Mensch vertiert und unfrei geworden? Erfahren wir es nicht auch, daß wir nach der Peitsche eines anderen tanzen müssen? Daß wir unter dem Joch unserer ungeordneten Leidenschaften, von unseren sündhaften Neigungen und den Versuchungen des Teufels geknechtet werden?

Ochs und Esel. Ein Zug- und ein Lasttier, die man nicht zusammenspannen darf (vgl. Deut. 22,10). Sie vertragen sich nicht miteinander. – Ist es nicht auch bei uns oft so? Gibt es da nicht den einen oder anderen Menschen, mit dem wir einfach nicht können? Demgegenüber wir eine tiefe Abneigung verspüren und menschlich gesprochen, ein gemeinsames Miteinander unmöglich ist?

Ochs und Esel. Beides Tiere mit ihren jeweiligen Eigenheiten. Der Ochse, behäbig und faul, aber am Futtertrog unersättlich. Ein gutes Bild für unsere Bequemlichkeit, Trägheit und Genußsucht, die uns alles Schwierige und Fordernde fliehen, oder wenigstens aufschieben läßt. – Aber der Ochse kann auch ganz anders! Gewinnen die Leidenschaften in ihm die Oberhand, so ist er nicht mehr zu bremsen. In seiner Wut nimmt er alles, was sich ihm in den Weg stellt, auf die Hörner. Und früher, als Stier, war er auch in seinem geschlechtlichen Verlangen nicht zu bremsen. – Gleichen wir nicht dem Ochsen, wenn wir in unserem Zorn rot sehen und zu Gefühlstrampeltieren avancieren? Oder wenn die rosarote Wolke der Lust das Gebot Gottes vor uns vernebelt? Aber nicht nur die Züge des Ochsen tragen wir an uns, auch jene des Esels.

Der Esel ist ja sprichwörtlich geworden: „Du dummer Esel.“ Dummheit kann diesem Tier an sich zwar nicht nachgesagt werden – im Gegensatz zu uns Menschen – aber in einer anderen Eigenschaft sind sich Mensch und Esel ähnlich geworden: im Starrsinn! Ja, Stolz und Eigensinn, Ehrgeiz und Eitelkeit, Neid und Boshaftigkeit machen den Menschen zum „dummen Esel“, der mit dem Kopf durch die Wand will. Auch auf wohlmeinende Kritik und andere Meinungen reagieren wir bisweilen wie ein Esel. Empfindlich beißen wir mit scharfen Bemerkungen zurück, oder schlagen gar aus – verbal oder physisch.

Das ist der gefallene Mensch! Das sind wir. Unabhängig von allem, was wir haben. Alles in allem, kein schmeichelhaftes Bild: Der Ochse und der Esel an der Krippe. Unser Portrait, in dessen Antlitz wir schauen, wenn wir andächtig vor der Krippe beten.

Aber nicht, daß Sie Ihre Krippe zu Hause jetzt sofort wieder abbauen, oder wenigstens mürrisch den Ochsen und den Esel daraus entfernen. Ochs und Esel sind doch für die Frohbotschaft von Weihnachten unabdingbar. Von ihnen heißt es ja beim Propheten Isaias: „Der Ochse erkennt seinen Besitzer und der Esel die Krippe seines Herrn.“ Beide Tiere – Ochs und Esel – stehen nicht nur gemeinsam an der Krippe, sondern sie erkennen gerade an der Krippe ihren Herrn. Sie erkennen! Sie erkennen ihren Herrn und Gott. Wie sehen sie ihn? Als Kind. – Der vertierte Mensch bekommt an der Krippe geoffenbart, wie er eigentlich sein soll, daß er edler und schöner, rein und einfältig wie ein Kind sein soll, wenn auch freilich ärmer und demütiger. Erkenntnis ist der erste Schritt zur Besserung. Damit aber nicht genug.

Am Futtertrog Gottes

Noch eine frohe Entdeckung kann man an der Krippe des Emmanuel machen, wenn wir sie uns durch die Kirche deuten lassen: Wir können nicht nur durch das Beispiel des armen, demütigen Gottessohnes belehrt, erkennen, sondern auch so werden, wie Er ist – gütig und menschenfreundlich.

Wir müssen uns zwar mit vielem Abfinden in unserem Leben, aber nicht mit dem was wir sind. Müßten wir uns selbst aus eigener Anstrengung umwandeln zu dem Menschen, wie er sein sollte, dann kämen wir sicher nicht weit. Aber Gott bietet uns an, daß Er uns umwandelt. Der neugeborene Emmanuel mit all Seinen herrlichen Titeln kommt vor allem als Erlöser. Das ist der Zweck Seines Kommens. Er löst uns los vom Joch des Lasttiers und führt uns an Seine Futterkrippe.

Ochs und Esel an der Krippe sind losgebunden, sind vom Geschirr ausgespannt. Sie müssen nicht mehr Sklavendienste tun. So bindet uns Christus los vom Joch der Sünde durch Sein Erlösungsopfer, das wir in wenigen Augenblicken auf dem Altar erneuern.

Sodann führt Er uns zum Futtertrog, um uns dort zu speisen. Womit? Mit dem, was in der Krippe bereit liegt. Er selbst will unsere Speise sein, wie der hl. Augustinus sagt: „Christus in der Krippe, das ist unsere Speise. Zur Krippe sollen die zwei Lebewesen, nämlich die zwei Völker, hinzutreten.“

Das Emmanuel-Kind ist ja das „Brot, das vom Himmel herabgekommen ist.“ Nicht umsonst hat Er sich Bethlehem, zum Geburtsort erwählt. Steckt doch schon im Namen dieses Ortes die geheimnisvolle Speise unserer Erlösung. Betlehem bedeutet „Haus des Brotes“. Der Stall ist das eigentliche Haus des Brotes. Dort ist das „lebendige Brot, das vom Himmel herabgekommen ist“, – Gott in Fleisch und Blut – zu finden, um uns satt zu machen mit allem, was wir haben müssen, damit wir werden was wir sein sollen. In der Futterkrippe liegend ist der Gottessohn die Nahrung, die Kraftquelle, die es möglich macht, daß wir wirklich zu Gotteskindern umgestaltet werden, wie der hl. Augustinus den Heiland sagen läßt: „Ich bin das Brot der Starken; wachse, genieße Mich! Doch nicht du wirst Mich umwandeln in dich, gleich leiblicher Speise; nein, du wirst umgewandelt werden in Mich!“ (Conf. 7,10). – Jesus Christus allein kann uns wirklich erneuern und umschaffen, d.h. zu einem neuen hoffnungsvollen Anfang, zu einer glücklichen Zukunft, zur ewigen Glückseligkeit verhelfen.

Das göttliche Wort liegt ja in Fleisch gebannt vor uns in der Krippe und auf dem Altar in Brotsgestalt eingehüllt. Wenn wir es empfangen, wird es erneut schöpferisch tätig in uns, wie schon am Anfang als es den Kosmos aus dem Nichts erschuf (vgl. Joh. 1,2). Es wird die umwandelnde Wirkung an uns vollziehen, wenn wir die Hoffnung nicht aufgeben und die Sehnsucht nach einem heiligen Leben bewahren, nach einem Leben, so wie Gott will. Er kann aus den Menschen, die leben wie die Tiere, wieder „Kinder Gottes“ und „Erben des ewigen Lebens“ machen.

„Allen die Ihn aufnahmen, gab Er Macht, Kinder Gottes zu werden“

In beiden Nutztieren mag sich jeder selbst wiederfinden: Erniedrigte Kreatur, gedemütigt, ausgebeutet, Menschen von der Sünde geknechtet. Wenn wir auch bisweilen im alltäglichen Leben sind, wie Ochs und Esel, so preist uns Christus doch selig, wenn er betet: „Ich preise dich Vater, Herr des Himmels und der Erde, weil du all das den Weisen und Klugen verborgen, den Kleinen und Unmündigen aber offenbart hast.“ (Lk. 10,21). Ochs und Esel, also wir, sind die Kleinsten an der Krippe. Und selig sind wir!

Aber beherzigen wir die Ermahnung des hl. Ambrosius: Um Menschen nach Gottes Willen zu werden, „lerne vom Esel, Christus zu tragen; denn Er ist es, der dich zuerst trug, als Er das verlorene Schaf zurückbrachte. Lerne bereitwillig, Ihm den Rücken deines Geistes darzubieten. Lerne unter Christus zu sein, damit du über der Welt stehen kannst.“ Ähnliches sagt der hl. Augustinus: „Schäme dich nicht, Gottes Lasttier zu sein; Du wirst Christus tragen und unterwegs nicht fehlgehen. Er selbst wird auf dir reiten; Er, dein Weg. So soll der Herr auf uns reiten und uns führen, wohin Er will: Sein Lasttier wollen wir sein, nach Jerusalem [d.h. in den Himmel]_ laßt uns gehen. Er bedrückt uns nicht, sondern erhebt uns. Wenn Er uns führt, werden wir nicht in die Irre gehen. Von Ihm geleitet, wollen wir gehen zu Ihm, damit wir uns mit Ihm, der heute als Kind geboren wurde, in Ewigkeit freuen.“_ (serm. 189,4)

Christus, der neugeborene Erlöser, gibt uns den aufrechten Gang der Kinder Gottes zurück. Er gibt uns ein neues Sein, das alles irdische Haben unendlich in den Schatten stellt. Seien wir also keine dummen Esel. Lassen wir uns von unserer Sündenschuld im Bußsakrament losbinden. Lassen wir uns von diesem Kind, das sich uns als Speise hingibt, verwandeln. Gehen wir hin zur Krippe, stärken wir uns am Futtertrog der Kommunionbank mit dem lebendigen und wunderbaren Brot, das im Schoß der Jungfrau Maria bereitet wurde und daraus hervorgegangen ist, ohne ihre Jungfräulichkeit zu verletzen. Und wir werden sehen, daß in uns mehr und mehr der neue Mensch geboren wird, der Mensch, der „nach Gott geschaffen ist, in wahrer Heiligkeit und Gerechtigkeit.“

Das ist die Frohe Botschaft, die uns der hl. Prophet Isaias bei dieser heiligen Nachtwache verkündet hat: „Ein Kind ist uns geboren, ein Sohn ist uns geschenkt. Auf Seinen Schultern ruht die Weltherrschaft. Man nennt Ihn: Wunderbarer, Ratgeber, starker Gott, Vater der Zukunft, Friedensfürst.“ Und deshalb müssen wir hinaus in den armen Stall. Denn nur dort kann „der Ochse seinen Besitzer erkennen und der Esel die Krippe seines Herrn.“ Nur am Futtertrog des Glaubens und der hl. Kommunion, kann der Mensch werden wie er sein sollte. Denn „allen die Ihn aufnahmen [geistig oder sakramental], gab Er Macht, Kinder Gottes zu werden, [also] all denen die an Seinen Namen glauben, die nicht aus dem Blute, nicht aus dem Verlangen des Fleisches, noch aus dem Wollen des Mannes, sondern aus Gott geboren sind.“ (Joh. 1,12 f.). Amen.

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