24. Sonntag nach Pfingsten
„Dieses Geschlecht wird nicht vergehen“
Geliebte Gottes!
Das Evangelium vom letzten Sonntag nach Pfingsten ist nicht leicht zu verstehen und birgt gewisse Schwierigkeiten. Nachdem nämlich unser göttlicher Erlöser Seine Beschreibung des Weltendes abgeschlossen hatte, fügte Er sehr feierlich hinzu: „Wahrlich, Ich sage euch, dieses Geschlecht wird nicht vergehen, bis dies alles geschieht. Himmel und Erde werden vergehen, aber Meine Worte werden nicht vergehen.“ (Mt. 24,35).
Diese Worte bergen eine gewisse Schwierigkeit. Wenn der Herr hier vom Ende der Welt spricht, wie konnte Er dann sagen: „Dieses Geschlecht wird nicht vergehen, bis das alles geschieht“? Die damalige Generation ist längst vom Tode hinweggerafft worden und doch ist das Weltende noch immer nicht eingetreten. Oder hat Christus hier etwas anderes gemeint? Wenn ja, was? Und generell, warum bedient sich der Herr hier einer so schwerverständlichen Redeweise?
Der Sachverhalt wird ein kleinwenig klarer, wenn wir über den heutigen Evangelientext hinausgehend auch noch den folgenden Vers mitlesen: „Um jenen Tag [den Jüngsten Tag] aber und um die Stunde weiß niemand, auch die Engel des Himmels nicht, nur der Vater allein.“ (Mt. 24,36).
Beim genauen hinhören stellen wir fest, daß es auf der einen Seite um „dieses Geschlecht“ geht, also um die Zeitgenossen Jesu. Auf der anderen Seite spricht Christus aber auch über „jenen Tag“, den Jüngsten Tag. Christus spricht also in Seiner langen Endzeitrede, von der die heutige Evangelienperikope nur einen kleinen Auszug wiedergibt, von zwei verschiedenen Dingen, die offenbar irgendwie miteinander in Verbindung stehen, die sich irgendwie zu überlagern scheinen.
Der Hintergrund der Rede Christi
Den Hintergrund, vor dem diese endzeitlichen Vorhersagen Christi eingebettet sind, bildet der Tempel, kurze Zeit nach Seinem triumphalen Einzug in Jerusalem am Palmsonntag.
Der Herr hatte soeben Seine Streitreden mit den Pharisäern beendet. Mit dem siebenfachen „Wehe euch, ihr Schriftgelehrten und Pharisäer“ (Mt. 23,11-39), deckte Jesus deren ganze Heuchelei auf; ihre Meineidigkeit, ihre veräußerlichte Religiosität, durch die sie zwar peinlich genau Kümmel und Anis abwogen, um davon den Zehnten zu geben gleichzeitig aber – ohne jede Skrupel – Haß- und Mordgedanken in ihren Herzen hegten. Er bezeichnete die Pharisäer und Schriftgelehrten als Schlangen und Natternbrut; als blinde Führer; als übertünchte Gräber, die nach außen heilig aussehen, innerlich jedoch voll Gebeine und Unrat der Verwesung sind.
Jesus sagte ihnen voraus, daß sie aufgrund ihrer Verblendung ein furchtbares Strafgericht auf Jerusalem herabrufen würden: „Jerusalem, Jerusalem, die du die Propheten mordest und die steinigst, die zu dir gesandt sind; wie oft wollte Ich deine Kinder versammeln, wie eine Henne ihre Kücken unter ihre Flügel sammelt, – ihr aber habt nicht gewollt. Siehe, euer Haus wird euch öde gelassen werden.“ (Mt. 23,37 f.).
Daraufhin verließ Er den Tempel. Beim Hinausgehen wiesen Ihn die Apostel auf die Schönheit des gerade fertiggestellten herodianischen Tempelbauwerkes hin, auf all den Marmor, das Gold und den Schmuck. Der Herr aber sagte zu ihnen: „Seht ihr dies alles? Wahrlich, Ich sage euch, es wird kein Stein auf dem anderen gelassen, der nicht abgebrochen wird.“ (Mt. 24,2). – Diese Worte riefen Bestürzung bei den Jüngern hervor. Sie fanden keine Ruhe. Und als sie sich zur Übernachtung auf den Ölberg zurückgezogen hatten, da traten sie erneut an Jesus heran und fragten: „Sag uns, wann wird das geschehen? Und was wird das Zeichen Deiner Ankunft und des Endes der Welt sein?“ (Mt. 24,3).
Die Apostel stellten dem Herrn also zwei verschiedene Fragen! „Wann wird das geschehen?“, fragten sie hinsichtlich der Zerstörung Jerusalems und des Tempels. Und die andere Frage, die sie Ihm vorlegten, lautete: „Was wird das Zeichen Deiner Ankunft und des Endes der Welt sein?“ Das sind zwei verschiedene Fragen!
Zur Antwort hob Christus zu einer langen Rede an, die sich beim hl. Matthäus über das gesamte 24. und 25. Kapitel seines Evangeliums erstreckt. Beide Ereignisse sind in dieser Rede miteinander verwoben, können aber bei genauem Zuhören, durch die nuancierte Wortwahl Christi, klar voneinander unterschieden werden.
Die Typologie in der prophetischen Rede
Um die Endzeitrede Christi verstehen zu können, müssen wir uns klar darüber sein, daß die Zerstörung Jerusalems ein schattenhaftes Vorbild für den Weltuntergang ist – ein sog. „Typus“.
Zwischen beiden Ereignissen besteht eine große Ähnlichkeit, eine Entsprechung. Jerusalem ist ein vorbildlicher Typus, ein figürliches Bild für die Welt. Durch die Geschehnisse bei der Zerstörung Jerusalems sollen die Geschehnisse beim großen Weltende bildhaft vorskizziert werden. So wie das gesamte Alte Testament gleichsam aufgeladen ist mit zahllosen messianischen Vorbildern, die sich in späteren Zeiten an Christus erfüllt haben, so handelt es sich bei diesem Vergleich um Jerusalem als ein anschauliches Vorbild für das Ende der Welt. – Ferner müssen wir beachten, daß Christus über diese, damals noch beide in der Zukunft verorteten Ereignisse, auf prophetische Weise spricht, nicht auf eine historische Weise. Er spricht über die Ereignisse nicht in der Ordnung der zeitlichen Aufeinanderfolge, sehr wohl aber in der Ursächlichkeitsordnung durch welche die einzelnen Dinge miteinander verbunden sind.
Die Zerstörung Jerusalems und der Weltuntergang werden sich in dreifacher Hinsicht ähnlich sein:
- durch die dabei herrschende Grausamkeit,
- durch ein und dieselbe Ursache; und
- hinsichtlich der Vorzeichen beider Ereignisse.
a) Ähnlichkeit in der Grausamkeit
Hinsichtlich der Grausamkeit war die Zerstörung von Jerusalem so furchtbar, daß selbst Titus, der römische Feldherr, davor zurückgeschreckt war. Und das, obwohl die Römer und erst recht römische Soldaten, in Fragen von Brutalität und des Blutvergießens, keineswegs zimperlich und empfindlich gewesen waren. Bei den Gladiatorenspielen machten sie sich bekanntlich sogar eine Unterhaltung daraus. Von Titus aber wird berichtet, er sei entsetzt gewesen von der Brutalität, die bei der Eroberung Jerusalems zum Tragen kam!
Die Römer zogen einen undurchdringlichen Belagerungsring um die Heilige Stadt. Der Hunger innerhalb der Mauern war so groß, daß die Juden damit begannen, die Leichen der Gefallenen zu verzehren. Sodann brachen Kämpfe auch innerhalb Jerusalems aus. Die Juden kämpften nicht mehr nur gegen die römischen Legionen vor den Stadtmauern. Sie entzweiten sich in Fraktionen, die einander erbittert bekämpften, indem sie sich u.a. gegenseitig die Nahrungsvorräte zerstörten. Sie verschärften also ihr Elend selbst noch mehr. Ja, es kam sogar soweit, daß Mütter ihre eigenen Kinder schlachteten und aufaßen!
Der Historiker Flavius Josephus war Zeitzeuge der Eroberung Jerusalems. In seinem Werk „Der Jüdische Krieg“ führt er ganz schauerliche Dinge an, welche die Römer in der Heiligen Stadt vorgefunden hatten, nachdem sie dieselbe erobert hatten.
Auf das Ende der Welt angewandt, werden das Elend und die dann herrschende Grausamkeit unter den Menschen vergleichbar sein mit jener bei der Zerstörung Jerusalems.
b) Ähnlichkeit in der Ursache
Wenn wir sodann nach der Ursache für das göttliche Strafgericht fragen, das zur Eroberung Jerusalems und zur Schleiffung des jüdischen Tempels führte, so liegt die Antwort klar auf der Hand. Das auserwählte Volk hatte den von Gott gesandten Messias verworfen und gekreuzigt. – Diese Anklage hatte schon der hl. Petrus am Pfingsttag erhoben: „Diesen [Jesus von Nazareth], der nach dem festgesetzten Ratschluß und dem Vorherwissen Gottes überliefert war, habt ihr durch die Hände der Gottlosen [Pilatus; Römer] ans Kreuz geschlagen und getötet.“ (Apg. 2,23).
Ähnlich wird das Strafgericht am Ende der Welt die Vergeltung für genau dieselbe Sünde sein, nämlich für die Apostasie; für den Abfall von Jesus Christus, dem Erlöser der Welt. Und zwar nicht nur der Abfall eines Volkes, sondern aller Völker, die sich zuvor zum Christentum bekehrt hatten.
Die verschiedenen Symptome dieses Abfalls können wir heute mit unseren eigenen Augen schauen: der hohe Grad der Unsittlichkeit, noch mehr die Verblendung und Unbelehrbarkeit der menschlichen Geister, die Gewissen- und Verantwortungslosigkeit der Menschen. – Wir erleben augenblicklich ein post-christliches Neuheidentum, das viel schlimmer ist als ein vorchristliches Heidentum. Denn das vorchristliche Heidentum war trotz aller Sittenverderbnis offen für die Wahrheit und eben deshalb heilbar. Ob seiner Wahrheitsliebe konnte es das Evangelium zu seinem Heile annehmen. Das postchristliche Neuheidentum ist gerade dadurch charakterisiert, daß es das Christentum kategorisch verwirft, womit es sich verhängnisvollerweise der Wahrheit verschließt und so unheilbar der Verblendung und Lüge verfallen bleiben muß.
Die Ursachen beider Ereignisse sind also dieselben. In beiden Fällen ist es die Apostasie von Christus.
c) Ähnlichkeit in den Anzeichen
Schließlich herrscht auch eine Entsprechung in den Anzeichen, die auf das Bevorstehen des Endes Jerusalems bzw. der Welt hinweisen. Beiden Ereignissen wird eine große Verfolgung der Rechtgläubigen vorausgehen; das Auftreten falscher Propheten, also von Lügnern, die sich für Christus ausgeben und durch scheinbare Wunder die Gläubigen betören; und schließlich das Erscheinen des Antichrist; sowie der Greuel der Verwüstung an heiliger Stätte.
Der Greuel der Verwüstung an heiliger Stätte
Das Alte Testament versteht unter dem Ausdruck „Greuel der Verwüstung“ stets den Götzendienst.
Wir haben bereits 1986 Götzenbilder in den Kirchen von Assisi gesehen. Vor zwei Jahren sahen wir die Verehrung der „Göttin“ Pachamama. Wo? Im Petersdom in Rom!
Was man sich vor sechzig, siebzig Jahren nicht vorstellen konnte, das ist heute Wirklichkeit geworden. Ein Götzenbild im Heiligtum der Basilika von St. Peter! Mitten im Zentrum der katholischen Welt wurde Götzendienst getrieben! Wenn wir sodann nicht nur die Gotteshäuser des Erdkreises berücksichtigen, sondern jene aus Fleisch und Blut betrachten – also die getauften Christen, die ja durch die hl. Taufe zu einem „Tempel des Heiligen Geistes“ geweiht worden sind, in dem die Allerheiligste Dreifaltigkeit durch die heiligmachende Gnade wie in einem Heiligtum wohnt – dann finden wir auch dort einen geistigen Götzendienst, wie nie zuvor. Überall finden wir bei dem Großteil der Getauften die offensichtliche Verwüstung durch die Sünde. Menschen, die ein Leben aus dem katholischen Glauben führen, sind eine auffällige Absonderlichkeit geworden. Was früher gang und gäbe war, ist heute eine seltene Ausnahme. Stattdessen haben sich überall Menschen, die einst in der Taufe zu einem Heiligtum Gottes geweiht wurden, ein Götzenbild ins Herz gepflanzt: Reichtum, Lust, Genüsse, Bequemlichkeit, Ansehen, Macht. Der ganze Personenkult, Körperkult und Modekult, der betrieben wird, geben ein beredtes Zeugnis davon.
Die Erfüllung der Zahl der Heiden
In der Parallelstelle im Lukasevangelium finden wir zum einen eine klarere Trennung der einzelnen Ereignisse vor, zum anderen eine bemerkenswerte Prophetie.
Zuerst zählt der Herr auch hier die Ereignisse auf, die zur Zerstörung Jerusalems führen werden. Er sagt: „Wehe den hoffenden und stillenden Müttern in jenen Tagen! Denn eine große Drangsal wird über das Land kommen und ein Zorngericht über dieses Volk. Und sie werden durch die Schärfe des Schwertes fallen und gefangen fortgeführt werden unter alle Völker. Und Jerusalem wird von den Heiden zertreten werden, bis die Zeiten der Heiden abgelaufen sind.“ (Lk. 21,23).
Bis die Zeiten der Heiden abgelaufen sind! Die „Zeiten der Heiden“, das ist jene Periode von Jahrhunderten, die Gott den nicht-jüdischen Völkern der Welt einräumt, um durch die Annahme des Evangeliums der Erlösung durch Christus teilhaftig zu werden.
Beim hl. Matthäus ist dieselbe Vorhersage, nur weniger deutlich, in den Worten des Herrn enthalten: „Auch wird dieses Evangelium vom Reich in der ganzen Welt gepredigt werden, allen Völkern zum Zeugnis. Und alsdann wird das Ende kommen.“ (Mt. 24,14). Und auch der hl. Paulus schreibt in seinem Brief an die Römer: „Denn ich will euch, meine Brüder, über dieses Geheimnis nicht in Unwissenheit lassen damit ihr euch nicht selbst erhebet, daß die Verblendung über einen Teil von Israel gekommen ist, bis die Fülle der Heiden [in die Kirche] eingeht.“ (Röm. 11,25). Der eine Teil der Juden hatte sich bekehrt und hat Christus als Messias angenommen. Der andere Teil bleibt in Verblendung bis die Zahl der aus dem Heidentum stammenden Christen voll ist. D.h. wenn die von Gott festgesetzte Zahl der Heidenchristen erfüllt ist, dann werden sich auch die bis dato verblendeten Juden von ihrem Judaismus lossagen und sich zu Jesus Christus bekehren.
Im Lukasevangelium spricht der Herr nach der Vorhersage über den Untergang Jerusalems, sodann auch über die Anzeichen, die allein dem Weltende vorausgehen werden. Er sagt: „Es werden Zeichen sein an Sonne, Mond und Sternen. Und auf der Erde wird beklemmende Angst unter den Völkern sein wegen des ungestümen Rauschens des Meeres und der Flut. Und die Menschen werden vergehen vor Furcht und Erwartung der Dinge, die über den Erdkreis hereinbrechen; denn die Kräfte des Himmels werden erschüttert werden. Und dann werden sie den Menschensohn kommen sehen auf einer Wolke mit großer Macht und Herrlichkeit.“ (Lk. 21,25-27). All das ist nicht vor der Zerstörung Jerusalems eingetreten und kann sich folglich nicht darauf beziehen. Christus spricht hier also von einer ganz anderen Sache, nämlich vom Weltende. Wie gesagt, sind im Lukasevangelium beide Ereignisse über die Christus hier spricht, klarer voneinander zu unterscheiden als beim hl. Matthäus.
Die Bekehrung der Juden
Der hl. Matthäus erwähnt aber wiederum ein Detail, das wir beim hl. Lukas nicht finden. Matthäus verweist im Zusammenhang mit dem „Greuel der Verwüstung an heiliger Stätte“ auf den Propheten Daniel, wenn er schreibt: „Wenn ihr am heiligen Ort den Greuel der Verwüstung seht, der von dem Propheten Daniel vorhergesagt worden ist, …“
Der Prophet Daniel lebte im 6. Jahrhundert vor Christus. Seine Prophetie vom „Greuel der Verwüstung“ taucht an zwei Stellen des gleichnamigen Prophetenbuches auf. Einmal im 9. Kapitel und noch einmal im 12. Kapitel. – Bei der Weissagung im 9. Kapitel spricht der Prophet klar und eindeutig von der Zerstörung Jerusalems durch Titus im Jahre 70 n. Chr. Nachdem Israel den Messias getötet haben wird und damit am Karfreitag als alttestamentliches Bundesvolk aufgehört hat zu existieren, heißt es weiter: „Ein Volk [die Römer] wird mit einem heranziehenden Fürsten [Vespasian, der während der Belagerung Jerusalems römischer Kaiser wurde und den Oberbefehl über die römischen Legionen vor Jerusalem an seinen Sohn Titus weitergab] Stadt und Heiligtum zerstören; ihr Ende wird Verwüstung sein, und Verwüstung ist verhängt nach Beendigung des Krieges. … Schlachtopfer und Speiseopfer werden aufhören; im Tempel wird der Greuel der Verwüstung sein, und bis zur Vollendung und zum Ende der Verödung dauern.“ (9,26).
Genau das ist bei der Zerstörung Jerusalems eingetreten. Der Tempelkult kam endgültig zum Erliegen. Der Tempel wurde vollständig geschleift. Einzig die sog. Klagemauer ist davon übriggeblieben; also ein Teil der Fundamente des Tempels. Und diese Verwüstung dauert bis heute an. Zur Zeit des Hieronymus befand sich an der Stelle des Tempels ein großes Reiterstandbild des Gott-Kaisers Hadrian. Heute befinden sich dort der Felsendom und die al-Aqsa-Moschee. Diese Verwüstung an heiliger Stätte wird dauern „bis zur Vollendung und zum Ende der Verödung dauern“, also bis ans Ende der Zeiten, wenn das verstockte Israel seinen schrecklichen Gottesmord erkennt und reuig zu Gott zurückkehrt, indem es endlich Jesus Christus als Messias annimmt. Während zwar die Zerstörung des Tempels im Jahre 70 n. Chr. bereits eingetreten ist, steht die Bekehrung der Juden immer noch aus.
Freilich ist das Folgende reine Spekulation, doch scheint die Bekehrung der Juden nicht mehr lange auf sich warten zu lassen. Zum einen scheint die „Fülle der Heiden“ erreicht und der „große Abfall“ im Gange zu sein. Zum anderen scheint aus einigen Privatoffenbarungen – u.a. auch an die hl. Hildegard von Bingen – hervorzugehen, daß es nach einer „dreitägigen Finsternis“ – die den Schlußpunkt eines „großen Krieges, den nur Gott gewinnt“, setzen werde – nur mehr eine Religion auf der Welt geben werde. Evtl. wird das Scheitern der kabbalistisch-freimaurerischen Bemühungen, den Tempel wiederaufzubauen, sodann die Heimsuchung der Juden durch dieselben letzten Plagen, welche damals die Ägypter trafen (vgl. Ex. 10,21; Ex. 11,4), sowie das erneute Auftreten des Propheten Elias, die Geister der Juden für das Evangelium Jesu Christi öffnen, gemäß der Vorhersage Christi: „Elias wird (zwar) kommen und wird alles wieder herstellen.“ (Mt. 17,11). – Doch kehren wir nach diesem kurzen Ausflug in das Reich der Spekulationen zurück zur geoffenbarten Wahrheit beim Propheten Daniel.
Die andere Stelle, wo Daniel über den „Greuel der Verwüstung“ spricht findet sich im 12. Kapitel. Hier weissagt der Prophet ganz klar über den Antichrist und die Zeit vor dem Ende der Welt. Er sagt: „Zu jener Zeit aber wird Michael, der große Fürst, der für die Söhne Deines Volkes einsteht, sich erheben; denn es wird eine Zeit kommen, wie keine gewesen, seitdem Völker sind, bis zu jener Zeit. … Von der Zeit aber, da das beständige Opfer abgeschafft und der Greuel zur Verwüstung aufgestellt ist, sind 1290 Tage.“ (Dan. 12,1.11). Hier ist ganz klar vom Antichrist und vom Ende der Welt die Rede. Die Zahl der Tage machen ungefähr dreieinhalb Jahre aus. Das ist jenes Zeitintervall der Drangsale, welche in dieser allerletzten Zeit durch den Antichrist herbeigeführt werden wird, und das offenbar durch die Wiederkunft Christi ihr Ende nimmt. Liest man doch beim hl. Paulus: „Und alsdann wird jener Ruchlose offenbar hervortreten, doch der Herr Jesus wird ihn töten mit dem Hauche Seines Mundes und zunichte machen durch den Glanz Seiner Ankunft.“ (2. Thess. 2,8).
Das Auftreten des Antichrist
Der Römische Katechismus gibt drei Dinge an, die vor dem Weltende eintreten müssen: 1. Die Verkündigung des Evangeliums auf dem ganzen Erdkreis. 2. Ein allgemeiner Glaubensabfall. Und 3. das Auftreten des Antichrist. Als dieser Katechismus, nach dem Konzil von Trient, im 16. Jahrhundert herausgegeben wurde, war noch kein einziges dieser drei Ereignisse eingetreten.
Heute können wir sagen, daß das 1. und 2. Ereignis Wirklichkeit geworden ist. Die Verkündigung des Evangeliums in der ganzen Welt ist durch die Missionare des 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts verwirklicht worden. Den Abfall vom Glauben erleben wir heute. Er dauert seit dem 2. Vatikanum an und ist mit ziemlicher Sicherheit (wenigstens die erste Periode) jener Apostasie, die der hl. Paulus im 2. Thessalonicherbrief „den großen Abfall“ (2. Thess. 2,3) nennt, der dem Antichrist die Wege bereiten wird.
a) Christenfeindlichkeit
Was mit Sicherheit noch fehlt, ist das Auftreten des Antichrist selbst. Doch man nimmt wahr, wie sich auch hier die antichristlichen Kräfte und Mächte bündeln. Überall auf der Welt sind revolutionäre Kräfte am Werk; ob sie nun kommunistisch-sozialistisch rot eingefärbt sind, oder sich libertär gebärden. Alle scheinen bei dem großen globalistischen Plan zusammenzuarbeiten, indem sie auf die Zerschlagung der bestehenden Ordnung, der politischen und staatlichen Systeme, hinwirken.
Ferner herrscht in den Herzen der Menschen so viel Haß; nicht nur unter den Politikern, sondern auch unter den einfachen Menschen, auch bei jungen Leuten. Haß, der sich heute schon entlädt, wenn man die natürlichsten Dinge der Welt ausspricht; Dinge die vor zwanzig, dreißig Jahren gar nicht gesagt werden mußte, weil sie jedermann ganz selbstverständlich waren.
Man kann wahrnehmen, wie sich da ein bestimmter Geist zusammenbraut; ein Geist der Verfolgung. Die Verfolgung gerade jener Dinge, die der Katholik bekennt! Das wird sich vielleicht noch nicht gleich in den nächsten paar Jahren in Verfolgungen entladen, aber man kann die Richtung klar erkennen.
Die Saat der Ablehnung und des Hasses gegen alles Natürliche, Traditionelle und Heilige, wurde seit 1968 systematisch ausgebracht. Sie ist gewachsen und hat sich seither – insbesondere in den letzten 20 Jahren – auf immer mehr Bereiche des öffentlichen und privaten Lebens ausgebreitet. Sie ist aggressiver geworden und hat vor allem bedeutend an politischer Macht gewonnen.
Wenngleich das Auftreten des Antichrist – vielleicht durch die Bekehrung der Juden und ein wundersames Erblühen der katholischen Kirche, das wir so innig herbeisehnen – noch einmal verzögert werden wird, so dürfte man mit der Annahme nicht falsch liegen, daß der „Mensch der Sünde“ einst in einer ähnlichen geistigen Atmosphäre in Erscheinung treten wird, in der wir heute leben.
b) Globalismus
Auch der Globalismus selbst scheint ein Phänomen zu sein, das den Antichrist ankündigt. Der Antichrist wird ein Anti-Christkönig sein. Wie der Christkönig die Herrschaft über die ganze Welt beansprucht, so wird es auch der Antichrist tun. Also über das gesamte öffentliche Leben, bis hinein in die Gesinnungen des Einzelnen.
Damit die ganze Welt in der Hand eines einzigen Menschen liegen kann – also in der Hand des Antichrist – muß die gesamte Welt sehr gut organisiert sein, damit dieser wirklich mit dem Apparat eines zentralistischen Weltstaates alles regulieren, regieren und kontrollieren kann.
Der Globalismus arbeitet auf dieses Ziel hin indem er den technischen Fortschritt seiner Sache dienstbar macht; indem er die vielfältigen herbeigeredeten und tatsächlichen Krisen der Wirtschaft, der Finanzwelt, der Weltgesundheit, der Erderwärmung, etc. zum Gelingen seine Agenda auszunutzen weiß. Das ist offensichtlich.
Die Menschen sollen in Panik versetzt werden. Wenn die Menschen in Panik verfallen, dann tritt ihr Verstand zugunsten der Leidenschaften zurück. Sie handeln dann auf extreme Weise, reagieren über und werden eben dadurch weiter fanatisiert. – Es mag tatsächlich heute ernste Probleme geben. Diese hat es aber zu jeder Zeit der Menschheitsgeschichte gegeben. Um sie zu lösen, ist klarer, nüchterner Verstand notwendig. Fanatismus und Panik verhindern und blockieren die Problemlösung.
Kurz: Man kann sagen, daß sich sowohl die Atmosphäre, als auch die Macht-Apparatur des Antichrist langsam abzuzeichnen scheint.
c) Das nochmalige Aufblühen der katholischen Kirche
Viele, wenn nicht alle Kommentatoren der Heiligen Schrift fügen zu den drei dem Ende der Welt vorausgehenden Ereignissen, welche der Römische Katechismus angibt, noch ein viertes hinzu; nämlich die Bekehrung der Juden. Viele Ausleger vermuten, daß das in der Zeit des großen Glaubensabfalls geschehen wird.
Wie einst die göttliche Offenbarung und das Gottesreich den Juden aufgrund ihrer Apostasie im 1. Jahrhundert n. Chr. weggenommen wurde und den Heiden zum Heile gegeben worden ist, so scheint es angemessen zu sein, daß am Ende, wenn die aus dem Heidentum stammenden Christen zu Apostaten werden, ihnen wiederum die göttliche Offenbarung und das Gottesreich weggenommen und den Juden mitgeteilt werden wird.
Wenn sich die Juden am Ende der Zeit bekehren, dann werden sie endlich jene heilige Sendung erfüllen, derer sie sich seit der Zeit Christi verweigert hatten. Sie werden den katholischen Glauben und die katholische Kirche mit all den ihnen zur Verfügung stehenden Begabungen und Mitteln verbreiten und aufbauen.
Wie die Macht und das organisatorische Talent des heidnischen Römerreiches der katholischen Kirche großen Ruhm und viel Ehre eingebracht hat, als die Römer christlich geworden waren, so birgt auch das jüdische Volk großes Potential in sich. Und wenn die Juden dieses Potential einst richtig kanalisieren werden – nicht mehr wie heute, um die katholische Kirche zu bekämpfen, sondern um sie überall auszubreiten und aufzubauen – dann wird der Kirche noch eine (vermutlich nur kurze) Ära des Ruhmes und der Herrlichkeit beschieden sein, wie noch nie zuvor in ihrer Geschichte.
Der Maßstab des Richterspruches – Barmherzigkeit!
Obwohl die Ereignisse, welche dem Ende der Welt vorausgehen, natürlich furchtbar und zweifelsohne zu fürchten sind, so ist doch weitaus mehr das Gericht zu fürchten, das im Anschluß daran über alle Menschen ergeht. Auch darauf kam unser Herr am Ende Seiner Endzeitrede zu sprechen.
Ob wir den tatsächlichen Weltuntergang nun miterleben werden oder nicht, ist einerlei. Jeder von uns wird in der Todesstunde seinen persönlichen „Weltuntergang im kleinen“ erleben. Insofern kann man sagen, daß sich der eingangs problematisierte Ausspruch Christi – „Wahrlich, Ich sage euch, dieses Geschlecht wird nicht vergehen, bis dies alles geschieht.“ – auf jeden von uns bezieht.
Der Tod ist der persönliche Weltuntergang, auf den jeder unausweichlich zugeht. Deshalb müssen wir uns auf den Tod vorbereiten. Wie? Durch ein Leben nach dem Evangelium. Durch die Übung der übernatürlichen Gottes- und Nächstenliebe. Das geschieht vor allem durch die aus dem Glauben heraus gewirkten „Werke der Barmherzigkeit“.
Deshalb wird uns der ewige Richter gerade an diesen Werken messen. Durch sie beweisen wir unsere Liebe zu Gott an unserem Nächsten, wie Christus erklärt: „Wahrlich, Ich sage euch, was immer ihr einem dieser Meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr Mir getan.“ (Mt. 25,40). Bzw. „Was immer ihr einem dieser Geringsten nicht getan habt, das habt ihr auch Mir nicht getan.“ (Mt. 25,45).
Die „Werke der Barmherzigkeit“ sind leiblicher und geistiger Art. Die Werke der leiblichen Barmherzigkeit sind: Hungrige speisen, Durstige tränken, Nackte bekleiden, Fremde beherbergen, Gefangene erlösen, Kranke besuchen, Tote begraben. – Die Werke der geistigen Barmherzigkeit sind: Unwissende belehren; Zweifelnden recht raten; Sünder zurechtweisen; die Betrübten trösten; erfahrenes Unrecht geduldig ertragen; denen, die uns beleidigen, gerne verzeihen und für die Lebenden und die Toten beten.
Wenn wir diese Werke um Gottes willen tun, werden wir einst mit Freude die beseligenden Worte unseres göttlichen Erlösers vernehmen: „Kommt, ihr Gesegneten Meines Vaters! Nehmt das Reich in Besitz, welches euch bereitet ist seit Grundlegung der Welt.“ (Mt. 25,35). Das sind wunderbare Worte! Tröstliche Worte! Nehmt in Besitz das Reich, das euch bereitet ist seit Grundlegung der Welt. – Andernfalls werden wir die schrecklichen Worte vernehmen: „Weichet von Mir ihr Verfluchten in das ewige Feuer, das dem Teufel und seinen Engeln bereitet ist.“ Das ewige Feuer wäre eigentlich nur für den Teufel und seinen Anhang bestimmt. Wie furchtbar muß es sein, in das Feuer, welches dem Teufel gilt, gestoßen zu werden.
Eines ist jedoch absolut gewiß: Jeder von uns wird, seinen Werken entsprechend, entweder den einen, oder den anderen Satz aus dem Munde Christi vernehmen. Amen.