Die Kostbarkeit des Einzigartigen

Geliebte Gottes!

„Der einzige Sohn einer Mutter, die Witwe war.“ – Mit diesen Worten ist alles gesagt, was notwendig ist, um uns die Größe des Schmerzes beim Verlust des Jünglings von Naim erkennen zu lassen, als auch den Überschwang der Freude bei dessen Wiederbelebung.

Was man mehrfach besitzt, hütet man weniger und verschmerzt man leichter als das, wovon man nur ein einziges hat und es nach seinem Verlust nicht mehr zurückerhalten kann. Lassen Sie uns deshalb heute die Kostbarkeit dreier einzigartiger Güter besonders erwägen.

Die hl. Theresa von Avila riet ihren Nonnen oft folgendes zu bedenken: „Es ist nur eine Seele, nur ein Leben, nur ein Himmel.“ bzw. nur eine Ewigkeit. Bedenken auch wir es! Wir alle haben:

  1. nur eine einzige Seele,
  2. nur ein einziges Leben, und
  3. nur eine einzige Ewigkeit vor uns.

Eine einzige Seele

Jeder von uns hat nur eine einzige, unsterbliche Seele. Wie kostbar ist sie? – Das erkennen wir schon daraus wer sie erschaffen hat.

a) Die Erschaffung der Seele

Wer hat sie erschaffen? Kein geringerer als Gott selbst! Unseren Leib mit seinen Anlagen haben wir ererbt von unseren Eltern. Nicht so die Seele! Kein Geschöpf kann eine Seele schaffen. Die Seele eines jeden Menschen ist unmittelbar von Gott geschaffen und dem Leib eingegossen worden.

Bei der Schöpfung des ersten Menschen heißt es: „Da bildete Gott, der Herr, den Menschen aus dem Lehm der Erde, und hauchte in sein Angesicht den Odem des Lebens.“ (Gen 2,7). Dieser Lebensodem ist nichts anderes als die Seele, welche seither jedem, im Boden des Mutterschoßes heranreifenden Kinde, von Gott selbst und unmittelbar eingehaucht wird. Ganz einzigartig und einmalig! Da unsere einzigartige Persönlichkeit – unser Ich – wesentlich mit der Seele gegeben ist, kann also jeder von uns sagen: „Ich selbst bin unmittelbar von Gott erschaffen. Gott selber hat mich geschaffen.“

Welchen unbeschreiblichen Wert hat also die Seele, wenn der Allerhöchste selbst – der einzige, der zu einem solchen Werk der Allmacht fähig ist – sie ins Dasein rief.

b) Die Erlösung der Seele

Noch deutlicher erkennen wir ihren Wert, wenn wir erwägen, was die Seele in den Augen Gottes wert ist. Woran erkennen wir ihren Wert? – Wir erkennen es welchen Preis Gott bereit war zu zahlen, um uns zu erlösen. Welchen Preis hat Gott für unsere Seele gezahlt? – Der hl. Petrus antwortet: „Ihr wißt ja, daß ihr nicht mit vergänglichen Gütern, mit Silber oder Gold, von eurem törichten, von den Ahnen überkommenen Wandel losgekauft wurdet, sondern durch das kostbare Blut Christi, dieses makellosen und fleckenlosen Lammes.“ (1. Petr. 1,18-19). Nichts geringeres als das kostbare Blut Jesu Christi, des Sohnes Gottes, war Gott bereit zu bezahlen, um unsere Seele aus den Ketten der Sünde und aus der Knechtschaft des Teufels loszukaufen. Mehr noch!

Ein Tropfen dieses Blutes hätte ja genügt, unsere Seelen zu erlösen. Aber Gott wollte, daß das Erlöserblut in Strömen vergossen werde, ja bis zum letzten Tropfen, bis zur Lebenshingabe des Gottessohnes: „So sehr hat Gott die Welt geliebt, daß Er seinen eingeborenen Sohn dahingab.“ (Joh. 3,16). Nichts Geringeres als das Leben des eingeborenen Sohnes, war der Preis, den Gott zu zahlen bereit war. Soviel ist Ihm unsere Seele wert.

c) Die Bestimmung der Seele

Bedenken wir sodann auch die Bestimmung der Seele. Die Seele ist zwar verbunden mit dem Leib, doch ist sie nicht dazu ausersehen das Schicksal des Leibes zu teilen. – Der Leib ist aus Teilen zusammengesetzt. Was zusammengesetzt ist kann in seine Einzelteile zerlegt, geteilt, also zerstört werden. Weil der Leib aus Teilen zusammengesetzt ist, ist er von Natur aus sterblich. Die Gabe der Unsterblichkeit, die dem Leib im Paradies und noch viel mehr nach der Auferstehung des Fleisches am Jüngsten Tag zu eigen war bzw. sein wird, ist eine übernatürliche Gabe Gottes. Aufgrund seiner zusammengesetzten Natur ist der Leib an sich sterblich und damit dem Verfall und der Auflösung preisgegeben.

Nicht so die Seele! Die Seele besteht nicht aus Teilen. Sie ist Geist und damit ganz einfach. Was einfach ist, kann nicht geteilt, zerlegt, zerstört, getötet werden. Folglich ist das Dasein der Seele, einmal geschaffen, unendlich.

Die Seele ist für die Ewigkeit geschaffen. Sie ist für die ewige Seligkeit bei Gott geschaffen. Für den ewigen Genuß, für das ewige Glück. Denn jede Seele trägt in sich ein unstillbares Verlangen nach Glück. Kein geschaffenes Gut kann dieses Verlangen vollends und auf Dauer stillen. – Aus Erfahrung wissen wir: Sinnliche Genüsse gehen vorbei. Ist einer satt, so dauert es nicht lange und er ist wieder hungrig. Erlangt einer Wissen, so wirft eine gewonnene Erkenntnis stets neue Fragen auf. Gelangt der Mensch in den Besitz von einem Sack voll Gold, so will er einen zweiten haben. Kurz: Kein Gut dieser Welt, weder ein materielles Gut noch ein geistiges Gut, ja nicht einmal alle geschaffenen Güter zusammen können den Durst stillen, welchen die Seele verspürt.

Diese Einsicht hielt schon König Salomon im Buch Kohelet so anschaulich fest: „Ich sah alles, was unter der Sonne geschieht, und siehe, alles ist Eitelkeit und Geistesplage! … Ich sprach in meinem Herzen und sagte: Siehe, ich bin groß geworden, und habe alle, die vor mir in Jerusalem gewesen, an Weisheit übertroffen; und mein Geist hat vieles weislich erwogen und erlernt. … Und ich ward inne, daß auch darin Mühe und Geistesplage ist; denn bei vieler Weisheit ist viel Mißmut, und wer die Kenntnis mehrt, mehrt auch das Leid. Ich sprach in meinem Herzen: Ich will hingehen, und Freude in Fülle erlangen, und das Gute genießen; … Ich unternahm große Werke, baute Häuser, pflanzte Weinberge, legte Gärten und Haine an … Ich hatte Knechte und Mägde … Ich häufte mir Silber und Gold auf, und die Schätze von Königen und Ländern; ich verschaffte mir Sänger und Sängerinnen, und was den Menschenkindern Lust bereitet … Ich übertraf an Besitz alle, die vor mir in Jerusalem waren … Und nichts von dem, was mein Auge verlangte, versagte ich ihnen und ich wehrte meinem Herzen nicht, jede Lust zu genießen und sich zu freuen an dem, was ich herbeigeschafft hatte; und ich erachtete es als meinen Anteil, die Früchte der Mühe zu genießen. – Als ich aber alle Werke überschaute … sah ich in allen Eitelkeit und Geistesplage und – daß nichts von Dauer sei unter der Sonne.“ (Pred. 1,14-2,11). – Ein Blick auf die prominenten Stars und Sternchen in unserer Zeit bestätigt eben diese Schilderung. In die Jahre gekommen sehen sie verbraucht aus, aller Genüsse scheinbar überdrüssig. Eitelkeit und Geistesplage sind ihnen ins Gesicht geschrieben. Und das, obwohl sie sich alles leisten und alles genießen können, was sie nur wollen. Es ist nicht genug. Nichts von alledem stellt sie vollkommen zufrieden; nichts davon kann sie selig machen.

Die Seele ist eben zu groß, als daß ein geschaffenes Gut sie ausfüllen könnte. Warum? – Weil „nichts von Dauer ist unter der Sonne“, wie König Salomon sagt. Alles Glück dieser Welt geht vorüber, geht wieder verloren und verdient deshalb, nach dem hl. Augustinus, gar nicht die Bezeichnung „Glück“. Dieser hl. Kirchenvater sagt: „Ein vergängliches Glück nenne ich kein Glück.“

Aus der Erfahrung des unstillbaren Durstes unserer Seele nach Freude und Glück einerseits, und der Tatsache, daß kein geschaffenes Gut aufgrund seiner Begrenztheit und Vergänglichkeit in der Lage ist, diesen Durst vollends zu stillen, ergibt sich notwendig der Schluß, daß die ewige Bestimmung der Seele in einem unendlichen und ewigen Gut bestehen muß, das sich nicht in dieser Welt finden läßt.

Weder Auge, noch Ohr, noch irgendeiner unserer Sinne kann dieses Gut fassen, wie der hl. Paulus an die Korinther schreibt: „Kein Auge hat es gesehen, kein Ohr hat es gehört, in keines Menschen Herz ist es gedrungen, was Gott denen bereitet hat, die Ihn lieben.“ (1. Kor. 2,9). Und welches Gut hat Gott denen bereitet, die Ihn lieben? – Es ist das unendliche Gut, das all unser Sehnen übersteigt. Es ist das einzig unvergängliche, das ewige Gut, Gott selbst. Um Gott zu besitzen ist die Seele geschaffen. Um Gott zu besitzen ist die Seele durch das Blut Christi erlöst worden. Um Gott zu besitzen ist ihre Bestimmung die Ewigkeit des Himmels.

d) Die Seele – ein einzigartiges Gut

Unsere Seele allein ist also an sich schon aller Sorge wert. Hinzu kommt aber, daß es unsere einzige ist. – Wer sie gewinnt, hat alles gewonnen. Von ihrer Rettung hängen unsere glorreiche Auferstehung, der Besitz Gottes und das ewige Leben ab. Sie ist wahrhaft die kostbare Perle, für welche der Kaufmann im Evangelium alles hingibt, um sie zu erwerben. Darum betet David im Psalm: „Errette meine Seele von ihrer [meiner Feinde] Bosheit; entreiße den Löwen mein einziges Gut.“ (Ps. 34,17). David nennt die Seele sein einziges Gut!

Wer seine Seele hingegen verliert, hat alles verloren, mag er auch Länder nach seinem Namen benannt haben, ja die ganze Welt sein eigen nennen. Mit dem Tod geht für ihn alles verloren, die Zeit und die Ewigkeit. Und er hat auch keine zweite Seele mehr, um den Verlust zu ersetzen. Um keinen Preis kann er die verlorene Seele wieder zurückkaufen, wie der Heiland mit Seiner rhetorischen Frage lehrt: „Was könnte der Mensch wohl geben, um seine Seele wieder einzutauschen?“ (Mt. 16,26). Darin ist die Antwort eingeschlossen: Gar nichts! Nichts gleichwertiges könnte der Mensch geben! Er kann sie nicht zurückkaufen. Einmal verloren, für immer verloren.

Wie sehr schätzen also diejenigen ihre Seele gering, wenn sie sündhaftes Tun. Jene, denen die Religion egal ist; die den Glauben verachten und verspotten, auf Gottes Namen fluchen; den Sonntag entheiligen; die Autorität mißachten; dem Nächsten an Leib und Seele, oder auch an seinen Gütern schaden; die Ehe brechen, den eigenen Leib und womöglich auch den Körper des anderen entweihen, indem sie Unzucht treiben; den Ruf des Nächsten schädigen durch üble Nachrede oder gar Verleumdung; die fremdes Eigentum schädigen, rauben oder trügerisch stehlen. – All das sind Anschläge auf die eigene Seele, weil sie sich nicht in Zucht nehmen. Im Buch der Sprüche heißt es: „Wer die Zucht verwirft, verachtet seine eigene Seele.“ (Spr. 15,32). Wer die Zucht verwirft, verachtet seine eigene Seele! – Im Gegenteil bestünde also in der Zucht jene geordnete Selbstliebe, die uns in die Lage versetzt, Gott aus ganzer Seele und den Nächsten wie uns selbst zu lieben.

Aber wie viele opfern nicht ihre Seele aus falscher Rücksicht auf Menschen. Was werden die anderen wohl über mich denken? Was werden sie von mir reden? Wie stehe ich vor ihnen da, wenn ich meinen Mund aufmache und die Dinge beim Namen nenne? – Ja, wie oft hat nicht schon blinde Elternliebe oder Menschenfurcht, auf Kosten der eigenen Seele gewissenlose Dienste geleistet! – Von Papst Benedikt XII. (†1342) erzählt man, er sei in einer sündhaften Angelegenheit gedrängt worden, seine Zustimmung zu geben. Darauf habe der Heilige Vater geantwortet: „Hätte der Papst zwei Seelen, so könnte ich wohl eine zum Opfer bringen, um Ihrem Wunsche zu entsprechen. Weil aber auch der Papst nur eine einzige Seele hat und ich eben diese retten muß, weise ich Ihr Ansinnen zurück.“„Denn was nützt es dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewänne, aber an seiner Seele Schaden litte? Was könnte der Mensch wohl geben, um seine Seele wieder einzutauschen?“ (Mt. 16,26).

Ein einziges Leben

Jeder Mensch besitzt nur eine einzige Seele. Ferner aber auch nur ein einziges Leben. Wie wichtig und kostbar ist doch dieses Leben! – Die Zeit dieses Lebens bietet uns die einzige Gelegenheit ewiges Verdienst zu sammeln – ewiges Verdienst, oder Mißverdienst. – Das Leben ist der Arbeitstag, der Tod der Feierabend, die Ewigkeit ist die Nacht, in der niemand mehr wirken kann. Somit ist das Leben allein verdienstfähig. Und wir haben nur ein einziges.

a) Der Wert und die Unwiederbringlichkeit der Zeit

Bedenken wir demnach den Wert der Zeit. Wieviel Gutes läßt sich nicht in einer Stunde, einem Tag, einem Jahr verrichten! Deshalb mahnt der hl. Paulus: „So seht denn zu Brüder! wie ihr vorsichtig wandelt; nicht wie Unweise, sondern wie Weise, indem ihr die Zeit wohl benützt.“ (Eph. 5,15f.). Und an anderer Stelle: „In Weisheit verhaltet euch gegen die, welche draußen [in der Welt] sind, indem ihr die Zeit wohl benützt.“ (Kol. 4,5) Wörtlich heißt es: „Indem ihr die Zeit in Pacht nehmt.“ Wie ein Kaufmann, der einen Laden pachtet und in der Zeit des Pachtvertrages soviel Gewinn als nur möglich aus der Ladenfläche zu erwirtschaften trachtet, damit seine Erträge die Pachtkosten übertreffen und er kein Verlustgeschäft macht; genauso sollen wir die Zeit als eine Pacht betrachten, um soviel Verdienst für die Ewigkeit wie nur irgend möglich aus ihr herauszuschlagen. Keinen Tag dürfen wir verschwenden, denn die Zeit dieses Lebens ist unwiederbringlich! – „Es ist dem Menschen bestimmt, einmal zu sterben; und darauf folgt das Gericht“ (Heb. 9,27), entnehmen wir dem Hebräerbrief des Völkerapostels. Wie nun der Baum im Tode fällt, so bleibt er samt seinen Erträgen in alle Ewigkeit liegen. So wiederum König Salomon: „Wenn der Baum fällt, nach Süden oder Norden, so bleibt er auf dem Orte liegen, wohin er gefallen ist.“ (Pred. 11,3).

So wie unser Leben am Ende geraten ist, so bleibt es – gelungen oder verpfuscht. Wir können keine einzige verschleuderte Lebensstunde zurückrufen, um sie besser zu benützen, geschweige denn das ganze Leben. – Wie groß wäre der Jubel in der Hölle, wenn die Verdammten noch einmal ins Leben zurückkehren könnten, um es besser zu benützen, ja wenn ihnen nur eine einzige Stunde geschenkt würde. Aber mit dem Tod ist es zu spät. „Jetzt ist die Zeit der Gnade, jetzt ist der Tag des Heiles.“ (2. Kor. 6,2) ruft der hl. Paulus der Gemeinde in Korinth zu. Jetzt haben wir die Kostbarkeit des Lebens in Händen, um daraus etwas zu gestalten, das in alle Ewigkeit unabänderlich dastehen wird.

b) Verkennung des Lebenswertes

Aber wie sehr wird die Lebenszeit doch mißbraucht! – Die schönen Jahre der Jugend werden vertan mit trägem Müßiggang, nutzlosem Spiel, eitlen Zerstreuungen und leerem Geschwätz. Wie schade um die Zeit der Jugend. Schade für Zeit und Ewigkeit! Wie viele Erwachsene bedauern heute bitter, daß sie die Tage ihrer Jugend nicht besser und zielstrebiger genutzt haben, bzw. daß man sie nicht dazu angetrieben hat!

Die Reifejahre werden mißbraucht, vor allem durch Wollust, Ehrgeiz und Habgier. Und das wären doch eigentlich die Jahre, in denen man mit der Gnade Gottes am meisten Gutes tun könnte, da man im Vollbesitz seiner geistigen und körperlichen Kräfte steht.

Manche hoffen für ein frommes, gottesfürchtiges Leben auf das Alter. Dann habe man ja Zeit zum beten. Weit gefehlt! In der Regel ist das Alter nur ein Ausmünden des bisherigen Lebens. Wer sein Leben lang die Bekehrung aufgeschoben hat, der wird es auch im Alter tun, wie das Sprichwort sagt: „Jung gewohnt, alt getan.“ D.h. wie sich einer in der Jugend gewohnt hat, so wird er es bis ins hohe Alter tun. Wer sich also aufgrund seiner Lauheit in der Vollkraft seiner Jahre nicht anschickt, durch Selbstüberwindung seine schlechten Gewohnheiten durch gute Gewohnheiten zu ersetzen, dem wird ein langes Leben bis ins hohe Alter wenig nützen. Im Gegenteil, es wird oft die Schuld und damit einhergehend auch die Strafe nur vergrößern. Sich auf die Barmherzigkeit Gottes in der Sterbestunde vertröstend, stirbt ein solcher Greis als ein Unbußfertiger, der er schon vor Jahren war, und fährt zur Hölle.

Welch schreckliche Vorstellung, müßten wir vom Sterbebett aus, oder gar aus einer unglückseligen Ewigkeit auf ein unwiederbringlich vergeudetes Leben zurückblicken. Vor allem, weil jedem von uns ja nicht nur die Zeit eines einzigen Lebens zur Verfügung steht, sondern wir uns daraus selber eine unabänderliche Ewigkeit bauen – entweder in den Freuden des Himmels oder in den Qualen der Verdammnis. Ein späterer Wechsel, aus den letzteren in die ersteren ist unmöglich.

Ein einziger Himmel

Wie wir schon bei der Erwägung der ewigen Bestimmung unserer Seele erkannt haben, ist der Himmel das letzte Ziel, an dem wir die ewige Ruhe, den Frieden und das Glück finden können, nach dem wir uns sehnen und für das wir geschaffen sind. Folglich hat der Himmel allein wahren Wert. Es gibt aber nur einen einzigen Himmel!

a) Die Sorge um den Himmel

Wer ihn erlangt, der hat alles. Er hat jenen Schatz im Acker, von dem der Herr im Evangelium spricht, nicht nur gefunden, sondern wie der Kaufman des Gleichnisses, auch alles hingegeben und den Acker rechtmäßig erworben. Sowohl die Früchte des Ackers als auch den kostbaren Schatz darf er jetzt genießen.

Wer den Himmel verliert, hat alles verloren. Die Güter der Welt sind ihm vom Tod entrissen und Gott hat nur einen Himmel geschaffen, den für die Gerechten. Für die Sünder jeder Art hat Er keinen Himmel mehr übrig. Das Schicksal derer, die aufgrund nur einer einzigen nichtbereuten, im Bußsakrament nicht nachgelassenen Todsünde in die Ewigkeit abberufen werden, beschreibt das letzte Buch der Heiligen Schrift sehr deutlich. In der Geheimen Offenbarung heißt es: „Und wer nicht in das Buch des Lebens eingeschrieben erfunden war, der wurde in den Feuerpfuhl geworfen.“ (Offb. 20,15).

Der Gedanke an den Himmel ist so kostbar wie der Himmel selbst. Und doch wird er von den Menschen in diesem Leben nur gering geschätzt. Man denkt so selten daran. – Freilich, alle die an ein Leben nach dem Tod glauben, wünschen sich in den Himmel zu kommen und meinen auch behaupten zu können, daß alle „guten Menschen“, die keinen umgebracht haben, gewiß in den Himmel eingelassen würden. Kaum denken die Menschen hingegen daran, was dazu erforderlich ist. Der Mensch muß ja, wie wir schon öfters gesagt haben, nicht nur aufgrund seiner natürlichen Taten gut sein. Auch der Ungläubige, auch der Heide tut Gutes. Das ist unbestritten. Aber das genügt nicht, um in den Himmel zu gelangen. Dazu müssen unsere Werke nicht nur sittlich gut, sondern auch übernatürlich gut sein. D.h. sie müssen im Stande der heiligmachenden Gnade getan werden, den uns Gott vor allem durch die hl. Sakramente mitteilt. Nur so haben sie einen Wert für den Himmel. Das Leben der göttlichen Gnade muß unsere Werke beleben, daß die in ihnen wohnende sittliche Güte, den Tod überdauert. So mahnt uns die Stimme aus dem Himmel, die den hl. Apostel Johannes aufzuschreiben befahl: „Selig sind die Toten, die im Herrn sterben.“ D.h. die im Stande der heiligmachenden Gnade verscheiden. „Selig sind die Toten, die im Herrn sterben … denn ihre Werke folgen ihnen nach.“ (Offb. 14,13). Ihre guten Werke folgen ihnen nach, weil sie durch die übernatürliche Gnade gleichsam göttlich-belebt sind und folglich vom Todesurteil, das über die von der Sünde versehrte Natur erging, nicht getroffen werden.

b) Das Vorbild der Heiligen

Das Beispiel der Heiligen veranschaulicht uns, wie man einen Menschen, der in der rechten Gesinnung auf den Himmel hofft, von jenem unterscheiden kann, der sich die ewige Seligkeit vermessentlich verspricht und sich dabei selbst betrügt. – Die Heiligen hielten sich für Pilger und Fremdlinge auf Erden. Damit gaben sie „zu erkennen, daß sie ein [jenseitiges] Vaterland suchen.“ (Heb. 11,14). – Die „Kinder dieser Welt“ hingegen lassen Jesus ruhig reden vom Hause Seines Vaters, wo viele Wohnungen sind; lassen Ihn dort Plätze bereiten, aber – sie sind nur auf Erden heimisch; jagen nur den irdischen Dingen hinterher, wie König Salomon, aber ohne wie dieser, dadurch weise zu werden; ohne einen Gedanken an das himmlische Vaterland zu verschwenden. Sie gleichen so jenen ägyptischen Bauern, von welchen der Philosoph Seneca sagte, daß sie nie zum Himmel hinauf-, sondern nur zum Nil herabschauen, da sie von diesem alles hoffen.

Die Heiligen versuchen sodann, dem Wort des Völkerapostels an die Philipper Folge zu leisten: „Unser Wandel aber ist im Himmel, von wo wir auch den Heiland erwarten, unseren Herrn Jesus Christus.“ (Phil. 3,20). D.h. sie versuchen schon hier auf Erden als „Kinder Gottes“ ein ihrem jeweiligen Stande entsprechendes „himmlisches Leben“ zu führen, indem sie durch ein Leben des Gebetes, der Pflichterfüllung, der Tugendübung und des Opfers zu vertrauten Freunden Gottes und der Heiligen werden. Für sie verliert der Tod jeden Schrecken, ist er doch nur der erwartete Hochzeitslader, der ihre Seele nur hinüberführt in den erleuchteten Hochzeitsaal der Gottesfamilie, wo ihr Christus und die Engel und Heiligen des Himmels, als bestens bekannte Freunde begegnen.

Die „Kinder der Welt“ hingegen skizziert der hl. Paulus wenige Verse zuvor: „Viele wandeln, wie ich euch von ihnen oft gesagt habe, jetzt aber unter Tränen sage, als Feinde des Kreuzes Christi, deren Ende das Verderben, deren Gott der Bauch ist, und deren Ruhm in ihrer Schande besteht, die nach dem Irdischen trachten.“ (Phil. 3,18 f.). „Feinde des Kreuzes Christi“ sind sie, weil sie jede Form der Zucht und des Verzichts scheuen, empfindlich bei jedem Nadelstich aufschreien, oder auf jede Zurücksetzung zornig und rachsüchtig reagieren. „Ihr Gott ist der Bauch“, also ein ruhiges, abgesichertes, unbeschwertes Leben geht ihnen über alles. „Ihr Ruhm besteht in ihrer Schande“, d.h. sie brüsten und rühmen sich mit dem, was in den Augen Gottes schändlich ist. So ist es nicht verwunderlich, daß der Tod den „Feinden des Kreuzes Christi“ ein Schreckgespenst ist, weil sie intuitiv ahnen, welchem Schicksal er sie nur überantworten kann.

Mittel zur ewigen Seligkeit

Wir haben nur eine einzige Seele, dieses einzige Leben und eine Ewigkeit vor uns, in der es nur einen einzigen Himmel gibt, den wir erreichen müssen. Diese drei einzigartigen Gaben sind es wert, daß wir alles tun, alles dulden, alles opfern, alles bereit sind zu leisten, was erforderlich ist, um die Kostbarkeit der ewige Seligkeit zu erlangen.

Drei Mittel wollen wir hierfür in besonderer Weise zur Anwendung bringen:

  1. Die Verehrung der Gottesmutter. Vor allem die makellose Seele der Gottesmutter war zeitlebens auf den Himmel gerichtet. Sie war gleichsam wie ein Heißluftballon, den die Hitze ihrer reinsten Gottesliebe empor zum Himmel drängte, um immer weiter und weiter aufzusteigen. Einzig das Tau ihrer irdischen Berufung hielt sie von dem Drängen nach oben zurück. Erst als dieses Tau am Ende ihres Lebens gekappt wurde, ging sie mit Leib und Seele in den Himmel ein. – Jeder Heißluftballon hat einen Korb, in den Passagiere einsteigen können, um von der Kraft der heißen Luft im Ballon nach oben getragen zu werden. Wenn wir die Gottesmutter mit einem solchen vergleichen, dann ist ihr Unbeflecktes Herz gleichsam der Korb. Wenn wir zu ihrem Unbefleckten Herzen Zuflucht nehmen, wird sie uns darin bergen. Wenn dann einst im Tode das Tau unseres Lebens, das uns auf Erden zurückhält, zerschnitten wird, dann wird Maria unsere Seele sicher emportragen in die ewige Heimat.
  2. Als zweites wollen wir uns wieder besonders darum bemühen, am Morgen die „gute Meinung“ zu machen; also nach dem Aufstehen zuallererst den festen Entschluß fassen, alles was wir an diesem Tag tun und lassen; alles woran wir uns erfreuen, oder was uns ein Opfer abverlangt, daß all das zur höheren Ehre Gottes und aus Liebe zu Gott geschehen soll. Auf diese Weise werden unsere Werke, sofern wir uns im Gnadenstand befinden, nicht lediglich für die Welt, sondern hauptsächlich für den Himmel getan sein, und dürfen so auf ewigen Lohn hoffen.
  3. Sollte es doch geschehen, daß wir aus Schwäche oder Bosheit in eine Todsünde einwilligen, dann wollen wir uns besonders lebendig an das heutige Evangelium erinnern; wie unser göttlicher Erlöser, Jesus Christus, während Er das Holz der Bahre berührte, mit nur einem einzigen Wort den Jüngling von Naim, jenen „einzigen Sohn einer Witwe“, zum Leben auferweckte und uns so bald wie möglich mit aufrichtiger Reue und echtem Vorsatz zur hl. Beichte begeben, wo Christus täglich auf mystische Weise durch die Worte der Lossprechung das Wunder der geistigen Totenerweckung erneuert, und uns durch den Priester zuruft: „Jüngling, Ich sage dir: Steh auf!“ (Lk. 7,14). – Bei einer guten, reuevollen Beichte geschieht mit der erstorbenen Seele des Pönitenten ja nichts anderes, als genau das, wovon uns das Evangelium berichtet hat: „Da richtete sich der Tote auf und fing an zu reden. Und Jesus gab ihn seiner Mutter zurück.“ (ebd. 15). Unsere Mutter ist niemand anderes als die hl. Kirche, bei der ja eine größere Freude herrscht über einen Sünder der Buße tut, mehr als über neunundneunzig Gerechte, die meinen, der Buße nicht zu bedürfen. (vgl. Lk. 15,1-10).

Mit diesen drei Mitteln – mit Maria, der „Guten Meinung“ und der reuevollen Beichte – wird es jedem Menschen gelingen, sich vor dem furchtbaren, ewigen Selbstvorwurf zu bewahren, die Kostbarkeiten seiner einzigen Seele, seines einzigen Lebens und den einzigen Himmel aus eigener Nachlässigkeit verscherzt zu haben. Stattdessen dürfen wir dann zusammen mit dem Jüngling von Naim und allen Engeln und Heiligen des Himmels in den überschwenglichen Lobgesang Gottes einfallen: „Voll Sehnsucht harrte ich des Herrn; Er sah auf mich und Er erhörte meine Bitte; Er gab ein neues Lied mir in den Mund, ein Jubellied für unsern Gott.“ (Ps. 39,-4). Amen.

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