Das Unbefleckte Herz Mariä und seine wahren Verehrer

Geliebte Gottes!

Wie die Andacht zum heiligsten Herzen Jesu eine besondere und herausragende Verehrung der anbetungswürdigen Person unseres göttlichen Erlösers darstellt, genauso ist auch die Andacht zum Unbefleckten Herzen Mariens eine besonders herausragende Form der Verehrung der allerseligsten Jungfrau und Gottesmutter. – Dem physischen Herzen Jesu, als Teil der heiligsten Menschheit Christi, hypostatisch geeint mit der zweiten göttlichen Person, gebührt Anbetung im strikten Sinne. Es ist das Herz Gottes. Deshalb gebührt auch dem göttlichen Herzen der Kult der Anbetung, welcher Gott erwiesen werden muß und allein Gott erwiesen werden darf.

Aber aufgrund der Stellung Mariens als Gottesmutter, wird auch ihr eine besondere Verehrung geschuldet. Eine Verehrung, welche die „dulia“ aller übrigen Heiligen überragt und deshalb „hyperdulia“ genannt wird. Diese besondere Verehrung, die wir Maria schulden, findet ihren Höhepunkt in der Verehrung ihres Unbefleckten Herzens.

In dem Dekret „Cultus Liturgicus“ vom 4. Mai 1944, durch welches das Herz-Mariä Fest auf die Gesamtkirche ausgedehnt und im Römischen Kalender auf den 22. August festgesetzt worden ist, heißt es: „Durch diese Andacht erweist die Kirche dem Unbefleckten Herzen Mariä die ihm gebührende Ehre. Unter dem Sinnbild des Herzens der Gottesgebärerin verehrt sie die überragende, einzig dastehende Heiligkeit ihrer Seele, besonders ihre glühende Liebe zu Gott und zu Jesus Christus, wie auch ihre mütterliche Besorgtheit für das Heil der mit dem göttlichen Blute erlösten Menschen.“

Das Unbefleckte Herz Mariä

Was ist mit dem Ausdruck „Herz Mariä“ gemeint? – Der Klarheit halber müssen wir ein dreifaches Herz unterscheiden:

  1. Das leibliche Herz Mariens; als das Organ, welches die Triebfeder des Blutkreislaufes ist.
  2. Das geistige Herz Mariens, d.h. der Inbegriff des gesamten Innen- und Seelenlebens Mariens. Und
  3. Das leibliche Herz als Sinnbild, welches eben auf dieses Innenleben der Gottesmutter hinweist und zu ihm hinführt. So wie z.B. die Landesfahne, nicht nur ein Stück Stoff ist, sondern der Ausdruck einer gemeinsamen Abstammung und Geschichte, oder eines nationalen Ideals.

1. Das leibliche Herz Mariens

Maria trug in ihrer Brust ein Herz aus Fleisch und Blut, das in ihrem körperlich-menschlichen Leben alle Funktionen erfüllte, die diesem Organ von Natur aus zukommen.

Hervorzuheben ist, daß damit der Aufgabenkreis des leiblichen Herzens Mariä nicht erschöpft war, sondern daß es darüber hinaus noch eine ganz einzigartige, nur ihm übertragene und nur im Rahmen des Erlösungswerkes zu verstehende Aufgabe zu erfüllen hatte: Jenem leiblichen Herzen der allerseligsten Jungfrau, ist jenes Blut entströmt, das unter der Mitwirkung des Heiligen Geistes den leidensfähigen Leib des Erlösers, Jesus Christus, gebildet hat.

Es ist ja eine wohlbekannte Tatsache, daß der vom Mutterherzen ausgehende Blutstrom in seinem Kreislauf, das im Schoße ruhende, noch ungeborene Kind erfaßt, dessen Herz und Adern durchströmt und es auf diese Weise ernährt und erhält, bis es hinreichend entwickelt ist, um ein selbständiges, unabhängiges Leben zu beginnen.

Das Herz Mariä hat demnach nicht nur ihr eigenes Leben gespeist und erhalten, sondern war auch der Lebensbrunnen für das göttliche Kind. Der große Kölner Theologe Matthias Joseph Scheeben nennt das Herz Mariä deshalb das „dynamische Organ des Heiligen Geistes“ und führt dazu genauer aus: „So ist und bleibt der Schoß der ursprüngliche Sitz und ihr Herz die lebendige Wurzel des lebensspendenden Leibes Christi, und in dieser Hinsicht läßt sich alle Wirksamkeit des letzeren [d.h. des Leibes Christi] als aus dem Schoße Mariens und besonders aus ihrem Herzen als Organ des Heiligen Geistes hervorgehend betrachten.“ (Dog. Bd. 3; Nr. 1765).

Aus diesem Grunde war es nicht nur höchst angemessen, sondern auch überaus konsequent, daß das leibliche Herz Mariä nicht der Verwesung anheimfallen sollte, sondern ohne Verzug verklärt und in den Himmel aufgenommen wurde; ein Gnadenvorrecht, das sich aus dem Dogma der leiblichen Aufnahme Mariens in den Himmel von selber ergibt. Wo der Leib ist, da ist auch das Herz, als Teil desselben.

2. Das Innenleben Mariens

So wunderbar und heilig das leibliche Herz der Gottesmutter auch ist, so ist es weder der einzige noch der eigentliche Gegenstand der Herz-Mariä-Verehrung. Denn sowohl im Alten wie im Neuen Testament wird der Ausdruck „Herz“ gebraucht, um mehr zu bezeichnen als nur das physische Organ. Vielmehr ist durch das Herz das gesamte seelisch-geistige Leben, also das Innere eines Menschen zusammenfassend bezeichnet.

Schon der Psalm 44 skizziert prophetisch ein Bild vom Innenleben Mariens. Dort heißt es: „Die ganze Pracht der Königstochter ist in ihrem Inneren.“ (Ps. 44,14). Das Innere, das ist die innerliche Herzens-Schönheit, wie auch der hl. Petrus in seinem ersten Brief betont: „Der Schmuck der Frau bestehe nicht im Äußeren, im Haargeflecht, im Anlegen von goldenem Geschmeide, oder im Tragen von ausgesuchten Kleidern, vielmehr ist es der verborgene Herzensmensch in der Unwandelbarkeit eines stillen und sanften Geistes, der kostbar ist vor Gott.“ (1. Petr. 3,3). Das Innere Mariens ist ihr Unbeflecktes Herz. Und die Pracht, die sich dort entfaltet, ist nichts anderes als die Fülle der Gnade mit der es von Gott ausgestattet worden ist, um seine einzigartige Aufgabe im Erlösungswerk erfüllen, und um als unbeflecktes Vorbild und Urbild der katholischen Kirche dienen zu können. Was deshalb der hl. Paulus von der Kirche gesagt hat, das gilt um so mehr vom Innenleben des Herzens Mariä. Nämlich, daß Maria „ohne Makel, ohne Runzel oder etwas dergleichen, vielmehr daß sie heilig und fleckenlos“ (Eph. 5,27) ist.

Nach biblischem Sprachgebrauch ist das Herz also der Brennpunkt und der tiefste Grund des geistigen Lebens einer Person, wo alle seelischen und geistigen Kräfte und Tätigkeiten ihren Sitz und Ursprung haben – insbesondere die Liebesfähigkeit!

Diese Auffassung entspricht auch voll und ganz unserer Umgangssprache. So sagt man von dem einen, daß er „kein Herz“ habe, von einem anderen, daß er ein „großherziger Mensch“ sei, oder auch daß jemand ein „verschlossenes Herz“ habe. Lauter Redewendungen, die etwas über das innerste Wesen oder Verhalten eines Menschen aussagen wollen. Das Herz ist eben der Kern der Person, der Ausdruck seiner Eigenart, das Zentrum seines Charakters. Deshalb schreibt der hl. Johannes Eudes zutreffend: „Alle Herrlichkeit Mariens, alle ihre Gnaden, jegliche Heiligkeit, all das, was es überhaupt an Großem und Edlem an dieser Himmelskönigin gibt, entspringt ihrem Inneren und ihrem Herzen.“

3. Das Sinnbild der Liebe Mariens

Eine innerliche Regung der Seele bringen wir jedoch ganz besonders mit dem Herzen in Verbindung – genau! – die Liebe. Das Herz ist ein Sinnbild, ja das Sinnbild der Liebe schlechthin.

Schon der Heiland brachte das bei der Bergpredigt zum Ausdruck indem Er sprach: „Wo dein Schatz ist, dort ist auch dein Herz.“ (Mt. 6,21). Was dein Schatz ist, was dir am teuersten, was dir am wichtigsten ist; kurz: was du liebst, – das ist in deinem Herzen.

Das Herz Mariä ist also drittens als Sinnbild dessen zu betrachten, was Maria liebt. Ihr Herz ist ein sichtbares Zeichen, das auf die unsichtbare Liebe verweist, welche die Gottesmutter in ihrem Inneren trägt.

Die Liebe des Unbefleckten Herzens der Gottesmutter hat zwei Gegenstände, wie wir schon gehört haben. Da ist:

  1. „ihre glühende Liebe zu Gott und zu Jesus Christus.“ Also ihre Gottesliebe. Und
  2. „ihre mütterliche Besorgtheit für das Heil der mit dem göttlichen Blute erlösten Menschen.“ Also die Nächstenliebe.

Die Gottesliebe des Herzens Mariä

Die Gottesliebe der allerseligsten Jungfrau kann am trefflichsten erfaßt werden in der persönlichen Heiligkeit des Unbefleckten Herzens. Mariens Herz, war das „vas admirabile“, das wundersame Gefäß, wo der Heilige Geist mit verschwenderischer Fülle Seine Gnaden ausgegossen hatte. Der hl. Paulus sagt: „Die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsere Herzen durch den Heiligen Geist.“ (Röm. 5,5).

Die Gnade ist bekanntlich die Grundlage und der Maßstab der persönlichen Verbundenheit mit Gott. Maria wurde nun nach der Ansicht großer Gottesgelehrter schon im Augenblick ihrer Unbefleckten Empfängnis in einem solchen Grad mit Gnaden erfüllt, daß sie schon im ersten Augenblick ihres Daseins die Heiligkeit des vollkommensten Engels und des größten Heiligen für sich genommen übertraf; ja und am Ende ihrer Lebenslaufbahn, sogar die aller Engel und Heiligen zusammengenommen!

Der bereits zitierte hl. Johannes Eudes wagte es deshalb sogar, vom „göttlichen“ Herzen Mariä zu sprechen! – Aufs erste wird man freilich an einem solchen Ausdruck Anstoß nehmen. Die Kirche hat ihm jedoch seine Berechtigung nicht abgesprochen, sonst hätte sie den, der diese Aussage getätigt hat, nicht heiliggesprochen. Und man wird diesem gewagten Titel eine gewisse Berechtigung nicht absprechen, wenn man dazu auch die Erklärung des Heiligen hört, der sich in folgenden Gedankengängen bewegt: Maria führte kein ichbezogenes, selbstherrliches Leben, sondern Gott lebte in ihr im Sinne des Wortes des hl. Paulus: „Nicht ich lebe, sondern Christus ist es, der in mir lebt.“ (Gal. 2,20). Gott hat sich durch die Gnade und die Liebe des Heiligen Geistes, der ja Gott ist, in einem Grade des Herzens Mariens bemächtigt, daß nur noch Er in ihm lebte und liebte, es also in einem gewissen Sinne ein „göttliches“ wurde.

Schon die Väter nannten die voranschreitende Heiligung einer Seele, also das Wachstum in der Gnade, eine zunehmende „Vergöttlichung“. In der Gnadenfülle Mariens und in der Gottesliebe ihres Unbefleckten Herzens hat diese Vergöttlichung jenen Gipfel erreicht, der einem geschaffenen Wesen überhaupt möglich ist. Kein bloßes Geschöpf kann Gott in einem solchen Grade „aus ganzem Herzen, aus ganzer Seele, mit all ihren Kräften und aus ganzem Gemüte“ lieben, wie Maria es getan hat. – Darüber hinaus richtet sich die Liebe der allerseligsten Jungfrau nicht nur auf Gott, sondern ganz selbstverständlich auch auf „den Nächsten“, den ihr reinstes Herz „liebt wie sich selbst“. Ja, das Herz Mariens ist also gleichsam die anschauliche Inkarnation, die fleischliche Manifestation des Hauptgebotes, von dem wir am vergangenen Sonntag gehört haben.

Die Nächstenliebe des Herzens Mariä

Die eben erwähnte Gnadenfülle wurde dem Herzen Mariä nicht zur persönlichen Bereicherung geschenkt, sondern im Hinblick auf seine einzigartige Aufgabe im Erlösungswerk Christi. Und deshalb hielt Maria die Gnadenschätze ihres Herzens auch nicht wie einen Raub für sich zurück (vgl. Phil. 2,7). Wie ihr göttlicher Sohn, erniedrigte sie sich selbst, wurde um unseres (!) Heiles willen die gehorsame „Magd des Herrn“ (Lk. 1,38) und zwar bis unter das Kreuz.

1. Bei der Menschwerdung

Die gesamte Sehnsucht des Alten Bundes nach dem verheißenen Erlöser fand ihren Höhepunkt in der Sehnsucht des Unbefleckten Herzens. Der Ort, wohin das göttliche Wort zuerst Seinen Fuß setzen wollte, war das Herz Mariä. Im Namen des gesamten Menschengeschlechtes und auch zugunsten des ganzen Menschengeschlechtes, hat Maria das entscheidende Ja-Wort zur Menschwerdung des Gottessohnes gesprochen. Aus Liebe zu uns!

Darüber jubelte schon Abt Ekbert von Schönau, einer der ersten Herz-Mariä-Verehrer, im 12. Jahrhundert: „Preis, Preis und nie endendes Lob sei dir, o heiliges und liebreichstes Herz, in dem das Heil der Welt seinen Anfang genommen … Du hast nach des Erzengels Gruß das heilbringende Wort ausgesprochen: ‚Siehe, ich bin die Magd des Herrn, mir geschehe nach Deinem Wort.‘“ Dieses entscheidende Wort wurde mehr vom Herzen als vom Munde Mariens gebildet.

Auch ist das Wort ihrer Hingabe an Gott, das zu unseren Gunsten gesprochen wurde eine Lehre für unsere Nächstenliebe! Die wahre Nächstenliebe ist nur dort vorhanden, wo sie im Rahmen des göttlichen Willens geübt wird. Eine Liebe die gegen das Gebot Gottes verstößt, tut weder dem Nächsten Gutes, noch sich selbst.

Nachdem auf diese Weise das Herz Mariä den Sohn Gottes geistiger Weise empfangen und in die Welt eingeführt hatte, geschah es durch die milde Gabe ihres Blutes, womit sie dem Gotteslamm einen makellosen Erlöserleib bereitet hat, der später als Opfergabe am Kreuz verbluten sollte.

2. Beim Erlösungsopfer

In der Folge waren die Herzen Jesu und Mariä in steter Vereinigung zugunsten unseres ewigen Heiles tätig und stets vereint um das Heil unserer Seelen besorgt. Die lebenslange Gebets-, Opfer- und Gesinnungsverbundenheit des Herzens Mariä mit dem göttlichen Herzen Jesu erreichte ihren Höhepunkt in der gemeinsamen Hinopferung auf dem Kalvarienberg.

Das Feuer der göttlichen Liebe, welches im heiligsten Herzen Jesu loderte, hat Ihn veranlaßt alles zu tun, was zu unserer Erlösung notwendig war, insbesondere die willige Annahme all der für uns unfaßbaren Qualen Seiner Passion. Die unermeßliche Liebe Mariens zu ihrem göttlichen Sohn, bewegte sie auch all diejenigen unsterblichen Seelen zu lieben, für welche Er Sein Leben hingeben wollte. Und diese Liebe zu den Seelen, veranlaßte Maria zugunsten unserer Erlösung mit ihrem Sohne zusammenzuwirken, insbesondere durch ihr Mitleiden unter dem Kreuz. Entsprechend der Verheißung des greisen Simeon wurde ihr unschuldiges und reines Herz durchbohrt vom Schwert des Schmerzes; des höchsten Schmerzes, den jemals ein bloßes Geschöpf empfunden hat.

So haben auf Kalvaria das heiligste Herz Jesu und das Unbefleckte Herz Mariens gemeinsam, alle Erlösungsgnaden verdient. Das göttliche Herz allein als Hauptursache, das Unbefleckte Herz in Abhängigkeit von Christus. Dazu schrieb ebenfalls im 12. Jahrhundert Arnold von Chartres: „Maria und Christus haben gemeinsam ein Opfer dargebracht. Dieser im Blute des Fleisches; jene im Blute des Herzens.“

3. Beim Austeilen der Erlösungsgnaden

Doch noch eine letzte Aufgabe, war dem Unbefleckten Herzen Mariens gestellt. Und hier müssen wir abermals Scheeben zu Wort kommen lassen, der nach scharfsinnigen Gedankengängen über die Einwilligung Mariens bei der Menschwerdung und über ihre Mitwirkung beim Erlösungsopfer unter dem Kreuz zu dem Schluß kommt: „Es ist daher keine bloße Redensart, sondern ein überaus tiefsinniges und wahres Wort, wenn man sagt, Christus habe Sein ganzes Erlösungsblut in das Herz Seiner unter dem Kreuze stehenden Mutter, aus dem Er es [zuvor] empfangen [hatte],_ ergossen, um es durch dasselbe_ [Herz] wie durch einen Kanal über die Menschheit zu ergießen.“ (Nr. 1822).

Das Herz Mariä hat die Erlösungsgnaden in Unterordnung unter den einen und einzigen Erlöser Jesus Christus mitverdient, hat sie in Empfang genommen und wirkt nun abermals als Organ des Heiligen Geistes, um sie dem gesamten Organismus der Kirche in reichem Maße mitzuteilen. Das Herz der Gottesmutter ist gleichsam das Herz der Kirche, das ihre Kinder auf übernatürliche Weise ernährt und erhält, bis sie zum „Vollalter Christi“ – also zu dem jedem eigens von Gott zugemessenen Grad an Heiligkeit – gelangt sind. Denn es gibt keine Gnade, die Gott gewährt hätte und die einem Menschen zukommen ließ, ohne die Mitwirkung Mariens. Deshalb sagte der hl. Bernhard: „So ist es der Wille Gottes, daß wir alles durch Maria haben.“ (de Nat. BMV, 7). – Die Gnadenmittlerschaft ist somit der dritte erhabene Akt der Nächstenliebe des Unbefleckten Herzens. Es hat also einen tiefen theologischen Sinn, daß die Messe des Unbefleckten Herzens Mariä wie die Messe von „Maria, Mittlerin aller Gnaden“ mit dem gleichen Introitus anheben: „Laßt uns denn mit Zuversicht hintreten zum Throne der Gnade.“ (Heb. 4,16).

Die wahre Verehrung des Herzens Mariä

Aufgrund alledem Gesagten schulden wir dem Unbefleckten Herzen Mariens nach dem allerheiligsten Herzen Jesu unsere größte Dankbarkeit und unsere tiefste Liebe. – Wer würde nicht eine solch selbstvergessene, opferstarke und gottergebene Mutter lieben, die uns elende Kinder Evas, in Liebe als ihre eigenen Kinder annahm und alles in ihrer Macht stehende getan hat und tut, um uns auf den Weg zum ewigen Leben zu leiten und uns dabei vor allem Übel zu bewahren? Wer würde nicht dieses allerreinste Herz lieben, so voll mütterlichem Erbarmen und Liebe zu uns?

Und in der Tat! Nach den drei göttlichen Personen in der Einheit der Gottheit, sollen wir unsere himmlische Mutter mit jeder Faser unseres Herzens über alle anderen Geschöpfe hinaus lieben. Sie verdient unsere Liebe mehr als Irgendjemand oder Irgendetwas sonst auf der Welt. Denn nach Gott gibt es nichts und niemanden, der uns mehr geliebt hätte und uns mehr lieben würde, als es Maria getan hat und tut. Auch gibt es nach unserem Herrn Jesus Christus niemanden, der aus Liebe zu uns mehr für uns gelitten hätte, als das Herz Mariä.

Die Andacht zu ihrem Unbefleckten Herzen ist daher die beste Gelegenheit unsere Liebe zu Maria zu erwidern, zu kultivieren und zu vermehren. – Worin besteht aber nun die Verehrung des Unbefleckten Herzens der Gottesmutter? Sie besteht im Wesentlichen in zwei Dingen, wobei das eine absolut wesentlich und das andere dem ersten untergeordnet ist.

1. Der Kampf gegen die Sünde und die Übung der Tugenden

Die erste und hauptsächliche Übung der Herz-Mariä-Verehrung besteht im Kampf gegen die Sünde, insbesondere gegen die Todsünde; sowie in der Nachahmung der Tugenden Mariens.

Liebe ist, dasselbe wollen und dasselbe nicht wollen, wie der Geliebte. Wer Maria liebt, der wird niemals das wollen oder tun, was ihr mißfällt oder gar was sie aus ganzem Herzen haßt. Und das was Maria aus ganzem Herzen haßt, was wäre das anderes, als eine Beleidigung Gottes bzw. ihres göttlichen Sohnes durch eine Todsünde? Wie könnte jemand, welcher die Absicht hat eine schwere Sünde zu begehen, aufrichtig behaupten, er würde die Gottesmutter lieben?

Das größte Verlangen, das Maria in ihrem Unbefleckten Herzen trägt, richtet sich doch gerade darauf, daß wir den Willen ihres Sohnes erfüllen, wie sie damals den Dienern auf der Hochzeit zu Kana zu verstehen gab: „Was Er euch sagt, das tut!“ (Joh. 2,5). – Wer hingegen die Todsünde begehrt und daher ein Liebhaber der Sünde ist, der liebt Jesus nicht wirklich; höchstens rein gefühlsmäßig, aber nicht auf übernatürliche Weise, wie es uns geboten ist. Ein solcher Mensch gehört ja zu jenen, von denen der hl. Paulus im Hebräerbrief schreibt: „Sie kreuzigen den Sohn Gottes erneut, und geben Ihn den Schmähungen preis.“ (Heb. 6,6). Wer würde ernstlich annehmen wollen, daß so jemand dem Herzen Mariens wohlgefällt?

Der hl. Ludwig Maria Grignion von Montfort zählt solche unter die „falschen Marienverehrer“ und nennt sie Heuchler, weil sie ihre Sünden und Laster, die sie nicht aufgeben wollen, unter dem Deckmantel ihrer Marienfrömmigkeit verbergen wollen, um in den Augen der Menschen für besser gehalten zu werden, als sie in Wirklichkeit sind. Es sind jene vermessenen und unbußfertigen Verehrer, die sich zwar dem Schutzmantel Mariens empfehlen, die das Skapulier auf der Brust, den Rosenkranz in Händen und die Worte „Gegrüßet seist du Maria! Sei gegrüßt o Königin, Mutter der Barmherzigkeit! Jungfrau Muttergottes mein!“ auf den Lippen führen, aber gleichzeitig durch ihr dreist fortgesetztes Sündigen unseren Herrn Jesus Christus beschimpfen, unbarmherzig geißeln, durchbohren und kreuzigen. Es sei ein beklagenswertes Trauerspiel, sagt der hl. Ludwig, wenn aus den heiligen, Unserer Lieben Frau gewidmeten Bruderschaften, solche falsche Verehrer, nachdem sie durch den Tod aus dem Leben gerissen wurden, wie ein Blitz zur Hölle fahren.

Und derselbe Heilige warnt uns deshalb: Gott möge uns vor der trügerischen Annahme bewahren, als könne unsere himmlische Mutter Maria jemanden unter ihrem Mantel Schutz gewähren, der unverdrossen darin fortfährt, die Sünde und ihre nächste Gelegenheit zu lieben. Eine solch vermessene Vorstellung würde uns nämlich nicht unter dem Schutzmantel Mariens Zuflucht finden lassen, sondern uns stattdessen zu einem „Mantel der Verwerfung“ werden, der unsere Sünden vor dem klaren Blick unseres Gewissens verschleiert, so daß wir unbußfertig sterben. Das ist keine Übertreibung! Das bekannte Sprichwort, daß „kein Marienverehrer je verlorengehen wird“, bewahrheitet sich nur an denjenigen, welche zu den wahren Verehrern Mariens zählen. – Maria ist die Schlangenzertreterin, die Verfolgerin der Sünde. Somit beginnt die wahre Marienverehrung im Kampf gegen die Sünde. Aber sie bleibt nicht dabei stehen.

Die wahre Verehrung zur Gottesmutter muß, so sie ein Unterpfand zur Rettung unserer Seele sein soll, vor allem in der Nachahmung der Tugenden Mariens bestehen. – Der hl. Augustinus sagt: „Die höchste Verehrung besteht darin, daß wir nachahmen, was wir verehren.“ Wie könnten wir also vernachlässigen, darauf hinzuweisen, daß die höchste Verehrung des Unbefleckten Herzens Mariä genau darin besteht, sie in ihren herausragenden Tugenden nachzuahmen: In ihrer bescheidenen Demut und keuschen Reinheit, in ihrer gütigen Hilfsbereitschaft und in ihrem tapferen Opfermut, in ihrer schonenden Geduld und in ihrer aufrichtenden Barmherzigkeit. – Jedes Kind ist seiner Mutter auf irgendeine Weise ähnlich. Wollen wir wahrhaft Kinder Mariens sein, so müssen wir ihr in ihren Tugenden ähnlich werden.

Halten wir also fest: Die Hauptsächliche Marienverehrung besteht darin, daß wir den festen Willen haben mit der Todsünde und deren nächsten Gelegenheiten zu brechen und eben zu diesem Zweck unermüdlich an uns arbeiten die ungeordneten Neigungen und Leidenschaften in uns zu ordnen, zu beherrschen und nötigenfalls auch zu unterdrücken. Als Antrieb und Hilfsmittel eben dazu soll uns vor allem die Nachahmung Mariens in ihren größten Tugenden dienen – besonders in ihrer Demut und Reinheit.

2. Die Pflege äußerer Andachten

Das zweite, dem soeben Beschriebenen untergeordnete Element der Andacht zum Unbefleckten Herzen Mariens besteht in der Übung äußerer Andachtsformen. Etwa im Halten der Herz-Mariä-Sühnesamstage, um damit Wiedergutmachung zu leisten, für die überhandnehmenden Beleidigungen und Verunehrungen Mariens in ihren Darstellungen und Bildern, sowie für die Leugnung und Verspottung ihrer einzigartigen Vorzüge – ihrer Unbefleckten Empfängnis, ihrer Gottesmutterschaft, ihrer jungfräulichen Geburt, ihrer leiblichen Himmelfahrt – durch ungläubige Spötter und Lästerer. Sodann natürlich in der Verehrung des Bildes ihres Unbefleckten Herzens; im Beten von Novenen und Litaneien; im Tragen von Skapulieren und Medaillen; in der Hingabe und Weihe unserer selbst an ihr Unbeflecktes Herz usw.

Jede dieser äußeren Andachtsformen, aus denen freilich eine gewisse Auswahl zu treffen ist, hat eine große Bedeutung. Sie helfen uns nämlich in unserem Kampf gegen die Sünde und in unserem Streben Maria in ihren Tugenden nachzuahmen. In der Auswahl solch äußerer Andachten herrscht freilich die Freiheit des Geistes, entsprechend der persönlichen Umstände, aber auch unserer jeweiligen Disposition, Neigung und nicht zuletzt der Anregung durch die göttliche Gnade.

Eine Übung jedoch, verdient eine besondere Hervorhebung. Es ist eine Andachtsform, welche alle anderen überragt. Gemeint ist der hl. Rosenkranz. Die herausragende Bedeutung des Rosenkranzgebetes wird nicht nur betont durch die Empfehlung unzähliger Heiliger und Gottesgelehrter, sondern auch durch das beständige Lehramt der Päpste über die Jahrhunderte hindurch, welche die allgemeine Andacht zur Gottesmutter stets gelobt und allen Gläubigen empfohlen haben, keine von ihnen aber so sehr, wie den Gebrauch des hl. Rosenkranzes. Der hl. Ludwig Maria Grignion sagt: „Die Rose ist die Königin der Blumen und so ist der Rosenkranz die Rose aller Andachtsübungen.“ Folglich ist der Rosenkranz die Andachtsform von höchster Bedeutung. Wenn dem so ist, dann ist es auch nicht verwunderlich, daß Maria selber das tägliche Gebet des Rosenkranzes wünscht.

Wer den Rosenkranz mit reuevollem Herzen über seine Sünden betet, dem wird Maria auf diesem Wege die Gnadenhilfen zufließen lassen, derer er „jetzt“ bedarf, um den Einfluß der Sünde zurückzudrängen und die ihnen entgegengesetzten Tugenden zu entwickeln, und darüber hinaus, „in der Stunde unseres Todes“, auch jene, die Ewigkeit entscheidende, „Gnade der Beharrlichkeit bis ans Ende“.

So lassen Sie uns in allen Versuchungen und Nöten genau das tun, wozu uns der Introitus der Festmesse einlädt: „Laßt uns mit Zuversicht hinzutreten zum Thron der Gnade“ – der nichts anderes ist, als das Herz Mariä – „damit wir Barmherzigkeit erlangen und Gnade finden zur rechten Zeit.“ Amen.

Kategorie:

Veröffentlicht: