Mariä Heimsuchung
Der Besuch des Erlösers
Geliebte Gottes!
Unsere Marienfeste sind alle sinnig und schön, wenn man ein wenig darüber nachdenkt. Und das Fest „Mariä Heimsuchung“ ist eines der schönsten. Schon der Name „Heim-Suchung“! Maria besucht das Heim; jenes Haus, wo Elisabeth daheim ist. Und wo Maria, die „Gnadenvolle“, hinkommt, da kommt sie nie mit leeren Händen. Sie bringt stets noch einen anderen mit. Sie trägt den Urheber der Gnade unter ihrem Herzen und bringt Jesus, den Quell des übernatürlichen Lebens in das Heim der Menschen. Deshalb ist Maria die „Mittlerin der Gnade“. Sie macht die Menschen reicher und froher. Sie beschenkt sie mit Gott, mit der übernatürlichen Gnade, mit dem ewigen Leben.
Das heutige Festgeheimnis führt uns vier Personen vor Augen: Jesus, Maria, Johannes den Täufer und die Base Elisabeth. Und wir sehen, mit Ausnahme von Jesus, jede von ihnen auf eigene Weise tätig sein. Maria grüßt. Johannes hüpft. Elisabeth jauchzt auf. Jedoch ist unser Herr Jesus Christus gleichsam die „Seele“, also der verborgene Antrieb der ganzen geheimnisvollen Szene. Obwohl Er im Schoß der Jungfrau verborgen, gleichsam untätig zu sein scheint, so geht eigentlich von Ihm die Tätigkeit der handelnden Personen aus. Er ist der unsichtbare Lenker, der alles bewegt, ohne Sich selbst zu bewegen; der alles leitet, ohne Seine regierende Hand zu zeigen.
Lassen Sie uns heute gemeinsam etwas nachspüren, wie Jesus auf die Herzen der Menschen einwirkt und sie bewegt, damit sie empfänglich werden für das übernatürliche Geschenk der göttlichen Gnade, das Er ihnen durch die Heimsuchung Seiner heiligsten Mutter mitteilen will.
Jesu Wirken auf die hl. Elisabeth
Jesus zeigt Seine verborgene Wirksamkeit auf Elisabeth. In ihr wirkt Er die Demut, welche sich der Heimsuchung durch die göttliche Gnade, völlig zu recht, für unwürdig erachtet. – Die Demut ist ja die Erkenntnis unserer Nichtigkeit. Sie ist der erste Tribut des Geschöpfes an seinen Schöpfer, wenn Dieser sich ihm nähert. Es ist die erste, gleichsam instinktive Empfindung, welche die göttliche Gnade bei Seinem Herannahen einflößt.
So konnten wir es schon am vergangenen Sonntag am hl. Petrus beobachten. Als Jesus von dessen Schifflein aus das Wunder des Fischfanges wirkte, da erkannte Simon Petrus instinktiv seine eigene Nichtigkeit und bekannte diese Wahrheit sogleich: „Herr, geh weg von mir; denn ich bin ein sündhafter Mensch“ (Lk. 5, 8). – Gleiches beobachten wir auch am Hauptmann von Kapharnaum, der dem Heiland ausrichten ließ: „Herr, ich bin nicht würdig, daß Du eingehst unter mein Dach. Sprich nur ein Wort und mein Knecht wird gesund“ (Mt. 8, 8). – Weil die Demut nichts anderes als die Wahrheit des unendlichen Abstandes zwischen dem ungeschaffenen Gott und dem geschaffenen Menschen; zwischen dem unendlich heiligen Gott und dem sündigen Menschen bekennt, deshalb ist die Demut die Grunddisposition für eine fruchtbare und segensreiche Gnaden-Begegnung mit Gott. Deshalb sprechen wir die Worte des Hauptmannes auch dreimal vor jeder hl. Kommunion.
Auch die Base Elisabeth zollt diesen Tribut. Der verborgene Heiland weckt in ihr dieses Bewußtsein bei Seinem Herannahen. Und sogleich sprach sie es in den Worten aus: „Woher geschieht mir dies, daß die Mutter meines Herrn zu mir kommt?“ (Lk. 1, 43). – In zweifacher Weise wird Elisabeth zur Demut bewegt. Einmal indem sie durch eine übernatürliche Erleuchtung ihrer Vernunft, die hohe Ehre dieses Besuchs und vor allem den in Maria verborgenen göttlichen Besucher erkennt; sie erkennt nämlich „daß die Mutter meines Herrn zu mir kommt“. Und zum zweiten, daß sie ihre Unwürdigkeit mit der Frage bekennt: „Woher geschieht mir dies?“ Elisabeth entdeckt nichts, was sie eines so großen Glückes würdig macht. Deshalb verdemütigt sich Elisabeth, die Ältere, vor der viel jüngeren Jungfrau Maria, um so mehr.
Auch wir sollen uns in Demut Gott nahen. Auch wir haben dieselben Beweggründe dazu, wie Elisabeth. Einmal ist da die unermeßliche Hoheit und Heiligkeit Gottes der gegenüber unsere Niedrigkeit und Nichtigkeit steht. Der Kirchenschriftsteller Tertullian hebt die unendliche Majestät Gottes hervor, wenn er sagt: „Er ist der unumschränkt Große, der, weil Er seinesgleichen nicht hat, Sich selbst durch seine ganz besondere Vollkommenheit in eine Art Vereinsamung versetzt.“ Gott überragt alles in absolut einzigartiger Weise. Er ist einsame Spitze – der Allerhöchste. – Er ist aus Sich selbst. Er besitzt alle Vollkommenheit aus Sich selbst. Alles was Er geschaffen hat, hat Er aus eigenen Kräften geleistet. Was hätten wir dem entgegen zusetzen? Wir sind geworden. Wir sind nur, weil Er wollte, daß wir sind. Auch muß Er uns beständig im Dasein erhalten. Nichts können wir ohne Ihn tun. Und alles, was uns gelingt – sei es im Bereich der Natur und erst recht im Bereich der Übernatur –, das vermochten und vermögen wir nur durch Seinen Beistand. Wie Elisabeth, so werden wir durch diese Überlegungen dazu bewegt unsere Niedrigkeit zu erkennen. Und staunend wollen auch wir mit dem Psalmisten bekennen: „Was ist der Mensch, daß Du seiner gedenkst; oder des Menschen Sohn, daß Du ihn heimsuchst?“ (Ps. 8, 5). Ja, staunen müssen wir über die Herablassung Gottes, vor allem, wenn wir noch dazu bedenken, daß Er in Seiner unendlichen Güte stets wohlwollend und gut zu uns war; wohingegen wir gegen Ihn unzählige Male gleichgültig gewesen sind und gegen Ihn gesündigt haben. Wir haben ganz und gar nichts, weshalb wir Seine Güte verdienen würden. In Seiner Güte kommt Gott mit Seiner Gnade allen zuvor; so wie Er selbst Seinem Vorläufer zuvorgekommen ist. Anfang, Fortgang und Vollendung unseres Heiles ist allein das Werk Seiner Gnade, wie der hl. Augustinus sagt: „Die [völlig unverdient geschenkte] Gnade selbst verdient vermehrt zu werden, damit sie durch dieses Wachstum verdiene, zu Vollkommenheit zu gelangen.“
Daraus folgt, daß wir uns der göttlichen Gnade würdig machen, indem wir gerade erkennen und bekennen, daß wir derselben unwürdig sind. Gott bekennt sich dann als unser Schuldner, wenn wir erkennen, daß Er uns nichts schuldig ist. – Deshalb heilte Jesus den Knecht des Hauptmannes, weil er sich unwürdig schätzte, Ihn unter seinem Dach zu empfangen. Weil Petrus sich als Sünder bekannte, stieg Jesus in sein Schiff und machte ihn zum Menschenfischer und zum unfehlbaren Fundament Seiner Kirche. Weil Paulus sich für den „Geringsten unter den Aposteln“ erachtete, der nicht würdig sei, Apostel zu heißen, weil er nämlich zuvor die Kirche Gottes verfolgt hatte (vgl. 1. Kor. 15,9), deshalb machte ihn Christus zu Seinem „auserwählten Werkzeug“, zu dem Völkerapostel, der mehr als alle übrigen Apostel das Evangelium „vor Heiden und Könige und die Kinder Israels“ in alle Welt getragen hat (vgl. Apg. 9, 15). Weil sich Johannes der Täufer für unwürdig hielt, dem menschgewordenen Gottessohn auch nur die Schuhriemen zu lösen, erwählte ihn Derselbe zum „Freund des Bräutigams“ (Joh. 3, 29) und ließ Sich von ihm im Jordan taufen. So ist die Demut die Wegbereiterin für die Heimsuchung Gottes. Sie bereitet die Seele am besten auf die Begegnung mit Jesus, dem Sohn des lebendigen Gottes, vor. Flehen wir den Heiland an, auf daß Er eine solche Demut auch in unserem Herzen erwecke.
Jesu Wirken auf den hl. Johannes
Neben der Demut ist ferner noch eine zweite Tugend für die Heimsuchung durch die göttliche Gnade erforderlich; nämlich die Sehnsucht, d.h. ein heiliges Verlangen. Das Verlangen nach Gott bewirkte der Heiland damals auf wundersame Weise in dem kleinen Johannes, der im Schoß seiner Mutter aufhüpfte, als der Gruß Mariens in das Ohr Elisabeths drang.
Das Verlangen nach Gott ist die zweite Regung einer gottsuchenden Seele. Der hl. Gregor von Nazianz sagt: „Dieser Gott verlangt, daß man nach Ihm ein Verlangen trage, und – soll man es glauben können? – Er hat mitten in Seinem unendlichen Überfluß Durst. Er dürstet nämlich nach unserem Durst.“ Und der hl. Bernhard v. Clairvaux, betet zum Gekreuzigten: „Es quält Dich mehr der Durst nach unserem Heile als Dein schmerzvolles Kreuz. Du schweigst ja von der Qual der Kreuzigung, doch sprichst Du vom Durst: ‚Mich dürstet!‘ Ja, die Glut Deiner Liebe macht Dich so durstig.“ Deshalb wäre es ein großes Unrecht, sich nicht nach einer solchen Güte auszustrecken, deren größtes Verlangen es ist, Sich dem Dürstenden mitzuteilen.
Aus diesem Verlangen hüpfte der hl. Johannes freudig auf im Schoß seiner Mutter, als er die Nähe seines Herrn und Gottes wahrnahm. Lernen wir von dem Ungeborenen Vorläufer ein Verlangen nach dem ewigen Gottessohn zu tragen. Wenden wir uns deshalb an ihn, den Wegbereiter. Denn es ist die Aufgabe Seines Amtes unseren Herzen ein heißes Verlangen nach Jesus einzuflößen.
Der Prolog des Johannes-Evangeliums beschreibt das Amt des Vorläufers, „damit er Zeugnis gebe von dem Licht; … er war nicht das Licht, sondern Zeugnis sollte er geben von dem Lichte“ (Joh. 1, 7 ff.). Das Licht Gottes aber war überhell für unsere von der Erbsünde verdunkelten Augen. Unsere Augen sind zu schwach, daß wir das göttliche Licht, welches in der Welt mitten unter uns wohnte und wohnt, nicht erkannten, so daß wir – wie Augustinus sagt – „eine Fackel nötig hatten, um den Tag zu suchen“. Denn in uns war das Licht erloschen, wie sich die Heiligen des Alten Bundes eingestehen mußten: „Das Licht der Gerechtigkeit leuchtete uns nicht, und die Sonne der Erkenntnis ging uns nicht auf“ (Weis. 5, 6). Ja, „die Menschen liebten sogar die Finsternis mehr als das Licht; denn ihre Werke waren böse“ (Joh. 3, 19). Wir hatten kein Verlangen nach dem göttlichen Licht. Die Dunkelheit der Sünde war unsere Lust. Ja, in Wirklichkeit haben wir das Licht sogar gehaßt; „denn“, so sagt Jesus, „jeder, der Böses tut, der haßt das Licht“ (Joh. 3,20). Und weil der Sünder das Licht haßt, „deshalb kommt er nicht ans Licht, damit seine Werke nicht gerügt werden“. Der Haß gegen das Licht wird offenbar, indem der Mensch die Umkehr von seinen finsteren Pfaden durch Reue, Beichte und Buße verweigert. – Wie der hl. Augustinus bemerkt, hat es mit dem Auge des Geistes die gleiche Bewandtnis, wie mit dem Auge des Leibes. „Die Augen werden vom Lichte ernährt. Wenn sie nun lange Zeit in Dunkelheit bleiben, werden sie schwach und krank, weil sie ihrer Nahrung [des Lichtes] beraubt und durch langes Darben abgemattet sind.“ Das grelle Sonnenlicht ist einem solchen Auge, das lange im Finstern gewesen ist, unerträglich. Es blendet und bereitet ihm Schmerz. Deshalb war zunächst ein milderes, gemäßigtes Licht notwendig, um unser von der Sünde krankes Auge nach und nach an den hellen, göttlichen Tag zu gewöhnen, um in uns ein Verlangen nach der vollen Sonne zu wecken. Das war das Amt des Vorläufers, das er heute durch sein freudiges Aufhüpfen zum ersten Mal ausgeübt hat. – Wenn Christus die „Sonne der Gerechtigkeit“, der „Aufgang aus der Höhe“ (Lk. 1, 78) ist, so fielen heute ihre ersten Strahlen, gleichsam die Höhen der Berge beleuchtend, auf den heiligen Vorläufer Johannes, der vor Freude über diesen neuen Tag aufhüpfte, nach welchem er in uns ein heißes Verlangen erwecken will. Ein Verlangen, das nicht eher gestillt ist, bis wir Jesus, nicht nur hier auf Erden im Glauben verborgen im Allerheiligsten Sakrament, sondern „von Angesicht zu Angesicht“ in der himmlischen Herrlichkeit schauen. Ein Verlangen, welches dem Pfad der Buße den uns der hl. Johannes weist mit tapferer Bereitwilligkeit bis hin zu einer tänzerischen Freude – wie wir es an den großen Büßern sehen – auf sich nimmt, um die nimmer endende Ruhe und das unendliche Glück in der ewigen Umarmung Christi zu finden.
Wie tragisch ist es, wenn ein Mensch kein Verlangen nach Jesus in sich trägt; wenn seine Seele voll Gleichgültigkeit gegenüber der Wahrheit und voll Undank gegen die Wohltaten Gottes ist. Welch schändliche Blindheit, verursacht durch die Liebe zur Sünde!
Als der Erlöser noch fern und verborgen war, da wurde er von den Gerechten des Alten Bundes inbrünstig herbeigesehnt. Im 41. Psalm brach sich ihre Sehnsucht Bahn: „Meine Seele dürstet nach Gott, nach dem starken, lebendigen Gott; wann werde ich hinkommen und erscheinen vor Gottes Angesicht?“ (3). Meine Seele dürstet nach Gott! Wann werde ich hinkommen und erscheinen vor Gottes Angesicht? Dieses Verlangen ließ den hl. Johannes im Mutterschoß sich recken und strecken, als wollte er sich in die Arme des in Maria verborgenen Erlösers werfen.
Uns ist Christus in gleicher Weise nahe. Nicht der Mutterschoß trennt uns von Ihm, nur die Gestalten von Brot und Wein. Wir besitzen Ihn auf unseren Altären. Welch schändliche Blindheit, die von unserer Unbußfertigkeit und ungebrochenen Liebe zur Sünde herrührt, wenn wir keine Sehnsucht nach Ihm im Herzen trügen. Welch träge Nachlässigkeit, den Weg der Umkehr und Buße, den Johannes uns weist, nicht zu beschreiten, um die Sehnsucht, den Durst nach Gott, in unserem Herzen zu wecken! Eilen wir hungernd und dürstend nach Gott zum Sakrament der Reinigung in den Beichtstuhl, und zum Sakrament der Einigung zum geheimnisvollen Tisch des Herrn in der hl. Kommunion. Geben wir die ungeordnete Liebe zu den Geschöpfen endlich auf und verlangen wir nach Jesus, und allein nach Jesus! Flehen wir den Heiland an, auf daß Er eine solche Sehnsucht in unserem Herzen erwecken möge.
Jesu Wirken auf Seine heiligste Mutter
Schließlich wirkte der Heiland damals insbesondere in Seiner unbefleckten Mutter, der Jungfrau Maria. Noch in Nazareth schenkte Er ihr einen feinen Gehörsinn auf den Willen Gottes. Sie hörte aus der Verkündigung des hl. Erzengels Gabriel, daß ihre Base Elisabeth in ihrem Alter noch einen Sohn empfangen habe, ihre Hilfsbedürftigkeit heraus, und darin eingeschlossen eine stillschweigende Einladung Gottes, ihre gesegnete Base zu besuchen und ihr in liebevoller Hilfsbereitschaft zu Diensten zu sein. Diese zarte Aufmerksamkeit für die Bedürfnisse und unausgesprochenen Bitten des Nächsten, die uns so oft fehlt, wurde in Maria von Jesus bewirkt. Er sprach gleichsam im Inneren ihrer Seele mit den Worten des Hohenliedes: „Steh auf, eile, meine Freundin, meine Taube, meine Schöne, und komm!“ (Hld. 2, 10). Auf diese Weise angeregt, heißt es im Evangelium: „Maria machte sich auf.“
Auf Anregung Jesu machte sich Maria als folgsame „Magd des Herrn“ auf, und „ging eilends ins Gebirge in eine Stadt des Stammes Juda“, um Elisabeth in hilfsbereiter Nächstenliebe zu dienen. Und in Maria eilte auch Jesus über das Gebirge: „Siehe, Er kommt springend über die Berge und hüpfend über die Hügel. Mein Geliebter ist gleich einer Gazelle und eines jungen Hirsches“ (Hld. 2, 8 f.) – Nicht träge, nicht widerwillig und mißmutig, sondern hurtig, unbeschwert, in froher Seelenstimmung, die den eiligen Schritt Mariens noch beschleunigte! Maria macht sich auf, den Heiland in der allerersten Fronleichnamsprozession quer durch das ganze Heilige Land, hin zu den Hilfsbedürftigen, zu tragen. „Siehe, Er steht hinter unserer Wand, sieht durch die Fenster und schaut durch die Gitter“ (Hld. 2, 9b). Christus läßt sich von Seiner makellosen Mutter, wie von einer lebendigen Monstranz, durch fast ganz Palästina tragen. So wird der Heimsuchungsgang für Maria zu einer einzigen Wallfahrt. Das ganze Land ist für sie ein aufgeschlagenes biblisches Bilderbuch, in dem jedes Tal, jeder Berg, jede Stadt ein neues Blatt wendet, das vor dem in Betrachtung versunkenen inneren Auge Mariens die ganzen Heilstaten und Offenbarungen Gottes im Alten Bund lebendig vorbeiziehen läßt. – Der Heiland wirkte in Seiner Mutter eine heilige Eile, der sie zum Eifer im Gutes-Tun antrieb; der aber nicht, wie sooft bei uns, zu überstürztem Aktivismus ausartete, sondern zu einer besonnenen Tätigkeit, die aus einer innerlichen, durch das betrachtende Gebet in den Geheimnissen Gottes befestigten Seele hervorgeht. Jesus wirkte in Maria jenen guten Eifer, der seine Glut aus der Betrachtung und einem lebendigen innerlichen Leben zieht.
Und so kam es, daß Maria „in das Haus des Zacharias eintrat“ und ihren Gruß an Elisabeth richtete. – Die Grußformel des Gläubigen Israeliten war: „Friede sei mit dir!“ Der etwas feierlichere Segensgruß lautete: „Es segne dich der Herr! Der Segen des Herrn sei über euch! Wir segnen euch im Namen des Herrn“ (Ps. 128, 8). Wie die Monstranz den Segen des Altarsakramentes austeilt, so die Stimme Mariens den Gnadensegen des Erlösers, der durch den Gruß Mariens die Erbschuld von dem ungeborenen Johannes wegnimmt. Der Kirchenschriftsteller Theophylakt bemerkt dazu: „Die Stimme der Jungfrau ist die Stimme des in ihr Fleisch gewordenen Gottes.“ Und Euthyimius sagt: „Christus spricht durch den Mund Seiner Mutter; Johannes aber hört durch das Ohr seiner Mutter. Er erkennt auf übernatürliche Weise seinen Herrn und kündet ihn durch seine freudige Bewegung auch an.“ – Durch den segnenden Gruß Mariens geht in Erfüllung, was schon der Erzengel Gabriel von Johannes gesagt hat: „Schon im Mutterschoß wird er vom Heiligen Geiste erfüllt werden“ (Lk. 1, 15). Deshalb gibt es nach Jesus „keinen größeren vom Weibe geborenen“ als Johannes den Täufer. Deshalb feiert die Kirche nach dem Gottmenschen Jesus Christus und der unbefleckt empfangenen Jungfrau und Gottesmutter Maria von keinem anderen Menschen den Tag seiner zeitlichen Geburt, außer von Johannes dem Täufer, weil er als einziger schon im Mutterschoß vom Heiligen Geist erfüllt wurde. Und an seiner Heiligung wirkte Maria in herausragender Weise mit, insofern sie als Zuträgerin und Sprecherin Christi sowie als Friedensbotin Gottes fungierte: Kurz: Jesus gebrauchte Maria als Werkzeug der Heilsvermittlung, als Mittlerin der Gnade.
Wie sehr hatte also das fleischgewordene Wort Gottes schon in Maria gewirkt. Er gab sich ihr zum Besitz und regte sie an zu Werken der Nächstenliebe, des Eifers, des inneren Gebetes und so zur Gnadenmitteilung.
Der Lohn des inneren Friedens
Aus alledem und vor allem aus dem Besitz Jesu, erwuchs der Gottesmutter, gleichsam als Lohn, ein großer innerer Seelenfrieden, der ihr Herz derart erfüllte, daß er sich in dem Jubelgesang ihres „Magnifikat“ nach außen bahnbrach. „Hoch preiset meine Seele den Herrn; und mein Geist frohlockt in Gott, meinem Heiland!“ (Lk. 1, 46 ff.). Dieser Lobgesang führt drei Gründe der Freude und des Friedens an, dessen Fülle Maria in Jesus besitzt.
Als erste Quelle der Freude und des Friedens erwähnt Maria die Gnade, welche sie von Gott empfangen hat: „Er hat herabgeschaut auf die Niedrigkeit Seiner Magd; … Großes hat an mir getan, der da mächtig ist.“ Das Herabschauen Gottes ist der Ursprung des inneren Friedens, denn der Blick, das Auge Gottes, das auf dem Frommen und Gerechten ruht, bedeutet nichts anderes als das Wohlgefallen Gottes über ihn. „Die Augen des Herrn sehen auf die Gerechten“ (Ps. 33, 16), heißt es schon im Psalm. Gott hat nun Maria mit diesem Blick der Herablassung und Gnade angesehen, indem Er sie durch die Gnadenfülle nicht nur allen Vertreterinnen des weiblichen Geschlechtes, sondern sogar den Engeln und allen Geschöpfen überhaupt vorgezogen hatte. – Der Blick des Wohlgefallens Gottes überhäuft den Gerechten aber nicht nur mit übernatürlichen Vorzügen, sondern läßt ihm auch Seinen besonderen Schutz und Beistand angedeihen. „Des Herrn Augen sehen auf die, welche Ihn fürchten, und auf die, so auf Seine Barmherzigkeit hoffen, daß Er ihre Seele rette vom Tode“ (Ps. 21, 18). Auch dieses Blickes hat der Herr Maria in hohem Grade gewürdigt. „Macht hat Er geübt mit Seinem Arme und zerstreut, die stolzen Herzens sind.“ Er hat sie vor der Erbsünde bewahrt, sowie vor allen sichtbaren und unsichtbaren Feinden; vor Herodes und dem sie unter dem Kreuz umdrängenden Mobb, wie vor den unsichtbaren Fallstricken und Nachstellungen des Teufels. – So blickt Gott immer noch in Liebe auf fromme, gottesfürchtige Seelen herab, die Seinen Schutz suchen, so daß diese mit dem hl. Paulus voll Zuversicht sprechen können: „Wenn Gott für uns ist, wer ist dann gegen uns?“ (Röm. 8, 31).
Die zweite Quelle der übernatürlichen Freude, die von Maria im Magnifikat gepriesen wird, das ist die Verachtung der Welt mit ihren Ehrenstellungen und ihren geschaffenen Gütern. „Er zerstreut, die stolzen Herzens sind. Die Mächtigen stürzt Er vom Thron und erhöht die Niedrigen.“ Maria schaut von ihrem hohen Standpunkt aus auf die Welt herab, und alle irdische Größe, aller irdischer Glanz und alle irdische Herrlichkeit erscheinen ihr als das was sie sind: als gering, niedrig und nichtig. Auch die von Gott erfüllten Seelen schauen die Welt und alle weltliche Herrlichkeit in gleicher Weise an; sie schauen nicht auf die gegenwärtigen Güter, sondern auf den Ausgang, den dieselben nehmen. Mit Tertullian sehen sie den Wettstreit zwischen göttlichen und menschlichen Dingen um das Menschenherz, aber auch die finale Niederlage der letzteren und den unvergänglichen Sieg der ersteren. Nur der hohe Ausblick von der Warte der gnadenhaften Gottesfreundschaft befähigt den Menschen zu dieser Einsicht, ein niedrigerer Standpunkt läßt das Blendwerk nicht durchschauen. – Deshalb preisen die Kinder der Welt das irdische Glück – Gesundheit, Besitz, Genuß, Ansehen – als das höchste Gut, wofür sie all ihre Zeit und Kräfte einsetzen, um sich durch die Erlangung irdischer Güter den Himmel auf Erden zu schaffen. Die von Gottes Geist erfüllte Gottesmutter hingegen weiß es besser: „Hungernde erfüllt Er mit Seinen Gaben; Reiche läßt er leer ausgehen.“ Ja, diejenigen, die nach Gott hungern und dürsten, die erfüllt Er mit Seinen geistigen Gnaden und Gaben. Jene aber, deren Herz nach dem Staub irdischer Reichtümer lechzt, läßt Er für den Himmel und die Ewigkeit leer ausgehen, so daß sie in ewigem Unfrieden und in nimmer endender Armut darben müssen.
Als dritte Quelle ihrer Freude preist Maria in ihrem Magnifikat schließlich die Treue Gottes. „Er nimmt sich seines Knechtes Israel an; eingedenk Seiner Barmherzigkeit. Wie Er zu unseren Vätern gesprochen hat; zu Abraham und seinen Nachkommen auf ewig.“ Der Name Israel bedeutet übersetzt „Streiter Gottes“. Damit sind alle Rechtgläubigen gemeint, die hier auf Erden für die Sache Gottes streiten. Im Alten Bund waren das die Juden. Heute sind es die Katholiken. So wie Gott damals die Versprechen, welche Er dem Abraham gegeben hatte, verwirklicht hat, in gleicher Weise wird der Allmächtige in Seiner Treue gegen Sein Wort auch an uns all das wahr machen, was Er verheißen hat. Gott verhieß dem Stammvater des auserwählten Volkes den Erlöser und bewährte Seine Wahrhaftigkeit und Treue indem Er Maria, seine Nachfahrin, zur Gottesmutter machte. Genauso wird Gott auch uns die ewige Seligkeit geben in dem unverlierbaren Besitz Seinerselbst, wenn wir nur als wahre Israeliten, als „Streiter Gottes“, d.h. als gläubige Katholiken gehorsam und treu erfunden werden.
Maria das Heimatrecht geben!
Das ist also die geheimnisvolle Wirksamkeit des verborgenen Gottmenschen bei Seiner Heimsuchung auf die drei hochheiligen Personen – Elisabeth, Johannes und Maria. Ähnlich ist die Wirksamkeit des göttlichen Wortes auf die Seele eines jeden von uns. Jeden von uns will der Heiland mit Seiner Gnade heimsuchen. Dazu bereitet Er die Seele des Menschen vor durch die Demut. Er entflammt in ihr ein großes Verlangen nach Gott, welches sie die Welt verachten läßt. Er treibt sie an zur Aufmerksamkeit gegen die Bedürfnisse des Nächsten, zum Eifer hilfsbereiter Liebe, zu innerlicher Betrachtung und zu segensreichem Wirken. Schließlich vollendet Er diese Stufen der Vorbereitung indem Er die treue Seele mit dem gnadenhaften Besitz Seinerselbst und dem daraus erwachsenden Frieden eines guten Gewissens beschenkt.
Wollen wir in den Besitz dieses Friedens gelangen, so müssen wir Maria, die lebendige Monstranz, in das Heim unserer Seele einladen. Maria muß wieder der frohe Gedanke unserer einsamen Wege und das stille Stoßgebet unserer Arbeitsstunden werden. Dann wird sie in gar verschiedener Gestalt bei uns Heimsuchung halten; immer so, wie wir es brauchen: als Schmerzensmutter, um uns zu trösten und unseren Schmerz zu heiligen; als die frohe Sängerin des Magnifikat in fröhlichen Stunden, die zu reiner Freude und schamhafter Geselligkeit mahnt; als arme Mutter von Bethlehem, wenn uns unsere Kinder Sorgen und Mühe bereiten; als jungfräuliche Königin, wenn es um die Reinheit zu ringen gilt. Vielleicht kommt sie auf noch ganz anderen Wegen zu uns. Aber Heimatrecht müssen wir ihr in unserer Seele, in unserer Familie, in unserem Heim geben. Denn nur durch Maria kann auch Christus bei uns Heimsuchung halten. Deshalb wollen wir heute mit dem Gebet der Kirche schließen: „Erteile, o Herr, Deinen Dienern, wir bitten Dich, von oben herab die Gnade, daß die Feier der Heimsuchung Mariä ebenso den inneren Frieden in uns vermehre, wie die Mutterschaft dieser heiligen Jungfrau den Grund zu unserem ewigen Heile legte. Durch Christus unseren Herrn.“ Amen.