5000 Männer, 5 Brote, 2 Fische und 12 Körbe

Geliebte Gottes!

Mit dem Jubelruf – „Freue dich, Jerusalem!“ (Is. 66, 10) – hat uns der Prophet Isaias am Beginn dieser hl. Messe in Empfang genommen. Wir Katholiken, die „Söhne der Freien“ (Gal. 4, 31), die wir nicht aus dem „jetzigen Jerusalem“ des Unglaubens, sondern aus dem „Jerusalem, das von oben ist“ (Gal. 4, 26), abstammen, und die wir deshalb die katholische Kirche „unsere Mutter“ nennen, sollen uns freuen. Denn, soeben haben wir vom Wunder der Brotvermehrung gehört, bei dem unser göttlicher Erlöser eine große Volksmenge mit nur wenigen Broten und Fischen gesättigt hat.

Doch soll unsere Freude heute nicht allein auf die Sättigung des Magens abzielen, stehen wir doch mitten in der Fastenzeit. Auch soll sich unsere Freude nicht darauf richten, daß Fasten und Verzicht bald wieder vorbei sein werden. Nein, der Prophet ruft uns zu: „Frohlocken sollt ihr und satt euch trinken an der Tröstung Überfülle.“ (ebd.). Gemeint ist hier die Tröstung an geistigen Gütern, an denen sich unser Geist sättigen soll. Unsere Seele ist ja ein geistiges Wesen und findet deshalb nur an immateriellen, geistigen Gütern Genügen, Sättigung und Freude. Die höchste Freude erwächst dem Geist in der Erkenntnis der Wahrheit; und die größte Zufriedenheit, aus der immer tieferen Einsicht, aus dem gesteigerten Verständnis der Wahrheit. Aus diesem Grund wollen wir versuchen, an der Hand des hl. Kirchenlehrers Albertus Magnus – jenes mittelalterlichen Universalgelehrten und Lehrers des hl. Thomas von Aquin – in das Geheimnis des heutigen Evangeliums einzudringen, um unsere Seele durch ein tieferes Verständnis desselben zu nähren und uns an seinem geheimnisvollen mystischen Sinngehalt zu erfreuen.

Die Begebenheit von der wunderbaren Brotvermehrung beinhaltet geheimnisvolle Zahlen und Zahlenverhältnisse, deren Bedeutung wir uns bewußtmachen wollen. Da ist die Rede von „fünftausend Männern“, von „fünf Broten“ und „zwei Fischen“, sowie von „zwölf Körben“, in denen am Ende die Reste aufgesammelt wurden. Versuchen wir also den tieferen Sinn dieser Zahlen aufzuklären, um die geistige Bedeutung jenes Wunders zu bestaunen und uns daran zu freuen.

5-mal 1000 Männer

Eine Zahl, die im heutigen Evangelium genannt wird, ist die Zahl der Männer, welche unserem Herrn in die Einsamkeit gefolgt waren, und Ihm den ganzen Tag, ohne zu Essen, an den Lippen hingen, bis sich der Tag neigte und die Abenddämmerung hereinbrach. Fünftausend Männer waren es. Fünfmal Tausend.

Der hl. Albert deutet diese große Volksmenge als Bildnis für die Einzelseele eines jeden Christen, mit ihren mannigfaltigen Kräften und tausendfältigen Betätigungen. Die Seele, der an ihrem ewigen Heil gelegen ist, hat sich vom weltlichen Treiben abgewandt und losgelöst und ist Christus, mittels der inneren Sammlung, in die innerliche „Einsamkeit des Herzens“ gleichsam in die Einöde nachgefolgt. Sie hat sich in den ersten Wochen der hl. Fastenzeit der Befriedigung durch leibliche Speisen enthalten, und stattdessen an den Lippen des Heilandes gehangen, durch die tägliche Lesung des hl. Evangeliums.

So wird die Seele dargestellt, durch die fünftausend Männer. Die Fünfzahl schließt nämlich die fünf inneren und äußeren Tätigkeitsfelder des Menschen in sich, welche da sind:

  1. der zentrale Bereich der innerlichen Gottesliebe. Die Gottesliebe entspringt der Erkenntnis Gottes als höchstes Gut, das deshalb über alles geliebt zu werden verdient. Die Gottesliebe muß sich sodann betätigen in einem zweiten Bereich; nämlich in der Hinwendung der Seele zu Gott im Gebet; durch die Erhebung des Herzens in der Betrachtung himmlischer Dinge. Das ist das
  2. Tätigkeitsfeld; der Bereich des Gebetslebens, der frommen Gedanken und heilsamen Meditation.
  3. Muß sich die Gottesliebe auch in einer zartfühlenden Nächstenliebe äußern, ohne die unsere Gottesliebe wertlos wäre, wie der hl. Johannes sagt: „Geliebte! Lasset uns einander lieben, denn die Liebe ist aus Gott … Wer nicht liebt, der hat Gott nicht erkannt“ (1. Joh. 4, 7). Sowohl die Gottesliebe, als auch die übernatürliche Nächstenliebe müssen sich schließlich nach außen hin kundtun. Nämlich
  4. in dem Bereich der Worte, durch erbauliche Reden und nützliche Ermahnungen, sowie
  5. in dem Bereich der Tat. Weil fromme Reden allein nicht genügen, so müssen den Worten auch Taten folgen, nämlich in Form von gottgefälligen Werken und durch die Übung der Tugenden.

Nur wenn alle fünf Bereiche – Gottesliebe, Gebetsleben, Nächstenliebe, rechtes Reden und Tun – auf den Herrn ausgerichtet sind, erst dann folgt der ganze Mensch dem Herrn nach; erst dann kann er Gott erreichen. Die Fünfzahl beinhaltet also die Gesamtheit der auf Gott ausgerichteten Kräfte des Menschen. In derselben Bedeutung taucht die Fünfzahl auch an anderer Stelle im Evangelium auf. Da ist etwa die Rede von „fünf klugen Jungfrauen“ (Mt. 25, 1-13) oder von „fünf Talenten“ (Mt. 25, 14-30), um die Gesamtheit der leiblichen und seelischen Kräfte des Menschen anzudeuten. Sie müssen – um vollkommen zu sein – wachsam Jesus erwarten, wie die Jungfrauen; für Ihn wuchern, wie der treue Knecht; und Ihm ergeben sein, wie die fünftausend Männer.

Während die Fünfzahl die Gesamtheit der menschlichen Kräfte repräsentiert, deutet die Tausendschaft, nach der Auslegung des hl. Albertus Magnus, auf die unzähligen Erscheinungsformen hin, in welchen jede dieser fünf Tugendbereiche in mannigfaltiger Abwechslung auftritt. Tausendfach sind Vielfalt und Gelegenheit, um die Werke der Gottes- und Nächstenliebe zu üben. Tausendfach können und müssen fromme Gedanken erweckt und das betrachtende Gebet gepflegt, erbauliche Reden und nützliche Mahnungen gegeben und tugendhafte Werke gewirkt werden.

Schließlich spricht der Evangelist nur von fünftausend „Männern“! Nicht, um die Frauen und Kinder der göttlichen Speisung für nicht bedürftig zu erklären, sondern allein um dadurch anzudeuten, daß die Erlangung des Heiles männlicher Tugenden bedarf, nämlich der Tapferkeit und der Ausdauer. Im Gottesreich gibt es keine trennenden Unterschiede mehr, wie der Völkerapostel lehrt: „Denn ihr alle, die ihr in Christus getauft seid, habt Christus angezogen. Da ist nicht Jude noch Grieche, da ist nicht Sklave noch Freier, da ist nicht Mann noch Frau; denn ihr seid allesamt einer in Christus Jesus“ (Gal. 3, 27 f.). Alle, die Christus in der hl. Taufe angezogen haben, müssen also „männlich handeln“ (vgl. Ps. 30, 31), um ihr ewiges Heil zu wirken.

Dazu ist zuallererst die Demut erforderlich. Die demütige Unterwerfung der menschlichen Kräfte wird im heutigen Evangelium als Grundbedingung angezeigt, durch die Forderung Christi: „Laßt die Leute sich setzen!“ (Joh. 6, 10). Die Demütigen leisteten dem Befehl Folge: „Da ließen sich die Männer nieder, gegen fünftausend an der Zahl.“ (ebd.). Die demütige Selbsterkenntnis; das Wissen um die eigene Niedrigkeit und Nichtigkeit ist die Grundbedingung, um von den fünf Broten und zwei Fischen gespeist zu werden, heißt es doch, daß Christus nur denen austeilen ließ, welche sich zuvor gesetzt hatten: „Er ließ sie [die Brote] denen austeilen, die sich gesetzt hatten; desgleichen die Fische“ (ebd.).

5 Brote

Wie soll nun der gutwillige Mensch der in Gestalt der „Demut der Fünftausend“ seine aufrichtige Sehnsucht nach Erlösung und Vergebung der Sünden zum Ausdruck gebracht hat, sein ewiges Heil finden? – Er kann es nur erlangen, indem er von den fünf Broten und den zwei Fischen genießt, welche ihm der göttliche Erlöser durch die Diener Seiner Kirche austeilen läßt.

a) Das Brot der Rechtfertigung

Das erste Brot, von dem der reumütige Sünder essen muß, ist das „Brot der Rechtfertigung“. Denn ohne den Stand der heiligmachenden Gnade gleicht die Seele dem Propheten Daniel, wie er in der Löwengrube gefangengehalten wird (vgl. Dan. 6). Die Grube ist die Sklaverei der Welt, des Fleisches und der Sünde. Wie der Heiland sagt: „Jeder der die Sünde tut, ist ein Sklave der Sünde“ (Joh. 8, 34). Der Mensch im Stande der Sünde ist von ihr gefangen und nicht frei. – Er wird gleichsam belauert von sieben grimmigen Löwen, worin die sieben Hauptsünden sich wiederspiegeln – Hochmut, Habsucht, Trägheit, Unmäßigkeit, Unkeuschheit, Neid und Jähzorn. – Auch die Umlagerung durch die bösen Geister wird durch die Löwen in der Grube angedeutet, wie uns der hl. Petrus erklärt: „Euer Widersacher, der Teufel, zieht umher wie ein brüllender Löwe und sucht wen er verschlinge“ (1. Petr. 5, 8).

Der hungernde Gefangene ist der elende Sünder, der das Erbteil der übernatürlichen Gotteskindschaft verpraßt hat und nun bitteren Hunger leidet. – Wie Gott den Daniel in seiner Gefangenschaft durch einen Engel und den Propheten Habakuk, mit Speise versorgen ließ, so sendet der barmherzige Vater im Himmel die Priester Seiner Kirche aus, um dem elenden Sünder durch die Sakramente der Taufe und der Beichte das „Brot der Rechtfertigung“ zu reichen. Der Sünder muß es zu sich nehmen, um nicht den ewigen Hungertod zu leiden. Er muß von den hl. Sakramenten der Taufe und der Buße Gebrauch machen, damit er sich das übernatürliche Leben einverleibe. Dazu muß er die Gnade nicht nur annehmen, sondern auch in sich verdauen und verarbeiten, damit sie sein wahres Eigentum werden kann.

Damit dieses erste Brot vom reumütigen Sünder verdaut werden kann, muß es, wie der hl. Albertus Magnus sagt, in fünf Stücke zerkleinert werden, die sodann nacheinander verzehrt werden müssen. Der erste Bissen ist dabei die Zerknirschung des Herzens; d.h. die aufrichtige Reue, ein echtes Bedauern, ja ein Abscheu vor der Sünde. Zweitens: Die sakramentale Beichte; wodurch das tödliche Gift der Sünde im Bekenntnis ausgesprochen, also gleichsam ausgeschieden, und durch die Lossprechung hinweg genommen wird. Drittens: Das Gebet, damit wir den gefaßten Vorsatz, nicht mehr in die alten Sünden zurückzufallen, halten können. – Um dazu das Begehren des Fleisches in Zaum zu halten, muß sodann der vierte bittere Bissen verzehrt werden, nämlich die Abtötungen der Sinne durch Fasten und Verzicht. – Und um schließlich auch das Begehren des Geistes, insbesondere die selbstsüchtige Eigenliebe zu bezähmen, muß man den fünften Bissen dieses ersten Brotes nicht nur für sich allein genießen, sondern auch mit dem Nächsten teilen, wie es beim Propheten Isaias geschrieben steht: „Brich dem Hungrigen dein Brot und nimm den Elenden und Obdachlosen in dein Haus auf. Wenn du einen nackten siehst, so kleide ihn, geh nicht vorüber an diesem deinem Nächsten“ (Is. 58, 7). – Durch die fünf Werke der Buße – Reue, Beichte, Gebet, Abtötung und Almosen – wird also das „Brot der Rechtfertigung“ genossen.

b) Das Brot der Glaubenslehre

Das zweite Brot, das Jesus an die hungernden Fünftausend austeilen läßt, ist das „Brot der Glaubenslehre“. Er Selbst hat die Lehre des Evangeliums mit einem Brot verglichen, als Er sprach: „Der Mensch lebt nicht vom Brot allein, sondern von jedem Wort, das aus dem Munde Gottes kommt“ (Mt. 4, 4).

Wie schon das erste Brot, so ist auch dieser Fladen zu groß, um auf einmal genossen zu werden. Auch er muß zerkleinert werden. Und zwar auf die Weise, wie es der hl. Paulus seinem Schüler Timotheus erklärt hat: „Jede von Gott eingegebene Schrift ist auch dienlich (1.) zur Belehrung, (2.) zur Beweisführung, (3.) zur Zurechtweisung, (4.) zur Schulung in der Gerechtigkeit, damit der Mann Gottes ausgestattet und wohlgerüstet sei zu jedem guten Werk“ (2. Tim. 3, 16 f.).

Auf vierfache Weise muß man sich die Glaubenslehre also einverleiben: Zuerst auf die Weise der „Belehrung“; um erst einmal zur allgemeinen Kenntnis der Glaubenswahrheiten zu gelangen. – Zweitens, durch tieferes Studium; „zur Beweisführung“, um die Winkelzüge der Häresie zu durchschauen und die Irrlehrer zu überführen. Der Glaube will also nicht nur allgemein bekannt, sondern auch in scharfer Abgrenzung zur Irrlehre gekannt sein, um vor den Winkelzügen der Häretiker geschützt zu sein. – Drittens muß die Glaubenslehre vom Menschen wenigstens derart verinnerlicht werden, daß er „zur Zurechtweisung“ seiner Untergebenen befähigt ist, um nicht an deren Sünden mitschuldig zu werden. Das Strafen und Bessern der Fehler anderer ist das Dritte. – Vollkommen ist jedoch das Brot der Glaubenslehre erst verzehrt, wenn es dazu hinreicht auch andere damit zu nähren und zu unterweisen. Wenn es soweit in Fleisch und Blut übergegangen, also verinnerlicht ist, daß es auch glaubhaft anderen vorgelebt und auf diese Weise an andere ausgeteilt werden kann, „zur Schulung in der Gerechtigkeit“; erst dann ist das zweite Brot, welches uns Christus reichen läßt, verzehrt.

c) Das Brot der „Letzten Dinge“

Das dritte Brot, welches die Apostel im Auftrag Christi den nach dem ewigen Heile hungernden Fünftausend reichten, ist das „Aschebrot der Todesgedanken“.

Als der Prophet Elias von seinen Feinden durch die Wüste gehetzt, gänzlich ermattet unter einem Ginsterstrauch niedersank, da sprach er im Angesicht des Todes: „Es ist genug für mich, Herr, nimm mein Leben!“ (3. Kön. 19, 4). Laß mich sterben! – Daraufhin legte er sich im Schatten des Dornbusches nieder und schlief ein. – Nach einer Zeit weckte ihn ein Engel des Herrn und er sah vor sich einen „Aschenkuchen“, d.h. ein Brot in heißer Asche gebacken, und ein Gefäß mit Wasser. Der Engel befahl ihm aufzustehen und zu essen. „Da stand er auf, aß und trank, und ging in der Kraft dieser Speise vierzig Tage und vierzig Nächte bis zum Gottesberg Horeb“ (3. Kön. 19, 8).

So sucht auch der Sünder vergebens Ruhe im Schatten der stacheligen Weltfreuden, die der Herr an anderer Stelle mit Disteln und Dornranken verglichen hat (vgl. Lk. 8, 14). Da weckt ihn der Engel der Gnade mit Gedanken, die ihm beständig den Tod in Erinnerung rufen: „Gedenke Mensch, daß du Staub bist und zu Staub zurückkehren wirst.“ Staub und Asche bist du! Und deine Tage zerfließen wie Wasser! – Ja, der Gedanke an den Tod, der uns alle materiellen Güter und Freuden entreißt; der Gedanke an die Rechenschaft vor dem unbestechlichen göttlichen Richterstuhl; der Gedanke an die Ewigkeit von Himmel und Hölle; derlei Erwägungen sind wie eine geistige Speise für die Seele, die eine ganz wunderbare Kraft verleiht. Sie läßt uns vor der Sünde zurückschrecken und lenkt unseren täglichen Wandel, quer durch die glühende Wüste dieses irdischen Jammertales, mit all seinen Versuchungen und Prüfungen, himmelwärts, bis zum Gottesberg der Ewigkeit. – Schon König David kannte das Aschebrot der „Letzten Dinge“, wenn er im 101. Psalm betet: „Asche esse ich wie Brot und meinen Trank mische ich mit Tränen“ (10).

d) Das Brot des Beispiels der Heiligen

In dem vierten Brot, das Jesus seinen Jüngern auszuteilen befahl, erkennt der hl. Albertus Magnus das gute Beispiel gottesfürchtiger Menschen und insbesondere das Vorbild der Heiligen. In dieser Speise findet die Seele Kraft, die Leiden dieses Lebens starkmütig zu ertragen; die Freuden der Welt gering zu schätzen und zu verachten; durch würdige Buße die Vergebung der Sünden zu erlangen und voll Eifer zur Nachahmung Christi angetrieben, die ewige Glorie zu erringen.

Als die fleischlich gesinnten Israeliten das Gelobte Land vor sich sahen, da wurden sie von Furcht ergriffen, angesichts der Stärke und zahlenmäßigen Überlegenheit der Kanaaniter, welche sie auf Gottes Befehl hin vertilgen sollten. Sie fürchteten sich vor ihren Feinden. Aber Josue und Kaleb, die das Land schon durchzogen hatten, machten ihren Brüdern Mut: „Das Land … ist sehr gut … fürchtet das Volk dieses Landes nicht. Empört euch nicht gegen den Herrn; denn wie Brot so können wir sie vertilgen“ (Num. 14, 6-9).

Ja, bisweilen erschrecken wir vor dem Vorbild der Heiligen. So unangenehm, bitter und feindselig erscheint dem weltlichen Empfinden ihre Lebensweise. Nicht umsonst bezeichnet die Welt das katholische Ideal als leibfeindlich und freudlos. Doch wie damals Josue und Kaleb dem Volk der Hebräer, so ruft uns schwachen Menschen heute die Kirche zu: „Empört euch nicht gegen den Herrn; denn wie Brot so können wir sie vertilgen.“ Wir können sie „vertilgen“! D.h. wir sollen das Beispiel der Heiligen nachahmen und auf diese Weise verinnerlichen.

Das Leben der Heiligen ist dabei dem jüdischen Speiseopfer zu vergleichen. Gott hatte dafür angeordnet: „Willst du aber etwas im Ofen Gebackenes als Speiseopfer darbringen, so soll es von feinem Mehl sein, nämlich ungesäuerte, mit Öl angemachte Brote, und ungesäuerte mit Öl bestrichene Fladen“ (Lev. 2, 4). Die Werke der Heiligen sind wie „feines Mehl“, also in der Vollkommenheit der Tugend gewirkt. Sie sind ungesäuert, d.h. von jeder Verunreinigung durch den verdorbenen Sauerteig der Eigenliebe frei. Sie sind mit Öl bestrichen, d.h. in der übernatürlichen Salbung des Heiligen Geistes zubereitet und schließlich im Glutofen der Gottesliebe gebacken.

Auf drei verschiedene Art und Weisen sollten die Israeliten Brote als Speiseopfer darbringen: als „Brot, mit Öl besprengt“, als „Brot vom Rost“ und als „einfaches, ungesäuertes Brot“. Darin sind die verschiedenen Chöre der Heiligen versinnbildet, die uns ein gottgefälliges „Brot des Beispiels“ vor Augen stellen, an dem wir unsere sittlichen Kräfte nähren sollen. – Das „Brot, mit Öl besprengt“ sind die „Gesalbten des Herrn“; die hl. Apostel, die hl. Bischöfe und die hl. Priester. Sie sind gesalbt mit dem ewigen Hohepriestertum Christi. – Sodann das „Brot vom Rost“. Das sind die hl. Märtyrer, die um Christi willen auf dem heißen Rost der Leiden gelegen haben. – Und schließlich das gewöhnliche ungesäuerte Weißbrot. Das sind alle hl. Jungfrauen und Bekenner, deren ganzes Streben dahin ging, rein an Leib und Seele vor dem Herrn zu wandeln.

Dieses „Brot des guten Beispiels“ ist uns gleich den zwölf Schaubroten im Tempel als vollkommenes Vorbild zur Betrachtung und Bewunderung vor Augen gestellt. Wir sollen es uns durch Nachahmung einverleiben. „Empört euch nicht gegen den Herrn; denn wie Brot so können wir sie vertilgen.“

e) Das Brot der hl. Eucharistie

In dem fünften und letzten Brot, welches Christus seinen Aposteln zur Austeilung an das Volk übergab, ist schließlich das „Brot, das vom Himmel herabgestiegen ist“ vorgebildet: die hl. Eucharistie. Von diesem Brot lehrte Jesus an dem auf das Wunder der Brotvermehrung folgenden Tage in der Synagoge von Kapharnaum: „Ich bin das lebendige Brot, … wer von diesem Brote ißt, der wird leben in Ewigkeit. … Denn mein Fleisch ist wahrhaft eine Speise, und mein Blut ist wahrhaft ein Trank. … Dies ist das Brot, welches vom Himmel herabgekommen ist, nicht so, wie eure Väter das Manna gegessen haben und gestorben sind. Wer dieses Brot ißt, wird ewig leben“ (Joh. 6, 51 ff.).

Der Leib des Gottessohnes in der Gestalt des Brotes, wurde vorgebildet durch das Manna. Dieses regnete dem Volk Israel während der vierzig Jahre seiner Wanderschaft jeden Tag aufs Neue vom Himmel herab und sicherte so sein Überleben in der Wüste. Gott selbst nannte das Manna „Brot vom Himmel“ als Er sprach: „Ich will euch Brot vom Himmel regnen lassen“ (Ex. 16, 4). Und der Prophet Nehemias priest dieses Wunder des täglichen Mannaregens: „Du hast ihnen Brot vom Himmel gegeben, als sie Hunger hatten“ (Neh. 9, 15).

So wird uns das Himmelsbrot der hl. Eucharistie, welches täglich auf unseren Altären niederregnet, angeboten, um unsere Seele mit göttlicher Gnadenkraft zu stärken und auch unseren Leib zu heiligen, damit er auferweckt werde am Jüngsten Tag. Es ist ein „Brot der Starken“, das nur die Gesunden, die Kräftigen, die Reinen, also die Seelen im Gnadenstand, würdig genießen können.

Es ist das vollkommenste der fünf Brote, trägt es doch den Urheber aller übernatürlichen Gnaden und Kräfte in sich; und damit gleichsam auch die Kraft der anderen vier Brote: Die Kraft des „Brotes der Rechtfertigung“ und die Kraft des „Brotes der Glaubenslehre“. Die Kraft des „Aschebrotes“ der „Letzten Dinge“ und die Kraft des „Brotes des guten Beispiels der Heiligen“.

2 Fische

Mit den fünf Broten wurden aber auch zwei Fische ausgeteilt. – Diese werden vom hl. Albert auf die beiden göttlichen Tugenden der Hoffnung und der Liebe gedeutet. Denn wie sich die Fische von den Brotkrümeln, die ins Wasser gestreut werden nähren, so werden die Tugenden der Hoffnung und der Liebe von den fünf geistigen Broten genährt. Gleichwie die Fischlein begierig in die Höhe schnellen und über die Wasseroberfläche hinaus springen, um nach ihrer Nahrung zu schnappen, so erhält die Tugend der Hoffnung durch den Genuß der fünf Brote ihre Spannkraft, so daß sie über sich hinauswächst, und sich über die Denkkategorien dieser Welt hinwegsetzend, voll Vertrauen der Sonne der göttlichen Güte und Barmherzigkeit entgegenwirft. Auch die göttliche Tugend der Liebe wird genährt von den fünf Broten, in deren Kraft sie mit aller Gewalt nach oben drängt, dem Himmel entgegen, um sich mit dem Geliebten auf ewig zu vereinen und nie wieder ins alte Leben zurück zu fallen.

12 Körbe

Die letzte Zahl, die im heutigen Evangelium hervorgehoben wird, finden wir in den zwölf Körben, welche die Apostel einsammelten, nachdem sich die Fünftausend an den fünf Broten und zwei Fischen gesättigt hatten. – Die Zwölfzahl begegnet uns wiederholt in der Heiligen Schrift zum Zeichen der Gnadenfülle und des göttlichen Wohlgefallens, sowie der Vollkommenheit der natürlichen und übernatürlichen Ordnung. Deshalb „zwölf Stämme Israels“ (Gen. 49, 28), „zwölf Apostel“ (Apg.1, 20-26), „zwölf Tore“ des himmlischen Jerusalems (Offb. 21, 12) und „zwölf Sterne“ in der Krone der Unbefleckten Himmelskönigin (Offb. 12, 1).

Die zwölf Körbe bedeuten die vielen Belohnungen und die daraus erwachsenden vollkommenen Freuden, welche uns durch Genuß jener geistigen Brote und Fische mit unfehlbarer Gewißheit zuteil werden.

Da ergeben sich aus dem „Brot der Rechtfertigung“ zwei Körbe: Nämlich (1.) der Korb des Nachlasses der Sünden und sowohl der ewigen, als auch der zeitlichen Strafen. – Sodann (2.) der Korb des übernatürlichen Lebens: also die Eingießung der heiligmachenden Gnade, der sieben Gaben des Heiligen Geistes, sowie aller übernatürlichen Tugenden. Beide Körbe sind es wert, mit höchster Sorgfalt behütet und durch fortgesetzten Eifer im Guten noch mehr gefüllt zu werden.

Aus dem „Brot der Glaubenslehre“ speisen sich ebenfalls zwei Körbe. – Wer nämlich Gottes Wort aufmerksam in der Predigt anhört und selbst gläubig nachliest, der verdient sich (1.) dereinst auch die Chöre der Engel zu hören; und (2.) das im Himmel in aller Klarheit zu schauen und im Vollmaß zu erkennen, was der Mensch hier auf Erden im Dunkel des Glaubens angenommen hat.

Auch vom „Aschebrot der Todesgedanken“ lassen sich zwei Körbe sammeln. – Denn nachdem man durch den Gedanken an die Vergänglichkeit alles Zeitlichen zur Besserung seines Lebens gelangt ist, folgt daraus (1.) die Verherrlichung der Seele, die vor aller Täuschung durch zeitliche Güter gefeit, das eine, wahre und unvergängliche Ziel – nämlich den Besitz Gottes – anstrebt und erlangt. – Aus der Verherrlichung der Seele erwächst dem Menschen aber auch (2.) die Verklärung seines Leibes. Selbst wenn der Körper in die Asche des Grabes sinkt, so wird er sich, nachdem die letzte Posaune erschallt, mit strahlender Herrlichkeit wieder daraus erheben. So lehrt der hl. Paulus von der Auferstehung der Toten: „Gesät wird in Verweslichkeit, auferweckt in Unverweslichkeit. Gesät wird in Unehre, auferweckt in Herrlichkeit; gesät wird in Schwachheit, auferweckt in Kraft. Gesät wird ein sinnlicher Leib, auferweckt wird ein geistiger Leib“ (1. Kor. 15, 42-44). Und an anderer Stelle sagt der Völkerapostel: „Christus wird den Leib unserer Niedrigkeit umgestalten, daß er gleichgestaltet werde dem Leibe Seiner Herrlichkeit“ (Phil. 3, 21).

Ferner lassen sich zwei Körbe aus dem vierten „Brot des guten Beispiels der Heiligen“ gewinnen. – Nämlich (1.) die ewige Gesellschaft der Heiligen, weil wir sie in ihrem gottgefälligen Tun treu nachgeahmt haben. Und (2.) die Aufnahme unter die Gesellschaft der Engel, deren Gemeinschaft wir uns würdig gemacht haben, indem wir gehorsam auf den Wegen der Unschuld gewandelt sind, welche sie uns gewiesen, und auf denen sie durch ihren Dienst dafür gesorgt haben, daß unser „Fuß nicht an einen Stein anstoße“ (Ps. 90, 11).

Auch aus dem „Brot der hl. Eucharistie“ lassen sich zwei Körbe füllen. – Es sind die Körbe jenes unaussprechlichen und unvergänglichen Glücks, das darin zu finden ist, (1.) Denjenigen, den man hier in diesem Leben unter dem Schleier des Brotes gesucht und angebetet hat, dort von Angesicht zu Angesicht schauen und die Schönheit Seines Antlitzes ewig loben zu dürfen. – Und (2.) das Glück, Denjenigen, welchen man im Sakrament geheimnisvoll verborgen als einfache Speise, ohne besonderen sinnlichen Geschmack, empfangen hat, jetzt in höchster Seligkeit verkosten und genießen zu dürfen und nie mehr aus Seiner beglückenden Umarmung gerissen zu werden.

Schließlich werden auch von den zwei Fischen der göttlichen Hoffnung und der göttlichen Liebe zwei Körbe eingesammelt werden. – Die Hoffnung, die unermüdlich auf Gott vertraut hat, wird belohnt mit dem Besitzt des nie verwelkenden Siegeskranzes über Sünde, Tod und Teufel. – Und die göttliche Liebe, der das höchste Gut über alles ging, wird in den Vollbesitz des allerhöchsten Gutes eingesetzt – den Besitz Gottes.

„Herr, gib uns allezeit dieses Brot!“

Bitten wir schließlich den Heiland, daß Er auch uns durch Seine Diener mit den fünf Broten – der Rechtfertigung, der Glaubenslehre, der Todesgedanken, des Beispiels der Heiligen und der hl. Eucharistie – sowie mit den zwei Fischen der göttlichen Hoffnung und der Liebe speisen wolle; damit wir Ihm in der mannigfaltigen Gestalt fünftausendfacher guter Werke wohlgefallen und einst auch die zwölf gefüllten Körbe der vollkommenen Freude im Himmel finden dürfen.

So wollen wir wie das Volk voll Sehnsucht rufen: „Herr, gib uns allezeit dieses Brot!“ (Joh. 6, 34), damit wir in Deiner Liebe bleiben und so unsere Freude vollkommen sei (vgl. Joh. 15, 9-11). Amen.

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