„Geht auch ihr in Meinen Weinberg!“

Geliebte Gottes!

Immer wieder hören wir dieser Tage die Klage über einen großen Fachkräftemangel in allen möglichen Branchen. Bei gewissen Firmen finden sich Schilder in Fenstern oder Schaukästen, auf Firmenwägen oder in Anzeigen der Tageszeitungen mit der großen Überschrift: „Mitarbeiter gesucht“. Sehr oft findet sich dann eine sehr detaillierte Stellenbeschreibung darunter, die darüber aufklärt welche Qualifikationen für eine Bewerbung gefordert sind; sodann wie das Arbeitsfeld, also die Tätigkeit, umrissen ist; wie die Arbeitszeiten und dann schließlich auch wie die Lohnaussichten beschaffen sind.

„Mitarbeiter gesucht“, so steht es heute auch in der Tageszeitung des Gottesreiches, in der Heiligen Schrift, die wir oft – ja täglich – aufschlagen sollen, um darin zu lesen. Es werden Mitarbeiter gesucht, denn, wie der hl. Augustinus bemerkt: „Gott hat dich zwar ohne dich erschaffen, Er will dich aber nicht ohne dich erlösen.“ Im Reich Gottes gibt es kein bedingungsloses Grundeinkommen. Nur „der Arbeiter ist seines Lohnes wert“ (Lk. 10, 7). Und um den verheißenen Lohn zu erlangen, muß der Mensch für Gott arbeiten. Dazu ist er von Gott berufen.

Der Arbeitstag der Welt- bzw. Lebenszeit

Fünfmal am Tag zieht der Hausvater im heutigen Gleichnis aus, um auf dem Marktplatz Arbeiter für seinen Weinberg zu werben. Die hl. Kirchenväter erkannten darin den Drang der unermüdlichen Liebe Gottes, die – solange der Tag dieser Weltzeit, bzw. der Tag dieses Lebens währt – nicht aufhört, unter Verheißung des gerechten Lohnes, Arbeiter anzuwerben.

Fünfmal erging etwa der Ruf zur Arbeit im Weinberg Gottes an das gesamte Menschengeschlecht. Denn der eine Arbeitstag des Gleichnisses ist gemäß der Auslegung der hl. Väter nichts anderes als die gesamte Weltzeit – vom Schöpfungsmorgen bis zum Weltuntergang. Dieser Tag ist zwar von langer Dauer in Bezug auf uns, aber nur kurz in Bezug auf das ewige Leben Gottes, für den Jahrtausende ja nicht einmal wie Stunden währen.

Der Ausgang Gottes am Schöpfungsmorgen

Der erste Ausgang des göttlichen Hausvaters „am frühen Morgen“ versinnbildet im Gleichnis die Bestellung des ersten Menschenpaares – Adam und Eva – zur Arbeit im Weinberg Gottes. Der erste Weinberg war der Lustgarten des Paradieses, den Gott für den Menschen geschaffen hat. Das Paradies war die Urkirche, in die der Mensch von Gott berufen wurde, um dort zu arbeiten. Denn schon im Paradies war kein Müßiggang vorgesehen! Gott bestellte Adam und Eva dazu, den Garten zu pflegen, wie es in der Genesis heißt: „Gott setzte ihn [den ersten Menschen] in den Garten des Paradieses, auf das er ihn bebaue und bewahre“ (Gen. 2, 15).

Doch war der äußere, stoffliche Paradiesesgarten lediglich ein Sinnbild für die innerlich-geistige Wirklichkeit der Menschenseele; jenes geistigen Gottesgartens, in dem Gott selber durch die Gnade wohnen und lustwandeln wollte, und dessen Bearbeitung durch freien, liebenden Gehorsam Er dem Menschen anvertraut hat. Auch damals regelte der Gehorsam schon das Dienstverhältnis der Liebe. Darum das Gebot: „Von dem Baum der Erkenntnis … sollst du nicht essen!“ (Gen. 2, 17). In der gehorsamen Unterordnung des eigenen Willens unter den Willen Gottes, sowie in der Hingabe an den Schöpfer durch Glaube, Hoffnung und Liebe bestand die Arbeit im Weinberg der Seele. Diese erste Berufung galt nicht nur den Stammeltern allein, sondern auch schon all ihren Nachkommen; also dem ganzen Menschengeschlecht. Die Forderung des liebenden Gehorsams bzw. der gehorsamen Liebe ist ein katholisches, d.h. ein allumfassendes Gebot; auch ein alle künftigen Generationen umfassendes Gebot.

Die Berufung zur Arbeit wird ferner auch darin sichtbar, daß Gott den Menschen dementsprechend ausgestattet hat: „Gott schuf den Menschen nach seinem Bild und Gleichnis“ (Gen. 1, 27). Die Ebenbildlichkeit des Menschen zu Gott besteht vor allem in seiner Vernunftbegabung. Die Vernunft befähigt den Menschen Gott zu erkennen. Ferner ist der Mensch Gott ähnlich durch den freien Willen. Der Mensch ist fähig, wie Gott, frei und aus eigenem Antrieb das Gute zu lieben und das Böse zu hassen. Während sich aber Gott vollkommen selbst genügt und zu Seiner ewigen Glückseligkeit niemandes sonst bedarf, so hat Er dem Menschen ein liebedürstendes Herz in die Brust hineingeschaffen. Ein Herz dessen unendliches Verlangen zu lieben und geliebt zu werden, allein Gott vollends zu stillen vermag.

Als Lohn für seinen Arbeitsdienst in liebendem Gehorsam, wurde dem Menschen die beseligende Einigung mit Gott verheißen. Wir haben es also schon am Schöpfungsmorgen mit einer „vertraglichen Anstellung“ des gesamten Menschengeschlechtes zu tun. Das Arbeitsfeld ist der innerliche Weinberg der Seele. Die Arbeit besteht in der Betätigung des Verstandes und des Willens durch Akte lebendigen Glaubens, zuversichtlicher Hoffnung und einer gehorsamen Liebe, bzw. dem liebenden Gehorsam gegen Gottes Gebot. Der Lohn ist Gott selbst, wie der hl. Remigius scharfsinnig bemerkt: „‚Denar‘ – also Zehner – heißt die Münze, welche einst für zehn Geldstücke galt und das Bild des Königs aufgeprägt trug. Treffend wird also unter dem Denar der Lohn für die Beobachtung der Zehn Gebote bezeichnet.“ Wer nämlich in liebendem Gehorsam die Zehn Gebote erfüllt, in denen sich ja der Wille des einen Gottes zehnfach widerspiegelt, der vereinigt sich in der liebevollen Hingabe seines Willens mit dem einen und einzigen Gott, in dem die Zehn eins sind. Gott selbst ist der Denar. Gott selbst ist der Lohn, welcher dem gesamten Menschengeschlecht in Aussicht gestellt ist. Ein fürstlicher Lohn!

Aber die gedungenen Stammeltern brachen aus dem Arbeitsverhältnis mit ihrem Schöpfer aus und traten in den Dienst des Satans. Es geschah die erste Sünde, die in den Nachkommen Adams bis zu einer unüberschaubaren Flut der Sünden anschwoll. Denn „als die Menschen anfingen sich zu mehren … sah Gott, daß ihre Bosheit groß … und alles Trachten ihres Herzens immerdar auf Böses gerichtet war“ (Gen. 6, 1. 5). Das „war aber der Morgen der Welt“, wie der hl. Papst Gregor der Große sagt, „das Weltalter von Adam bis zu Noe“ (hom. 19. in Evang.). Statt nun das Menschengeschlecht gänzlich in der Sintflut auszurotten – wie es recht und billig gewesen wäre – erging der zweite Ruf Gottes an Noe.

Der Ausgang Gottes um die dritte Stunde

Denn wie der hl. Gregor fortfährt: „Die dritte Stunde aber war die Zeit von Noe bis auf Abraham, von der es [im Gleichnis] heißt: ‚Und da er um die dritte Stunde ausging, sah er andere auf dem Markte müßig dastehen.‘“ Der zweite Ruf erging an die Menschheit, als sie bereits aus dem Paradies vertrieben war, wie Origenes bemerkt: „Der Markt aber ist jener Ort außerhalb des Weinbergs, d.h. außerhalb der Kirche Christi“ (tract. 10 in Matth.).

Es ist ein nachdrücklicher Ruf. Der Schrecken der Sintflut sollte Noe und seine Söhne eifriger und treuer im Dienste Gottes machen; sie zurückschrecken lassen vor dem verderblichen Abfall von Gott. Nichtsdestotrotz war es ein gütiger Ruf. Gott warnte Noe vor der Katastrophe, wies ihn an, die rettende Arche zu bauen – das Vorbild für die neutestamentliche Kirche, in welcher die Menschheit vor dem ewigen Schiffbruch Rettung finden sollte, genauso wie Noe in ihr vor dem Untergang bewahrt blieb. Gott schloß feierlich einen Liebes- und Gnadenbund mit Noe. Dieser empfing Gottes Segen und wurde zum „zweiten Stammvater“ der Menschheit bestellt.

Aber Hochmut und Trotz der folgenden Generationen, die meinten den Himmel mittels eines Turmes erstürmen zu können, brachen von neuem den Bund mit Gott. Die Völker zerstreuten sich im Sprachgewirr von Babel in alle Himmelsrichtungen. Doch erbarmungsvoll hielt Gott an dem einmal aufgesetzten Vertrag fest.

Der Ausgang Gottes um die sechste Stunde

Der dritte Ruf erging an Abraham, am hellen Mittag der Weltzeit, „um die sechste Stunde“. Es war abermals ein Ruf zum Dienst des einen und einzigen Gottes. Daher mußte zuvor Abram seiner Heimat den Rücken kehren, um sich von den Götzendienern abzusondern, sich loszutrennen von den unreinen Sitten und ungeordneten Lebensverhältnissen seiner Stammesgenossen. „Der Herr sprach zu Abram: ‚Ziehe hinweg aus deiner Heimat, aus deiner Verwandtschaft und aus deinem Vaterhause in ein Land, das Ich dir zeigen werde‘“ (Gen. 12, 1-3). Für seinen gläubigen und opferfrohen Gehorsam wurde Abram zur Würde des Stammvaters des auserwählten Volkes erhoben. „Der Herr sprach zu ihm: … Fortan soll dein Name nicht mehr Abram heißen, sondern Abraham, denn zum ‚Vater einer Völkermenge‘ will Ich dich machen. Und sehr fruchtbar will Ich dich machen; zu Völkern will Ich dich werden lassen, und Könige werden aus dir hervorgehen. Errichten will Ich meinen Bund zwischen mir und dir und deiner Nachkommenschaft in ihren Geschlechtern. Ein immerwährender Bund soll es sein; für dich und deine Nachkommen will Ich Gott sein. Geben will Ich dir und deiner Nachkommenschaft das Land, in dem du jetzt als Fremder weilst; das ganze Land Kanaan, zum dauernden Besitz“ (Gen. 17, 5-8). Ferner verhieß Gott dem Abraham, daß der Messias von ihm abstammen werde.

In den folgenden Generationen wurde sodann eben jener ersehnte Erlöser durch die Söhne und Enkel Abrahams vorgebildet. In Isaak etwa, der das Opferholz selbst auf den Gipfel des Berges Moria hinauftrug, wo er als Brandopfer geschlachtet werden sollte, wirft der kreuztragende Heiland Seinen Schatten voraus, der auf demselben Berg am Holz des Kreuzes Sein kostbares Blut vergießen würde. Genauso vorbildlich war auch Joseph, der von seinen leiblichen Brüdern um den Preis einiger Silberlinge nach Ägypten verkauft wurde, dort aber durch Gottes Fügung aus dem finsteren Kerkerverlies bis hinauf zum Sonnenthron des Pharao erhoben wurde, genauso wie einst Christus verkauft und verraten, dem Kreuzestod überantwortet, sodann aber Kraft Seiner göttlichen Macht aus dem Verlies des Todes ausbrechen und leuchtend wie die Sonne aus dem Grab erstehen und in den Himmel auffahren wird. Schon der Patriarch Jakob weissagte von Ihm: „Es wird das Zepter nicht von Juda weichen … bis der kommt, … auf den die Völker harren“ (Gen. 49, 10).

Doch das aus dem Patriarchen Abraham hervorgegangene auserwählte Volk der Hebräer geriet in die Knechtschaft der Ägypter. Es lief Gefahr entweder ausgerottet, oder durch Annahme des Heidentums seinem heiligen Beruf untreu zu werden.

Der Ausgang Gottes um die neunte Stunde

Da ging Gott zum vierten Male aus. Nämlich, wie der hl. Papst Gregor sagt, um „die neunte Stunde“, also in der „Zeit von Moses bis zu Johannes dem Täufer“. Durch das mosaische Gesetz wurde die Arbeit im Weinberg kodifiziert. Der Ruf erging in dieser Zeit vor allem an Israel, wie der hl. Johannes Chrysostomus sagt: „In diesen Stunden [von der neunten bis zur elften] berief Gott das Volk der Juden, und beeilte sich, mit den Menschen den [Alten] Bund zu schließen, indem die gleichsam für die Erlösung aller Menschen festgesetzte Zeit schon herannahte.“ Durch die Einhaltung des jüdischen Gesetzes sollte dem Messias ein gläubiges und sittenreines Volk herangebildet werden, das Seiner Ankunft würdig wäre. Und während König David und die Propheten den Lebenslauf des Erlösers bis ins Einzelne vorherverkündeten, stellte Gott wiederholt Seine Bundestreu unter Beweis. Zwar züchtigte Er Israel seiner Sünde wegen schwer, doch ließ Er es nie zu, daß die übermächtigen Feinde das auserwählte Volk auslöschen konnten. Wiederholt befreite Gott Sein Volk aus der Hand seiner Feinde und demütigte deren Macht.

Das Dasein Israels war aber auch eine heilsame Mahnung an die Heiden. Es war eine Einladung zur Abkehr von der Vielgötterei und zur Rückkehr zum Ein-Gott-Glauben. Die Zerstreuung der Juden in die Länder der Heiden brachte ferner die in Aberglaube und Unsittlichkeit abgesunkenen Völker in Berührung mit den messianischen Prophezeiungen, sowie mit dem grellen Kontrast einer gänzlich auf Religion basierenden Lebensform, wie sie die Heiden nicht kannten.

Trotzdem verhallte der Ruf in den meisten Völkern ungehört. Und auch der Weinberg Israels, den sich Gott gepflanzt hatte, brachte statt der erhofften Trauben, schließlich nur Herlinge, wie der Prophet Isaias klagt: „Wohlan, der Weinberg des Herrn der Heerscharen ist das Haus Israel, und die Leute von Juda sind seine liebliche Pflanzung. Er hoffte auf Rechtsspruch, doch siehe da: Rechtsbruch; und auf Gerechtigkeit, so siehe da: Klagegeschrei!“ (Is. 5, 7).

Der Ausgang Gottes um die elfte Stunde

Deshalb sandte der himmlische Hausvater bei Seinem fünften und letzten Ausgang in der Abenddämmerung der Weltzeit Seinen eingeborenen Sohn, um Arbeiter zu rufen. Der hl. Paulus sagt: „Vielfach und auf mancherlei Weise hat Gott früher durch die Propheten zu den Vätern geredet. Zuletzt hat Er in diesen Tagen zu uns geredet durch den Sohn, den Er zum Erben des Weltalles eingesetzt, durch den Er auch die Welt erschaffen hat“ (Heb. 1, 1 f.). Und der hl. Gregor erklärt: „Die elfte Sunde aber geht von der Ankunft des Herrn bis auf das Weltende.“

Bis zum Feierabend wird also der Ruf Christi erschallen – durch die Apostel und deren Nachfolger, durch die Missionare und amtlichen Lehrer der katholischen Kirche, um die Menschen, aller Orte und aller Zeiten, in den Weinberg, zur Pflege des Gottesreiches in tätigem Glauben, gehorsamer Liebe und gemeinsamer Heiligung zu rufen; so daß der hl. Paulus, egal in welchem christlichen Jahrhundert, hätte schreiben können, wie er es an die Römer getan hat: „So ist also auch in unserer Zeit ein Rest nach der Auswahl der Gnade gerettet worden“ (Röm. 11,5).

Wie wunderbar, wie unermüdlich ist die Liebe des göttlichen Hausvaters um das Wohl des ganzen Menschengeschlechtes besorgt gewesen. Jede Generation will Er – aller Unwürdigkeit und Untreue zum Trotz – in Seine Dienste nehmen, um Seinen Erwählten am Ende des Weltentages den unschätzbar kostbaren Denar der ewigen Glückseligkeit auszahlen zu können.

Gottes Werben im Laufe des Menschenlebens

Aber das Gleichnis findet seine Entsprechung nicht nur in den Epochen der Heilsgeschichte. Es beinhaltet auch tiefe Lehren im Hinblick auf den „Lebenstag“ des Einzelnen.

Dabei erblickt der hl. Johannes Chrysostomus im Weinberg die Seele eines jeden Menschen. Darin sollen die Weinstöcke der Sanftmut, Reinheit, Geduld und der übrigen Tugenden gepflanzt, gepflegt und zu großem Ertrag gebracht werden, um am Lebensabend den göttlichen Lohn zu erhalten.

Manche Seelen wurden nun schon „früh am Morgen“ in den Weinberg gerufen. Unter ihnen gab es solche die auf außerordentliche Weise – sozusagen schon vor Sonnenaufgang – berufen wurden. Das sind, nach Auslegung des hl. Hieronymus, jene Seelen, wie die der Propheten Samuel und Jeremias, des hl. Johannes des Täufers oder der allerseligsten Jungfrau Maria, die schon vor Tagesanbruch, noch vor der Geburt, also bereits im Mutterschoß geheiligt wurden bzw. heilig waren. Von ihnen gilt das Wort des Psalmisten: „Dir war ich zugeworfen vom Mutterschoß an! Vom Mutterleib an warst Du mein Gott“ (Ps. 21, 11). Doch das ist eine außerordentliche Berufung.

Die hl. Taufe

Die meisten Seelen werden gerufen, unmittelbar nachdem sie das Licht der Welt erblicken. Es sind alle in der Kindheit Getauften. Die hl. Taufe ist ein Bund mit Gott, ein Vertrag zwischen Gott und den Menschen. Sie bewirkt die Aufnahme in die katholische Kirche – den sichtbaren Weinberg – sowie die Mitteilung des übernatürlichen Gnadenlebens. Das Taufsakrament markiert die Festanstellung im Weinberg der Seele, ohne deren Voraussetzung dort niemand verdienstlich arbeiten kann.

Ein unschätzbares Glück ist es, wenn solch Frühberufene gute Vorarbeiter haben, welche sie altersgemäß in ihre Pflichten einweisen, ohne ihnen dabei die Freude an der Arbeit zu nehmen. Die Vorarbeiter, das sind die frommen, christlichen Eltern und Erzieher, die dem Kind durch ihre Wachsamkeit und ihr liebevolles Vorbild den Weg bahnen, einst aus eigenem Antrieb, eine freie Entscheidung für Gott zu treffen.

Die Kindheit

Um die „dritte Stunde“ des Menschenlebens – beim Erwachen der Vernunft, also mit ca. sieben Jahren – geht der Herr erneut aus. Das geistig erwachte Kind muß nun den Taufvertrag seinerseits erfüllen, die Gebote halten, die Tugenden üben, die Sünde meiden, die schlechten Neigungen bekämpfen, Gott über alles lieben und den Nächsten wie sich selbst.

Gott greift dabei der noch schwachen Seele unter die Arme. Er gibt ihr Stärke durch eine kräftige Speise. Er festigt Sein Bündnis durch die Vereinigung mit ihr, in der hl. Kommunion. Er spricht: „Laßt die Kleinen zu Mir kommen!“ (Mk. 10, 14), damit Ich sie befähige zu „dienen dem lebendigen und wahren Gott“ (1. Thess. 1, 9) und zu erfüllen „den Willen Meines Vaters, der im Himmel ist“ (Mt. 7, 21).

In der hl. Firmung wird die Seele gegen die Lockungen der Welt und die Stürme des Lebens gefestigt. Die Welt ruft: „Kommt, laßt uns die gegenwärtigen Güter … genießen; solange wir in der Jugend stehen, das Geschaffene ausnützen; … denn das ist unser Anteil und unser Los“ (Weis. 2, 6. 9). Gott hingegen ruft: „Die Gestalt dieser Welt vergeht!“ (1. Kor. 7, 31). „Seid nüchtern und wachsam!“ (1. Petr. 5, 8). „Laufet so, daß ihr ihn [den Siegeskranz] erlanget“ (1. Kor. 9, 24). Und der Firmling – voll des Heiligen Geistes – gibt zur Antwort: „Alles vermag ich in dem, der mich stärkt“ (Phil. 4, 13).

Doch leider vergeht die fromme Innigkeit einer behüteten Kindheit, und die Reihen der Vorarbeiter und Vorbilder lichten sich.

Die Jugend

Da geht der Hausvater aus um Mittag – „um die sechste Stunde“. Die Lebenssonne steht im Zenit. Er ruft die Jugendlichen, die in der Gluthitze der Leidenschaften und in tätigem oder untätigem Müßiggang dastehen. Er ruft sie zu heilsamer Tätigkeit, also zur pünktlichen Erfüllung ihrer Standespflichten; denn „Müßiggang ist aller Laster Anfang.“ Auch hält Er die junge Seele dazu an, eine Entscheidung zu treffen, welchen Stand sie für ihr Leben zu wählen gedenkt: den Ehestand, den Ordensstand, den Priesterstand? – Gott hält den jugendlichen Menschen ferner dazu an, sich für seine jeweilige Standeswahl rein zu bewahren.

Das fortgeschrittene Alter

Und auch wenn einige im Laufe der Jahre immer noch zaudern, Gott schweigt nicht! Er kommt auch zur „neunten Stunde“. Wenn der plötzliche Wechsel von Glück und Unglück, von Freude und Schmerz die Seele lehren, daß „unter der Sonne alles Eitelkeit ist“ (Pred. 1, 14) und der Mensch „keine bleibende Stätte“ (Heb. 13, 14) in diesem Leben finden wird, wo er Ruhe finden könnte, dann wird das Herz im Laufe der Zeit „erden-müde“. Der Gedanke und die Sehnsucht nach der ewigen Ruhe in der jenseitigen Welt kommt auf, um endlich „aufgelöst und ewig bei Christus zu sein“. Diese Gedanken in einem nüchternen Herzen sind gleichsam das Echo des göttlichen Rufens. Er treibt die Seele an, sich durch Gebet, Buße und Ergebung in Gottes Schickungen auf eine selige Sterbestunde vorzubereiten.

Aber so vielgesichtig aber auch der Ruf Gottes durch Kreuze und Leiden im Leben an die Menschen herantritt; dennoch verhallt er bei vielen wirkungslos. – Was wird Gott tun? Wird Er sie aufgeben und sie eben in ihr ewiges Verderben rennen lassen? Keineswegs!

Die „elfte Stunde“

Selbst am Lebensabend, gleichsam im Licht der letzten Monate, Wochen und Tage, sucht sie der göttliche Hausvater auf und nimmt sie sowohl noch zur Arbeit, als auch zum Lohne an. Welche Erbarmung erweist der Herr einem Sterbenden, der nach einem verpfuschten Leben auf dem Totenbett seine Sünden bereuen und beichten kann. Welche Güte, daß Gott die Arbeit von nur einer Stunde und bei verringerter Leistung trotzdem annimmt und sie substantiell in gleicher Weise belohnt, wie wenn einer sich die zwölf Stunden eines langen Lebens beharrlich abgeplagt und dabei gottesfürchtig die Hitze des Lebenstages getragen hat.

Wirken, solange es Tag ist!

Die meisten Menschen, die dem früheren Werben Gottes nicht folgegeleistet haben, werden für gewöhnlich immer noch müßig dastehen, selbst wenn die letzten Strahlen der Lebenssonne verlöschen und sich die Finsternis der Todesnacht über ihre Seele breitet. Dann bleibt keine Zeit mehr die Worte Christi zu beherzigen: „Wir müssen die Werke dessen, der Mich gesandt hat, vollbringen, solange es Tag ist; es kommt die Nacht [d.h. der Tod], da niemand zu wirken vermag“ (Joh. 9, 4).

Und was dann? So groß und unermüdlich die Liebe des göttlichen Rufers gewesen ist, so groß wird Seine strafende Gerechtigkeit sein. So groß der in Aussicht gestellte Lohn der tätigen Arbeiter, so schrecklich das Schicksal der faulen Müßiggänger.

Nehmen wir uns also in Acht! Die „elfte Stunde“ ist nicht an das hohe Alter gebunden. Keiner weiß, ob nicht vielleicht die elfte Stunde seines Lebens schon angebrochen ist. Womöglich ist die Verkündigung des heutigen Evangeliums jener Ruf Gottes in der elften Stunde.

Ja, auch in der Kirche Gottes muß man heute einen Fachkräftemangel beklagen. Unsere Welt- und Lebenszeiten bedürfen des Heils. Sie bedürfen der göttlichen Gnade und des übernatürlichen Segens. Aber Gott verlangt dazu unsere Mitarbeit. „Gott hat dich ohne dich erschaffen, Er will dich aber nicht ohne dich erlösen.“ Auch im Weinberg des Herrn werden heute Mitarbeiter gesucht. Deshalb ruft uns die Kirche am Beginn der Septuagesima eindringlich zu: „Geht auch ihr in Meinen Weinberg!“ Amen.

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