15. Sonntag nach Pfingsten
Die Tränen einer Mutter
Geliebte Gottes!
In einem modern denkenden Menschen sträubt sich etwas, wenn ein Wort oder ein Vorgang „symbolisch“ gedeutet werden soll. Er behauptet ja von sich Realist zu sein, an den Gegebenheiten der Wissenschaft und der Technik geschult. Begreifbare, sichtbare und meßbare Wirklichkeit bedeutet ihm alles. Möglich ist nur das, was rechnerisch auch wahrscheinlich ist. Schlimm ist, daß sich der moderne Mensch auf diese Haltung auch noch etwas einbildet. Dabei entgeht ihm allzuleicht das Wichtigere, nämlich: Was der Glaube sagt, ist wirklicher als was die Erfahrung uns bietet! Gott ist wirklicher als die Schöpfung, die nur ein matter Spiegel Seiner Herrlichkeit ist. Das ewige Leben ist wirklicher als die Erdenjahre, die nur eine Vorbereitung auf die Ewigkeit sind. Die Mutter Kirche hat mehr Recht darauf, sich „Mutter“ nennen zu dürfen, als alle die Mütter, denen wir uns verpflichtet fühlen; hat sie uns doch im Bad der hl. Taufe zum „ewigen Leben“ geboren, während uns unsere leibliche Mutter „nur“ zum sterblichen Dasein zur Welt gebracht hat. Aber es fällt uns modernen Menschen eben nun einmal so schwer das zu begreifen.
Der Blick Christi auf die Witwe von Naim
Für unseren Herrn Jesus Christus, der als ewiger Gottessohn und wahrer Menschensohn, sowohl der himmlischen, wie der irdischen Welt angehört, waren diese Zusammenhänge so selbstverständlich wie für uns die Verbindung von elektrischem Strom und Licht, von Wolken und Regen.
Natürlich tat Ihm damals vor den Toren von Naim jene Mutter leid, die hinter der Bahre ihres einzigen Sohnes hergehen mußte. Als Witwe hatte sie ohnehin schon einen schweren Stand. Der einzige Sohn war für sie Schutz davor, einer gierigen Umwelt oder gar Verwandtschaft zum Opfer zu fallen und vor allem war er ihr eine feste Stütze im Alter. Er war gleichsam ihre lebende Rentenversicherung. Nun drohte ihr der Absturz ins Elend. Eine wirklich bemitleidenswerte Witwe.
Aber als die Augen unseres Herrn die weinende Mutter aus Naim sahen, da schaute Sein allwissendes, die Jahrhunderte durchdringendes Auge die vielen trauernden Mütter aller Zeiten und Länder. Er sah Seine eigene Mutter auf Golgotha mit einem, vom Schwert der Schmerzen durchbohrtem Herzen dastehen bei dem leblosen Sohn unter dem Kreuz. Und Er sah die Mutter aller Mütter, die heilige Kirche, die über viele ihrer Kinder trauert, denen sie das übernatürliche Leben der heiligmachenden Gnade geschenkt hatte und die dann doch wieder in der Todsünde starben. Dieser hl. Mutter Kirche gilt sein eigentliches Mitleid. Vor dem gewaltigen Schmerz der makellosen Braut Jesu Christi schmilzt ja der Jammer der Witwe von Naim zu einer Winzigkeit zusammen.
Freilich wird Er als Erlöser auch ihr helfen, ihr den Sohn von der Totenbahre zurückholen und wieder in ihre Arme geben. Aber Sein heiligstes Herz, das liebeglühende Herz Jesu, gehört vor allem Seiner Braut, der hl. Kirche. Sein göttliches Herz ist bei dieser übernatürlichen Mutter, der Er durch eben dieses Wunder – symbolisch, zeichenhaft – eine unbegreifliche Wirklichkeit zu verstehen geben wollte: „Weine nur, meine Braut, denn du hast viele tote Kinder zu betrauern. Aber Ich werde eines um das andere immer wieder auferwecken, bis Ich einmal zu dir sagen kann: ‚Weine nicht!‘“
Diese angedeuteten Auferweckungen vom Tod der Sünde werden geschehen weil Christus, wenn Seine Stunde erst gekommen ist, das Holz des Kreuzes berühren wird, so wie Er hier die hölzerne Totenbahre angerührt hat; ja, weil Er sich dann von den Nägeln der Liebe ans Holz des Kreuzes heften lassen wird, um Sein kostbares Blut und damit Sein göttliches Leben, über das tote Holz auszugießen, um eben diesem toten Kreuzesholz ungeahnte Fruchtbarkeit zu verleihen. Deshalb trat unser göttlicher Erlöser an die hölzerne Totenbahre heran und berührte sie, um die erste Frucht des Lebens vom Holz des Todes zu ernten; uns zum Symbol, zum Zeichen, für die „höheren Wirklichkeit“ der übernatürlichen Auferstehung zum ewigen Gnadenleben.
Christus wirkte das Wunder also nicht, um eine Ausnahme vom Gesetz des Todes zu machen und den Jüngling dann doch nach ein paar Jahren wieder sterben zu lassen, sondern um anzudeuten, daß Er den Tod nicht will. – Und zwar den „zweiten Tod“! Den Tod, welchen die Sünde gebiert – den Tod der ewigen Verdammnis. Den will Er nicht! Den ist Er gekommen zu überwinden. Um anzudeuten, daß die weinende Mutter, die heilige Kirche, sehr wohl imstande ist, den Gottessohn zum Mitleid zu rühren, und daß dieser sehr wohl gewillt ist um ihretwillen den Tod der Sünde wieder aufzuheben, darum hat Christus das Wunder der Totenerweckung vor dem Stadttor von Naim gewirkt.
Erleuchtete Augen des Herzens
Wenn wir einmal um eine ganz große Gnade beten wollen, dann sollten wir den Herrn um das bitten, was der heilige Paulus „erleuchtete Augen des Herzens“ (Eph. 1, 18) nennt; damit wir einen vom Glauben erleuchteten Blick bekämen, einen ähnlich scharfen Blick, wie ihn unser Herr und Erlöser Jesus Christus hat. Dann würde auch für uns die Welt voll geheimnisvoller Zeichen sein, die auf Wirklichkeiten hinweisen, die unseren natürlichen Augen fast immer entgehen oder total verborgen bleiben. Dann wäre jeder Tote, der im Leichenwagen vorbeigefahren wird; an dessen Beerdigung wir teilnehmen; dessen Grab wir auf dem Friedhof besuchen – dann wäre jeder Tote ein Symbol für die eigentlich Toten, nämlich für die Sünder, die mit Gott gebrochen haben. Symbol für die geistig Toten, mit denen wir tagtäglich zu tun haben; für die toten Freunde, die toten Verwandten, die unzähligen namenlosen Toten, die uns im Alltag begegnen – etwa am Arbeitsplatz, im Supermarkt oder im Straßenverkehr. Wandelnde Leichname. Zwar dem Leibe nach noch lebendig, jedoch seelisch tot, abgeschnitten vom ewigen Leben; verdorrt und vertrocknet; bereit ins ewige Feuer geworfen zu werden. Keine schöne Vorstellung, freilich! Aber traurige, schmerzliche, ja herzzerreißende Realität, die uns eigentlich ebenso wie die hl. Mutter Kirche zu Tränen rühren müßte. Wenn wir uns dessen bewußt wären, dann hörte die oberflächliche Auffassung auf, als sei die Sünde eine unvermeidliche Schwäche, von der man nicht viel Aufhebens machen sollte; als gäbe es weit schlimmeres Unglück als die Sünde.
Die weinende Mutter Kirche
Dann würden wir aus den Kirchengeboten und Kirchenstrafen, aus dem schützenden Zaun um die Sakramente gegen die von ihrem Empfang Ausgeschlossenen, das Weinen der Mutter Kirche hören um ihre toten Kinder. Man hat der katholischen Kirche so vieles nachgesagt. Man nennt sie rückständig, unnachgiebig, ausgrenzend, lieblos und hart. Aber von ihrem Weinen spricht keiner, weil die modernen Menschen weder das erleuchtete Auge noch das hellhörige Ohr dafür haben. Darum wissen selbst die meisten Christen heute so wenig von der hl. Mutter Kirche; fast so wie Kinder, die in der Fremde aufgewachsen und die eigene Mutter nur aus dem Gespräch übelwollender Mitmenschen kennen. Erst wer seine Mutter weinen sah, der weiß um ihr Herz, um ihre Liebe, um ihre aufopferungsvolle Sorge. Mit einem erleuchteten, gläubigem Auge und Ohr, würden wir dann auch jene Vorgänge ganz anders deuten, die uns doch bis zum Überdruß „gewöhnlich“ geworden sind; die Lossprechung in der Beichte; oder die Letzte Ölung am Schwerkranken und Sterbenden. Wir sähen Christus hinzutreten aus Mitleid mit der weinenden Mutter Kirche und einen geistig Toten, der es nicht verdient, daß um ihn geweint wird. Und gerade weil er nicht mehr selber weinen kann – wer bricht schon im Beichtstuhl in echten Reuetränen aus? – Weil er nicht mehr weinen kann, tut es die Mutter; tut es die Kirche. Und der Herr tritt von Mitleid gerührt heran, um die tote Seele (erneut) durch ein herrliches Wunder zum ewigen Leben der Gnade aufzuerwecken.
Sünden vergeben kann Gott allein!
Was wußten schon die Leute von Naim, als sie vor Staunen und Begeisterung ausriefen: „Ein großer Prophet ist unter uns aufgestanden“? Wer will es ihnen verübeln, daß sie den Herrn nur einen „Propheten“ nannten. Auch in der Geschichte Israels gab es Totenerweckungen durch den Propheten Elias oder dessen Schüler, den Propheten Elisäus. Zu dem, was die Begleiter des Trauerzuges vor den Stadttoren von Naim mit ihren eigenen Augen sahen, genügte ein Prophet. Das haben die Propheten ihres Volkes gelegentlich auch fertiggebracht, einen Toten zum Leben erwecken. Aber daß Christus hier nur ein stellvertretendes Symbol gesetzt hat, um eine höhere Wirklichkeit anzudeuten; daß Er einmal viel mehr tun werde an den geistig Toten, das ahnten sie damals nicht. Sonst wären sie wie der hl. Apostel Thomas auf die Knie gefallen und hätten anbetend bekennen müssen: „Mein Herr und mein Gott“! Denn wer kann Sünden vergeben, also vom ewigen Tod der Sünde auferwecken? Die Antwort wußten die Juden auch damals schon: Sünden vergeben kann nur Gott allein (vgl. Mk. 2, 7; Lk. 7, 48).
Daß es eine größere Trauer geben könnte als das Jammern jener Witwe und ein größeres Wunder als die Auferstehung eines toten Körpers, darüber gaben sich die Juden damals keine Rechenschaft. Wir aber, die wir den „Geist der Kindschaft empfangen haben“, müssen über diese alttestamentlichen Leute hinauswachsen und verständiger werden in unserem denken. Darum muß man vom Wunder von Naim jedes Jahr aufs Neue lesen, sodann um Erleuchtung beten und von da an alles anders anschauen: Tod, Sünde, Lossprechung, uns selbst, Christus und Seine geliebte Braut, die katholische Kirche.
Unsere Aufgabe: Die Fürbitte für die Sünder
Daraus wird sich ganz natürlich noch ein Weiteres ergeben. – Weil wir die Glieder eben jener hl. Kirche sind, so ist es vor allem an uns, um die Sünder zu trauern und für sie Fürbitte beim Herrn einzulegen. Das Fürbittgebet ist jedem von uns in besonderer Weise aufgetragen. Es ist nicht die christliche Berufung, sich in einer kleinen geistlichen Welt persönlicher Frömmigkeitsübungen abzukapseln – oder besser einzuspinnen – und das, was die anderen Menschen betrifft, gar nicht zu beachten. – Im Gegenteil! Das Herz eines wirklichen Christen ist katholisch, d.h. allumfassend. Es ist weit. Es soll Platz darin sein für die Sorgen und Nöte der anderen. So sagt uns der hl. Paulus in der heutigen Lesung: „Einer trage des anderen Last, dann werdet ihr das Gesetz Christi erfüllen.“ Und damit ist doch gewiß auch gemeint, daß wir für diejenigen, die ihre Lasten gerade nicht, oder nicht mehr, zu Gott hintragen; die nicht beten oder nicht mehr beten; daß wir es eben dann für sie tun sollen; daß wir ihre Last sozusagen auf uns nehmen, sie Gott hinhalten und sagen: „Erbarme dich dieses Menschen!“ Uns allen muß klar sein: Niemand lebt für sich alleine! „Das will ich mir schreiben in Herz und Sinn; daß ich nicht nur für mich auf Erden bin. Daß ich die Liebe von der ich lebe, liebend anderen weitergebe.“, so drückt es ein Dichter gekonnt in Versen aus. Und genau das tut derjenige, der das Fürbittgebet übt. Er fleht darum, daß die übernatürliche Liebe, von der er selbst lebt, auch zum Lebensquell der anderen Menschen werde, wodurch er sozusagen das Erbarmen Gottes auf diese im Elend der Sünde erstorbene Seele herabzieht. Ja, unser Gebet sollte nicht nur, wie der eine Balken des Kreuzes steil zum Himmel emporragen. Unser Gebet sollte auch den anderen, in der Horizontale, in die Weite weisenden Balken haben. Wir sollten nicht nur, mit Christus am Kreuz den ewigen Vater im Himmel verherrlichen, sondern wir sollten auch versuchen, Seinem Beispiel gemäß, alles, in unserem Gebet, an uns zu ziehen; die Arme weit ausbreiten und das Herz öffnen, damit Viele darin Platz haben, wenn wir ihre Anliegen, ihre Lasten vor Gott tragen. Wir können und sollen uns also an der Mittlerschaft Christi, die Er am Kreuz ausgeübt hat, beteiligen. Wer fürbittend betet, der wird in einer ganz besonderen Weise Eins mit Seinem Herrn und Heiland, welcher ja der größte Fürbitter beim himmlischen Vater ist. – Was aber ist notwendig, damit unser fürbittendes Gebet fruchtbar sei?
Wahres Mitleid
Zuallererst einmal, daß wir „Mit-leidende“ sein können mit all denjenigen, die in seelischen Nöten sind, obwohl sie vielleicht die Gefährdung ihres ewigen Heiles gar nicht wahrnehmen oder auch gar nicht wahrhaben wollen. Es genügt also nicht in den Wortschwall, den wir möglicherweise Tag für Tag vor Gott ausbreiten, auch ein paar kleine Floskeln und Formeln mit einzuflechten, in die dann auch „die armen Sünder“ mit eingeschlossen sind. Wer wirklich fürbittend betet, der hat sein Herz wirklich vom Leiden des anderen berühren, ritzen, ja, verwunden lassen; und er hält dann dieses mit-leidende Herz vor Gott hin. Voraussetzung ist also gerade ein Blick auf die Not der Seelen, nicht so sehr auf die materiellen Sorgen, sondern insbesondere auf die geistige Not des ewigen Heiles. Denn diese ist ja besonders schlimm! Und zwar aus zwei Gründen: Zum einen ist die geistige Not häufig schwerer zu erkennen, weil sie für das menschliche Auge oft unsichtbar erscheint oder leicht übersehen werden kann. Und zweitens natürlich ist sie viel schlimmer, denn hier geht es ja nicht nur um zeitliche Güter, sondern um das höchste Gut; um ewiges Glück oder Unglück. Und es muß uns schon traurig stimmen, wenn man heute kaum noch etwas von der Sorge um Menschen, die in der Todsünde leben, hört und auch gar nicht mehr hören will.
Die Witwe aus dem heutigen Evangelium ist vor allem vom Schmerz getroffen. Man kann sagen, ihre Gestalt ist ein Ausdruck des Schmerzes. Sie betet nicht mit Worten. Sie spricht gar nicht zu unserem Herrn. Aber in diesem ganzen Schmerz, in dem sie sich zeigt, redet sie eben doch zu Ihm. Und der Blick auf ihre Gestalt voller Leid, ruft dann das Erbarmen Jesu über ihren toten Sohn herab. So sollen auch wir unser Fürbittgebet nicht in erster Linie in viele, viele Worte legen, sondern unser vom Schmerz erfaßtes Herz über die Not der Seelen, vor Gott hintragen. – Das erste also was notwendig ist, ist das wahre Mitleiden.
Beharrlichkeit
Neben dem Mitleid muß das Fürbittgebet auch die Beharrlichkeit aufweisen. – Es fällt uns ja gar nicht schwer, uns von dieser trauenden Witwe und Mutter vorzustellen, daß sie, seit ihr Sohn zu leiden anfing, gar nicht mehr von seiner Seite gewichen ist. Als er gestorben war, hat sie ihn mit allen Zeichen der Liebe, der mütterlichen Zärtlichkeit und des Schmerzes überhäuft. Und sie geht unmittelbar hinter der Totenbahre her. Sollte er begraben werden, dann würde sie am Grab stehen und immer und immer wieder dorthin zurückkehren. Gerade diese Beharrlichkeit ist es, die das Erbarmen Gottes herabzieht. Der Patriarch Jakob sagte, nachdem er mit dem göttlichen Engel die ganze Nacht hindurch gerungen hatte: „Ich lasse dich nicht, du segnest mich denn.“ (Gen. 32, 27). Wer das Fürbittgebet übt, der sagt: „Gott, ich lasse nicht los, es sei denn, Du segnest diesen Menschen, für den ich da bete. Nicht eher als Du ihm Dein Heil geschenkt hast, Deine Gnade, Dein ewiges Leben.“ – Als Vorbild für das beharrliche Fürbittgebet bleibt allen Christen für alle Zeit die Gestalt der hl. Monika vor Augen gestellt. Sie war eine Mutter, deren Sohn Augustinus, auf schwere geistige, religiöse und sittliche Irrwege gelangt war. Sie betete und betete. Sie weinte und beklagte das Elend ihres Sohnes und ist damit womöglich dem einen oder anderen Kirchenfürsten zur Last gefallen. Der damalige Bischof von Mailand, der hl. Ambrosius, ermutigte sie jedoch, als er ihr beharrliches Beten und Weinen sah: „Ach, ein Sohn so vieler Tränen geht gewiß nicht verloren.“ Das nahm sie sich zu Herzen. Sie weinte und betete weiter. Und schließlich durfte sie am Ende ihres Lebens noch mit eigenen Augen sehen, wie Augustinus sich bekehrte; wie er sich vom hl. Ambrosius taufen ließ, sodann ein glühender Christ und später, nach ihrem Tod, ein Priester, Bischof, Kirchenvater und Kirchenlehrer und ein großer Heiliger wurde. Deshalb die Beharrlichkeit des Gebetes.
Vertrauen auf die Macht des Kreuzes
Und vergessen wir schließlich vor allem eines nicht! Das heilige Meßopfer ist, nach der Glaubenslehre der Kirche, wie sie das hl. Konzil von Trient formuliert hat, ein wahres Bitt-, Lob-, Dank- und Sühnopfer. Eben ein Bittopfer! D.h. wenn unser göttlicher Erlöser, Jesus Christus, bei der hl. Wandlung aufs Neue Sein Leiden und Sterben vergegenwärtigt, wenn Er auf sakramentale Weise unter uns am Kreuz erhöht wird, dann breitet Er Seine Arme aus; dann wird Sein gottmenschliches Herz geöffnet und Sein lebensspendendes Blut sprudelt weil ein nie versiegender Quell des ewigen Lebens daraus hervor. Dann blickt Er voller Erbarmen auf uns, die wir um Seinen Altar versammelt sind, herab. Und wenn wir nun die Anliegen und Nöte der elenden Sünder mit hinein nehmen – die eigenen Kinder, die nächsten Verwandten, Bekannte und Freunde, von denen wir wissen, daß es um das Leben ihrer Seele wohl nicht zum Besten bestellt ist, oder daß sie den Weg des Heiles verlassen haben. Und wenn wir bei der hl. Messe besonders diese Menschen im Gebet zu Ihm hintragen, dann können wir sicher sein, daß der Strom Seiner göttlichen Güte auf diese herabfließen wird. – Tun wir es mit schmerzendem und zugleich hoffnungsvollem Herzen. Tun wir es mit der Beharrlichkeit einer hl. Monika und Christus wird das große Wunder auch heute wirken!
So ist uns also das Bittgebet, das Fürbittgebet, in ganz besonderer Weise aufgetragen. Und wer vor allem dieses Gebet pflegt; wer gar nicht so sehr um die eigenen, persönlichen Anliegen kreist, sondern die der Anderen sich zu eigen macht, der kann sicher sein, daß er selber dann auch nicht zu kurz kommen wird. Hingegen besteht die Gefahr für jene, die beständig nur für sich selber beten, innerlich zu vertrocknen und unfruchtbar zu werden. Verbinden wir uns also mit dem Gekreuzigten, mit dem großen Fürbitter, mit Seiner heiligsten Mutter Maria, der unbefleckten Schmerzensmutter unter dem Kreuz, und mit der ganzen Schar der Heiligen, der Armen Seelen und der noch lebenden Katholiken hier auf Erden, die im Gefolge der hl. Mutter Kirche Fürbitte für die anderen einlegen; so werden wir auf wunderbare Weise mitwirken, - und zwar nicht symbolisch, sondern wirklich – an der realen Auferstehung der Seelen zum ewigen Gnadenleben und am wirklichen Heil der Welt. Amen.