Die Einwohnung Gottes in der Seele

Geliebte Gottes!

Der eine Gott in drei Personen ist in all Seinen Geschöpfen gegenwärtig, durch Seine göttliche Macht. Seine Allmacht hat alles aus Nichts geschaffen. Und Gott muß weiterhin auf jedes Seiner Geschöpfe einwirken, um alles und jedes einzelne im Dasein zu erhalten. Gott wirkt durch Seine seinserhaltende Macht sowohl im Engel als auch im Menschen; in der Katze genauso wie im Marienkäfer; in der stämmigen Eiche, genauso wie in dem vom Wind bewegten Grashalm; ja, selbst im kleinsten Staubpartikel. „Denn von Ihm und durch Ihn und in Ihm ist alles“ (Röm. 11, 36).

In der Seele des Gerechten, also in der durch die Gnade geheiligten Seele, ist der dreifaltige Gott jedoch in noch viel höherer, erhabenerer und machtvollerer Weise gegenwärtig. Die Allerheiligste Dreifaltigkeit selbst wohnt durch die heiligmachende Gnade in der Seele des Gerechten. Dabei beschränkt sich die Gegenwart Gottes nicht wie bei der Seinserhaltung auf eine besondere Einwirkung auf die Seele, sondern Er selbst wohnt in der begnadeten Seele wirklich und wesenhaft, wie in einem Tempel. So hat es Christus verheißen, als Er sprach: „Wenn einer Mich liebt, so wird er Meine Worte halten und Mein Vater wird ihn lieben. Und Wir werden zu ihm kommen und Wohnung bei ihm nehmen“ (Joh. 14, 23). Der hl. Paulus erinnert die Korinther an die Einwohnung Gottes, wenn er sagt: „Wißt ihr nicht, daß ihr ein Tempel Gottes seid und der Geist Gottes in euch wohnt?“ (1. Kor. 3, 16). Und den hl. Timotheus, seinen Schüler, mahnt der Völkerapostel: „Behüte das anvertraute kostbare Gut durch den Heiligen Geist, der in uns wohnt!“ (2. Tim. 1, 14).

Die Einwohnung Gottes in der Seele

Der Vater kommt also zu uns und zeugt das göttliche Wort in uns, den Sohn. Mit dem Vater empfangen wir den Sohn, der in allem dem Vater vollkommen gleich ist. Ferner empfangen wir jene ewige Liebe mit welcher der Vater den Sohn und der Sohn den Vater liebt – nämlich den Heiligen Geist. Denn aus der gegenseitigen Liebe des Vaters und des Sohnes geht der Heilige Geist hervor. Er ist eine eigenständige Person, vollkommen gleich wie der Vater und der Sohn. Der Heilige Geist ist das Liebesband, welches den Vater und den Sohn eint. So ist der Vater Gott, der Sohn Gott und der Heilige Geist Gott; aber nicht drei Götter sondern ein Gott in uns.

Dieses Wunder geht beständig vor sich in einer Seele, die im Besitz der heiligmachenden Gnade ist. Gott wohnt in der begnadeten Seele. Gott lebt in ihr. Die wirkliche Gegenward der drei göttlichen Personen gründet auf der Liebe, welche die Allerheiligste Dreifaltigkeit zu uns hegt und durch welche sie ihren innerlichen und heiligenden Einfluß auf die Seele im Gnadenstand ausübt. Aus Liebe zu uns sandte Gottvater Seinen eingeborenen Sohn in die Welt, um uns zu erlösen. Aus Liebe zu uns brachte der Sohn Gottes sich am Kreuz als Sühne zum Opfer dar, um uns von der Sündenschuld reinzuwaschen. Aus Liebe zu uns kam der Heilige Geist an Pfingsten herab, um die Kirche zu erleuchten und zu heiligen, damit wir zum Glauben kämen und durch die heiligen Sakramente das ewige Leben empfangen könnten. Schließlich ist es dieselbe Liebe, welche die drei göttlichen Personen dazu drängt, uns Ihr ewiges, göttliches Leben in Form der heiligmachenden Gnade beständig mitzuteilen, so daß wir zusammen mit dem hl. Johannes ausrufen können: „Seht, welche Liebe uns der Vater geschenkt hat: Wir heißen Kinder Gottes, und wir sind es“ (1. Joh. 3, 1).

Die Gotteskindschaft

Die Kindschaft beruht auf der Einheit der Natur zwischen einem Vater und seinem Kind. Die eigentliche und natürliche Kindschaft besteht darin, daß das Kind aus der gleichen Natur, aus der gleichen Substanz, wie der Vater stammt. Der Vater gibt etwas von sich selbst weiter an das Kind. – Gott gegenüber ist die natürliche Kindschaft einzig und allein Christus, dem eingeborenen Sohn Gottes, vorbehalten. Der Sohn Gottes besitzt nicht nur die gleiche, sondern ein und dieselbe Natur wie der Vater, nämlich die eine und einzige Gottheit. In diesem Sinne sind wir also nicht Kinder Gottes, denn wir werden durch die heiligmachende Gnade nicht selbst zu Gott. Das zu behaupten wäre blasphemisch. – Doch neben der natürlichen Kindschaft gibt es auch eine andere, eine uneigentliche Kindschaft. Diese beruht nicht auf der natürlichen Abstammung, sondern auf der freien Wahl des Willens. Unter uns Menschen gibt es die Adoption, also die Annahme an Kindesstatt. Obwohl durch die Adoption keine natürliche Abstammung zwischen dem Vater und dem Adoptivkind zustande kommt, so werden dem angenommenen Kind doch die Rechte eines natürlichen Kindes übertragen. Insbesondere das Erbrecht. Es besteht keine eigentliche, natürliche Kindschaft, sondern es wird nur so getan als bestünde sie. – Die gnadenhafte Gotteskindschaft, von welcher der hl. Johannes spricht, steht nun zwischen diesen beiden Formen. Denn, wie gesagt, durch die heiligmachende Gnade werden wir nicht zu einem natürlichen, wesensgleichen Kind Gottes, wie der eingeborene Gottessohn. Wir werden nicht selbst zu Gott. Aber trotzdem ist die göttliche Adoption, die Annahme an Kindesstatt durch die Gnade, nicht einfach nur ein „so tun als ob“. Das Gotteskind tritt nicht nur in eine äußerliche, rein rechtliche, sondern in eine wirkliche Beziehung zur Allerheiligsten Dreifaltigkeit. „Wir heißen nicht nur Kinder Gottes, wir sind es auch.“ Das Gotteskind bekommt wirklich eine gewisse „Anteilnahme an der göttlichen Natur“ (2. Petr. 1, 4). Und diese wirkliche Anteilnahme besteht in der übernatürlichen Liebe. Die übernatürliche Liebe, welche der Seele durch die heiligmachende Gnade eingegossen wird, ist ein vollkommenes, übernatürliches Abbild der ungeschaffenen göttlichen Liebe, des Heiligen Geistes. Diese übernatürliche Liebe ist zwar verschieden vom Heiligen Geist, aber sie ist das Band, welches uns mit Gott eint. Deshalb sagt der hl. Paulus, im Römerbrief: „Die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsere Herzen durch den Heiligen Geist“ (Röm. 5, 5). Durch die übernatürliche Liebe wird die Seele jedoch nicht nur mit Gott verbunden, sondern tatsächlich Gott, der ja die wesenhafte, unerschaffene Liebe ist, verähnlicht, also quasi vergöttlicht. Diese übernatürliche Liebe kann in der Seele wachsen und vermehrt werden. Und je mehr das geschieht, umso lebendiger wird die Lebensgemeinschaft und der freundschaftliche Austausch der Seele mit den drei göttlichen Personen, die in ihr wohnen. Halten wir fest: Durch die heiligmachende Gnade, erhalten Wir Anteil an der übernatürlichen Gottesliebe und werden dadurch wirklich zu Kindern Gottes. Die übernatürliche Gottesliebe verähnlicht die Seele dem dreifaltigen Gott, der die wesenhafte Liebe ist. Das wiederum zieht als Folge nach sich, daß wir durch die Liebe mit den drei göttlichen Personen wirklich verbunden sind, weshalb der Vater, der Sohn und der Heilige Geist in uns Wohnung beziehen; in uns leben und in uns lieben.

Der vertraute Verkehr mit Gott

Dabei sehnen sich der Vater, der Sohn und der Heilige Geist nach nichts mehr, als daß wir Ihre Liebe erwidern; daß wir mit Ihnen einen familiären Umgang pflegen, wie mit unseren besten Freunden, wie ein Kind mit seinem Vater. Obwohl die Allerheiligste Dreifaltigkeit in unendlicher Majestät über allem Geschaffenen thront und den drei göttlichen Personen eigentlich eine Anbetung und Ehrerbietung gebührt, wie sie kein Geschöpf zu leisten imstande ist, so lassen sich die drei göttlichen Personen doch zu uns herab, um uns nahe zu sein. Der Vater, der Sohn und der Heilige Geist gewähren uns an Ihrem vertrauten Leben durch das innere Gebet unseres Herzens teilzunehmen; gleichsam jenen familiären Austausch mit Ihnen zu pflegen, wie er zwischen Freunden besteht, die sich treffen und ungezwungen von Herz zu Herz miteinander sprechen. Zu welch unaussprechlicher Größe die übernatürliche Liebe in einer Seele und zu welchem Grad staunenswerter Vertrautheit die Freundschaft mit Gott wachsen kann, das können wir besonders deutlich an den Heiligen sehen, die, obwohl sie mit keinen besonderen Wundergaben ausgezeichnet waren, doch einem hohen Grad der Heiligkeit erreicht haben. So etwa die hl. Theresia von Liseaux, die gerade durch die Pflege der geistigen Kindschaft gegen Gott zu einer großen Heiligen geworden ist. Dabei handelt es sich also an sich um nichts außerordentliches, sondern um die normale Entwicklung des Gnadenlebens in der Seele. Das bedeutet aber, daß auch wir nicht nur zur Heiligkeit berufen sind, sondern daß wir auch tatsächlich genau dahin gelangen können, wenn wir der Freundschaft mit dem dreifaltigen Gott, der in uns wohnt, treu sind und in der übernatürlichen Liebe wachsen. Zu nichts anderem ist uns die Lebenszeit hier auf Erden gegeben.

Wachstum in der übernatürlichen Liebe

Die Gnade ist das Saatkorn des ewigen Lebens. Als dieses Samenkorn am Tag unserer Taufe in unsere Seele hineingelegt wurde, da war die Gottesliebe in uns zwar da, aber noch winzig klein. Wie aus dem Senfkörnlein ein großer Baum wächst, so soll während der Dauer unseres irdischen Lebens das Saatkorn der Taufgnade zu einem gewaltigen Baum der Gottesliebe heranwachsen, dessen Wipfel bis in den Himmel hineinreicht. Doch wie nicht alle Pflanzen gleichhoch wachsen, so wächst auch die übernatürliche Liebe zu Gott nicht in jeder Seele in gleichem Maß. Das Wachstum und das Erblühen des Samenkornes der Gnade hängt davon ab, ob sich unsere Seele durch die Übung der Tugenden und das geduldige Tragen des täglichen Kreuzes darauf vorbereitet, daß der Heilige Geist, der in ihr wohnt, mehr und mehr Seine Sieben Gaben in der Seele entfalten kann. Wir besitzen diese Sieben Gaben zwar bereits seit der Taufe. Sie werden beim Empfang der heiligen Firmung vermehrt. Doch bei den meisten Getauften bleiben die Gaben des Heiligen Geistes in einem unterentwickelten Zustand, sozusagen im Zwergwuchs, und kommen nach außen hin kaum zum Tragen, weil viele Katholiken, die zwar getauft und gefirmt sind, die dazu erforderlichen Tugenden nicht genügend üben bzw. die dafür erforderliche Selbstüberwindung nicht auf sich nehmen wollen. Die Sieben Gaben schlummern also nahezu untätig in der Seele dieser Menschen. Wenn eine Seele jedoch treu ist in der Übung der Tugenden – insbesondere in der Demut und in der Liebe – so kann der Heilige Geist nach und nach den Einfluß der Sieben Gaben – der Weisheit und des Verstandes, des Rates und der Stärke, der Wissenschaft, der Frömmigkeit und der Gottesfurcht – zunehmend auf die Seele ausdehnen und sie in ganz ungeahnte Höhen der Gottesliebe emportragen. Dabei wird die Seele insbesondere durch die Gabe der Weisheit, welche die Tugend der Gottesliebe vervollkommnet, eine zunehmend tiefere Erkenntnis der Allerheiligsten Dreifaltigkeit, die in ihr wohnt, erlangen. Dabei handelt es sich nicht um eine theoretische Kenntnis der Dreifaltigkeit, sondern gleichsam um eine Kenntnis aus der eigenen Erfahrung. Mit anderen Worten: Die Gabe der Weisheit vermittelt uns die Kenntnis der Allerheiligsten Dreifaltigkeit nicht als eine entfernte abstrakte, theoretische Wirklichkeit, wie sie durch das Studium der Dogmatik erlangt werden kann, sondern als eine lebendige erfahrene Wirklichkeit, die in uns gegenwärtig ist; die wir aufgrund unseres persönlichen, vertrauten Umgangs kennen und die wir schon in diesem Leben bis zu einem gewissen Maß genießen können. Diejenigen Seelen, welche im Leben des Gebetes und der Kontemplation voranschreiten, erfahren bisweilen die Gegenwart der Allerheiligsten Dreifaltigkeit auf sehr lebendige und tröstliche Weise. Der Unterschied zwischen diesen fortgeschrittenen Seelen und anderen frommen Christen besteht jedoch zumeist nicht in einer besonderen Auserwählung oder Gnadenwahl Gottes, sondern nur darin daß die fortschreitenden Seelen in ihrem Leben aufmerksamer auf die Gegenwart Gottes in ihrer Seele geachtet haben und einen innerlichen Austausch mit Gott pflegen, während andere so gut wie nie an den heiligen Gast im Inneren ihrer Seele denken.

Wenn letzteres auch bei uns der Fall sein sollte, dann müssen wir uns mehr um ein Leben aus dem Glauben bemühen. D.h. um ein Leben, das sich nicht nur nach alledem ausrichtet, was wir äußerlich durch unsere Sinne sehen oder fühlen können, sondern um ein Leben das sich zuerst und vor allem nach dem ausrichtet, was wir mit größter Gewißheit durch den Glauben wissen: Gott wohnt in meiner Seele. Gott ist da. Er ist mir nicht fern. Ich bin nie alleingelassen und vergessen. Gott ist da nicht nur als Schöpfer und Herr, sondern als vertrauter Freund, als Tröster und liebender Vater.

Wenn wir etwa das hl. Kreuzzeichen machen und dabei sprechen: „Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes“, lassen Sie uns wieder mehr darauf achten, daß es nicht nur aus gedankenloser Routine geschieht, sondern daß wir uns dabei bewußt machen, daß diese heiligste Dreifaltigkeit in unserer Seele wohnt und daß der Leib, den wir mit unserer Hand bezeichnen, wahrhaftig ein Tempel der drei göttlichen Personen ist. Und bedenken wir dabei die Worte des hl. Paulus: „Wenn aber einer den Tempel Gottes zugrunde richtet, den wird Gott zugrunde richten; denn der Tempel Gottes ist heilig, und der seid ihr“ (1. Kor. 3, 17).

Ferner ist es eine gute Übung, sich immer wieder während des Tages, wenn es die Umstände erlauben, für wenige Sekunden zu sammeln und sich diese wunderbare Wirklichkeit bewußt zu machen, daß Gott in unserer Seele wohnt. Das wird uns dann ganz natürlich dazu bewegen die Allerheiligste Dreifaltigkeit mit Akten der Anbetung, der Danksagung und der Liebe zu ehren. Durch unser Lob, den Dank und die Anbetung wird unser Geist immer mehr von dem Gedanken an den göttlichen Gast durchdrungen und beherrscht werden, der durch seine heiligende Gegenwart unsere Seele in ein Heiligtum umwandelt.

Mariens Vorbild

Die allerseligste Jungfrau Maria war nach dem Zeugnis der Heiligen Schrift der erste Mensch, dem das Geheimnis des dreieinigen Gottes geoffenbart worden ist. In der Stunde der Verkündigung sprach der hl. Erzengel Gabriel zu ihr: „Der Heilige Geist wird über dich kommen und die Kraft des Allerhöchsten wird dich überschatten; darum wird auch das Heilige, das aus dir geboren wird, Sohn Gottes genannt werden“ (Lk. 1, 35). Hier werden erstmals die drei Personen in dem einen Gott nebeneinander genannt. Und von dem Augenblick, als die allerseligste Jungfrau Maria das fleischgewordene Wort Gottes in ihrem jungfräulichen Schoß empfangen hatte, bestand ihr inneres Leben vor allem in andauernden Akten der Anbetung, der Danksagung und der Liebe. Der Gesang des Magnifikat stellt gleichsam einen Spiegel des Innenlebens der allerseligsten Jungfrau dar. Auch wenn sich dieses Loblied aus dem unbefleckten Herzen Mariens nur ein einziges Mal während ihres Besuchs bei der Base Elisabeth nach außen Bahn gebrochen hat, so ist das Magnifikat im Innern der Seele Mariens doch nie verklungen. „Hochpreiset meine Seele den Herrn. Und mein Geist frohlockt in Gott meinem Heiland. Denn Großes hat an mir getan der Allmächtige; und heilig ist Sein Name“ (Lk. 1, 47. 49). – Das sind in Sätze gekleidete Gedanken, die auch auf die begnadete Seele zutreffen und die auch wir zu Gott sprechen sollen. Maria sollte uns, die wir erkannt haben, daß die Allerheiligste Dreifaltigkeit durch die heiligmachende Gnade in uns wohnt, ein Vorbild zu unserer Nachahmung sein.

Darüber hinaus finden wir in Maria auch das vollkommene Vorbild, wie wir unser Leben nach der wunderbaren Wirklichkeit, ausrichten sollen, daß wir den dreifaltigen Gott beherbergen dürfen. Wie die Gottesmutter, so sollen auch wir, in unserem Herzen oft glühende Akte der Anbetung und der Danksagung Gott darbringen. Aber vor allem sollen wir die allerseligste Jungfrau nachahmen, indem wir häufige Akte der Liebe zu Gott in unserem Herzen erwecken und Ihm oft sagen, daß wir Ihn lieben; daß wir Ihn gerne noch viel mehr lieben würden, als wir es bisher tun; daß wir Ihn gern lieben würden, in einer Weise, die Seiner würdig ist.

Mariens Hilfe

Der innere Verkehr mit Gott soll sich jedoch nicht nur in kurzen inneren Akten erschöpfen. Der vertraute Umgang mit den drei göttlichen Personen besteht vor allem im innerlichen Gebet von Herz zu Herz. Um dahin zu gelangen, ist eine kindliche Andacht zur Gottesmutter notwendig und überaus hilfreich. Und zwar aus folgenden Gründen: Ein großes Hindernis für den innigen Austausch mit Gott im Gebet ist unser Mangel an Vertrauen. Ob nun bewußt oder unbewußt, wir wissen um die Größe und Heiligkeit der göttlichen Personen einerseits und um unsere Wankelmütigkeit, Sündhaftigkeit und Unwürdigkeit andererseits. Das mindert oft das Vertrauen und die kindliche Einfalt in unserem Umgang mit den göttlichen Personen. Aufgrund des Bewußtseins unserer Unwürdigkeit hegen wir oft wenigstens einen insgeheimen Zweifel. Wir glauben nicht mit der notwendigen Festigkeit, daß uns die Erhörung unserer Bitten zuteil wird, weil wir Gott doch schon so oft enttäuscht haben. Manchmal kommen wir uns vielleicht wie ein Lügner vor, wenn wir zu Gott sagen, daß wir ihn lieben, weil wir dieser Liebe doch schon so oft untreu gewesen sind. Statt aber um eine wahre, echte, große und starke Gottesliebe zu bitten, unterlassen wir es dann unserer Liebe zu Gott Ausdruck zu verleihen. Wenn aber der Freund dem Freund immer seltener seine Liebe zeigt, kühlt die Freundschaft ab.

Bisweilen unterlassen wir es auch, den göttlichen Seelengast gerade um jene Gaben zu bitten, die für unser ewiges Heil am notwendigsten wären, nämlich um die großen und größten Gnaden und Gaben, die zu unserer Heiligkeit nötig sind, und die uns Gott doch so gerne mitteilen würde, wenn wir Ihn nur darum bitten würden. Stattdessen aber konzentrieren sich unsere Bitten zumeist auf dieses vergängliche Leben und auf unser irdisches Wohl.

Es bereitet den drei göttlichen Personen großen Kummer, viele Seelen zu sehen, die sich Ihnen gegenüber so verhalten, wie ein Knecht gegenüber einem gestrengen Herrn; wie ein Untertan gegenüber einen kalten, fernen und teilnahmslosen Souverän, dem sie nur auf förmliche Weise begegnen, indem sie Gott nur vorformulierte, unpersönliche „Reden“ aus den Gebetbüchern vortragen, wie es etwa das Protokoll bei einem offiziellen Staatsbesuch vorsehen würde, hingegen nie in eigenen Worten so mit Gott sprechen, wie der Freund zum Freund. Der Knecht wird gegenüber dem Herrn stets „fremdeln“ und ihm natürlich nie aufrichtig und vorbehaltlos sein Herz öffnen. Er wird Ihm nur distanziert und nicht ohne ein gewisses Mißtrauen begegnen und auch keine großen Gnaden von Ihm erbitten.

Die Andacht zu Maria ist ein wirksames Gegenmittel, gegen das große Hindernis der Entfremdung gegenüber Gott. Denn einerseits ist Maria die wahre Mutter, des eingeborenen Sohnes Gottes; und gleichzeitig ist sie doch auch unsere Mutter. Einerseits ist sie ein einfaches Geschöpf, eine geschaffene menschliche Person, so wie wir. Aber auf der anderen Seite ist sie wirklich die Muttergottes, wodurch Maria eine Würde besitzt, die sie über jedes andere Geschöpf erhebt. Durch die Gnade Christi ist sie nicht nur vom Makel der Erbsünde gänzlich unberührt geblieben, sondern hat auch während ihres irdischen Lebens nicht die kleinste persönliche Sünde, ja nicht einmal die geringste Unvollkommenheit auf sich geladen. Es gab nichts an ihr, was den drei göttlichen Personen in irgendeiner Art und Weise mißfallen hätte. D.h. die Allerheiligste Dreifaltigkeit hat ein größeres Wohlgefallen an der Jungfrau Maria, als Ihr unsere Sünden mißfallen. Angesichts der unendlichen Liebe, welche die Allerheiligste Dreifaltigkeit gegen die allerseligste Jungfrau Maria hegt, werden wir durch Maria zum größten Vertrauen und zur innigsten Freundschaft mit ihrem Sohn, Jesus Christus, geführt. Und durch den Sohn, wird sie uns den Zugang zum Vater und zum Heiligen Geist erschließen; ist sie doch nicht nur die Mutter des Sohnes, sondern auch die geliebte Tochter des himmlischen Vaters und die makellose Braut des Heiligen Geistes. Welche Gunst Seiner unendlichen Barmherzigkeit könnten wir nicht vom himmlischen Vater erlangen, wenn wir Maria aufrichtig lieben und ihr treu dienen, Seiner geliebten Tochter? Welche Gnaden könnte uns der Heilige Geist vorenthalten, wenn wir Ihn um der Liebe Mariens willen, seiner heiligsten Braut, darum bitten? Wie die Liebe der Mutter in einer Familie alle Glieder zusammenführt, so führt auch die Gottesmutter alle Kinder Gottes – den wesensgleichen Sohn Gottes und die Adoptivkinder Gottes – zusammen. Eine große Liebe zu Maria führt deshalb jede Seele zu einer innigen Vertrautheit und Liebe zu den drei göttlichen Personen. Denn die Liebe zu Maria macht auch uns geneigt den Vater, den Sohn und den Heiligen Geist zu lieben. Aus diesem Grund ist die Andacht zur Gottesmutter von so großer Bedeutung.

Das einzig Notwendige

Gott zu lieben ist das einzig Notwendige. Dafür hat uns Gott erschaffen. Darin besteht unser Anteil am göttlichen Leben. Gott verlangt nach nichts anderem, als daß wir ihn lieben, und zwar mehr als alle anderen Dinge, mehr als uns selbst. Darin besteht Sein ewiger Wille: „Du sollst den Herrn deinen Gott lieben, aus deinem ganzen Herzen, aus deiner ganzen Seele und aus deinem ganzen Gemüt. Das ist das erste und höchste Gebot.“ Lassen Sie uns daher aufwachen aus dem gottvergessenen Schlaf unserer Diesseitigkeit, der uns ganz auf die Gegenwart des dreifaltigen Gottes im Inneren unserer Seele vergessen läßt. Nutzen wir die vergleichsweise kurze Zeit auf dieser Erde. Denn wenn wir einst sterben, so können wir nicht mehr auch nur um den geringsten Grad in der übernatürlichen Liebe wachsen; in jener Liebe, mit der wir Gott in alle Ewigkeit lieben werden. Lassen sie uns deshalb durch die innere Sammlung und das innerliche Gebet, durch die Tugendübung und den häufigen Empfang der heiligen Sakramente soviel tun als nur möglich, um in der übernatürlichen Liebe zur Allerheiligsten Dreifaltigkeit zu wachsen. Damit wir schon jetzt und bis in alle Ewigkeit lieben werden: den Vater, den Sohn und den Heiligen Geist. Amen.

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