Vierter Sonntag nach Ostern
Die Gnade der Rechtfertigung - der Beginn des ewigen Lebens
Geliebte Gottes!
Wir haben ganz zu Beginn die göttliche Gnade in zwei Hauptgruppen eingeteilt: 1. in die „helfende Gnade“, welche nur vorübergehend, für bestimmte Situationen gegeben wird, ehe sie wieder vergeht und 2. die „heiligmachende Gnade“, die auch „Gnade der Rechtfertigung“ genannt wird. Sie bleibt, einmal empfangen, in der Seele bis in alle Ewigkeit, wenn sie nicht durch eine Todsünde zerstört wird. – Mit der „heiligmachenden Gnade“ müssen wir uns heute befassen, weil sie der Kern des „ewigen Lebens“ ist, welches uns Christus am Kreuz verdient hat, und weil sie außerdem die Grundlage für jede verdienstliche Betätigung der Seele ist. – Während der übernatürliche Glaube und die helfenden Gnaden, die wir bisher betrachtet haben, lediglich Vorbereitungen bzw. notwendige Bedingungen zur Erlangung, zur Vermehrung und zur Vollendung des „ewigen Lebens“ in unserer Seele sind, ist die „heiligmachende Gnade“ der Keimling des „ewigen Lebens“ selbst. Der Same jenes Lebens also, das wir an unserem göttlichen Erlöser in Seiner österlichen Auferstehung von den Toten in seiner Vollendung gezeigt bekommen haben, damit wir einen Eindruck von dem vollentwickelten Gnadenleben hätten, welches jetzt schon, wenn auch noch verborgen, in denjenigen Seelen vorhanden ist, die sich im Stand der „heiligmachenden Gnade“ befinden. Weil das Leben der „heiligmachenden Gnade“ im Innern der Menschenseele verborgen ist, spricht man hinsichtlich der Betätigung und Entwicklung dieses übernatürlichen Lebens auch vom „inneren Leben“, dem „innerlichen Leben“ oder von der „Innerlichkeit“. Um den geheimnisvollen Bereich der „heiligmachenden Gnade“ zu erkunden, wollen wir uns folgende Fragen stellen: 1. Was ist die „heiligmachende Gnade“? 2. Wie findet die „heiligmachende Gnade“ ihren Weg in die Seele?
Das Wesen der heiligmachenden Gnade
Zuerst müssen wir zu verstehen suchen, was die „heiligmachende Gnade“ ist. Sie ist eine unverdiente, übernatürliche Gabe, durch welche wir gerecht und heilig, Kinder Gottes und Erben des Himmels werden. Auch die „heiligmachende Gnade“ ist, wie jede Gnade, ein Geschenk. Und zwar ein übernatürliches Geschenk; ein unverdientes Geschenk. Ja, sie ist sogar in einem ganz besonderen Sinn ein unverdientes Geschenk. Obwohl nämlich alle Gnaden unverdient sind, dürfen wir es doch aus Angemessenheit erwarten, daß Gott, der unendlich gütig ist, uns die „helfenden Gnaden“ gibt, ohne die wir überhaupt nicht selig werden können. Daß Er uns aber die „heiligmachende Gnade“ gibt, das ist ein Geschenk von solcher Größe und Erhabenheit, daß selbst die kühnsten Hoffnungen und Träume des Menschen sie nicht erwarten konnten, wenn Gott Selbst es uns nicht geoffenbart hätte.
Wenn ein armer Mensch an der Türe eines Reichen, von dem er weiß, daß er gütig, mildtätig und freigebig ist, seine Hand ausstreckt, so erwartet er ein Almosen und wundert sich nicht, wenn es ihm zuteil wird. Was aber, wenn der Reiche den Armen in sein Haus einladen würde, ihn mit seinen eigenen Gewändern kleidete, ihn an seinem Tisch speisen lassen würde, ihn all die Güter seines Hauses gebrauchen ließe, als wären es die des Armen; ja ihn zum Sohn annähme und ihn zum Erben seines ganzen Vermögens einsetzen würde? Das wäre doch eine Freigebigkeit, die der Bettler auch in seinen kühnsten Träumen niemals erwartet hätte.
Etwas Ähnliches geschieht mit uns durch die „heiligmachende Gnade“. Denn sie macht uns, wie der Name schon sagt „heilig“. – Hierfür muß sie uns jedoch zuerst „gerecht“ machen. Das ist die Vorbedingung der Heiligkeit. Gerecht ist der, welcher zu allen Dingen – zu Personen und Gemeinschaften, zu den geistigen und materiellen Gütern – im rechten Verhältnis steht. Der einem jeden gibt, was er ihm schuldig ist; der sich gegenüber niemandem etwas hat zu Schulden kommen lassen, der also „unschuldig“ ist. – Die Gnade tilgt aber nicht nur die Schuld aus. Sie macht nicht nur gerecht. Sondern sie macht auch heilig. D.h. sie gibt der Seele Anteil an der Natur Gottes. Heilig ist nur einer, nämlich Gott! Gott allein kommt die Heiligkeit von Natur aus zu. Durch die „heiligmachende Gnade“, werden wir heilig gemacht, erhalten also Anteil an der Natur Gottes! So wie ein Kind die Natur seiner Eltern empfängt, so wird der Mensch durch die „heiligmachende Gnade“ Teilhaber an der Natur Gottes und folglich „Kind Gottes“. Wenn aber Kind Gottes, dann auch Erbe des Himmels. Denn den Kindern ist der Besitz ihrer Eltern deshalb eigen, weil sie durch die Abstammung aus den Eltern hervorgegangen sind. Das Himmelreich, ist das Reich Gottes. Wenn wir also durch die „heiligmachende Gnade“ am Leben des dreifaltigen Gottes teilhaben, wenn wir gleichsam in ein verwandtschaftliches Verhältnis zu Gott treten, also zu Kindern Gottes werden, dann erhalten wir auch den Erbanspruch auf Sein ewiges Reich. – Das ist gemeint, wenn wir sagen, die „heiligmachende Gnade“ ist jene unverdiente, übernatürliche Gabe, durch welche wir gerecht und heilig, Kinder Gottes und Erben des Himmels werden. Der hl. Johannes sagt: „Seht, wie groß die Liebe ist, die der Vater uns geschenkt hat: Wir heißen Kinder Gottes und wir sind es“ (1. Joh. 3, 1).
Genau genommen, ist damit aber eigentlich nicht so sehr gesagt, was die „heiligmachende Gnade“ ist, sondern nur, was sie in uns bewirkt. Sie ist eine Gabe, die bewirkt, daß wir gerecht und heilig, Kinder Gottes und Erben des Himmels werden. Sie wird aus ihren Wirkungen beschrieben und erklärt. – Es geschieht oft, auch im Bereich der Natur, daß eine Sache, die wir im innersten Wesen nicht kennen, aus den Wirkungen, die sie hervorbringt, beschrieben wird. Ähnlich verhält es sich etwa mit dem elektrischen Strom. Daß Elektrizität vorhanden ist, kann unmöglich bestritten werden. Was sie aber eigentlich ist, das ist gar nicht so leicht zu sagen. Man bezeichnet den elektrischen Strom als den Fluß oder Transport elektrischer Ladungsträger, etwa der Elektronen in Metallen oder der Ionen in Elektrolyten. Was der Strom aber genau ist, das bleibt in gewissem Maß doch geheimnisvoll. Sehr wohl, kann man ihn jedoch anhand seiner Wirkungen beschreiben. Er bewirkt elektrisches Licht. Er erzeugt Wärme. Er vermag Motoren anzutreiben mit denen schwere Lasten, Züge, Busse und Autos angetrieben werden. Er vermag die Versendung von Nachrichten, von Bildern, Worten, Tönen in großer Geschwindigkeit und über weite Entfernungen hinweg zu bewirken. In ähnlicher Weise sagen wir auch von der „heiligmachenden Gnade“, was sie bewirkt. Sie macht den Menschen, der sie empfängt, gerecht; sie macht ihn heilig; sie macht ihn zu einem Kind Gottes; sie macht ihn zu einem Erben des Himmels. Das sind viele und großartige, wenngleich unsichtbare Wirkungen. Die „heiligmachende Gnade“ ist eben wie ein Keimling, der zwar unter der Ackerkrumme verborgen für das menschliche Auge unsichtbar ist, der aber nichtsdestotrotz lebt und wächst und wirkt. Alle die vielfältigen Wirkungen der „heiligmachenden Gnade“ können auf zwei hauptsächliche Wirkungen zurückgeführt werden. Nämlich auf das, was durch diese Gnade aus der Seele entfernt wird, und das, was durch diese Gnade in die Seele hineingebracht wird.
Die Tilgung der Sünde
Was entfernt die „heiligmachende Gnade“ aus der Seele? Die „heiligmachende Gnade“ tilgt wenigstens alle Todsünden und deren gerechte Strafe – die ewige Verdammnis. Welche Kraft muß also in der „heiligmachenden Gnade“ liegen! Sie tilgt in dem einen Augenblick, da sie Gott der Seele eingießt, alle schweren Sünden, seien ihrer viele oder wenige; seien sie zahlreich wie der Sand am Meer; seien sie rot wie Scharlach. Alle werden in einem einzigen Moment von der „heiligmachenden Gnade“ ausgelöscht, als wären sie nie geschehen. Sie tilgt sie ganz, so daß sie in alle Ewigkeit nicht wieder aufleben. Sie tilgt die Sündenschuld samt der ewigen Höllenstrafe, welche die Todsünde – schon eine einzige – verdient. Welch eine Kraft! – Wie tief dringt sie? Bis in das innerste der Seele. – Wie weit reicht ihre Wirkung? Bis in die fernste Ewigkeit. – Wie gründlich tilgt sie? Alle Werke der Bosheit; alles, was die Leidenschaften in jahrelangem Sündigen angerichtet haben, tilgt sie in einem einzigen Augenblick aus. – Ja, welch eine Kraft! Eine übernatürliche Kraft! Eine göttliche Kraft! Denn wer kann Sünden nachlassen, als Gott allein (vgl. Mk. 2, 7)! Die „heiligmachende Gnade“ macht den Menschen gerecht. Darum heißt sie auch „Gnade der Rechtfertigung“.
Die Verähnlichung mit Gott
Aber sie tut noch mehr. Während ihre erste Wirkung gewissermaßen destruktiv ist – sie zerstört die Sünde – ist ihre zweite Wirkung konstruktiv: Sie erneuert und heiligt die Seele. Sie verleiht der Seele eine übernatürliche Ähnlichkeit mit dem dreieinigen Gott. Darum heißt es von Adam, der ja anfänglich – vor dem Sündenfall – die „heiligmachende Gnade“ besaß, er sei nach dem Bilde Gottes geschaffen (vgl. Gen. 1, 27). Darum sagt der hl. Paulus, daß die Auserwählten dem Bilde Jesu Christi, des Sohnes Gottes, gleichförmig seien (vgl. Röm. 8, 29). Sobald die Seele dieses Bild an sich trägt, gefällt sie Gott, weil Er Sich selbst in der Seele wiedererkennt, gleichsam wie in einem Spiegel. Und wie sich Gottes unendliche Glückseligkeit aus dem Wohlgefallen an Sich selbst speist, so findet Gott an der Seele, die Ihm ähnlich ist, Wohlgefallen. Sobald sie Ihm gefällt, nimmt Gott eine solche Seele an Kindesstatt an. Und, wie gesagt, sobald der Mensch Kind Gottes ist, hat er ein Erbrecht auf das höchste Gut, den Himmel, auf den Besitz Gottes selbst. So sagt es der Völkerapostel von den begnadeten Gotteskindern: „Wenn [wir] aber Kinder [sind], [dann] auch Erben, Erben Gottes und Miterben Jesu Christi“ (Röm. 8, 17).
Beide Wirkungen – die Tilgung der Sünde und die innere Heiligung – haben bereits die Kirchenväter durch den Vergleich mit dem Eisen im Feuer zu veranschaulichen versucht. – Stellen wir uns ein rostiges Eisen vor und ein starkes Feuer. Beide Dinge sind von unterschiedlicher Natur. Das eine Ding ist Träger der Natur des Eisens; das andere Träger der Natur des Feuers. Das rostige Eisen wird sodann in das Feuer hineingelegt. Und was passiert? Welche Wirkungen bringt das Feuer an dem Eisen hervor? Zwei Dinge: 1. Alle Rostflecken werden durch die Feuersglut an dem Eisen gründlich ausgetilgt. Und 2., das Eisen beginnt an der Natur des Feuers Anteil zu nehmen. Das Eisen wird dem Feuer ähnlich. Vorher war es kalt, jetzt wird es heiß. Vorher war es dunkel, jetzt wird es leuchtend. Vorher war es hart, jetzt wird es weich und biegsam. Es war schwarzes Eisen und ist nun strahlend, leuchtend, glühend wie das Feuer selbst. – Bleibt noch die Frage, in welcher Ordnung die beiden Wirkungen hervorgehen, d.h. welche ist früher und welche später? Die Antwort lautet: Sie finden zugleich statt. Indem die Seele gereinigt wird, wird sie geheiligt; indem sie geheiligt wird, wird sie gereinigt. Die „heiligmachende Gnade“, welche den Menschen heilig macht, ist gleichzeitig auch die Ursache, daß seine Seele gereinigt wird; wie das Feuer, indem es das Eisen durchglüht und dabei gleichzeitig den Rost austilgt.
Das Zusammenspiel der göttlichen Gnadenerweise
Nachdem wir eine Vorstellung von dem gewonnen haben, was die „heiligmachende Gnade“ ist und was sie bewirkt, müssen wir noch darüber nachdenken, wie die „heiligmachende Gnade“ in die Seele kommt. Was geht ihr voraus? Womit beginnt die Rechtfertigung? – Sie beginnt mit der „helfenden Gnade“, welche dem Sünder zuvorkommt. Sie erleuchtet ihn, führt ihm seine Sünde vor Augen. Sie treibt den Sünder an, daß er sich zu Gott hinwendet. – So ist es wenigstens, wenn es sich um die Rechtfertigung des Sünders handelt, der durch persönliche Sünde gefehlt hat. Wie ein König in früheren Jahrhunderten durch sein Reich zog, um seinen Vasallen und Untertanen einen gnädigen Besuch abzustatten, so schickte er vorher einen oder mehrere seiner Herolde und Diener voraus, um den Besuch anzukündigen und um die notwendigen Vorbereitungen für seine Ankunft zu treffen. So kehrt auch die „heiligmachende Gnade“ nicht so ohne weiteres in das Herz des Sünders ein. Gott sendet die „helfende Gnade“ wie einen Herold voraus, um ihr den Weg zu bereiten. – Was für „helfende Gnaden“? „Erleuchtende Gnaden“, die das Herz des Sünders erleuchten über die Bosheit seiner Sünde, über die Gefahr der Sünde, über die Folgen und Strafen der Sünde, über das ganze Elend seines Zustandes. – Nur „erleuchtende Gnaden“? Nein, auch „bewegende Gnaden“, d.h. eine solche Gnadenhilfe, die das Herz des Sünders mit Furcht vor dem Strafgericht Gottes erfüllt; die es zum Abscheu, zur Reue antreibt; es mit einer Regung der Hoffnung, mit einem Anfang der Liebe zu Gott, zu einem Vorsatz bewegt, nach Kräften die Gelegenheit zur Sünde zu meiden und sich wieder Gott zuzuwenden; sich mit Ihm auszusöhnen. Mit diesen Gnaden muß der Sünder mitwirken. Wenn er das tut, dann wird er, sofern er noch nicht getauft ist, sich auf das Sakrament der hl. Taufe vorbereiten; wenn er bereits getauft ist, dann auf den Empfang des hl. Bußsakramentes. Denn diese beiden Sakramente sind es, welche dem Sünder die „heiligmachende Gnade“, oder wie sie für den Sünder heißt, die „Gnade der Rechtfertigung“, erteilen. Dieser ganze Weg der Rechtfertigung, von der Sünde angefangen bis zur Tilgung der Sünde durch die Gnade, ist von keinem anderen so anschaulich und ermutigend beschrieben worden, als von unserem göttlichen Erlöser selbst.
Der Weg der Rechtfertigung
Im Gleichnis vom verlorenen Sohn (vgl. Lk. 15, 11-32) fordert der jüngere Sprößling vom Vater trotzig sein Erbteil und bekommt es. Er verläßt das Vaterland, das Vaterhaus, den Vater selbst; ohne Abschied, ohne Lebewohl und geht weg; weit weg in ein fernes, fremdes Land. Dort verschwendet er in Ausschweifung sein ganzes Vermögen. Das ist das Bild des Sünders, der sich von Gott abwendet. – Als er alles durchgebracht hatte, entstand in dem fernen Land eine große Hungersnot. Wir sehen den Sohn des reichen Mannes hungernd, als Sklave eines Fremden dienend, die Schweine hütend; voll Gier nach dem Futter, das den Schweinen gegeben und ihm versagt bleibt. – Es ist das Bild vom Elend, welches die Sünde über den Sünder bringt. Die Sünde beraubt den Sünder all seiner übernatürlichen Güter, macht ihn zum Sklaven des Teufels. Er darf die Schweine seiner ungeordneten Leidenschaften hüten und giert nur nach dem, was seine niederen Begierden befriedigt, ohne jedoch dadurch gesättigt zu werden. – An dieser Stelle nun beginnt die Gnade ihr Werk. Da heißt es von dem Sohn: „Er ging in sich.“ Das ist die „erleuchtende Gnade“. Ein Gedankenblitz, ein Strahl, der sein Inneres erleuchtet über die Sünden, die er begangen hat; über die Dummheit seines Benehmens; über das Elend, in das er sich gestürzt hat, in dem er sich jetzt aus eigener Schuld befindet und das auch noch weiter andauern wird, wenn er nichts ändert. Er vergleicht sein Schicksal mit dem Los selbst der niedrigsten Knechte im Haus seines Vaters: „Wie viele Tagelöhner im Hause meines Vaters haben Brot im Überfluß, und ich gehe hier vor Hunger zugrunde!“ Das ist das Werk der „erleuchtenden Gnade“. – Mit der Einsicht geht Hand in Hand der Ekel über sein Verhalten, das Heimweh nach dem Vaterhaus, die leise Hoffnung, dort wieder Aufnahme zu finden und schließlich der Entschluß zur tatsächlichen Umkehr: „Ich will mich aufmachen und zu meinem Vater gehen.“ – Das ist das Bild der „bewegenden Gnade“, die das Herz zu Reue und Zerknirschung, d.h. zum tatsächlichen Bedauern und Beweinen der Sünde, sowie zum ernsten Vorsatz der Besserung und Wiedergutmachung antreibt; die „bewegende Gnade“, welche die Hoffnung auf Vergebung weckt und den Willen zur Umkehr bewegt. – Der verlorene Sohn wirkt mit der Gnade mit. Er beließ es nicht bloß bei der beschämenden Einsicht, dem Bedauern, der Hoffnung und bei dem Vorsatz irgendwann schon einmal umzukehren, sondern er ging auch wirklich heim. – Das ist die geforderte Mitwirkung mit der Gnadenhilfe Gottes. Und wie gnädig und barmherzig wurde er in der Heimat aufgenommen! Als er noch ferne war, sah ihn sein Vater. Er hatte ihn schon lange erwartet und Tag für Tag nach ihm auf dem Weg Ausschau gehalten, ob der Verlorene nicht bald zurückkäme. Als er ihn sah, wurde er von Mitleid gerührt. Das ausgemergelte Gesicht, die zerrissenen Kleider, die auf die Knochen abgemagerte Gestalt, die nackten Füße, die Spuren des Elends, die sich überall bemerkbar machten, weckten das Mitleid des väterlichen Herzens. Und der Vater eilte ihm entgegen. Ja, schneller noch als der Sohn herbeikam, um Verzeihung zu erbitten, eilte ihm der alte Vater entgegen, um ihm Verzeihung zu gewähren. – So hält auch Gott gleichsam Tag und Nacht Ausschau nach dem Sünder, wann er sich endlich bekehrt; wann er das fremde Land der Sünde und seinen gnadenlosen Herrn, den „Fürsten dieser Welt“, hinter sich läßt; wann er endlich den Weg zurück zu Ihm einschlägt. Und Gott wird gleichsam vom Mitleid gerührt und kommt dem Sünder entgegen, wie der Vater ihm Gleichnis herbeieilte, dem Sohn um den Hals fiel und ihn küßte. – Der Sohn sprach reumütig sein Sündenbekenntnis. Er legte seine Beichte ab. „Vater ich habe gesündigt vor dem Himmel und vor dir. Ich bin nicht mehr wert dein Sohn zu heißen.“ Und in zerknirschter Selbsterkenntnis fügte er bei: „Halte mich wie einen deiner Knechte.“ Aber der Vater ließ ihn kaum ausreden. Kein Wort des Vorwurfes wird ausgesprochen. Stattdessen befahl der Vater, sofort ein Festkleid herbeizubringen – das Bild für die „heiligmachende Gnade“; – einen kostbaren Ring an seine Hand zu stecken – das Zeichen des wiedererlangten Erbrechtes. Der Vater befahl ferner, dem Sohn Schuhe an seine Füße zu ziehen – das Bild für neue „helfende Gnaden“, die ihm beistehen werden, fortan ohne Anstoß auf dem Weg der Gebote Gottes zu wandeln. Sodann befahl der Vater das Mastkalb zu schlachten und ein Freudenmahl zu halten. – Das Bild der heiligen Kommunion, welche auf die Rechtfertigung des Sünders im Bußsakrament folgt. Die Vereinigung in der himmlischen Tischgemeinschaft mit Gott in der hl. Kommunion ist der herrliche Schluß- und Höhepunkt auf dem Weg der Rechtfertigung; nach erfolgter Reue, Umkehr, Beichte und Buße.
Der Beginn des ewigen Lebens
Welche Schlußfolgerung wollen wir aus dem Gesagten für uns ziehen? Sie ergibt sich eigentlich wie von selbst. Wir alle sollen uns ernstlich und aufrichtig die Frage stellen: Bin ich im Stand der „heiligmachenden Gnade“? Muß einer eingestehen: Nein, dann beeile er sich, das ferne Land der Sünde und seinen Herrn, den Satan, hinter sich zu lassen, um wie der verlorene Sohn durch eine reumütige Beichte ins Vaterhaus, in die Arme, an das Herz des göttlichen Vaters heimzukehren. Es besteht kein Zweifel daran, daß jeder, der reumütig zu Ihm umkehrt, so schnell, so väterlich, so barmherzig und gnadenreich Aufnahme findet, wie der verlorene Sohn bei seinem Vater. – Wenn uns unser Gewissen hingegen die Annahme erlaubt im Stande der „heiligmachenden Gnade“ zu sein, so nehmen wir uns vor nichts anderem so sehr in acht, wie vor der Todsünde. Bedenken wir, welch ein Schatz die „heiligmachende Gnade“ ist. Ein übernatürliches Geschenk, das durch keine Anstrengung der Welt verdient oder wiedererlangt werden könnte. Ein gefährdetes Geschenk, das wir, wie der hl. Paulus sagt, in irdenen, d.h. zerbrechlichen Gefäßen tragen (vgl. 2. Kor. 4, 7). Deshalb ist Behutsamkeit, Wachsamkeit verlangt, daß wir den Schatz der „heiligmachenden Gnade“ in unserer Seele nicht leichtfertig gefährden, ihn nicht einfach so verscherzen und zerstören. Es gibt nichts Kostbareres auf dieser Welt als das Leben Gottes in sich zu tragen, dadurch Kind Gottes, Erbe des Gottesreiches, Bruder Jesu Christi zu sein. – Bedenken wir, wie leicht dieser Schatz verlorengehen kann. Durch eine einzige schwere Sünde! – Bedenken wir, daß wir sie zwar aus eigener Kraft verlieren aber niemals durch eigene Macht wiedergewinnen können. Es ist schon unbegreiflich, daß uns Gott die „heiligmachende Gnade“ am Tag unserer Taufe zum ersten Mal gegeben hat. Noch unbegreiflicher ist es, daß Gott sie uns, nachdem wir sie vielleicht durch den Fall in eine Todsünde, ja womöglich nach wiederholtem Rückfall, noch ein zweites, ein drittes, ein vielfaches Mal gegeben hat. Wir können die „heiligmachende Gnade“ nicht hoch genug einschätzen. Sie ist ein Anteil am „göttlichen Leben“. Ihr Besitz entscheidet unsere Ewigkeit. Denn sie ist das „ewige Leben“. Amen.