Der Glaube, das Tor zum ewigen Leben

Geliebte Gottes!

Christus hat sich zur Sühne für unsere Schuld am Kreuz zum Opfer dargebracht. Er hat Sein Leben hingegeben, freiwillig und selbstmächtig, wie Er es vorhergesagt hatte: „Niemand nimmt es von mir, sondern ich gebe es von Mir selbst hin; und ich habe die Macht, es hinzugeben, und die Macht, es wieder zu nehmen“ (Joh. 10, 17). Nicht die Wunden hatten Ihn getötet, sondern Er selbst hat den Augenblick bestimmt, da Er, als Herr über das Leben, die Verbindung Seiner hl. Seele mit dem gekreuzigten Leib löste. Die hll. Väter haben darauf hingewiesen, daß Christus bereits vor dem Verscheiden das Haupt geneigt hat; also noch ehe Er Seine Seele aushauchte. Bei jedem gewöhnlichen Menschen geschieht das genau anders herum. Zuerst haucht der Mensch aus, und in Folge dessen sinkt der erschlaffte Leib in sich zusammen. Beim Tod Christi verhielt es sich hingegen so: „Und Er neigte das Haupt und gab Seinen Geist auf“ (Joh. 19, 30). Das geschah, nach Meinung der Kirchenväter, um anzudeuten, daß Er aus eigener Machtvollkommenheit Sein Leben hingegeben hat. Niemand konnte dem Gottessohn das Leben entreißen – nicht einmal der Tod. Er hat es völlig freiwillig hingegeben.

Das ewige Leben

Und in derselben göttlichen Machtvollkommenheit, mit der Christus Sein Leben hingegeben hatte, hat Er es am dritten Tag auch wieder an Sich genommen; indem Er Seine hl. Seele wieder mit dem im Grabe ruhenden Leib vereinigte. Niemand konnte Ihn daran hindern. Auch mußte Ihm dazu niemand die Kraft verleihen. Er hatte die Macht dazu aus sich selbst. Warum? Weil Er Gott ist. Durch Sein freiwilliges Hingeben und Wiedernehmen hat Christus das Menschengeschlecht vom ewigen Tod erlöst und uns den Zugang zum ewigen Leben erschlossen. Er hat uns, die wir durch unsere Sünden tot waren, mit Sich wieder lebendig gemacht, indem Er den Schuldbrief, der wider uns zeugte, ans Kreuz geheftet und ausgelöscht hat. (vgl. Kol. 2, 13 f.). In Seiner glorreichen Auferstehung hat uns der Gottessohn mit Sich zu einem neuen, viel erhabeneren Leben mit auferweckt; zu einem Leben, über das der Tod keine Macht mehr hat.

Die Entmachtung des Todes sehen wir deutlich an dem verklärten Leib des Auferstandenen. Obwohl der Körper des Auferstandenen weiterhin von den tödlichen Wundmalen gezeichnet blieb, so ist er doch mit einer noch viel herrlicheren Vitalität und mit noch viel erhabeneren Eigenschaften ausgestattet als das vorher an Christus zu sehen war. Seine Wunden waren verklärt; Sein durchbohrtes Herz schlug; Sein Antlitz leuchtete wie die Sonne; Sein Leib konnte materielle Hindernisse mühelos durchschreiten – etwa den versiegelten Stein vor dem Eingang des Grabes oder die verschlossenen Türen des Abendmahlsaales. Christus konnte überall, wo Er wollte, ja sogar an mehreren Orten gleichzeitig in Erscheinung treten und sich ebenso plötzlich den Blicken der Menschen wieder entziehen. All das, was wir in verklärter Herrlichkeit an dem vom Tode erstandenen Erlöser erblicken, das soll auch an uns Wirklichkeit werden.

Ja, diese österliche Wirklichkeit hat sogar schon begonnen. Denn Christus verheißt uns das „ewige Leben“ nicht nur für unsere Auferstehung am Ende der Welt, sondern Er teilt uns die übernatürliche Siegesbeute, welche Er am Kreuz für uns erstritten hat, jetzt schon mit. Hat Er etwa nicht gesagt: „Wahrlich, wahrlich, Ich sage euch, wer Mein Wort hört, und dem glaubt, der Mich gesandt hat, der hat [!] das ewige Leben, und er kommt nicht ins Gericht, sondern ist [bereits] vom Tod zum Leben hinübergegangen!“ (Joh. 5, 24)? Christus hat uns das „ewige Leben“ erlangt und schon jetzt mitgeteilt. Am Tag unserer Taufe hat das ewige Leben für uns begonnen. Seitdem ruht es verborgen im Inneren der Seele, wie der Keimling im Erdboden – unsichtbar, doch lebendig. Wenn man seinen Wert, seine Kraft und seine Herrlichkeit erkennen will, dann muß man sich vor Augen stellen, was aus diesem Keim hervorgehen soll. Wenn wir in der natürlichen Ordnung den Wert eines Keimes – etwa einer Eichel – erkennen wollen, dann muß man eine vollentwickelte Eiche gesehen haben. Um im Bereich der menschlichen Ordnung den Wert der vernünftigen Seele zu kennen, die im kleinen Säugling noch schlummert, muß man wissen, was die menschliche Seele normalerweise in einem Menschen vermag, wenn sie zu ihrer vollen Entwicklung gelangt ist. So erlaubt uns die verklärte Erscheinung und die wunderbare Handlungsweise des auferstandenen Erlösers einigermaßen einzuschätzen, wie erhaben das übernatürliche Leben ist, welches da jetzt schon in unserer Seele ruht; welches sich dort, von unserer Wahrnehmung ganz unbemerkt, entwickelt, sich zu einem geistigen Organismus auswächst und entfaltet, bis es sich am Tag der Auferstehung des Fleisches in seiner vollen Herrlichkeit zeigen wird.

Die Vorbedingung des ewigen Lebens

Wie aber das Erdreich erst durch den Pflug geöffnet und vorbereitet werden muß, damit es den Samen aufnehmen kann, so muß auch die Seele des Menschen zuerst für den gnadenhaften Keimling des Ewigen Lebens geöffnet und empfänglich gemacht werden. Und wie wir den Worten Christi entnehmen, geschieht diese Vorbereitung durch den übernatürlichen Glauben. „Wahrlich, wahrlich, Ich sage euch, wer Mein Wort hört, und dem glaubt, der Mich gesandt hat, der hat das ewige Leben.“ Der Glaube öffnet die Seele für Gott und für alles, was von Gott kommt. Der Glaube ist somit die unbedingte Voraussetzung, um am ewigen Leben Christi Anteil zu erlangen. Denn: „Ohne Glauben, ist es unmöglich, Gott zu gefallen“ (Heb. 11, 6). Ja noch viel schlimmer! Ohne den übernatürlichen Glauben hätte Christus umsonst Sein Leben am Kreuz hingegeben und es vergeblich am dritten Tage wieder an sich genommen. Der Unglaube beraubt uns der Erlösung, des Samens der Übernatur und seiner herrlichen Früchte. Er bleibt dem ewigen Tode überantwortet. „Wer aber nicht glaubt, der wird verdammt werden“ (Mk. 16, 16). – Deshalb war unser göttlicher Erlöser in den vierzig Tagen nach Seiner Auferstehung so eifrig bemüht, bei Seinen Aposteln und Jüngern den verlorengegangenen Glauben an Seine Gottheit wieder zu beleben und sie in diesem Glauben durch Erscheinungen und Wunder zu bestärken. Der hl. Apostel Thomas war ja nicht der einzige Ungläubige, dessen Glaube im Sturm des Karfreitags Schiffbruch erlitten hatte. Immer wieder hören wir davon, wie schwer es den Apostel fiel, sich von der Wahrheit der Auferstehung Christi und damit von der Tatsache Seiner Gottheit zu überzeugen. – Weil der Glaube die unbedingte Voraussetzung zur Anteilnahme am ewigen Leben ist, deshalb wollen auch wir uns, bevor wir in den nächsten Wochen versuchen werden, den geistigen Organismus des übernatürlichen Lebens in unserer Seele etwas genauer zu betrachten, wieder darüber Klarheit verschaffen, was es eigentlich heißt, wenn wir sagen: „Credo!“ „Ich glaube!“ – Deshalb die heutige Frage: Was heißt „glauben“?

Was heißt glauben?

Glauben heißt ganz allgemein: Etwas für wahr halten. – Unser Verstand ist auf die Wahrheit ausgerichtet. Und deshalb wird bei jeder Art menschlicher Erkenntnis etwas für wahr gehalten. Der Mensch kann auf dreierlei Weise zur Erkenntnis der Wahrheit gelangen. Erstens: Durch unmittelbare Einsicht. – Wenn etwa jemand Zeuge eines Verkehrsunfalls wird, und dabei alle Vorgänge mit eigenen Augen gesehen hat, dann weiß er durch unmittelbare Einsicht, wie der wahre Unfallhergang genau gewesen ist. – Die zweite Art menschlicher Wahrheitserkenntnis ist die der logischen Schlußfolgerung: Wenn sodann ein Sachverständiger den Unfallort und die Unfallfahrzeuge begutachtet, dann kann er sich anhand der Bremsspuren und des Deformationsschadens an den Fahrzeugen den Unfallhergang durch Rückschlüsse rekonstruieren, obwohl er gar nicht persönlich beim Unfallgeschehen dabeigewesen war. Je mehr Indizien der Sachverständige zum Unfallhergang aufnehmen kann und je eindeutiger dieselben sind, desto sicherer wird sein aus Schlußfolgerung gewonnenes Urteil über den tatsächlichen Hergang. – Die dritte Art der menschlichen Wahrheitserkenntnis ist der Glaube: Wenn jemand beim Frühstück die Zeitung aufschlägt und darin einen Bericht über den Hergang jenes Verkehrsunfalls liest, dann wird er nach der Lektüre für wahr halten, daß es sich genauso zugetragen hat. – Warum? Etwa durch Einsicht? Nein, denn der Leser war nicht bei dem Unfall dabei. – Vielleicht, durch Schlußfolgerung? Nein, denn der Leser hat am Frühstückstisch weder die Indizien des Ortes, noch die an den Fahrzeugen ersichtlichen Schäden vor Augen, welche ihm erlauben würden, Rückschlüsse zu ziehen. Trotzdem hält der Zeitungsleser die Wahrheit, die er über den Unfall erfahren hat, für wahr. – Auf welche Weise? Durch den Glauben. Indem er für wahr hält, was er in der Zeitung gelesen hat. – Warum hält er den Bericht für wahr? Aufgrund der Glaubwürdigkeit, welche die Zeitung bzw. der berichtende Journalist in seinen Augen genießt. Der Verfasser des Artikels war vielleicht selbst bei dem Unfall zugegen, oder hat wenigstens sorgfältig recherchiert, sobald er davon erfuhr. Er hat sich also persönlich an den Unfallort begeben, dort eventuell Augenzeugen interviewt und auf jeden Fall später im Polizeibericht nachgelesen. Auch hat er, so setzen wir voraus, keinerlei persönliche Interessen, den tatsächlichen Hergang zu verschleiern, sondern er weiß sich der Wahrheit verpflichtet. Sachkenntnis und persönliche Unbescholtenheit verleihen dem Zeugnis eines Berichterstatters Glaubwürdigkeit. Und aufgrund seiner Glaubwürdigkeit ist es vernünftig, das, was er sagt, für wahr zu halten.

Im Volksmund wird oft so leichtfertig dahergesagt: „Glauben heißt nichts wissen.“ So als könne man durch den Glauben zu keinen absolut sicheren Erkenntnissen gelangen. Ja, es ist sogar so, daß der Mensch zur Kenntnis der meisten Wahrheiten über den Weg des Glaubens gelangt. Daß es sich beispielsweise bei den Eltern wirklich um den wahren Vater und um die wahre Mutter handelt, das wissen wohl die wenigsten Kinder aus Einsicht. Wer kann sich bitteschön an den Moment seiner Geburt erinnern, ganz zu schweigen vom Augenblick der Empfängnis? Vielleicht wird der Jugendliche später, viel später, aufgrund ähnlicher Gesichtszüge oder anderer Körpermerkmale schlußfolgern, daß es nicht anders sein kann, als daß er tatsächlich der Sprößling derjenigen ist, die er seit jeher „Eltern“ nennt. Später. Viel, viel später, wird er das vielleicht logisch folgern. Aber ganz am Anfang steht der Glaube. Man hat uns gesagt: Das ist dein Vater. Das ist deine Mutter. Und wir haben es als eine unumstößliche Wahrheit geglaubt. – Wie könnten Kinder erzogen werden, wenn sie nicht für wahr hielten, was die Eltern sagen? Wie könnten Schüler unterrichtet werden, wenn sie nicht dem Wort ihres Lehrers Glauben schenken würden? – Die Wissensvermittlung basiert vor allem auf dem Glauben. Die Schüler gelangen zur Erkenntnis der Wahrheit, indem sie für wahr halten, was der Lehrer ihnen vorträgt. Freilich, bei optimalem Unterrichtsverlauf, wird der Lehrer, soweit es die Materie des Stoffes zuläßt, dem Schüler zur Einsicht in den tatsächlichen Sachverhalt verhelfen. Aber am Anfang jedes Unterrichts steht immer der Glaubensakt. Und der Glaube des Schülers ist vernünftig, denn der Lehrer genießt in seinem Fach eine große Glaubwürdigkeit. Er hat dieses Fach an einer Hochschule studiert. Er ist darüber examiniert worden. Er hat einen offiziellen Lehrauftrag für dieses Fach erhalten. Deshalb ist es vernünftig, wenn jeder Schüler ihm Glauben schenkt und für wahr hält, was der Lehrer im Rahmen seines Faches sagt. – Es lassen sich unzählige ähnliche Beispiele finden: Alles, was wir über die Geschichte der Vergangenheit, alles was wir über fremde Völker und Länder wissen, beruht auf Glauben. Wie könnte die Geschichte längst vergangener Epochen geschrieben werden, wenn wir nicht für wahr hielten, was die Chronisten früherer Jahrhunderte miteinander übereinstimmend berichten? Wie könnte der Richter in einem Strafprozeß zu einem Urteil kommen, wenn er den Aussagen der geschworenen Zeugen nicht glauben dürfte? – Basis für diese schnellste und am meisten gebrauchte Form der Wahrheitsvermittlung ist die Glaubwürdigkeit des Zeugen. Zur Glaubwürdigkeit, es sei nochmals gesagt, sind notwendig: 1. Wissenskompetenz und 2. unbescholtene Wahrhaftigkeit.

Die Entdeckung Amerikas

Noch ein Beispiel, um das Gesagte zu festigen und nochmals alle drei Formen der Wahrheitserkenntnis in einem einzigen Bild vereint zu zeigen: Als Christoph Columbus zusammen mit der Mannschaft der „Santa Maria“ nach langer Seereise erstmals in Amerika anlandete, da hielten sie gewiß für war, daß es Land im Westen, weit jenseits des Atlantik gibt. Warum? Weil sie das Land mit eigenen Augen sahen. Weil sie mit ihren Füßen darauf standen. Sie hielten es für wahr, weil ihre eigenen Sinne die Wahrheit bezeugten.

Columbus hatte aber schon viel früher mit größter Festigkeit führ wahr gehalten, daß im Westen, jenseits des Ozeans, Land zu finden sei. Warum? – Hatte er das Land gesehen? Damals noch nicht. – Hatte es ihm jemand gesagt? Nein, es gab nur dürftige Vermutungen. Warum hielt er es dann für wahr? Er war durch schlußfolgerndes Nachdenken zu dieser Überzeugung gelangt. Er hatte früh gesehen, daß das Meer von Westen her geschnitzte Stöcke aus fremdartigem Holz ans Ufer spülte. Diese Stöcke, so dachte er, kommen nicht aus dem Wasser, sondern vom Land. Nicht aus einem bekannten Land, denn das Holz war ja fremdartig. Aber aus einem Land im Westen, denn von Westen kam die Flut. – Aus einem bewohnten Land, denn die Stöcke waren geschnitzt. Durch das Nachdenken und Schlußfolgern über die Stöcke kam er zu der Überzeugung, daß im Westen, jenseits des Meeres, Land sein müsse. Das hielt er für wahr.

Als Columbus dann mit seiner Mannschaft wieder aus Amerika nach Europa zurückgekehrt war, da begab er sich an den Hof des spanischen Königs Ferdinand II. von Aragon, und natürlich erzählte er dort unter dem Staunen der Zuhörer von dem Land, das sie jenseits des Atlantik entdeckt hatten; von den fremdartigen Pflanzen, Tieren und Menschen; von den großen Schätzen, die dort zu finden waren. – Haben nun König Ferdinand und sein Hof für wahr gehalten, daß es jenseits des Meeres tatsächlich ein Land gäbe, wie es Columbus beschrieb? Ja, gewiß! – Warum? Hatten sie das Land gesehen, wie die Schiffsbesatzung der „Santa Maria“? Nein. Hatten sie es durch logisches Nachdenken gefunden, wie Columbus? Auch nicht. – Warum hielten sie es für wahr? Weil Columbus, ein ehrenwerter Mann, ein wahrhaftiger Mann, es zusammen mit seiner Mannschaft bezeugte.

Columbus hielt es für wahr schon vor der Entdeckung, weil er es sich aus bestimmten Indizien logisch erschloß; seine Männer, weil sie das Land mit eigenen Augen sahen. König Ferdinand, weil er Columbus glaubte.

Glaube ist ein überzeugtes Für-wahr-halten

Fassen wir das Gesagte nochmals kurz zusammen: Es gibt drei Formen der Wahrheitserkenntnis. Die erste Form geschieht durch unmittelbare Einsicht. Fundament für die Sicherheit einer Wahrheit ist dabei die eigene Wahrnehmung; also das, was wir mit eigenen Augen gesehen, mit eigenen Ohren gehört, mit unseren Fingern betastet; was wir mit unserem Geruch- oder Geschmackssinn wahrgenommen haben. Die Einsicht beruht also insbesondere auf der Leistung der Sinne und eines wachen Geistes. – Die zweite Form der Wahrheitserkenntnis ist die logische Schlußfolgerung. Aufgrund äußerer Gegebenheiten zieht unser Verstand entweder Rückschlüsse auf einen Sachverhalt, oder leitet aus Gegebenheiten andere Wahrheiten her. Die Schlußfolgerung beruht also vor allem auf der Leistung unseres Verstandes. – Die dritte Form der Wahrheitserkenntnis ist der Glaube. Dabei wird ein Sachverhalt für wahr gehalten; nicht aufgrund persönlicher Einsicht; nicht aufgrund von Rückschlüssen; sondern weil ein kompetenter, unbescholtener Zeuge es sagt. Das Fundament des Glaubens ist also die Glaubwürdigkeit des Zeugen. – Nachdem wir den Begriff des Glaubens so von den beiden anderen Formen der Wahrheitserkenntnis abgegrenzt haben, müssen wir ihn auch noch eindeutig abgrenzen von einer irreführenden Verwendung des Wortes „glauben“ im alltäglichen Sprachgebrauch. Wenn einer sagt: „Ich glaube, morgen wird es Regen geben.“ Dann wird das Wort „glauben“ in der Bedeutung von „meinen, vermuten“ verwendet. Der Gebrauch im Sinne von: „Ich vermute, daß … Ich bin der Meinung, daß …“ räumt jedoch ein, daß es sich womöglich auch anders verhalten könnte. Wer sagt: „Ich glaube, morgen wird es Regen geben“, der sagt unausgesprochen mit aus: „Aber vielleicht kommt es auch anders.“ – Diese Bedeutung „meinen, vermuten“ ist in dem Zusammenhang in dem wir vom Glauben sprechen, ausgeschlossen. Wenn wir von Glauben sprechen, meinen wir ein festes, überzeugtes Für-wahr-halten, aufgrund des glaubhaften Zeugnisses eines anderen. Das ist der Glaube im menschlichen Sinne.

Der übernatürliche Glaube

Gehen wir sodann dazu über, vom göttlichen Glauben zu sprechen. Der Glaube im christlichen Sinne besteht nämlich darin, daß wir alles für wahr halten, was Gott der Herr gesagt bzw. was Gott „geoffenbart“ hat. Und in der Tat, wenn wir für wahr halten müssen, was glaubwürdige Menschen uns sagen, dann müssen wir das, was Gott sagt. noch fester, noch entschiedener, noch viel unbezweifelter für wahr halten! Der menschliche Zeuge kann sich irren. Gott hingegen ist allwissend. Er weiß alles. Er kann sich nicht irren, und Er kann nicht getäuscht werden. – Der menschliche Zeuge kann sich verstellen. Er kann in lügnerischer Absicht ein falsches Zeugnis ablegen. Gott hingegen kann nicht lügen. Er ist unendlich heilig und deshalb durch und durch wahrhaftig. Die unfehlbare Wahrheit und Wahrhaftigkeit Gottes sowie Seine unendliche Heiligkeit sind die Ursache, warum wir alles, was Gott gesagt hat, mit größtem Vertrauen und allergrößter Entschiedenheit für wahr halten können und müssen. Gott den Glauben zu verweigern heißt, Ihn zum Lügner zu stempeln, was eine ungeheuerliche Beleidigung darstellt. – Glauben im christlichen Sinn heißt also: Alles fest und unerschütterlich für wahr halten, was Gott geoffenbart hat. Und zwar nicht, weil es uns einleuchtet; nicht, weil wir es verstehen, oder weil es uns gefällt, daß es wahr sei. Nein, wir halten für wahr, was Gott gesagt hat, einzig und allein deshalb, weil Gott es gesagt hat!

Woher wissen wir, was wir glauben müssen?

Stellt sich noch die Frage, welche Wahrheiten wir für wahr halten müssen? Wir müssen einfach alles für wahr halten, was Gott geoffenbart hat. Auch wenn Gott nicht zu jedem einzelnen Menschen direkt gesprochen hat und spricht, so hat Er sich doch bestimmten Personen geoffenbart und sie beauftragt, in Seinem Namen zu allen übrigen Menschen zu sprechen.

Zur Zeit des Alten Testamentes hat Gott Seine Offenbarungen durch die Patriarchen und Propheten gegeben. Durch die Patriarchen, d.h. durch die Stammväter des ganzen Menschengeschlechts, wie Adam, Noe, oder den Stammvater eines ganzen Volkes wie Abraham; und durch die Propheten, d.h. die von Gott erleuchteten und von Gott gesandten Lehrer des auserwählten Volkes wie etwa Moses, Samuel oder Elias. Sie waren Seine Zeugen. Und Gott verlieh Seinen Zeugen Glaubwürdigkeit, indem Er ihr Wort durch Wunderzeichen verherrlichte.

Im Neuen Bund hat Gott Seine Offenbarungen kundgegeben durch Seinen eingeborenen Sohn Jesus Christus. Der hl. Johannes sagt von Ihm: „Niemand hat Gott je gesehen. Der eingeborene Sohn aber, der im Schoß des Vaters ruht, Er hat uns Kunde gebracht“ (Joh. 1, 18). Im Gegensatz zu allen Patriarchen und Propheten, die dem Wort Gottes selbst Glauben schenken mußten, spricht der Sohn Gottes aus Seiner eigenen vollkommenen Einsicht in das Geheimnis Gottes. Wie Christoph Columbus aus Erfahrung über Amerika berichten konnte, so kann Christus, der Selbst Gott ist, um so mehr Gottes Wahrheit bezeugen. Das fleischgewordene Wort Gottes genießt aufgrund Seiner unendlichen Heiligkeit und Allwissenheit die größtmögliche und unüberbietbare Glaubwürdigkeit, die es überhaupt geben kann. Christus hat die Wahrheit und den göttlichen Ursprung Seiner Lehre durch unzählige Wunderzeichen bekräftigt und Sich so als den glaubwürdigsten Zeugen ausgewiesen. Er hat Seine eigene Gottheit unter Beweis gestellt, indem Er am Kreuz Sein Leben hingab und es am dritten Tage wieder an sich nahm. Christus aber bediente sich fortan Seiner Apostel und deren Nachfolger, um durch ihren Mund die Völker und Nationen bis ans Ende der Welt in der Wahrheit des Evangeliums zu unterweisen. Christus sprach zu Seinen Aposteln: „Wie mich der Vater gesandt hat, so sende Ich Euch“ (Joh. 20, 21). Und an anderer Stelle sagte Er: „Wer Euch hört der hört mich“ (Lk. 10, 16). Und wiederum: „Seht, Ich bleibe bei euch alle Tage [!], bis ans Ende der Welt“ (Mt. 28, 20). D.h. Christus blieb seither durch den Beistand des Heiligen Geistes bei der katholischen Kirche und gebraucht Seine sichtbaren Stellvertreter, die Päpste, gleichsam als Seinen Mund. Und es ist eine Tatsache! So sehr die Päpste der gesamten Kirchengeschichte schwache Menschen gewesen sein mochten; so viele Fehler sie in ihrem Charakter gehabt haben mochten; so schwerwiegende Sünden manche von ihnen begangen haben mochten, eines ist nie geschehen. Kein Papst, bis Pius XII. einschließlich, hat jemals einen Irrtum gelehrt, sei es im Hinblick auf den Glauben oder die christlichen Sitten. Bis Pius XII. einschließlich gibt es keinen einzigen Irrtum, keinen Widerspruch in der päpstlichen Lehrverkündigung. Keine Inkonsistenz. Keine einzige. Selbst bei jenen Päpsten, deren sittlicher Wandel anrüchig gewesen sein soll, war die Glaubensverkündigung in vollkommener Übereinstimmung mit der geoffenbarten Lehre. Christus hat an Seinen Nachfolgern die Verheißung an den hl. Petrus wahr gemacht: „Ich aber habe für dich gebetet, daß dein Glaube nicht wanke“ (Lk. 22, 32). Christus hat den Päpsten den Heiligen Geist verheißen und Ihnen Seinen unfehlbaren Beistand mitgeteilt: „Der Beistand aber, der Heilige Geist, den der Vater senden wird in Meinem Namen, Er wird euch alles lehren und euch an alles erinnern, was Ich euch gesagt habe“ (Joh. 14, 26). „Wenn aber jener kommt, der Geist der Wahrheit, so wird Er euch hinführen zur vollen Wahrheit. Er wird von dem Meinigen nehmen und es euch künden“ (Joh. 16, 13.15). Aufgrund der unfehlbaren Ausstattung mit dem Gottesgeist genießen die Päpste höchste Glaubwürdigkeit. Deshalb ist das Lehramt der Päpste die Glaubensnorm für jeden Katholiken. Ihre Lehrverkündigung beinhaltet alles, was wir wissen und befolgen müssen, um zum ewigen Leben zu gelangen, wobei jeder Irrtum völlig ausgeschlossen ist. Deshalb ist es nicht nur überaus vernünftig, ihnen zu glauben und ihren Weisungen Gehorsam zu leisten, sondern auch eine heilige Pflicht.

Auf den Marktplätzen des Mittelalters waren die beim Handel üblichen Eichmaße in der Fassade des Rathauses oder der Marktkirche in die Wand eingelassen. So konnte jeder Kunde nachprüfen, ob die erworbene Ware vom Händler auch richtig abgemessen und kein Schindluder getrieben wurde. Auch in Streitfragen diente dieses Eichmaß als Norm. Zu dem gleichen Zweck dient die Lehrverkündigung der Päpste als Norm für den katholischen Glauben. Die Lehre der Päpste kann nicht von der Lehre Christi abweichen. Weicht nun aber irgendeine Lehre von der Verkündigung der Päpste ab, ist sie verkürzt oder sonstwie verfälscht, dann liegt offensichtlich religiöser Betrug vor; statt dem Goldstandard der göttlichen Wahrheit liegt gefälschte Billigware vor. – Schon der hl. Hieronymus hatte seinerzeit einen Freund, der sich mit Glaubensfragen an ihn wandte, nach Rom verwiesen und gesagt, man müsse glauben, wie die Kirche von Rom glaubt, denn diese könne nicht irren, weil dort der Stellvertreter Christi lehrt.

Zwei Dinge werden aus dem Gesagten klar ersichtlich. Erstens: Eben weil die Konzilspäpste seit dem sog. 2. Vatikanum aufgrund des Ökumenismus von der geoffenbarten Lehre Christi abweichen, deshalb können sie in Wirklichkeit unmöglich wahre Päpste sein. Weil aber alle Konzilskatholiken um uns herum meinen, sie wären es, deshalb richten sie ihren Glauben nach einer verfälschten, verkürzten Norm aus und verlieren so den katholischen Glauben. So ist heute wahr geworden, was die allerseligste Jungfrau Maria im Jahr 1846 in La Salette vorhergesagt hat: „Rom wird den Glauben verlieren und Sitz des Antichrist werden.“ Man bedenke! Rom kann den Glauben nur verlieren, wenn dort nicht mehr der Stellvertreter Christi regiert, der die Irrtumslosigkeit der römischen Kirche garantiert. Das ist nun seit knapp 65 Jahren der Fall. Zweitens wird daraus ersichtlich, wie sehr die Lefebvristen den Glauben ihrer Anhänger zersetzen, indem sie behaupten, Männer, welche Irrlehren verkünden, könnten wahre Päpste sein, aber man brauche ihnen dann nicht zu glauben und ihnen nicht zu gehorchen. – Nein! Christus hat angeordnet, daß die Lehre des Papstes für den Glauben eines Katholiken stets die Meßlatte ist. Auf niemanden sonst treffen die Worte Christi mehr zu als auf die Päpste: „Wer euch hört der hört Mich und wer euch verachtet, der verachtet Mich; wer aber Mich verachtet, der verachtet den, der Mich gesandt hat“ (Lk. 10, 16).

Man kann also nicht den katholischen Glauben haben, wenn man auch nur in einem Punkt nicht (!) mit der Glaubensverkündigung des Papstes übereinstimmt. Denn wer im Glauben nicht mit der Lehre des Papstes übereinstimmt, und sei es auch nur in einem einzigen Punkt, der stimmt im Glauben auch nicht mit Christus überein. Der hat im Glauben Schiffbruch erlitten und zählt zu den ärmsten Menschen.

Das wunderbare Glaubenslicht

Dem Gläubigen hingegen öffnet sich eine ganz eigene Welt – die Welt des Geistes und der Übernatur. Wie viele göttliche Wahrheiten sind in der Offenbarung Gottes enthalten! Welch ein helles Licht verbreitet Christus, die ewige Wahrheit. durch den katholischen Glauben über die Vergangenheit, die Gegenwart und die Zukunft. Wie vieles ist darin, was aller Schafsinn und alles menschliche Nachdenken nie gefunden hätten. Gott weiß mehr als wir. Es ist vieles darin, was wir nicht begreifen und auf Erden nie begreifen werden können. Warum? Weil das Wissen Gottes ohne allen Vergleich tiefer und weiter geht als unser Wissen. Wir glauben es und halten es für wahr. Nicht darum, weil wir es begreifen, sondern weil der allwissende und heilige Gott es geoffenbart und uns durch die Päpste der katholischen Kirche zu glauben vorlegt. Das allein ist Grund genug.

Danken wir Gott! Danken wir unserem Herrn Jesus Christus, der uns, wie der hl. Petrus sagt, „aus der Finsternis berufen hat in Sein wunderbares Licht“ (1. Petr. 2, 9). „Aus der Finsternis“, damit ist der Unglaube gemeint, der wirklich im Finstern tappt. Was weiß der Ungläubige und Irrgläubige davon, woher er kommt und wohin er geht? Was weiß er von den Hilfsmitteln, die ihm Gott anbietet, um seine Seele zur retten? Wie wird er die Gefahren, die seinem ewigen Heil drohen, meiden können, wenn er sie gar nicht kennt? Er ist in tiefster Finsternis! Was weiß er denn von dem, was nach dem Tod kommt? Von den Abgründen neben dem Weg? Von dem Abgrund der Hölle? Er ist blind am hellen Tag. – Danken wir dem Herrn, der uns aus der Finsternis in Sein österliches Licht berufen hat; das uns den Weg unseres Lebens beleuchtet. Seine Höhen, seine Tiefen, seine Steigungen, seine Abgründe, seine Gefahren, sein Ende. Sprechen wir mit dem Psalmisten: „Eine Leuchte für meine Füße ist Dein Wort und ein Licht auf meinen Wegen“ (Ps. 118, 105).

Flehen wir den Himmel an, uns wieder einen wahren Papst, dessen Glaubwürdigkeit durch den unfehlbaren Beistand des Heiligen Geistes verbürgt ist, zu schenken, damit von ihm das Licht unseres Glaubens durch seine irrtumslose Unterweisung gelenkt, genährt und geschützt werde. Hüten wir solange dieses gefährdete Licht, daß es niemals in unserer Seele erlösche. Achten wir darauf, daß es uns nicht nur den Weg leuchte, sondern, daß wir auch auf dem Weg des Heiles wandeln; daß wir die Gefahren nicht nur kennen, sondern sie auch meiden; daß wir das Ziel im Glauben nicht nur klar erblicken, sondern es auch erreichen – das ewige Leben, das uns Christus durch Seinen Tod und Seine Auferstehung erschlossen hat und zu dem uns der Glaube Zugang verleiht. „Das ist der Sieg, der die Welt überwindet, unser Glaube“ (1. Joh. 5, 4). Denn Christus sagt: „Wer Mein Wort hört, und dem glaubt, der Mich gesandt hat, der hat das ewige Leben, und der kommt nicht ins Gericht, sondern ist vom Tod zum Leben hinübergegangen!“ (Joh. 5, 24). „Wer aber nicht glaubt, ist schon gerichtet, weil er nicht an den Namen des eingeborenen Sohnes Gottes geglaubt hat“ (Joh. 3, 18). Kurz: „Wer glaubt, wird gerettet werden. Wer aber nicht glaubt, der wird verdammt werden.“ Amen.

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