Das kirchliche Fastengebot

Geliebte Gottes!

Das Fastengebot reicht in seiner Geschichte weit zurück. Der hl. Kirchenvater Basilius d. Gr. sagt: „Das Fasten war schon im Paradies ein Gebot. Das erste Gebot, das Adam erhielt, lautete: ‚Vom Baume der Erkenntnis des Guten und des Bösen sollt ihr nicht essen!‘ (Gen. 3,17). Die Worte ‚Ihr sollt nicht essen‘, sind ein Gebot des Fastens und der Abstinenz. Hätte Eva nicht vom Baume genossen, dann hätten wir jetzt dieses Fasten nicht nötig“ (hom. de jejun.; 3). – Ja, das Fastengebot ist gewissermaßen das älteste Gebot; das Gebot, durch welches der Mensch seine liebende Treue gegen seinen Schöpfer und Herrn unter Beweis hätte stellen sollen, das dem Menschengeschlecht aber durch Satans Lug und Trug zum Fallstrick geworden war. Deshalb ist es nicht verwunderlich, daß unser göttlicher Erlöser gerade hier ansetzen mußte, um den in Sünde gefallenen Menschen zu heilen und wieder aufzurichten. Unser Herr Jesus Christus hat nach Seiner Taufe am Jordan das Fasten auf ganz einzigartige, ja wundersame Weise geübt und geheiligt. Aus dem Bericht des Lukasevangeliums erfahren wir: „Jesus aber kehrte voll des Heiligen Geistes vom Jordan zurück. Dann wurde Er vom Geiste in der Wüste umher geführt, vierzig Tage lang, wobei Er vom Teufel versucht wurde. Er aß gar nichts in jenen Tagen“ (Lk. 4, 1 f.). Indem Er sich gehorsam der Leitung des Heiligen Geistes unterwarf, machte Christus den Ungehorsam der Stammeltern, welche die göttliche Leitung durch das Fastengebot abgeschüttelt hatten, wieder gut. Durch die Sünde war das Paradies gleichsam zur Wüste geworden. Deshalb mußte sich Christus als „neuer Adam“ dorthin wenden, dort die abgerissenen Fäden aufgreifen, das Fasten üben und sich dem Versucher stellen. Er mußte Satan überwinden, indem Er in dessen drei Versuchungen die dreifache Begierlichkeit zur Augenlust, Fleischeslust und zur Hoffart zurückwies, denen die Stammeltern im Paradies nachgegeben hatten. Dabei hat uns Christus die übernatürliche Kraft verdient, die uns in der Beobachtung des Fastengebotes zufließt, damit auch wir die dreifache Begierlichkeit des Fleisches, der Augen und des Geistes, überwinden können. Deshalb feiert der hl. Basilius das Fasten, in den höchsten Tönen: „Fasten erzeugt Propheten und kräftigt die Starken. Fasten erleuchtet Gesetzgeber, ist ein guter Schutz der Seele, ein sicherer Gefährte für den Leib, eine Rüstung für die tapferen Streiter, eine Übungsschule für die Kämpfer. Das Fasten verscheucht Versuchungen, es salbt zur Gottseligkeit, ist ein Gefährte der Nüchternheit und verhilft zur Keuschheit.“ „Das Fasten ist eine Waffenrüstung zum Kampfe gegen die bösen Geister. Denn ‚diese Art wird nicht ausgetrieben als durch Gebet und Fasten‘ (Mk. 9, 28)“ (ebd.; 6, 9).

Was versteht man unter Fasten?

Was bedeutet „Fasten“? Und was versteht die Kirche darunter, wenn Sie vom „Fasten“ spricht und dasselbe anordnet? Manche meinen, erst dann könne man von Fasten sprechen, wenn dies bei Wasser und Brot geschehe. Andere, und zwar zweifelsohne die Mehrheit, denken sich: Fasten, das sei schon vorhanden, wenn man beispielsweise auf Alkohol oder Kaffee verzichtet; oder wenn man keine Süßigkeiten zu sich nimmt. Aber hier spricht man besser von Verzicht als von Fasten. – Nach kirchlicher Auffassung hat der Begriff „Fasten“ eine ganz eindeutige Bestimmung: Fasten bedeutet, daß man sich nur einmal am Tag sättigt. Darin besteht der Wesenskern des Fastens. Im ganzen ersten christlichen Jahrtausend war diese einmalige Sättigung, in Anknüpfung an den Brauch des Alten Bundes, erst abends statthaft; also nach Sonnenuntergang, wenn in den Kirchen und Klöstern die abendliche Vesper gebetet war. Bis Sonnenuntergang durfte man nichts zu sich nehmen. Genauso also, wie die Muslime heute noch während des Ramadan das Fasten handhaben. Insbesondere im lateinischen Westen wurde dieser Brauch über Jahrhunderte hinweg peinlich genau beobachtet. Wer vor Sonnenuntergang etwas zu sich nahm, wurde gar nicht als fastend bezeichnet, wie u.a. der Gelehrte Theowulf von Orleans (+ 821), ein Berater Kaiser Karls des Gr., bezeugt. – Da es aber schwer, ja sogar sehr schwer war, sich bis zum Abend der Speise zu enthalten, so milderte man diese Strenge ab, indem das liturgische Abendgebet der Vesper immer weiter in den Nachmittag vorverlegt wurde. Zunächst auf drei Uhr nachmittag, was von den Bischöfen im 11. Jahrhundert auf einem Konzil von Rouen vergeblich beklagt und bekämpft wurde. Wie allgemein noch im Mittelalter dieses strenge Fasten beobachtet worden war, bezeugt eine Ansprache des hl. Bernhard von Clairvaux (+ 1153), die er zu Beginn der Fastenzeit an seine Mönche hielt: „Bis jetzt haben nur wir allein bis zur neunten Stunde [drei Uhr nachmittag] gefastet; von nun an aber werden mit uns bis zur Vesper fasten alle Könige und Fürsten, Klerus und Volk, Edle und Unedle, Reiche und Arme.“ – Im 12. und 13. Jahrhundert ging man sodann vielerorts dazu über, die Vesper in der Fastenzeit bereits vormittags zu beten, um so zur gewohnten mittäglichen Stunde zu Tische gehen zu können. Diese noch mildere Handhabung, welcher sich so bedeutende Theologen wie Alexander von Hales (+ 1245) und der hl. Thomas von Aquin (+ 1274) noch entgegenstemmten, wurde von den Päpsten mit der Begründung gutgeheißen, daß durch die Vorverlegung der Mahlzeit der Wesenskern des Fastens nicht angetastet würde. Dieser besteht ja, wie wir schon sagten, in der Einmaligkeit der Sättigung und nicht in einem genauen Zeitpunkt, wann dieselbe stattfindet. Seither wurde dieser Brauch von der römischen Kirche übernommen und steht bis heute in Geltung, so daß man erlaubterweise an Fasttagen schon zu Mittag die volle Mahlzeit einnehmen darf. – Die Vorverlegung des Abendgebetes auf den Vormittag ist im übrigen der Grund, warum die gottesdienstliche Feier des Gründonnerstags, des Karfreitags und der Ostervigil nach den liturgischen Büchern von vor 1955 am frühen Vormittag gehalten werden müssen und warum die Fastenzeit am Karsamstag um zwölf Uhr Mittag endet. Denn am Karsamstag ist mittags die erste Vesper von Ostern, die ja den Abschluß der Ostervigil darstellt, bereits gesungen, womit die österliche Festzeit angebrochen ist.

Darf man aber nun außerhalb der einmaligen Mahlzeit an Fasttagen sonst nichts essen? Bis ins 14. Jahrhundert war tatsächlich an Fasttagen von einem Frühstück oder Abendessen gar keine Rede. Die Vorverlegung der Sättigung auf die Mittagsstunde machte das Fasten dann aber natürlich für den Rest des Arbeitstages und bis zum Mittag des folgenden Tages sehr beschwerlich. Anfänglich kamen die Mönche in den Klöstern statt dem Abendessen zusammen, um die Seele durch das Anhören von Lehrstücken der heiligen Väter zu erbauen. Man nannte diese Lesungen „collationes patrum“, d.h. „Stärkungen der Väter“. Diese geistigen Stärkungen wurden aber bald zu trocken, so daß man dazu überging, dabei einen stärkenden Trunk zur Erfrischung zu reichen. Das Fastenbier war geboren. Weil das Starkbier auf nüchternen Magen entweder schwer verträglich war oder sogar zur Trunkenheit führte, wurden zur Kollation etwas Brot oder spärliche Speisereste gereicht – damit der Trunk den Mönchen wirklich nütze, statt ihnen zu schaden. Bald fand die abendliche Stärkung ihren Weg aus den Klöstern auch zu den Gläubigen und kam allgemein in Brauch. Auch die Stärkung wurde von der Kirche gutgeheißen unter der Voraussetzung, daß dieselbe nicht den Umfang eines zweiten Mahles annehmen dürfe; d.h. sie darf keine zweite Sättigung herbeiführen. – Eine weitere Milderung führte dann schließlich zur der bis heute geltenden Fastenpraxis, wie sie auch das kirchliche Gesetzbuch von 1917 kodifiziert hat, daß nämlich außer der mittäglichen Sättigung zwei kleine Stärkungen, sowohl am Morgen als auch am Abend, erlaubt sind, wobei jedoch darauf zu achten ist, daß die beiden Stärkungen zusammengenommen (!) keine vollständige Mahlzeit ergeben.

Wann muß man fasten?

Wie weit dehnt sich nun das Fastengebot aus? D.h. für welche Tage hat die Kirche das Fasten angeordnet? Erstens: An allen Werktagen der vierzigtägigen Fastenzeit. Laut Papst Leo d. Gr. handelt es sich bei der Quadragesima vor Ostern um eine apostolische Einsetzung, weshalb die Kirche bis zum 2. Weltkrieg (1939-45) auf die strenge Beobachtung der vierzig Tage bestanden hatte, allein schon aus Treue zu Christus, der zur Erlösung der Menschheit diese Dauer auf Sich genommen und geheiligt hatte. Ursprünglich begann die Fastenzeit mit dem heutigen ersten Fastensonntag, dem vierzigsten Tag vor Ostern. Weil aber ein ununterbrochenes Fasten bis Ostern zu beschwerlich war, milderte die Kirche die Bußstrenge insofern, als sie die Sonntage der Fastenzeit, an denen anfangs ebenfalls gefastet werden mußte, vom Fasten ausnahm. Um dann jedoch die hl. Zahl der vierzig Tage wiederherzustellen, wurden die dem ersten Fastensonntag vorausgehenden Tage entsprechend in die Fastenzeit hineingenommen, so daß das Fasten seither am Aschermittwoch um 0.00 Uhr beginnt und abgesehen von den Sonntagen bis Karsamstag 12.00 Uhr mittags zu halten ist. – Aufgrund der schweren Lebensmittellage in den Kriegs- und Nachkriegsjahren zwischen 1941 und 1947 ermächtigte Papst Pius XII. die Diözesanbischöfe, im Bedarfsfall vom Fastengebot zu befreien, ausgenommen an Aschermittwoch und Karfreitag. Die deutschen Bischöfe, darunter bereits die Köpfe der späteren „Rheinischen Allianz“, nutzten die Ermächtigung Pius‘ XII., um das Fasten praktisch auf unbestimmte Zeit auszusetzen. Nachdem die Hungerjahre vorüber waren, dachten sie offenbar schon gar nicht mehr daran, der Absicht des Papstes gemäß, die vor dem Krieg geltende Fastenordnung wiederherzustellen. Vielmehr schienen sie den Tod Pius XII. abzuwarten, denn danach sollten ja noch ganz andere Zöpfe abgeschnitten werden. Deshalb blieb es schon zu Zeiten Pius’ XII. dabei, daß das Fasten in manchen mitteleuropäischen Ländern ausgerechnet in der Fastenzeit, im wahrsten Sinne des Wortes, zu einer Randerscheinung wurde, stellten doch die einzigen beiden verbliebenen Fasttage – Aschermittwoch und Karfreitag – tatsächlich die äußersten Ränder der österlichen Vorbereitungszeit dar. In der Folge war es dann auch nicht verwunderlich, daß die auf dem sog. 2. Vatikanum gegründete „konziliare Kirche“ in ihrem 1983 durch Wojtyla, alias Johannes Paul II., eingeführten neuen Recht genau diese, für die Nachkriegszeit bestimmte Notstandsverordnung Pius‘ XII. nun weltweit zur allgemeinen Norm erhob und so das Fasten praktisch abgeschafft wurde. Dem entgegen waren die Päpste der katholischen Kirche stets bemüht, das Fasten und seine ganze Strenge möglichst aufrecht zu erhalten. Als König Wenzeslaus II. von Böhmen (+ 1305) im Jahr 1297 vor Ostern darniederlag, bat er Papst Bonifaz VIII. (+ 1303) auf Anraten seiner Ärzte um Dispens, d.h. um Befreiung vom Fasten. Der Papst gewährte dieselbe auch; außer für die Freitage und Samstage der Fastenzeit und auch nicht für die Vigil des hl. Apostels Matthias. Außerdem erlegte er dem Monarchen auf, seine Mahlzeiten allein einzunehmen und sich in dem, was er zu sich nähme, Mäßigung aufzuerlegen. Der Papst erließ dem kranken König also die Bußübung nicht einfach, sondern milderte sie lediglich ab. Freilich, verglichen mit der laxen Handhabung von heute, sofern überhaupt noch gefastet wird, wäre diese Milderung schon eine ordentliche Verschärfung. – Dabei betonte Papst Benedikt XIV. (+ 1758) in seiner Enzyklika „Non ambigimus“ eindringlich: „In der Beobachtung der Fasten liegt die Zucht unserer Heerschar. Durch sie unterscheiden wir uns von den Feinden des Kreuzes Christi, durch sie wenden wir die Geißel des göttlichen Zornes von uns ab; durch sie, während des Tages von himmlischer Hilfe geschützt, stärken wir uns gegen den Fürsten der Finsternis. Wenn diese hl. Übung nachläßt, so geschieht dies zum Nachteil der Verherrlichung Gottes, zur Schmach der katholischen Religion, zur Gefährdung der christlichen Seelen. Uns kann kein Zweifel darüber obwalten, daß diese Nachlässigkeit eine Quelle von Leiden und Unheil in den öffentlichen Angelegenheiten der Völker und aller Art von Mißgeschick für den Einzelnen bedeutet.“

Wahrhaft prophetische Worte! Angesichts der heutigen Zustände könnte man sich fragen, ob nicht die mangelnde Bußstrenge der Katholiken vielleicht auch mit eine Ursache für die papstlose Zeit und für ihre so lange Dauer sein könnte. Selbst diejenigen unter uns, die schon vor oder während des 2. Weltkrieges zum Vernunftgebrauch gelangt sein sollten, haben die richtige Einhaltung des kirchlichen Fastengebotes ja schon gar nicht mehr gelernt. Liefert die Tatsache des Zusammenbruchs der katholischen Bußdisziplin in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts womöglich eine Begründung dafür, wie es geschehen konnte, daß Rom den Glauben verlieren und die Verfinsterung der Kirche eintreten konnte, daß die Feinde der Kirche einen Sieg nach dem anderen feiern konnten, daß das Abendland innerhalb weniger als einem Jahrhundert das Christentum fast völlig abgestreift hat, daß die Regierungen gegen ihre eigenen Völker interagieren, daß die Nationen sich so leicht belügen, verführen und gegeneinander aufhetzen lassen? Die Worte Papst Benedikts XIV. legen es nahe. – Doch zurück zu unserer ursprünglichen Frage: An welchen Tagen hat das katholische Kirchenrecht das Fasten angeordnet? Wie wir sagten: An allen Tagen der hl. Fastenzeit, außer den Sonntagen. Sodann – zweitens – an den Quatembertagen, d.h. an einem Mittwoch, Freitag und Samstag gegen Anfang der vier Jahreszeiten. An diesen Tagen wurden in früheren Zeiten regelmäßig die hll. Weihen gespendet, und die Fasten waren angeordnet worden, damit das gläubige Volk durch Fasten und Gebet dazu beitrage, hinreichend viele und wahrhaft würdige Priester für die Kirche Gottes zu erlangen. Diese drei Tage fallen stets in ein und dieselbe Woche, und zwar fallen sie in die dritte Adventwoche, in die erste volle Woche der Fastenzeit, in die Pfingstwoche und in die dritte Septemberwoche. Und auch hier könnte man sich fragen, ob nicht vielleicht ein Zusammenhang bestehen könnte zwischen der Vernachlässigung bzw. der Aufgabe des Quatemberfastens und dem Rückgang der Berufungen, dem Phänomen theologisch schlecht ausgebildeter Priester und Bischöfe, der Zwistigkeiten und Uneinigkeit in dem kleinen Rest des verbliebenen katholischen Klerus. Das Volk bekommt ja immer so viele und solche Hirten, die es verdient. – Drittens schließlich verlangt die Kirche an bestimmten Vigilien das Fasten. Vigilien sind die Vortage hoher Feste. Dabei gebietet die Kirche das Fasten nicht, wie zu früheren Zeiten, an allen Vigilien, sondern nur noch vor manch wenigen Festen. Das Fasten sollte und soll hierbei insbesondere als Vorbereitung und Reinigung für einen hohen Festtag dienen. Nach dem Codex von 1917 ist das abgesehen vom Karsamstag jeweils der Tag vor Weihnachten, vor Pfingsten, vor Mariä Himmelfahrt und vor Allerheiligen. Insgesamt ordnet die katholische Kirche heute also nur noch an 53 Tagen im Jahr das Fasten an. Das ist aufs ganze Jahr gesehen nicht viel. Ein Blick auf die Praxis bei den schismatischen Ostkirchen sollte unsere Vorstellungen korrigieren und uns auch beschämen. Außer der vorösterlichen vierzigtägigen Fastenzeit gibt es bei den Griechen drei weitere Fastenzeiten im Jahr. Eine Fastenzeit „von den Aposteln“, die von der Oktav von Pfingsten bis zum Fest St. Peter und Paul reicht. Sodann eine weitere „von der Jungfrau Maria“ vom 1. bis zum 14. August; also vor Mariä Himmelfahrt. Darüber hinaus wird noch einmal eine zweite vierzigtägige Fastenzeit als Vorbereitung auf das Weihnachtsfest gehalten. Wie milde ist im Vergleich dazu das päpstliche Gesetz, das vielen heute als übertrieben streng erscheint.

Wer muß fasten?

Von wem ist das Fastengebot zu halten? Die Kirche verlangt die Einhaltung des Fastengebotes von jedem Christen zwischen seinem 21. und 59. Geburtstag. Nicht zum Fasten verpflichtet sind also all jene, die jünger sind als 21 Jahre und jene, die mit ihrem 59. Geburtstag in ihr 60. Lebensjahr eingetreten sind, mögen sie sonst auch gesund und stark sein. Auch sie dürfen sich natürlich im Fasten üben, sind aber nicht durch das kirchliche Gesetz dazu verpflichtet. – Ferner sind auch all diejenigen nicht verpflichtet, die durch einen wichtigen Grund entschuldigt sind. Man beachte, einen „wichtigen Grund“! Es gibt also Gründe, die nicht wichtig sind und daher auch nicht entschuldigen. Manche sagen: „Wenn ich faste, bekomme ich Kopfweh.“ Das mag sein, aber wer im Fasten ein paar Tage durchgehalten hat, wird bestätigen, daß sich das anfängliche Kopfweh verflüchtigt. – Man klagt über das Fasten, daß es beschwerlich sei, daß man sich mehr anstrengen müsse, um seinen Pflichten nachzukommen. Wer sich damit entschuldigen wollte, der vergißt, daß eben in der Beschwerde das büßende Element liegt. Wenn sich also darin schon ein Entschuldigungsgrund fände, dann bräuchte niemand zu fasten, denn für alle ist es beschwerlich. Außerdem frage man sich, wie viele Beschwernisse man nicht auf sich nimmt, um seinen persönlichen Interessen und Hobbys nachzugehen. Wie viele, die sich am Wochenende durch Sport oder Feiern kräftemäßig verausgaben, nehmen wohlwissend darauffolgende Kopfschmerzen und körperliche Erschöpfung in Kauf? – Wenn man aber die ungenügenden Gründe beiseite läßt, finden sich noch immer genug, welche tatsächlich eine echte Entschuldigung darstellen. Die wichtigsten seien kurz aufgezählt: Da ist vor allem die Krankheit zu nennen. Kranke haben gewöhnlich wenig Appetit, obwohl sie der Nahrung bedürfen, damit sie wieder gesund werden. Darum ist es gut, wenn sie essen, was und wann sie möchten. Dasselbe gilt für Genesende, d.h. Kranke, die sich auf dem Wege der Besserung befinden. Auch sie dürfen an Fasttagen essen, was sie wollen, damit sie wieder zu Kräften kommen und keinen Rückfall erleiden. Auch Schwangere brauchen nicht zu fasten. Genauso Menschen, die an Fasttagen schwere körperliche Arbeit leisten müssen. Wir sehen also, daß die Kirche nicht wünscht, daß ihre Kinder durch das Fasten ernsthaft Schaden erleiden. – Doch sollte man die Worte des hl. Basilius beherzigen, ehe man sich leichtfertig vom Fasten entschuldigt: „Schütze nicht Körperschwäche und Unvermögen vor! Denn nicht mir nennst du solche Entschuldigungsgründe, sondern Demjenigen, der es weiß“ (ebd., 8). Wer aber durch einen triftigen Grund vom Fasten entschuldigt ist, der höre aus dem Mund des hl. Johannes Chrysostomus, was er dann tun soll: „Wer also Speise genießt und nicht imstande ist zu fasten, soll dafür reichlicheres Almosen geben, soll Gebete verrichten, soll großen Eifer in der Anhörung des göttlichen Wortes zeigen. In diesen Dingen ist uns die Schwäche des Leibes ja kein Hindernis. Ein solcher soll sich mit seinem Feind aussöhnen und jede Rachsucht aus seiner Seele verbannen“ (hom. Gen 10). Mit dem „reichlicheren Almosen“ sind übrigens nicht nur materielle Gaben gemeint, sondern vor allem auch die „geistigen Almosen“, also alle Werke auf dem weiten Feld der barmherzigen Nächstenliebe.

Das Abstinenzgebot

Vom Fastengebot zu unterscheiden ist das sog. „Abstinenzgebot“. Was heißt Abstinenz? Abstinenz bedeutet Enthaltung. Das Abstinenzgebot gebietet uns, an den von der Kirche festgesetzten Tagen, auf Fleischspeisen zu verzichten. Unter Fleischspeisen versteht man solche Lebensmittel, die aus dem Fleisch warmblütiger Tiere bestehen; also Fleischwaren, aber auch Fleischbrühe. Auch das Abstinenzgebot ist im Laufe der Zeit abgemildert worden. Noch bis ins 19. Jahrhundert hinein waren an den Tagen der Fastenzeit, an welchen die Abstinenz von Fleisch geboten war, generell alle Nahrungsmittel untersagt, die von Tieren herstammten. Man mußte also neben Fleisch auch auf Milchprodukte wie Butter und Käse verzichten genauso wie auf Eier oder den Gebrauch von tierischem Fett. In den erwähnten morgenländischen Kirchen ist das heute noch genauso üblich.

Wann gilt das Abstinenzgebot? Es gilt an allen Freitagen des gesamten Jahres, mit Ausnahme derjenigen Freitage, auf die ein gebotener Feiertag fällt; also auf einen Tag, an dem die Sonntagspflicht erfüllt werden muß. Das wäre etwa der Fall, wenn der Weihnachtstag, das Fest des hl. Stephanus oder das Dreikönigsfest auf einen Freitag fallen würde. In einem solchen Fall wäre der Fleischgenuß am Freitag erlaubt. Ansonsten sind wir an allen Freitagen zur Abstinenz gehalten. – Darüber hinaus verlangt das Kirchenrecht die Einhaltung der Abstinenz am Aschermittwoch, an den Samstagen der Fastenzeit, wobei am Karsamstag nur bis 12.00 Uhr mittags, sodann an den Quatembertagen und schließlich an den Vigilien von Weihnachten, Pfingsten, Mariä Himmelfahrt und Allerheiligen. Die Abstinenz müssen alle Katholiken ab dem 7. Geburtstag bis zum Lebensende einhalten.

Der Zweck des Fastens

Fragen wir uns schließlich noch nach dem Zweck des Fastens. Welchen Sinn macht das Fasten? Wozu soll es nütze sein? Vier Gründe: 1. um das Beispiel Christi und der Heiligen nachzuahmen; 2. um für unsere Sünden Buße zu tun; 3. um unsere ungeordneten Leidenschaften leichter zu bezähmen, die Seele mit Gott zu vereinigen und in der Tugend zu wachsen; 4. um unseren Gehorsam gegen die Kirche zu bezeigen.

  1. Christus hat vierzig Tage gefastet; d.h. ohne jegliche Speise und Trank in der Einsamkeit der Wüste zugebracht. Wozu? Hatte Er das Fasten nötig? Gewiß nicht. Aber Er wollte uns ein Beispiel geben, dem wir nichts entgegenzuhalten hätten. In der Tat, wenn Christus, unser unschuldiger Heiland, im Anfang Seines öffentlichen Lebens vierzig Tage gefastet hat, was könnte da für den Jünger Christi angemessener sein, als daß er, der ja keineswegs unschuldig ist, ebenfalls faste, wie es Christus selbst nahelegt: „Der Jünger steht nicht über dem Meister und der Knecht nicht über seinem Herrn. Es genügt dem Jünger, wenn er wird wie sein Meister, und der Knecht wie sein Herr“ (Mt. 10,24 f.). – Wir sollen ferner fasten, um das Beispiel der Heiligen nachzuahmen. Die Heiligen des AltenTestamentes haben gefastet. Moses und Elias haben beide vierzig Tage und Nächte gefastet, ehe sie großer göttlicher Gnaden gewürdigt wurden, sei es in Gestalt der beiden Gesetzestafeln oder in Form einer besonderen Gottesbegegnung. Die Heiligen des Neuen Testamentes haben gefastet, und man muß sich schämen, wenn man bedenkt, daß die Heiligen das Fasten ebensosehr liebten, als wir es fliehen und ihm aus dem Wege gehen.
  2. Wir sollen fasten, um für unsere Sünden genugzutun. Haben wir etwa nicht gesündigt? Verdient unsere Sünde keine Strafe, keine Buße? Sollen wir warten, bis Gott, seine gerechte Hand ausstreckt, um uns zu strafen? Sollen wir warten, bis Er uns Leiden, Krankheiten, Unglücksfälle, Prüfungen, Entbehrungen, Schicksalsschläge, Todesschmerzen und den Tod selbst schickt, um uns die Buße selbst aufzuerlegen, der wir ein Leben lang ausweichen? In diesen Tagen der Fastenzeit beten wir öfters: „Schone Herr, schone Deines Volkes“ (Joel 2,7). Wenn Gott uns schonen soll, dürfen wir uns nicht schonen. Lieber hier auf Erden büßen und dabei ewige Verdienste sammeln, als diese Arbeit den verdienstlosen Peinigungen des Fegfeuers überlassen. Der hl. Papst Leo d. Gr. sagt: „Denn wenn das Erdreich unseres Fleisches nicht beständig [durch das Fasten] bearbeitet wird, so bringt es, da es brach und träge daliegt, rasch Dornen und Disteln hervor. Gegen seine Bestimmung wird es Früchte zeitigen, die nicht in die ewigen Scheunen gehören, sondern durch Feuer vernichtet werden müssen“ (serm. 81). – Auf irgendeine Weise muß gebüßt werden. Wenn es in der Ewigkeit nicht geschehen soll, dann muß es hier geschehen. Wenn Gott es nicht tun soll, dann müssen wir es selber tun. Wenn wir es selber tun wollen, nun dann ist es doch das erste und naheliegendste, daß wir die Bußwerke verrichten, welche die Kirche anordnet.
  3. Wir sollen das Fasten üben, um unsere bösen Leidenschaften leichter zu bezähmen. An allen Tagen der hl. Fastenzeit betet die Kirche in der Präfation der hl. Messe zu Gott: „Durch das Fasten des Leibes unterdrückst Du die Sünde, erhebst Du den Geist, spendest Tugendkraft und Lohn.“ Durch das Fasten des Leibes wird die Sünde unterdrückt. Man könnte sagen, die sinnlichen, fleischlichen Sünden verlieren für den Fastenden an Reiz. Denn vieles hängt hier, geben wir uns da keinem Zweifel hin, mit dem Essen zusammen. Schon der römische Dichter Ovid sagte sinngemäß: Man wird kaum dem Bacchus huldigen können, ohne anschließend auch der Venus zu opfern. Man wird also nicht der Gaumenlust frönen und dann ein keusches Leben führen können. Nein, man muß die Leidenschaften schwächen, um sie leichter der Herrschaft unseres schwachen Willens unterwerfen zu können. Der hl. Apostel Paulus sagt: „Jene, die Jesus Christus angehören, haben das Fleisch gekreuzigt, samt den Leidenschaften und Begierden“ (Gal. 5, 24). – Wem wird diese Kreuzigung des Fleisches gelingen? Etwa denen, die zum Fasten verpflichtet sind und es nicht tun? Werden sie der Fleischeslust widerstehen? Wohl kaum. Oder werden sie die Versuchungen zur Selbstgefälligkeit und zum Hochmut erkennen und überwinden können? Auch das ist nicht zu erwarten. Wer das Pferd seiner Leidenschaften nicht zureitet, der wird von diesem immer und immer wieder abgeworfen oder dorthin getragen werden, wohin er eigentlich nicht will. Wer das Leichte nicht kann, der wird das Schwere gewiß nicht vollbringen. Wenn wir also unserem Geiste die ihm gebührende Herrschaft über alles Niedrige, Tierische, rein Natürliche unserer Menschennatur verschaffen wollen, dann müssen wir das Fastengebot ernsthaft beobachten. - Doch die Präfation sagt, daß in der Unterdrückung der Sünde nicht der einzige Nutzen des Fastens besteht. Weiter heißt es: „Mentem elevas. – Du erhebst den Geist.“ Gott erhebt durch das Fasten den Geist des Menschen. Der hl. Johannes Chrysostomus sagt: „Das Fasten ist die Speise der Seele. Wie die körperliche Speise den Leib stärkt, so macht das Fasten die Seele kräftiger und verschafft ihr beweglichere Flügel, hebt sie empor und läßt sie über himmlische Dinge nachdenken, indem sie sich über die Lüste und die Freuden des gegenwärtigen Lebens erhaben macht“ (hom. Gen. 1). Das Fasten erhebt die Seele zu Gott, ja es verähnlicht die Seele mit Ihm, wie der hl. Basilius sagt: „Gott scheint mir die Enthaltsamkeit selbst zu sein, weil Er nichts bedarf, sondern alles in sich hat, weil Er nach nichts begehrt und auch keine Leidenschaft kennt, weder für das Auge noch für das Ohr. Vielmehr ist Er bedürfnislos“ (epist. ad Urbic.). Wenn also die Seele ihren fleischlichen Bedürfnissen entsagt, sich im Fasten über das Verlangen des Leibes erhebt, dann naht sie sich Gott, wird Ihm in Seiner Bedürfnislosigkeit ähnlich und auf diese Weise um so empfänglicher für die Einflüsse Seiner übernatürlichen Gnaden und Gaben. Eben daraus erwachsen sodann neue Tugendkraft und ewiger Lohn, wie es die Präfation verheißt: „Durch das Fasten des Leibes unterdrückst Du die Sünde, erhebst Du den Geist, spendest Tugendkraft und Lohn.“ Das Wort „Tugendkraft“ bedeutet ganz einfach, eine Festigung in guten Gewohnheiten. Das Fasten öffnet die Seele für die göttliche Gnade, durch die unser schwacher Wille gekräftigt wird. Das wirkt sich nach und nach auf die ganze Persönlichkeit des Menschen aus. Wenn man ein Tuch an einem Zipfel empor hebt, dann hebt es sich irgendwann auch an allen anderen Seiten empor. Nicht anders ist es bei uns. Wenn wir uns in einem Punkt beherrschen lernen, dann wird das ganze Tugendleben gestärkt. – Man kann also durch das Fasten auch gegen die Neigung zur Schwatzhaftigkeit, zur Ungeduld, zur Unkeuschheit, zur Habsucht, zum Argwohn und gegen andere schlechte Neigungen besser kämpfen als zuvor. Der hl. Papst Leo d. Gr. sagt: „Denn dann folgt der Leib dem Urteil der Seele und die Seele der sicheren Führung Gottes“ (serm. 81), wodurch die ursprüngliche Ordnung im Menschen wiederhergestellt wäre. Und in den so errungenen Siegen über sich selbst, besteht dann auch der Lohn und das ewige Verdienst.
  4. Schließlich müssen wir das Fastengebot befolgen, um unseren Gehorsam gegen die katholische Kirche zu bezeigen. Sie ist unsere Mutter; unsere unfehlbare Führerin zum ewigen Ziel, der himmlischen Heimat. Sie sagt uns: „Schau, mein Kind, das Fasten ist eines meiner ersten und ältesten Gebote. Es ist so viele Jahrhunderte hindurch von so vielen und großen Heiligen beobachtet worden. Tu du das gleiche! Ich habe das Gebot so sehr gemildert. Wo wäre der Fall, daß jemand infolge des Fastens gestorben wäre? Nirgends. Der Fälle aber, daß Menschen in Folge des Übermaßes in Speise und Trank umgekommen sind, gibt es viele. Dieses Gebot dient deinem Heil. Befolge es also. Es wird heute von kaum noch jemand beachtet, weshalb sich der Zorn Gottes über der Welt zusammenbraut. Befolge mein Gebot und du wirst Segen und Erbarmen auf dich herabziehen.“

So großen Nutzen und Segen hat Christus durch Sein vierzigtägiges Fasten in die Beobachtung dieser Bußübung hineingelegt, daß es uns nach all diesen Überlegungen leichter fallen sollte, dem Gebot der Kirche Folge zu leisten und willig dieses sanfte Joch auf uns zu nehmen. Lassen wir uns täglich ermuntern von den Worten: „Durch das Fasten des Leibes unterdrückst Du die Sünde, erhebst Du den Geist, spendest Tugendkraft und Lohn.“ Amen.

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