Wegbereitung

Geliebte Gottes! 

Noch einmal kommt heute der hl. Johannes der Täufer, der Vorläufer und Wegbereiter unseres göttlichen Erlösers, zu Wort. Noch einmal vernehmen wir die demütige „Stimme eines Rufers in der Wüste“, die damals im fünfzehnten Jahr des Kaisers Tiberius erstmals erschallt war und durch die Verkündigung des heutigen Evangeliums bis zum Ende aller Zeiten Echo und Nachhall finden wird. „Bereitet den Weg des Herrn!“

Wenn die Herrscher der damaligen Zeit durch die Lande zogen, gingen ihnen Herolde voraus, die zum einen die Ankunft des Fürsten bekanntzumachen, zum andern aber auch für den reibungslosen Fortgang der Reise zu sorgen hatten. Sie hatten die Wegverhältnisse zu inspizieren und im Falle Ausbesserungsarbeiten anzuordnen. – In gleicher Weise sehen wir heute den hl. Johannes seines Amtes als Herold und Wegbereiter walten. – Palästina ist ein zerklüftetes Land. Hohe Gebirgszüge finden sich dort neben tiefen Tälern, die bis weit unter den Meeresspiegel hinab reichen. Dementsprechend waren auch die Verläufe der Straßen und Wege verschlungen und von unterschiedlichster Qualität; weit entfernt von den breiten römischen Heerstraßen, deren Steinpflaster sich andernorts pfeilgerade durch die Landschaft des Imperiums pflügte. – Israel ist ein zerklüftetes Land. Nicht nur topographisch, sondern auch politisch und religiös. Das einst souveräne Königreich Israel war zur römischen Provinz herabgesunken. Die politische Einheit, repräsentiert durch einen einzigen König, der im Namen Gottes ein einziges Volk regiert, war zerbrochen. Mit König Herodes, dem Kindermörder, bestieg erstmals ein Nichtjude den Thron Davids. Nach dessen Tod wurde das Königreich in vier kleine Fürstentümer zerschlagen und unter die Söhne des Herodes aufgeteilt. Diese wurden zwar vom Volk „Könige“ genannt, waren aber ganz von der römischen Oberherrschaft abhängig. Herodes Antipas herrschte über Galiläa und Peräa; sein Bruder Philippus über das Gebiet von Ituräa und Trachonitis im Nordosten von Palästina. Über die jüdischen Kernlande Judäa, Samaria und Idumäa wurde der älteste Sohn des Kindermörders, Archelaus, gestellt. Dessen tyrannische Herrschaft führte jedoch schon nach wenigen Jahren (6 n. Chr.) zu seiner Absetzung und Verbannung, woraufhin der römische Kaiser selbst die Verwaltung der aufrührerischen Provinz an sich zog und einen Statthalter (ab 26 n. Chr. Pontius Pilatus) als seinen persönlichen Stellvertreter entsandte.

Neben der politischen Zerrissenheit des auserwählten Volkes stand außerdem die religiös-hierarchische. Nach göttlicher Anordnung hatte es seit Moses immer nur ein einziges Oberhaupt der Priesterschaft gegeben. Um den religiösen Zusammenhalt der Juden zu destabilisieren, hatten die Römer den Brauch eingeführt, das Amt des Hohepriesters jährlich dem Höchstbietenden zuzusprechen. So geschah es, daß auf dem Stuhl Aarons statt eines einzigen ehrwürdigen Hohepriesters deren zwei saßen – Annas und sein Schwiegersohn Kaiphas –, die beide dem ungläubigen und naturalistischen Lager der Sadduzäer angehörten und weniger fromme Geistliche als vielmehr intrigante Politiker gewesen sind.

Sowohl die topographische als auch die politisch-religiöse Beschaffenheit Israels – die sich übrigens auch in unseren aktuellen Verhältnissen widerspiegelt – gebraucht der hl. Johannes der Täufer in seiner Predigt als ein anschauliches Bild für den traurigen Zustand der Menschenseele. Der eine und einzige Gott will und soll über das innere Reich der Seele herrschen. Dazu ist die Seele geschaffen. Doch ist das innere Gottesreich durch die Verwerfungen der Erbschuld und der persönlichen Sünde zerfurcht, zerklüftet und verwüstet. Verschiedene Leidenschaften haben die Oberherrschaft über bestimmte Teile der Seele an sich gerissen. Und nicht selten sind dort auch mehrere, einander widersprechende religiöse Überzeugungen vertreten. Insbesondere die so notwendige Einheit von Glaube und Lebensführung klafft bei vielen auseinander. Erlösung von der Sünde kann nur der Erlöser bringen; das Heil nur der Heiland. Dazu müssen Ihm jedoch die Zugangswege in die Seele geebnet werden. Das ist die Bedeutung der Predigt des messianischen Vorläufers: „Stimme eines Rufers in der Wüste: Bereitet den Weg des Herrn, machet gerade Seine Pfade. Jedes Tal soll ausgefüllt und jeder Berg und Hügel abgetragen werden! Was krumm ist, soll gerade, was uneben, soll ebener Weg werden!“ (Lk. 3, 5). Die unmittelbare und letzte Vorbereitung auf die Ankunft des göttlichen Erlösers – die Wegbereitung – umfaßt also vier Arbeitsschritte: 1. Täler ausfüllen, 2. Berge und Hügel abtragen, 3. Krummes begradigen und 4. Unebenheiten ebnen. Versuchen wir ein klein wenig genauer darauf einzugehen.

Täler ausfüllen

Da heißt es zuerst: „Jedes Tal soll ausgefüllt werden“ (Lk. 3, 5). Was sind die geistigen Täler, welche die Ankunft des göttlichen Erlösers verhindern? – Da sind: 1. die Abgründe der sinnlichen Leidenschaften, besonders die der Unkeuschheit und der Völlerei, welche beide den Menschen auf das Niveau eines Tieres herabwürdigen und damit einen tiefen Graben zwischen ihm und seinem Schöpfer aufreißen. Fleischeslust und Gottesfreundschaft vertragen sich nicht, denn Gott ist Geist, nicht Fleisch. – 2. Mit den Tälern sind ferner all unsere Mängel und Versäumnisse gemeint. Die unerfüllten Standespflichten, die schuldig gebliebenen Versprechen und Zusagen, die versäumten Berufspflichten. – Bei wie vielen Menschen werden am Ende gerade Unterlassungssünden Ursache für deren ewige Verwerfung sein? Bedenken wir die Urteilsbegründung, welche der Weltenrichters einst den Verworfenen entgegen schleudern wird: „Ich war hungrig, und ihr habt mir nichts zu essen gegeben; ich war durstig, und ihr habt mich nicht getränkt; ich war fremd, und ihr habt mich nicht beherbergt; ich war nackt, und ihr habt mich nicht bekleidet; ich war krank und im Gefängnis, und ihr habt mich nicht besucht“ (Mt.25, 42 f.). Bei all diesen Vorwürfen handelt es sich nicht um Übertretungssünden, sondern ausnahmslos um Unterlassungen, um unerfüllte Pflichten. Ja, welche Abgründe tun sich da nicht auf! Abgründe, denen wir oft keine allzugroße Beachtung schenken. Gefährliche Abgründe! Man denkt nicht daran, sie auszufüllen. Nichtsdestotrotz sind es Abgründe, welche die Ankunft des Heiles verhindern. – Ein 3. Mangel, der sich wie eine gähnende Schlucht in der Seele auftun kann, ist der Kleinmut bzw. der Mangel an Gottvertrauen. Ja, jeder Mensch wird in diesem Leben geprüft, und deshalb hat jedes Leben durchaus seine Härten. Doch für jede Schwierigkeit und in jeder Prüfung gibt Gott bestimmte und hinreichende Gnaden, um sie zu meistern. „Gott ist treu; er wird nicht zulassen, daß ihr über euer Vermögen versucht werdet“ (1. Kor. 10, 13). Was unsere natürlichen Fähigkeiten übersteigt, das ergänzt Gott mit Seiner helfenden Gnade, sofern wir uns dafür empfänglich machen. Die Grunddisposition zum Empfang der Gnade ist die Hoffnung auf Gottes Hilfe! Und deshalb ist der kleinmütige Mangel an Gottvertrauen ein großes Hindernis für die göttliche Gnadenhilfe. Das kleinmütige Selbstmitleid und Sichselbstaufgeben verschlingt und neutralisiert gleichsam Gottes Kraft. „Das schaffe ich nie! Das geht zu weit! Gott verlangt einfach zuviel von mir! Diese Sünde werde ich nie aufgeben; dieses Opfer werde ich nie bringen können.“ Derlei Gedanken beleidigen Gott, machen uns Seiner Gnade unwürdig und lähmen darüber hinaus selbst die natürlichen Kräfte der Seele.

Blicken wir statt dessen hin auf die zahllosen Heiligen jeden Alters, jeden Geschlechtes und eines jeden Standes. Viele von ihnen waren einst große Sünder. Und dann bedenken wir das Wort des hl. Augustinus: „Wirst du wohl nicht können, was diese und jene konnten? Oder konnten sie es für sich selbst und nicht vielmehr durch den Herrn? Wirf dich also auf Ihn und fürchte nichts.“ – Sprechen wir also voll Gottvertrauen wie einst der geisterleuchtete König David: „Da sprach ich: Jetzt beginne ich! Die Änderung kommt von der Rechten des Allerhöchsten“ (Ps. 76, 11).

Das 4. Tal, welches dringend ausgefüllt werden muß, ist die Trägheit. Dabei handelt es sich nicht so sehr um einen Mangel an Entschlossenheit wie beim Kleinmut, sondern vielmehr darum, sich bei einem gefaßten Entschluß nicht genügend anzustrengen. D.h. man ist zwar bereit etwas zu tun, aber entweder nicht das, was notwendig wäre, oder mit zu geringem Einsatz. Ja, es genügt nicht, „etwas“ zu tun, sondern man muß das „Notwendige“ tun. – Um eine sündhafte Gewohnheit zu überwinden, müssen konsequent deren Ursachen ausgemacht und beseitigt werden; nicht nur einmal, sondern immer. Man muß sich in der Versuchung der übernatürlichen Mittel bedienen; des Gebetes, der hl. Beichte; der hl. Kommunion. Und auch das nicht nur ab und an, sondern so oft als nötig, bzw. so oft wie möglich. – Doch leider geschieht es zu wenig. Die Seele erkennt, was zu tun wäre, und unterläßt es mitzuwirken. Das ist die Sünde der Trägheit. Sie wird zu den sieben Haupt- bzw. Wurzelsünden gezählt. D.h. sie ist die Ursache vieler, ja sehr vieler anderer Sünden, die wie Unkraut aus dieser einen Wurzel hervorsprossen. Die Trägheit ist vielleicht der größte Mangel, das breiteste und tiefste aller Täler, welches sich in der Menschenseele auftut; und damit gleichzeitig vielleicht das größte Hindernis für das Kommen des göttlichen Heiles. – Noch andere Täler könnten genannt werden: Da ist beispielsweise das defizitäre Glaubenswissen, das gerade in der heutigen papstlosen Zeit eine große Gefahr mit sich bringt und die Hauptursache für die allgemeine Orientierungslosigkeit unter den Christen darstellt. – Oder das Defizit an würdigen Werken der Buße, aufgrund dessen wir wenigstens mitverantwortlich sind, wenn Gott in zunehmendem Maß zeitliche Strafen über uns verhängt. Jedes Volk bekommt bekanntlich die Regierung, die es verdient.

Berge abtragen

Jeder Mangel ist gleichsam ein Tal, das ausgefüllt werden muß. Das Gegenteil davon ist das Übermaß. Bildlich türmt es sich in der Seele zu Hügeln und Bergen auf und blockiert den Einfluß der göttlichen Gnade. Deshalb fordert der hl. Johannes der Täufer: „Jeder Berg und Hügel muß abgetragen werden“ (Lk. 3, 5). Die sich auftürmenden Bergeshöhen versinnbilden 1. die hochfahrenden, geistigen Leidenschaften; vor allem den Stolz in seinen vielfältigen Schattierungen: als Vernunftstolz, der auf die Unkenntnis anderer herabblickt; den Besitzstolz, der sich aufgrund seiner Habe oder seiner einflußreichen Stellung für etwas besseres hält und deshalb seinen Nächsten verachtet; der religiöse Dünkel, man könnte ihn auch den pharisäischen Stolz nennen, der sich anderen Menschen gegenüber religiös-sittlich überlegen wähnt und sich dementsprechend gibt. – Der Stolz zeigt sich insbesondere in der beratungsresistenten Selbstsicherheit des eigenen Urteils. Rat einholen, andere Meinungen und Gegenargumente ernsthaft erwägen, hat der Stolze vermeintlich gar nicht nötig. In halsbrecherischer Selbstüberschätzung durchwandert er die geistigen Höhenpfade ohne Helm oder Sicherungsseil und wird früher oder später unweigerlich abstürzen; denn Hochmut kommt bekanntlich vor dem Fall. Deshalb muß dieses Gebirge dringend abgetragen werden, um halsbrecherische Abstürze ins Verderben zu verhindern. – Der Herr mahnt deshalb eindringlich: „Wenn ihr nicht werdet wie die Kinder, werdet ihr nicht in das Himmelreich eingehen“ (Mt. 18, 3). Kleine Kinder begegnen einander unvoreingenommen. Es gibt unter ihnen keinen Standesdünkel oder Rangunterschiede. Sie begegnen einander auf Augenhöhe, in freundlicher Offenheit. Gute Kinder gehorchen gerne. D.h. sie horchen hin. Sie lassen sich etwas sagen, nehmen gutgemeinten Rat gerne an und lassen sich helfen. Sie schätzen ihre eigenen Kräfte richtig ein. D.h. sie erkennen ihr eigenes Unvermögen, gestehen sich ihre Schwäche ein und bitten die Großen um Hilfe; insbesondere den Großen – nämlich Gott! Mit dem „Geist der Kindschaft“, wie ihn die hl. Theresia von Lisieux vorgelebt hat, könnten die Gipfel des Stolzes abgetragen werden, sofern wir es nach ihrem Vorbild lernen, unser Denken und Reden, unser Tun und Lassen ganz von Gott abhängig zu machen.

Neben dem Stolz erhebt sich (2.) noch eine andere hochfahrende Leidenschaft. Es ist der Vulkan, der „rauchende Berg“ des Zornes. – Hohe Erwartungen, Empfindlichkeit und Ungeduld führen zu Ärger und Wut, die den Druck im Innern der Seele soweit erhöhen, bis es zur Explosion kommt. Der Zorn macht sich Luft in Form eines Schwalles lauter, verletzender Worte, der sich wie ein heißer Lavastrom über das Gegenüber ergießt und kann in extremen Fällen sogar begleitet sein von gewalttätigen Handgreiflichkeiten, die gleich glühender Felsbrocken in die Umgebung geschleudert werden. – Dabei spricht die Heilige Schrift vom hochfahrenden, unbeherrschten Zorn als von einem Anzeichen der Dummheit: „Der Törichte zeigt alsbald seinen Zorn, der Kluge aber läßt sich die Unbill nicht anmerken“ (Spr. 12, 16), sagt König Salomon. Und an anderer Stelle heißt es: „Laß dich in deinem Gemüt nicht vorschnell zum Unmut hinreißen, denn Unmut wohnt in der Brust des Törichten“ (Prd. 7, 10). Die Leidenschaft des Zornes gewinnt die Oberherrschaft im Menschen, und er „tut nicht, was recht ist vor Gott“ (Jak. 1, 19), weshalb die Apostel stets auf die Pflicht drängten, den Zorn zu überwinden: „Alle Bitterkeit, aller Zorn und Groll, alles Lärmen und Lästern, überhaupt alle Bosheit sei fern von euch“ (Eph. 4, 31). – Es kann jedoch sehr wohl einen berechtigten Zorn geben! Berechtigt ist der Zorn, wenn er von der rechten Vernunft geleitet ist. Solange der Zorn begründet und in seiner Äußerung verhältnismäßig ist, befindet er sich im Maß der rechten Vernunft und ist dann sogar tugendhaft. Es ist tugendhaft, wenn beispielsweise Eltern bei wiederholtem Fehlverhalten eines Kindes diesem ihr Mißfallen mit größerem Nachdruck einzuprägen suchen, indem sie ein scharfes, lautes Wort oder eine sonstwie angemessene Sanktion gebrauchen. Der gerechte Zorn ist ferner daran zu erkennen, daß er sich mäßigt und nicht lange andauert, damit er nicht zur Sünde werde: „Wenn ihr zürnt, so sündigt nicht. Die Sonne gehe nicht unter über eurem Zorn; gebt dem Teufel keinen Raum“ (Eph. 4, 26). Anhaltender, unbeherrschter Jähzorn erregt Streit und gibt dem Teufel beste Gelegenheit die zwischenmenschliche Liebe zu töten. – Dieser Berg muß deshalb dringend abgetragen werden durch Milde, Sanftmut und Geduld. Deshalb die Aufforderung Christi: „Lernet von mir, denn ich bin sanft und demütig von Herzen; so werdet ihr Ruhe finden für eure Seelen“ (Mt. 11, 29).

Auch hier können noch andere Berge genannt werden. Der Geiz beispielsweise, der abgetragen werden soll durch die Bezähmung der Augen, durch Großzügigkeit und erwartungsfreie Hilfsbereitschaft. Oder die Berge und Hügel aufgehäufter Verantwortung vor Gott; in Form aller Sündenschuld, die bislang unbereut geblieben ist. Oder die aufgehäufte Verantwortung vor dem Nächsten: für alles Unrecht und Ärgernis, das wir eventuell noch nicht wiedergutgemacht haben.

Krummes begradigen

Doch der hl. Johannes fährt fort: „Was krumm ist, soll gerade“ werden. Damit ist vor allem das weite Feld der Wahrhaftigkeit angesprochen. Das „Reich der Wahrheit“, welches Christus auf Erden zu gründen gekommen ist, verträgt sich nicht mit den Schleichwegen der Lüge, der Heuchelei und der Halbwahrheiten. Lügnerische, unehrliche Menschen gleichen Wegen, die sich wie eine Viper im beständigen Zickzack hin und her schlängeln. Auf krummen Wegen kommt Gott nicht zu uns, denn „lügnerische Lippen sind dem Herrn ein Greuel“ (Spr. 12,2 2). Wir müssen redlich und aufrichtig vor Gott sein, ohne Rückhalt und Vorbehalt uns Seinem Gebot beugen und uns Seinem Willen vollständig ergeben. – Dagegen sündigen vor allem jene, die meinen, der Beichte nicht zu bedürfen; oder die sich einreden, manches, was die Kirche als sündhaft beurteilt und verbietet, sei überhaupt gar keine Sünde, oder wenigstens keine allzu schwerwiegende. Unwahrhaftig gegen Gott sind auch solche, die ihre Sünden zwar beichten, aber sich nicht ehrlich und ernsthaft bemühen wollen, die Sünde tatsächlich abzustellen. Sie sind umso unentschuldbarer, denn sie wissen was sie tun. – Krumme Touren mit Gott versuchen ferner auch solche, die im Bußgericht ihre Sünden absichtlich undeutlich aussprechen, umständlich beschreiben, abmildern oder sonstwie zu verschleiern suchen. – Alle diese Versuche sind Abwege, die ins Verderben führen. Denn auch wenn es gelingt, sich erfolgreich die Sünde auszureden, das schlechte Gewissen zum Schweigen zu bringen oder die Priester zu täuschen, am Ende dieses Weltadvents, am Ende dieses Lebens kommt eben doch der unbestechliche Richter, vor dem nicht unsere, sondern allein Seine Sicht der Dinge maßgeblich ist. 

Die Ursache für das unstete Hin- und Herschwanken des Menschen zwischen Gott und dem Baal besteht in seiner unlauteren Gesinnung: Der Mensch will Gott so dienen, daß zugleich die Welt und der Teufel nicht zu kurz kommen. Er meint fälschlich zwei Herren dienen zu können. Das aber ist Selbstbetrug! Christus sagt: „Niemand kann zwei Herren dienen, entweder wird er den einen hassen und den anderen lieben; oder er wird dem einen anhängen und den anderen verachten. Ihr könnt nicht Gott dienen und dem Mammon“ (Mt. 6, 24). Und der hl. Augustinus bemerkt dazu: „Entweder wird der Mensch den einen [den Teufel] hassen und den anderen, nämlich Gott, lieben. Oder er wird den einen ertragen und den anderen [Gott] verachten. Wer dem Mammon dient, muß einen harten und verderbenbringenden Herrn ertragen; denn, von seiner Begierde gefesselt, unterwirft er sich dem Teufel und liebt ihn doch nicht. Denn wer könnte den Teufel schon lieben? Aber dennoch erträgt man ihn als seinen Herrn.“ (PL 34,1290 ff.). Gleichzeitig wird er aber Gott, wenn auch nicht gleich hassen, so doch verachten. „Kein Herz kann Gott wohl hassen, aber es verachtet Ihn, d.h. es fürchtet Ihn nicht, weil es glaubt Seiner Güte sicher zu sein. Von dieser Nachlässigkeit und verderblichen Sicherheit ruft uns der Heilige Geist zurück, wenn Er durch den Propheten spricht: ‚Mein Sohn, häufe nicht Sünde auf Sünde und sprich nicht: Die Erbarmung Gottes ist groß‘ (Sir 5, 5 f.).“ Und der hl. Kirchenvater kommt zum Schluß: „Wer darum den Herrn lieben und sich hüten will, Ihn zu beleidigen, der glaube nicht, daß er zwei Herren dienen kann, und befreie die gerade Richtung seines Herzen von aller Zweigleisigkeit. Denn so wird er vom Herrn in rechter (gerader) Weise denken und in der Einfalt des Herzens ihn suchen.“ (ebd.) 

Nicht minder gefährliche „Schlangenwege“ sind dann 3. Falschheit, Verstellung und Hinterlist im alltäglichen Umgang mit den Mitmenschen; sei es im Beruf, in der Familie oder sonstwo. Unwahrhaftigkeit verträgt sich nicht mit der von Christus geforderten Taubeneinfalt: „Seid klug wie die Schlangen und einfältig wie die Tauben“ (Mt. 10, 16). Die Betonung liegt auf dem „und“. Zur Tugend der Klugheit gehört stets die einfache und gerade Wahrhaftigkeit. Die verlogene Klugheit ist und bleibt stets ein Werk der Schlange und ihrer Nachkommenschaft. Allein Einfalt und Wahrhaftigkeit öffnen den Verstand des Menschen für den erleuchtenden Einfluß der göttlichen Taube, des Heiligen Geistes.

Unebenheiten ausgleichen

Bleibt schließlich noch die letzte Forderung des Wegbereiters: „Was uneben ist, soll ebener Weg werden.“ Wenn die Haupthindernisse ausgeräumt und die Wege begradigt sind, muß nur noch dafür gesorgt werden, daß die Benutzung des Weges auch möglichst reibungslos vonstatten gehen könne. Wer fährt schon gerne auf holprigen Feldwegen oder auf von Schlaglöchern übersäten Straßen? 

Um mit Jesus zur vollkommenen Vereinigung zu gelangen, müssen nicht nur die großen Fehler und Mängel entfernt werden, sondern auch die kleinen und kleinsten. Wer also soweit in der Tugend gefestigt ist, daß er der Todsünde und ihren Gelegenheiten widerstehen kann, der lege nicht die Hände untätig in den Schoß, sondern mache sich daran, auch die freiwilligen läßlichen Sünden zu bekämpfen. Wer dann soweit fortgeschritten ist, daß er die freiwilligen läßlichen Sünden überwunden hat, der mache sich an das Werk der Vollkommenheit und bessere die kleinen und kleinsten Fehler seines Charakters. Das berühmte Sprichwort gilt am meisten im geistlichen Leben: „Wer aufhört besser zu werden, ist schon schlechter geworden.“ Oder um mit den Worten der Heiligen Schrift zu sprechen: „Wer das Kleine nicht beachtet, kommt zu Fall“ (Sir. 19, 1). Wer anfängt, den kleinen Fehlern keine Beachtung mehr zu schenken, der hat schon den wahren Geist der Bekehrung aufgegeben und wird früher oder später straucheln, fallen und immer tiefer stürzen.

Solche abzulegenden Unebenheiten des Charakters wären beispielsweise das rauhe Wesen der Launenhaftigkeit und Unzufriedenheit, das den täglichen Umgang mit uns unberechenbar und unangenehm macht. – Launenhafte und Unzufriedene gleichen solchen Menschen, die jetzt an den finsteren Winterabenden im hellerleuchteten Wohnzimmer vor dem Fenster stehen und hinausblicken wollen. Was sehen sie? Nichts anderes als sich selbst! Sie sehen ihr eigenes Spiegelbild im Fensterglas, aber nichts von alledem, was draußen ist. Erst wenn sie das Licht im Wohnzimmer ausschalten würden, könnten sie die nächtliche Landschaft draußen unter dem Sternenhimmel sehen. Nur wenn es drinnen dunkel ist, kann man erkennen, was sich draußen befindet. – Mit anderen Worten: Launenhaftigkeit und Unzufriedenheit haben ihre Ursache meist in Selbstsucht und übertriebener Eigenliebe. Die Gedanken drehen sich nur um sich selbst. Man sieht nur seine persönlichen Bedürfnisse, Befindlichkeiten, Probleme und Sorgen. Es ist taghell im Innern des Ich. Deshalb wird der Mensch auch nahezu blind für alles übrige, was sich außerhalb der eigenen Gedanken- und Gefühlswelt abspielt. Deshalb: Licht ausschalten! Die gleichsam zur zweiten Natur gewordene Selbstbespiegelung kann nur überwunden werden, wenn man den Gedankenkreisel um das eigene Ich zum Stehen bringt. Wenn man beispielsweise seine Aufmerksamkeit auf die Bedürfnisse und Sorgen anderer richtet, dann werden die eigenen Sorgen relativiert und damit erträglicher. Wenn man anfängt, ungeachtet der eigenen Befindlichkeit, dem anderen freundlich, aufmerksam und hilfsbereit zu begegnen, dann wird es mit einem Mal draußen hell. Das hierfür erforderliche „Herunterdimmen“ des eigenen Ich wird Selbstverleugnung genannt. Die Selbstverleugnung läßt uns Ungeduld, Selbstmitleid sowie inneres Murren und Klagen ausschalten; sie läßt uns die innere Ruhe und den Herzensfrieden finden, die uns ja erst für den Anruf Gottes empfänglich machen: Was will Gott von mir? Wie kann ich Christus im Nächsten dienen? Ferner wird die Selbstverleugnung den Blick der Seele zuerst auf ihre Pflichten lenken und nicht auf ihre Rechte und Ansprüche. 

Bereitet die Wege des Herrn!

Stimme eines Rufers in der Wüste: Bereitet den Weg des Herrn, machet gerade Seine Pfade. Jedes Tal soll ausgefüllt und jeder Berg und Hügel abgetragen werden! Was krumm ist, soll gerade, was uneben, soll ebener Weg werden.“ Das ist das Programm des Herolds Christi. – Das ist die Art der Wegbereitung für das Reich Gottes in unserer Seele. Es ist gleichfalls das Programm der Wegbereitung zur Heilung der staatlichen und gesellschaftlichen Zerrissenheit; für die Verwirklichung der vielbeschworenen Erneuerung des christlichen Abendlandes. Es ist das Konzept der Wegbereitung für ein geläutertes, katholisches Gottesvolk, das wieder vor Gott würdig ist, einen Papst als obersten Hirten und wahren Stellvertreter Jesu Christi geschenkt zu bekommen. 

Flehen wir in diesen letzten Tagen vor Weihnachten zur allerseligsten Jungfrau und Gottesmutter Maria, damit wir die Forderungen des Vorläufers bei der Wiederkehr der Gedächtnisfeier der ersten Ankunft Jesu in Bethlehem in rechter Weise beherzigen, so daß wir einst, bei der zweiten Ankunft des Gottessohnes das „Heil Gottes im Fleische schauen“dürfen in alle Ewigkeit. Amen.

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