Fest des hl. Evangelisten Markus
Der Jünger des Herrn
Geliebte Gottes!
Der hl. Evangelist Markus erscheint unter den vier Evangelisten meist als der farbloseste Charakter. Von ihm ist den meisten Katholiken nur wenig bekannt. – Vom hl. Matthäus wissen wir, daß er Zöllner war, ehe ihn der Herr von der Zollstelle weg zu Seinem Apostel berief. Er hat das erste Evangelium verfaßt. Vermutlich in hebräischer Sprache. Denn es richtet sich in erster Linie an die Angehörigen des jüdischen Volkes. Mit dem Stammbaum Jesu am Beginn seines Berichtes versuchte er insbesondere die wahre Menschennatur des Gottessohnes nachzuweisen. Deshalb wurde ihm aus den vier Symbolen der Evangelisten das Menschengesicht zugeordnet. – Vom hl. Lukas wissen wir, daß er ein gebildeter Grieche war. Er war Arzt. Außerdem wissen wir von ihm, daß er mit der akribischen Gründlichkeit eines Wissenschaftlers genaue Nachforschungen über Jesus Christus angestellt hat, die er in seinem Evangelium zusammengetragen hat. Er hat den Herrn zwar nicht persönlich gekannt, wohl aber Seine Mutter, die Jungfrau Maria. So wäre es zu erklären, daß uns das dritte Evangelium einen so großen Einblick in die Kindheit des Erlösers gewährt. Sein Symbol ist der Stier. – Vom hl. Apostel und Evangelisten Johannes wissen wir schließlich, daß er der Jüngste unter den Zwölfen war, der Jungfräuliche, der Lieblingsjünger, der dem Herzen Jesu wie kein zweiter nahe stand – nicht nur beim letzten Abendmahl. Sein Evangelium ist das vierte und letzte. Es entstand erst um die Jahrhundertwende, als Johannes bereits ein Greis war. Es ist geprägt von großem Tiefgang. Wie ein Adler, das Symbol des Johannes, am Himmel kreist, so kreisen die Gedanken seines Evangeliums um das Geheimnis der Gottheit Jesu Christi und geben uns tiefere Einblicke in Seine Präexistenz, Seine Einheit mit dem Vater und die Wirkungsweise des Heiligen Geistes. Das Johannesevangelium ist eine Ergänzung zu den damals bereits bestehenden drei anderen Evangelienberichten. Deshalb läßt es Bekanntes weg und füllt statt dessen bestehende Lücken aus. – Was aber wissen wir vom hl. Markus, außer daß sein Symbol der Löwe ist?
Herkunft & Familienbande
Im Neuen Testament wir Markus zehnmal an Rande erwähnt. Immerhin! – Ähnlich wie der Völkerapostel über einen zweifachen Namen verfügte – sein jüdischer Name war „Saulus“, sein lateinischer Name „Paulus“ – so war es auch bei Markus. In der Heiligen Schrift wir er teils nur mit seinem hebräischen Namen „Johannes“, teils nur mit seinem römischen Namen „Markus“, teils mit dem Doppelnamen „Johannes Markus“ benannt. Wie beim hl. Paulus trat der hebräische Name auch bei ihm allmählich in den Hintergrund, so daß er später in Rom ausschließlich als Markus bekannt war.
Markus war Jude; genauer aus dem Stamme Levi. Das arabische Synaxárion der koptischen Kirche gibt als Vater des Markus einen gewissen Aristobul an. Die Heilige Schrift erwähnt nur seine Mutter, und die Art und Weise, wie das geschieht, läßt darauf schließen, daß der Vater wohl schon bald nach dem Gründonnerstag gestorben sein mußte. Auch die beste Mutter kann den Vater nicht ganz ersetzen. Es fehlt ihr die feste, zielstrebige und wenn nötig auch harte Hand, die für die Entwicklung eines heranwachsenden Jugendlichen, wie es Markus damals gewesen ist, zuträglich gewesen wäre. Der Mangel an innerer Sicherheit, Konsequenz und Härte in der Erziehung scheint sich auch später bei Markus negativ ausgewirkt zu haben. Die Mutter des Markus trug den Namen Maria. Sie war eine fromme, gebildete und reiche Frau. Sie war auch über den Tod ihres Mannes hinaus noch derart begütert, daß sie ein großes Stadthaus in Jerusalem besaß, das ihr frommer Sinn der jungen Christengemeinde für die gottesdienstlichen Versammlungen zur Verfügung stellte. Der Kirchenhistoriker Nikephorus berichtet, sie sei eine „Schwester“ des hl. Petrus gewesen. Genauer: „Eine Tochter der Tante der Frau des Petrus.“ Ein verwandtschaftliches Verhältnis zum hl. Petrus würde auch später dessen offensichtliches Wohlwollen gegenüber Markus gut erklären. Maria war sehr begabt und unterrichtete ihren Sohn Markus selbst in mehreren Fremdsprachen: in Griechisch, Lateinisch und natürlich Hebräisch, wie wiederum das Synaxárion zu berichten weiß. Diese Sprachkenntnisse waren die Grundlage für den späteren Dienst des Markus als Dolmetscher der Apostel.
Die Heilige Schrift erwähnt noch eine weitere verwandtschaftliche Bindung des Markus. Er war der „anepsiós“, also der Vetter bzw. der Neffe des Barnabas. Der Apostel Barnabas, den die Apostelgeschichte selbst als „vortrefflichen Mann voll des Heiligen Geistes und des Glaubens“ (11, 24) rühmt, wäre demnach der Onkel des Markus gewesen; wahrscheinlich väterlicherseits, da er nach dem ausdrücklichen Zeugnis der Schrift auch dem Stamme Levi zugehörte (vgl. Apg. 11, 24). Aus der Apostelgeschichte geht außerdem hervor, wie gütig und treu Barnabas zu seinem Neffen Markus stand, dem er vielleicht eine Art Vaterersatz sein wollte. Lieber ließ Barnabas später seine Freundschaft mit dem hl. Paulus in die Brüche gehen, als daß er von der Seite des Markus gewichen wäre.
Das äußere Erscheinungsbild des Evangelisten beschreiben die Markusakten, eine Schrift aus der Mitte des 4. Jahrhunderts, mit den Worten: „Er war von edler Haltung und gewandt. Er hatte schöne Augen und ein Gesicht goldfarben wie ein Weizenfeld. Nicht eine gebogene, sondern eine gerade Nase und zusammengewachsene Augenbrauen.“
Trägt man diese verschiedenen kleinen Mosaikstücke zusammen, so ergibt sich daraus folgendes Gesamtbild: Markus stammte aus wohlhabendem Haus, war gebildet, von sympathischem Äußeren, umsorgt und der Liebling aller. Ob des Verlustes seines Vaters scheint er, wegen des Mitgefühls seiner Umwelt, etwas verwöhnt worden zu sein.
Das Elternhaus
Wieviel kommt doch darauf an, in welchem Haus ein Mensch aufwächst! Ein frommes Elternhaus kann für einen Menschen sehr segensreich, eine religiös gleichgültiges Haus hingegen zu großem Unheil werden. – Nach sehr alter und glaubwürdiger Überlieferung befand sich im Jerusalemer Haus seiner Mutter jenes Obergemach, in dem unser Herr Jesus Christus die Feier des letzten Abendmahles anberaumt hatte; wo Er Sich drei Tage später am Osterabend bei verschlossenen Türen erstmals Seinen Aposteln in der Herrlichkeit Seines verklärten Auferstehungsleibes zeigte; wo 50 Tage später der Sturmwind des Heiligen Geistes an Pfingsten wehte. Jenes Haus, welches den Gläubigen auch später, bis zur Verfolgung des Herodes Agrippa, gleichsam als erste Kirche für ihre Versammlungen diente (vgl. Apg. 12, 12). Das Stadthaus der Maria erhielt darum den Ehrentitel „Mutter aller Kirchen“, „Heiliges Sion“, „Kirche der Apostel“. Einige der wichtigsten Ereignisse der christlichen Religion fanden demnach im Elternhaus des hl. Markus statt. Und Markus war dabei. Freilich nicht unmittelbar in den Kreis der Apostel und Jünger Jesu einbezogen, aber doch als Sohn des Hauses zugelassen. Wer hätte den Sohn der gastfreundlichen Hausfrau auch schon verscheuchen wollen? Still, staunend, nur Auge, nur Ohr erlebte Markus den Sohn des Allerhöchsten aus allernächster Nähe und in ungezwungener Atmosphäre, fernab der Volksaufläufe und des Massenandrangs. Er erlebte die heiligsten Stunden und Wochen, da Jesus im Haus seiner Eltern so wundersam aus und ein ging.
Alles begann am Gründonnerstag, als ihm die beiden Apostel Petrus und Johannes vom Brunnen weg, wo Markus Wasser geholt hatte, durch alle Straßen bis zu seinem Elternhaus gefolgt waren. Einige Ausleger identifizieren jenen jungen Mann mit dem Wasserkrug, den Christus Seinen beiden Aposteln als Erkennungszeichen gegeben hatte, mit dem jungen Markus: „Geht in die Stadt! Dabei wird euch ein Mann begegnen, der einen Wasserkrug trägt. Dem folget! Wo er dann hineingeht, da sagt dem Hausherrn: Der Meister spricht: Wo ist meine Herberge, worin Ich das Osterlamm mit meinen Jüngern essen kann? Der wird euch dann einen großen, mit Teppich ausgelegten Obersaal zeigen. Dort richtet her für uns!“ (Mk. 14, 13-15). Vielleicht half Markus den beiden von Christus gesandten Aposteln Petrus und Johannes mit freudiger Hilfsbereitschaft beim Herrichten des letzten Abendmahles, wie er ihnen später auch dabei helfen würde, die Ankunft des wahren Osterlammes in den Seelen der Menschen vorzubereiten. – Am Abend kam Jesus mit den übrigen zehn Aposteln. Nach der Begrüßung zog Maria ihren Markus vom Kreis der Männer weg. Aber wer hätte es ihm übel genommen, wenn er ganz von der Gestalt des stadtbekannten Jesus von Nazareth in Bann geschlagen, bald wieder vor der verschlossenen Tür des Saales stand. Er hörte feierliche Worte, von ferne nur, nicht so nahe wie der Lieblingsjünger, der sie später aufschrieb. Er fuhr erschreckt zurück, als Judas die Türe aufriß und an ihm vorbeistürmte. Er hörte wach im Bett die verhallenden Schritte der Apostel, als sie mitten in der Nacht das Haus wieder verließen, um sich zusammen mit ihrem Meister zum Gebet an den Ölberg zu begeben.
Der Freund Jesu
Markus selbst hatte in seinem Evangelium eine an sich belanglose Einzelheit jener Nacht festgehalten, die sich nur in seinem Bericht findet. Wir lesen bei der Gefangennahme Jesu im Garten Gethsemane: „Hierauf ließen Ihn alle [Apostel]im Stich und flohen. Ein Jüngling aber, der nur ein Linnentuch auf dem bloßen Leibe trug, folgte Ihm. Als man ihn ergreifen wollte, ließ er das Linnentuch los und floh nackt davon“ (Mk. 14, 50). Allgemein wird angenommen, daß sich der hl. Markus an dieser Stelle selbst in seinem Evangelium verewigt hat, so wie sich gelegentlich ein Künstler in eines seiner Gemälde einzeichnet. Noch im Mittelalter erinnerte jedenfalls ein Markuskirchlein auf dem Ölberg an diese Begebenheit. Wieviel verrät uns doch dieses Selbstporträt? – Markus hatte in der Nacht auf Karfreitag nicht schlafen können. Er spürte die Spannung, die über diesem Abend lag. Manche Silbe der Abschiedsreden Jesu hatte er vielleicht aufgeschnappt, und im Halbschlaf war es ihm, als ob auf der Straße vor seinem Fenster Schwerter klirrten und Soldaten marschierten. Heimlich stahl er sich aus dem Haus; nur mit seinem dünnen Bettuch und der nächtlichen Finsternis bekleidet. Von der Dunkelheit geschützt fand er am Ölberg ein Versteck. Verwirrt hörte er das flehentliche Gebet Jesu: „Abba, Vater, alles ist Dir möglich; nimm diesen Kelch von mir hinweg! Doch nicht, was Ich will, sondern was Du willst!“ (Mk. 14, 36). Er vernahm das Schnarchen der Jünger und das Lärmen der herannahenden Häscher. – Dieses erste und einzige Mal, da Markus im Evangelium auftritt, wird seine Anhänglichkeit an Jesus offenbar. Die Apostel „flohen“. Selbst Petrus und Johannes folgten nur „von ferne“. Markus aber hielt sich dicht bei Jesus. So dicht, daß er in den Fackelschein geriet und ihn das Leuchten des dünnen weißen Leinentuches, womit er seine Blöße notdürftig bedeckt hatte, verriet. Die Soldaten griffen nach dem jüngsten und letzten Freund Jesu. Sie packten ihn, zerrten an ihm. Er ließ das Laken, das einzige, was er in diesem Augenblick besaß, los. Seine Entblößung weist bereits wie ein Sinnbild in die Zukunft des Jungen hin: Markus, das umhegte, gepflegte Muttersöhnchen, wird um Jesu willen alles verlassen und durch seine Loslösung von allem Irdischen beweisen, daß er ein echter Jünger Jesu Christi ist, den die Welt nicht zurückhalten, nicht packen und festhalten kann.
Der Geist des Jünger Christi
Zwei Charakteristika des Jüngers Jesu Christi wurden in dieser Nacht an Markus sichtbar, die auch der Herr im heutigen Evangelium benennt: „Ich sende euch wie Lämmer mitten unter die Wölfe“ (Lk. 10, 3). Nicht Wolf gegen Wolf; oder Wolf unter Wölfen, sondern Lamm unter Wölfen ist der Jünger Jesu. Er kämpft nicht mit gleichen Waffen wie die Gegner. Er kämpft nicht mit Gewalt gegen Gewalt, nicht mit List gegen List, nicht mit größeren Finanzen oder stärkeren Organisationen, sondern mit der Nähe zu Jesus. Je näher der Jünger dem Meister ist im Gebet, in der Nachahmung Seiner Friedfertigkeit, Duldsamkeit und Opferbereitschaft, um so unangreifbarer ist er für die Welt. Damit ist aber auch klar, daß der wahre Jünger Christi in der Welt ein Fremdkörper ist, wie ein Lamm unter den Wölfen. Anders als die andern, fremdartig, auffallend. Es ist das Normale, daß die katholische Kirche und die Katholiken vor dem Staat ohnmächtig dastehen, hoffnungslos ausgeliefert, menschlich gesehen erledigt, einzig und allein gehalten und erhalten von der Kraft des Glaubens und der Macht Gottes.
Das andere Kennzeichen Seiner Jünger beschreibt der Herr mit den Worten: „Tragt weder Beutel, noch Tasche, noch Schuhe“ (Lk. 10, 4). In der Jüngerschaft Jesu geht es nicht um menschliche Sicherung und das Anlegen von großen Vorräten, nicht um möglichst gute Ausstattung, nicht um das Einplanen jeder erdenklichen Situation, nicht um ein Gerüstet-Sein für alle Eventualitäten. Nicht auf irdische Mittel darf der Jünger des Herrn seine Hoffnungen setzen, sondern auf die übernatürlichen. Der Jünger Jesu soll schlicht und einfach, so wie er ist, zum Mitmenschen gehen, ohne viel Drum und Dran, ohne besondere Aufmachung und Ausstattung. Nur mit dem Glauben und Vertrauen eines Jüngers kann der Mensch zum Werkzeug Gottes werden. – Die Nacht am Ölberg war für Markus der Beginn seiner Jüngerschaft. In dem Jungen mußte der Geist des Jüngers noch einwurzeln. Aber der Same war aufgekeimt; bereit, um hundertfältige Frucht zu bringen.
Eine Bemerkung des Papias von Hierapolis, eines angesehenen Schülers des hl. Apostels Johannes, scheint zu behaupten, daß Markus unseren Herrn Jesus Christus überhaupt nicht gekannt haben soll. Er sagt: „Markus hat nämlich weder den Herrn gehört, noch Ihn begleitet.“ „Er hat den Herrn nicht im Fleische gesehen und Ihn auch nicht gehört“ (Euseb.; PG 20, 299 f.). Aber dieses und ähnlich alte Zeugnisse, die Markus als Evangelisten (!) im Auge haben, wollen wohl nur aussagen, daß er nicht wie die Evangelisten Matthäus und Johannes unmittelbarer Augen- und Ohrenzeuge der im Evangelium berichteten Begebenheiten gewesen sei. Markus hat den Herrn gesehen, aber noch mit den Augen eines Jugendlichen, nicht mit denen eines reifen Mannes. Die Glaubwürdigkeit und Autorität seines Evangeliums beruht deshalb nicht in seiner persönlichen Zeugenschaft wie bei Matthäus und Johannes, sondern in dem treuen Dienst, den er später dem hl. Apostel Petrus in Rom leisteten würde. Das ist es, was der ehrwürdige Papias sagen wollte.
Der „Begleiter“ des hl. Paulus
Zunächst aber sollte sich Markus seinem Onkel Barnabas und dessen Freund Paulus auf eine Mission nach Zypern anschließen. Als Markus jedoch als Großstadtmensch und Muttersöhnchen die Strapazen der ersten Missionsreise zu viel wurden, da verließ er die beiden Apostel eigenmächtig und kehrte nach Jerusalem zu seiner Mutter zurück. Dadurch fiel Markus in den Augen des hl. Paulus in Ungnade. Obwohl sich später sein Onkel Barnabas abermals für Markus als Begleiter auch auf der zweiten Missionsreise erklärte, lehnte ihn Paulus vehement und unerbittlich ab. Deshalb entbrannte ein heftiger Zwist, woran die Freundschaft der beiden Apostel zerbrach. Dieser Schreckschuß, den der strenge Völkerapostel dem jungen Markus versetzte, hatte sich in der Folge heilsam ausgewirkt. Markus wurde vor das unerbittliche Entweder-Oder eines Jüngers Jesu gestellt: Entweder ganz oder gar nicht! Entweder Mann oder Memme! Der hl. Johannes Chrysostomus sagt: Diese Lektion „hat ihn gebessert“. – Doch brachte diese Episode nicht nur eine Gesinnungsänderung mit sich, sondern auch eine entscheidende Wendung im Leben des Markus.
Der Diener Petri
Aufgrund seiner Weichlichkeit war er als Missionar für die zukünftigen Reisen des hl. Paulus ausrangiert. Da nahm sich der hl. Petrus des sprachbegabten jungen Mannes an. Der Papst nahm ihn mit sich nach Rom, um sich seiner als Dolmetscher und Sekretär zu bedienen. Am Schluß des ersten Briefes, den Petrus von Rom aus an die kleinasiatischen Gemeinden sandte, lesen wir: „Es grüßt euch die mit auserwählte Gemeinde in Babylon [d.h. Rom] und Markus, mein Sohn“ (1. Petr. 5, 13). Clemens von Alexandrien weiß aus dieser Zeit zu berichten, daß Markus von Offizieren am römischen Kaiserhof gebeten wurde, die Lehrvorträge, welche ihnen von Petrus gehalten worden waren, aufzuschreiben. Als Petrus davon erfuhr, habe er Markus weder daran gehindert, noch ihn dazu ermuntert, doch hatte Petrus das vollendete Evangelium ausdrücklich genehmigt, wie wiederum Eusebius von Cäsarea wußte, und zur Verlesung in den Kirchen bestimmt. So weisen die ältesten kirchlichen Schriftsteller einmütig darauf hin, daß das Markusevangelium nicht seine eigenen Erfahrungen oder Forschungsergebnisse beinhaltet, sondern einzig das Echo der Predigt des hl. Petrus in Rom darstellt. – So ist es auch nicht verwunderlich festzustellen, daß im Markusevangelium im Vergleich zu den anderen Evangelien öfter und ausführlicher von Petrus die Rede ist. Wenn es aber um den Vorrang und die Privilegien des hl. Petrus geht, so wird Markus schweigsam. Zwar konnte er den Primat Petri unter den Aposteln als göttliche Setzung nicht verschweigen, doch scheint Markus nichts davon zu wissen, daß Petrus in einem Wunder auf dem Wasser des Sees wandelte; daß ihm durch ein Wunder die Steuer bezahlt wurde; daß ihm ein wunderbarer Fischfang das Boot bis zum Versinken füllte; daß ihm durch das Gebet Christi die Unfehlbarkeit im Glauben erwirkt wurde. Hingegen berichtet Markus die Schwächen des ersten Papstes überraschend deutlich. Bereist der hl. Johannes Chrysostomus hat auf die petrinische Demut des Markusevangeliums hingewiesen: „Markus, der Schüler des Petrus, hat ... seine Verleugnung aufgeschrieben; das was angesehen machte, verschwieg er. Vielleicht hatte ihm sein Lehrer verboten, Großes in betreff seiner Person mitzuteilen.“
Nicht nur im Ölgarten, auch in seinem Evangelium erscheint uns der hl. Markus losgelöst; losgelöst von sich selbst. Nicht ihn hören wir aus seinem Bericht. Selbstlos nimmt er sich komplett zurück. Ja, selbst der Stil des Ausdrucks weist in seinem Evangelium auf Petrus hin. Eine Analyse des Wortschatzes und der Diktion fördert eine erstaunliche Entsprechung zutage. Die Ausdrucksweise des Markusevangeliums entspricht den beiden Briefen des hl. Petrus genauso wie dessen Reden, die uns der hl. Lukas in seiner Apostelgeschichte überliefert hat. Ohne an dieser Stelle auf weitere Einzelheiten eingehen zu wollen, läßt sich zusammenfassend sagen, daß das Markusevangelium die Ereignisse des Lebens Jesu derart lebhaft und anschaulich, hingegen weder systematisch noch chronologisch schildert; eben gerade so, wie man es von dem prompten sanguinischen Temperament des hl. Petrus erwarten würde, als er den Römern die Frohe Botschaft von Jesus Christus verkündete.
Der Blutzeuge
Als der hl. Paulus erstmals gefangen nach Rom kam, suchte Markus ihn auf und gewann das einst verscherzte Vertrauen des Völkerapostels wieder zurück. Er hatte sich inzwischen als zuverlässig bewährt. Und so bediente sich seiner der hl. Paulus, sandte ihn nach Kolossä in Kleinasien, von wo aus der Evangelist nach einiger Zeit Ägypten besuchte, dort die erste Christengemeinde in Alexandria gründete, wo er auch das Bischofsamt versah. Als die Neronische Verfolgung in Rom losbrach und die beiden Apostelfürsten Petrus und Paulus erneut im Kerker gefangengehalten wurden, da sehnte Paulus den Neffen seines alten Freundes Barnabas in seinem zweiten Brief an Timotheus (vgl. 4, 11) herbei. Markus scheint auch tatsächlich nochmals nach Rom gekommen zu sein, um den ersten Papst und den Völkerapostel vor ihrem Martertod nochmals zu sehen. Er selbst erlitt in Alexandria im achten Jahr des Nero den Martertod, wie uns das Römische Martyrologium versichert. Später wurden seine Reliquien nach Venedig überführt, wo sie heute im den ihm geweihten Dom der Markusstadt aufbewahrt werden.
Johannes Markus hat Jesus gekannt, Paulus begleitet, Petrus gedient und wurde auf diese Weise nicht nur ein wahrer Jünger des Herrn, sondern auch Vorbild für jeden echten Katholiken. Denn jeder Katholik muß Jesus kennen; jeder Katholik muß das Missionswerk der Kirche begleiten – wenigstens mit seinem Gebet und Opfer; und jeder Katholik, der diesen Namen zu recht trägt, muß dem Nachfolger Petri gehorsam dienen. Jeder nach seinen Fähigkeiten und Begabungen, als wahrer Jünger des Herrn. Amen.