17. Sonntag nach Pfingsten
Der gute Vorsatz
Geliebte Gottes!
Der erste Schritt auf dem Weg zum Empfang des Bußsakramentes ist die Gewissenserforschung, die „Buße des Verstandes“. Der zweite Schritt ist die „Buße des Herzens“ – die Reue. Somit kommen wir heute zur Betrachtung des dritten Schrittes. das ist die „Buße des Willens“ – der Vorsatz.
Der Vorsatz zur Besserung
Der Vorsatz ist mit der Reue notwendig verbunden, ja er geht aus der Reue hervor wie die Blüte aus der Knospe. Wenn einem seine Sünden wirklich leid tun, dann bringt die Reue automatisch auch die Absicht mit sich, diese Sünden in Zukunft nicht mehr zu tun. Diese Absicht sich zu Bessern ist der Vorsatz. Man kann berechtigterweise sagen, daß dort, wo echte Reue ist, sich unfehlbar auch der richtige Vorsatz einstellt. Denn jeder, dem eine Tat wirklich leid tut, der ist auch entschlossen, diese Tat nicht noch einmal zu begehen. Dennoch sind Reue und Vorsatz nicht dasselbe. Die Reue richtet sich auf die Sünden, die schon begangen worden sind. Der Vorsatz hingegen richtet sich auf die Sünden, die noch begangen werden könnten. Die Reue wendet sich zurück in die Vergangenheit. Der Vorsatz blickt voraus auf die Zukunft. Die Reue ist die Knospe, der Vorsatz die Blüte der Besserung.
Leere Vorsätze - Kernige Vorsätze
Wie die Blüte jedoch durch den Nachtfrost erfrieren kann, dann verkümmert und keine Frucht bringt, so kann dasselbe auch dem Vorsatz widerfahren. Er kann, wenn er schnell vergessen oder nicht ernstlich genug gefaßt wird, unfruchtbar bleiben. Ein nachlässig gefaßter Vorsatz trägt bereits den faulen Kern des Rückfalls ins sich. Um das zu verhindern, muß der Beichtvorsatz bestimmte Eigenschaften haben:
1. Der Vorsatz muß ernstgemeint sein. Das ist an sich eine selbstverständliche Sache. Er muß so fest und so ernstgemeint sein, daß man sich weder durch die eigene Launenhaftigkeit, noch durch Verführung, noch durch das schlechte Beispiel anderer Menschen, noch durch sonstige Schwierigkeiten von dem gemachten Vorsatz abbringen lassen will.
2. Der Vorsatz muß allgemein sein. D.h. er muß sich ohne Ausnahme wenigstens auf die Besserung aller Todsünden erstrecken. Man muß sich vornehmen, fortan überhaupt keine Todsünde mehr zu begehen. – Wenn ein Schiff auf hoher See an mehreren Stellen tiefe und weite Löcher bekommen hat, so ist es nicht genug, das eine oder andere zu verschließen. Wenn ein einziges offen bleibt, so ist es genug, den Meeresfluten Eingang zu gestatten und auf diese Weise dem Schiff den Untergang zu bereiten. Mag das Schiff aus Stahl gebaut, mit den stärksten Maschinen ausgerüstet und mit reichen Vorräten ausgestattet sein; wenn ein einziges Leck bestehen bleibt, so wird es unweigerlich sinken. Der Vorsatz muß sich also auf alle Todsünden erstrecken. Er muß allgemein sein.
3. Der Vorsatz muß wirksam sein. Damit ist gemeint, er soll sich auch in der Tat äußern, er muß im konkreten Leben auch umgesetzt werden. Sonst bleibt er ein frommer Wunsch, aber wird kein Vorsatz. Vollständig wirksam ist der Vorsatz, wenn tatsächlich das geschieht, was man sich beim Vorsatz vorgenommen hat, d.h. wenn man wirklich alles unternimmt, wirklich alle notwendigen Mittel zur Anwendung bringt, um einen erneuten Fall in die Sünde zu verhindern. Vollständig unwirksam ist ein Vorsatz, wenn er im konkreten Leben, was die Zahl und Schwere der Sünden angeht, gar keine Änderung hervorbringt.
Freilich darf man nicht gleich sagen, wenn es nicht sofort oder nicht ganz gelingt die Vorsätze zu verwirklichen, es sei gar kein Besserungsvorsatz vorhanden gewesen. Auch eine starke Mauer kann durch die Länge der Zeit, durch die Heftigkeit eines Angriffs, durch die Gewalt eines Erdbebens, durch die Werkzeuge der Menschen zerstört werden. Aber auch das ist wahr: Ein Vorsatz, der gar keinen Einfluß auf das Leben hat, ist eigentlich nie ein ernster Vorsatz gewesen. Eine Mauer, die, kaum gebaut, von selbst einstürzt, hat von Anfang an keine Festigkeit besessen. An der mangelnden Festigkeit unseres Vorsatzes ist es vor allem gelegen, warum unsere Beichten oft so unfruchtbar bleiben; warum wir immer wieder und vor allem so schnell wieder in die alten Sünden und schlechten Gewohnheiten zurückfallen. Wir haben es offensichtlich nicht ernst genug vorgehabt, wirklich mit der Sünde zu brechen und keine wirksamen Mittel zur Anwendung gebracht.
Weil es so wichtig ist, halten wir die Eigenschaften eines guten, „kernigen“ Vorsatzes nochmals ausdrücklich fest: 1. Er muß ernstgemeint sein. 2. Er muß sich auf alle Todsünden erstrecken. Und 3. muß er auch wirkliche Konsequenzen im Leben nach sich ziehen.
Bleiben noch einige Bemerkungen hinzuzufügen im Hinblick auf die Vorsätze verschiedener Gruppen von Personen: Es gibt Sünder, die selten oder nie schwer sündigen. Es gibt Sünder, die aus Gewohnheit sündigen. Und schließlich gibt es eine dritte Gruppe. Nämlich solche Sünder, die immer bei bestimmten Gelegenheiten in die Sünde fallen. Jede Gruppen muß bestimmte Dinge beim Fassen des Beichtvorsatzes beherzigen.
Der Vorsatz der Beichtenden im Gnadenstand
Zunächst also die Frage: Wie muß der Vorsatz bei denen beschaffen sein, die sich in ihrer Beichte keiner Todsünden anzuklagen haben? Wäre es bei ihnen nicht angebracht, daß ihr Vorsatz etwas weiter ginge als lediglich alle Todsünden meiden zu wollen? Gewiß wäre das angebracht! Sie können und sollen sich vornehmen, auch die läßlichen Sünden zu meiden. Aber wie viele läßliche Sünden? Alle? – Nein, es sind ihrer einfach zu viele. Wir können unmöglich alle Ursachen läßlicher Sünden im Auge behalten. Läßliche Sünden werden begangen aus Mangel an Aufmerksamkeit, aus Mangel an Überlegung, an Kenntnis, an Eifer; sie werden begangen aus Schwäche, aus Reizbarkeit, aus Ungeduld, aus Hastigkeit, aus Laune, aus Eitelkeit, meist aus Stolz. – Läßliche Sünden werden begangen selbst bei guten Werken: bei der hl. Messe, im Gebet, bei der Arbeit, bei der Erholung. Läßliche Sünden werden begangen in Gedanken, in Worten, in Werken, durch Unterlassung. Zahlreicher wie die Mücken im Sommer sind die läßlichen, die kleinen und kleinsten Verfehlungen gegen Gott und den Nächsten. Diese alle zu meiden ist nach der ausdrücklichen Lehre der Kirche ohne eine ganz besondere Gnade Gottes keinem Menschen möglich. Deshalb empfehlen alle geistlichen Lehrer den Vorsatz engerund zugleich kräftiger zu fassen. Sie empfehlen, wenigstens eine bestimmte Gruppe von läßlichen Sünden mit vollem Ernst zu bekämpfen und mit Gottes Hilfe auszurotten. Um welche Gruppe solle es sich dabei handeln? – Diejenigen läßlichen Sünden, die wir am häufigsten begehen; diejenigen, wozu wir am meisten geneigt sind; diejenigen, die wir mit der größten Freiwilligkeit begangen haben; diejenigen, die am schwersten ins Gewicht fallen und der Todsünde am nächsten kommen. Man kann sie zurückführen auf eine bestimmte Untugend, auf den sogenannten „Hauptfehler“. Bei dem einen ist es der Hang zum Jähzorn, bei einem andern der Hang zur Sinnlichkeit; beim dritten ist es die Ungeduld, oder der Stolz, die Selbstsucht, die Geltungssucht oder die Trägheit. Der Hauptfehler ist der Hauptgegner unserer Freundschaft mit Gott! Er ist die Quelle vieler läßlicher Sünden, von denen uns einige dann sogar bis hin zur Todsünde führen. Den Hauptfehler zu kennen ist also besonders wichtig. Aus diesem Grund empfiehlt der hl. Franz von Sales sich bei der Gewissenserforschung nicht nur auf die Sünden zu prüfen, sondern auch den Ursachen, den Beweggründen, der einzelnen Sünden nachzuspüren. Also zu fragen: Warum habe ich gelogen? Was hat mich angetrieben zur üblen Nachrede oder zur Ehrabschneidung? Warum habe ich lieblos geurteilt? Wenn wir so den Motiven unserer Sünden nachspüren, werden wir feststellen, daß sich viele von ihnen auf eine Ursache zurückführen lassen. Und genau diese Ursache ist der Hauptfehler.
Diesen Hauptfehler müssen wir bekämpfen. Stellt sich die Frage: Wie? Was müssen wir uns vornehmen? Der hl. Ignatius von Loyola gibt die Antwort: Genau das Gegenteil von dem, wozu uns der Hauptfehler immer wieder verleiten will. Ist einer gleichgültig gegen die Religion, so muß er seine Gottesliebe durch vermehrtes Gebet und geistliche Lektüre zu entfachen suchen. Besteht der Hauptfehler im Geiz oder im Neid, so übe man die Freigebigkeit. Besteht er im Argwohn, so übe man die Weitherzigkeit und widerspreche den zahllosen Vorurteilen, die einem in den Sinn kommen. Ist es Zorn und Härte, so über man Milde und Sanftmut. Ist es der Ehrgeiz so mühe man sich um Bescheidenheit. Ist es die Ungeduld und Empfindlichkeit, so bemühe man sich um Langmut und tapfere Standhaftigkeit. Ist es die Trägheit und Nachlässigkeit, so bemühe man sich um die Liebe und um die Freude. Ist es die Unkeuschheit, so muß man sich um die Schamhaftigkeit bemühen. Jedes Laster hat seine entgegengesetzte Tugend. Und genau diese, dem Hauptfehler entgegengesetzte Tugend, müssen wir üben. – Wie wir diese Tugend dann konkret im Alltag üben, das muß unser Vorsatz beinhalten. Dieser Vorsatz muß gefaßt sein über lange Zeit; Wochen, Monate, Jahre! Damit der Vorsatz wirksam bleibt und nicht gleich wieder vergessen wird, müssen wir ihn täglich beim Morgengebet erneuern und uns bei der Gewissenserforschung am Abend darüber Rechenschaft geben, ob wir ihn auch eingehalten bzw. verwirklicht haben. Wenn wir hier ernsthaft anpacken, können wir wirklich nachhaltige Fortschritte im geistlichen Leben machen.
Der Vorsatz des Gewohnheitssünders
Kommen wir zum Vorsatz derjenigen Sünder, die aus Gewohnheit sündigen. Viele, sehr viele Sünder fallen in diese Gruppe. Die Sünden der Unmäßigkeit und Unkeuschheit, insbesondere die Sünde der Selbstbefriedigung, sind zum großen Teil Gewohnheitssünden. Von den Sünden des Zornes, der üblen Nachrede muß man dasselbe sagen. Diese Gewohnheit wurzelt meist in dem bereits erwähnten Hauptfehler. Mit jeder Wiederholung der Sünde wächst und verstärkt sich diese Gewohnheit und wird oft durch jahrelange Übung so stark, daß sie den Sünder, wie einen Sklaven an der Kette gefesselt und gebunden hält. Sünder, die darunter leiden gewohnheitsmäßig immer wieder in dieselbe Sünde zu fallen, müssen unbedingt darauf achten, daß sie wirklich einen konkreten Vorsatz machen. Viele sagen nämlich einfach nur: „Es soll nicht mehr vorkommen!“ Und ein paar Tage, vielleicht auch ein, zwei Wochen danach geschehen dieselben Sünden, in derselben Zahl, in derselben Schwere aus derselben Gewohnheit wie früher. Ist das ein ernster Vorsatz gewesen? Und wird es dann bei dem neuen und neuesten Vorsatz anders sein? Freilich wollen wir nicht bezweifeln, daß ein solcher Vorsatz gut und ernstgemeint war. Aber daß er einen Mangel hatte ist offensichtlich! Welchen Mangel? – Wir übersehen, daß das Übel in uns eingewurzelt ist. Es läßt sich nicht mehr im vorbeigehen ausreißen. Die schlechte Gewohnheit hat eine große Kraft, und diese Kraft wächst mit jeder Wiederholung der Sünde, und diese Kraft wird durch den bloß allgemeinen Vorsatz – „Es soll nicht mehr vorkommen“ – nicht gebrochen. Die Gewohnheit ist alt, der Vorsatz ist neu. Die Gewohnheit ist tief eingewurzelt, der Vorsatz vielleicht nur oberflächlich. Mit einem Wort: Gewohnheit kann nur durch Gewohnheit überwunden werden. Die schlechte Gewohnheit muß durch eine gute Gewohnheit ersetzt werden. Warum bildet sich aber keine gute Gewohnheit in uns? Weil wir entweder nicht die richtigen Mittel anwenden. Oder, wir die richtigen Mittel nicht konsequent genug angewandt haben; weil wir uns immer wieder Ausnahmen genehmigt haben. Wie aber soll sich eine Gewohnheit bilden, wenn wir uns ständig eine Ausnahme von der Regel erlauben? Die Vorsätze haben nichts genützt und werden auch nichts nützen, solange wir nicht die entscheidenden Mittel in unnachgiebiger Konsequenz gegen uns selbst zur Anwendung bringen.
Wie verhielt sich der junge David, als er mit dem Riesen Goliath kämpfen wollte? Sagte er bloß: „Ich will hingehen und gegen den Philister kämpfen?“ Das wäre ein schöner Vorsatz gewesen, aber auch nicht mehr. David tat etwas darüber hinaus. Zuerst nahm seine Zuflucht zu den übernatürlichen Mitteln. Er betete. So konnte er dem übermächtigen Goliath entgegenrufen: „Du kommst zu mir mit Schwert, Lanze und Wurfspeer. Ich aber komme zu dir im Namen des Herrn der Heerscharen“ (1. Sam. 17, 45). Doch David tat noch mehr als übernatürliche Mittel zur Anwendung zu bringen. Er wählte sich gegen Goliath, der groß und stark, bestens gerüstet und sehr geübt im Kampf war, solche Waffen aus, mit denen er den Krieger wirklich treffen konnte, aber ohne dabei in seine allernächste Nähe kommen zu müssen. Er suchte sich vor dem Kampf fünf sehr glatte Steine, um sie mit seiner Schleuder gegen die ungeschützte Stirn Goliaths zu schleudern. Gibt es auch Mittel gegen unseren Goliath der Gewohnheit? Ja, verschiedene: Einerseits die übernatürlichen Mittel. Das eifrige Gebet, der Rosenkranz, die Anrufung der Gottesmutter, der häufige Empfang der heiligen Sakramente. Dann aber auch die Mittel, welche die Sünde tatsächlich treffen. Wenn unser Goliath „Unkeuschheit“ heißt, bringt es nicht viel, sich um Freundlich gegenüber dem Nächsten zu bemühen. Heiße er „Ungeduld“, so ist es nicht wirklich zielführend häufiger ein Almosen zu geben. Unser Vorsatz muß den Hauptfehler dort treffen, wo es ihm weh tut. Und dann gilt eben: Gewohnheit wird nur durch Gewohnheit überwunden. Wir müssen diejenigen Mittel konsequent zur Anwendung bringen, die gegen die Macht der Gewohnheit am wirksamsten sind. Jeder Beichtvater, wird demjenigen, dem sie unbekannt sind, weiterhelfen können. Wenn wir jedoch sagten: „Ich will die Sünde zwar meiden, aber die entscheidenden Besserungsmittel mag ich nicht, so wären wir wie ein Kranker, der sagt: ich will gesund werden, aber die Medizin nehmen will ich nicht.
Der Vorsatz der Gelegenheitssündern
Schließlich ist drittens noch eine notwendige Bemerkung zu machen hinsichtlich des Vorsatzes derjenigen, die immer wieder bei einer bestimmten Gelegenheit unterliegen und in die Sünde fallen. Für manche besteht die Gelegenheit zur Sünde in einem bestimmten Ort – etwa für den Alkoholiker die Kneipe oder das Spirituosen-Regel im Supermarkt. Für den Unkeuschen kann etwa der ungestörte Internetzugang, gepaart mit Langeweile, zur Gelegenheit zum stetigen Fall in die Sünde werden. Für andere ist es das Alleinsein mit bestimmten Personen. Auch Bücher, Filme, Spiele, Bilder, Zeitschriften, usw. können Gelegenheiten zur Sünde sein. Auch ein schlechter Freundeskreis, der durch sein schlechte Beispiel und den mehr oder weniger offen zutage tretenden Gruppenzwang, Quelle für stets neue Sünden wird, fällt hierunter. Kurz: Eine „Gelegenheit zur Sünde“ ist all das, was uns Anlaß gibt zur Sünde. Unter der „nächsten Gelegenheit zur Sünde“ versteht man genauer, wenn man bei diesem Anlaß mit großer Wahrscheinlichkeit von neuem sündigen wird. „Freiwillig“ wird die Gelegenheit zur Sünde dann genannt, wann man sie meiden könnte, wenn man nur wollte. Auch hier müssen wir uns an David ein Beispiel nehmen. Er versuchte, sich im Kampf außerhalb der Reichweite von Goliaths Waffen zu halten. D.h. wir müssen die nächste Gelegenheit zur Sünde unbedingt meiden! Wenn wir sie aus bestimmten Gründen nicht meiden können, müssen wir uns Vorsichtsmaßnahmen überlegen, die uns wirksam vor der Gefahr schützen können. Sonst wird in unserem Fall nie „David“, sondern stets „Goliath“ der Sieger bleiben.
Stellen wir uns einen Gelegenheitssünder im Beichtstuhl vor. Er sagt: „Ich bereue meine Sünden.“ Das ist gut! „Ich nehme mir ernstlich vor, diese Sünde fortan zu meiden.“ Einverstanden! Ist nun der Vorsatz in Ordnung? – Prüfen wir ihn. Der Beichtvater fragt ihn: „Wollen Sie auch die Gelegenheit meiden? Wollen Sie das?“ – Der Pönitent antwortet: „Nun ja, die Sünde meiden will ist. Aber unmöglich kann ich die Gelegenheit meiden, das ist mir zu schwer.“ Und er weiß natürlich einige wichtige Gründe anzuführen. – Darauf der Beichtvater: „Nun, aber worauf setzen Sie dann Ihr Vertrauen, daß Sie trotz der „nächsten Gelegenheit“, in die Sie sich freiwillig begeben, und die Sie bisher immer wieder, früher oder später, dazu geführt hat in die Sünde einzuwilligen; worauf setzen Sie Ihr Vertrauen, in Zukunft diese Sünde meiden zu können? Auf ihren schwachen Willen?“ – „Ich baue auf die Gnade Gottes!“ – „Ach wirklich? Heißt es aber nicht in der Heiligen Schrift: „Wer die Gefahr liebt, kommt darin um“ (Sir. 3, 27)? Und sagt nicht auch Christus selbst: „Wird dir deine Hand zum Anlaß der Sünde, so hau sie ab. Oder dein Auge, so reiß es aus“ (Mk. 9, 42.46)?“ Das bedeutet, daß wir das, was uns Anlaß zur Sünde gibt, selbst wenn es uns so nahe und so teuer ist wie unsere Hand oder unser Auge, entschieden ausreißen und verwerfen müssen. Sobald wir erkannt haben, daß uns eine bestimmte Gelegenheit immer wieder Anlaß zur Sünde wird, dürfen wir nicht mehr auf den Beistand der göttlichen Gnade hoffen, sobald wir diese Gelegenheit trotzdem freiwillig suchen. Wenn unser Vorsatz zwar die Sünde aber nicht die Gelegenheiten dazu meiden will, dann sollten wir uns ernsthaft fragen: Bin ich denn tatsächlich klüger als die Heilige Schrift? Klüger als die Heiligen? Klüger als alle Beichtväter? Klüger als alle bekehrten Gelegenheitssünder? – Nein, gewiß nicht klüger, sondern einfach nur dumm! Dummheit hat nichts mit mangelnder Intelligenz zu tun! Dummheit besteht wesentlich darin wider bessere Erkenntnis, wider besseres Wissen zu handeln. Dummheit besteht darin, sich seine eigene Schwäche nicht eingestehen zu wollen und alle gutgemeinten Ratschläge in den Wind zu schlagen! Wer freiwillig die nächste Gelegenheit zur Sünde meiden kann und sie doch nicht meiden will, der ist noch weit entfernt von einem ehrlichen Vorsatz, der zum Empfang des Bußsakraments notwendig ist; der ist noch weiter von dem entfernt, was man „Bekehrung“ nennt. Man muß nach Kräften beides vermeiden: Die Sünde selbst, und die Gelegenheit dazu!
Der Beginn eines neuen Lebens
Wir sehen also, wie leicht es gesagt ist: „Ich will nicht mehr sündigen.“ Es ist leicht gesagt in den wenigen Augenblicken kurz vor der Beichte, wo keine Versuchung herandrängt, wo das Gewissen drückt, die Reue das Herz erfüllt, wo das Sündenbekenntnis bevorsteht und die Lossprechung winkt. In dieser Stimmung sagt man leicht: „Ich bin fest entschlossen nicht mehr zu sündigen.“ Es sei auch nicht behauptet, daß jeder, der nach dem Empfang des Bußsakramentes wieder sündigt, keinen richtigen Vorsatz gehabt habe. Aber wir sind schwache Menschen! Die Vergeßlichkeit des Geistes, die Länge der Zeit, unsere Neigung zum Bösen, die Wankelmütigkeit unseres schwachen Willens, die Macht der Gewohnheit, die Heftigkeit der Versuchung, die Gewalt der Leidenschaften; all diesen Dingen sind wir ausgesetzt. Diese Kräfte vermögen auch einen ernsten und kräftigen Vorsatz zu erschüttern. Wenn man also weiß, daß es so viele Dinge gibt, die den besten Vorsatz zunichte machen können, so sollte man sich doch ernsthaft bemühen, dem Vorsatz die größtmögliche Stärke zu geben. Dazu müssen wir den Hauptfehler ausmachen, die ihm entgegengesetzte Tugend üben. Wir müssen geeignete Mittel auswählen. Zu diesen geeigneten Mitteln gehört an erster Stelle die Vermeidung der nächsten Gelegenheit! Diese Mittel müssen wir beabsichtigen in unnachgiebiger Konsequenz zur Anwendung zu bringen. Nur so können wir auf Dauer die schlechte Gewohnheit brechen und durch eine gute, tugendhafte Gewohnheit ersetzten.
Die schwächste Stelle einer Burg ist das Tor. Deshalb ist gerade diese Stelle am meisten mit Türmen und sonstigen Wehranlagen zur Verteidigung gerüstet. Fangen wir also an unsere Seele dort zu verteidigen, wo der Feind am leichtesten einfallen kann. Das wäre der Anfang der Bekehrung, der Anfang eines „neuen Lebens“, der Beginn unser Leben im Sinne Gottes und mit der Hilfe Gottes zu verändern. Dann könnten wir zusammen mit David beten: „Ich habe es gesagt: Nun fange ich an. Diese Änderung kommt von der rechten Hand Gottes“ (Ps. 76, 11). Jetzt beginne ich die Besserung meines Lebens, und zwar durch die Kraft Gottes, durch die rechte Hand des Allerhöchsten. Amen.