Sonntag Septuagesima
„Nur einer kann den Preis erlangen!“
Geliebte Gottes!
Mit einem kräftigen Startschuß beginnt die Septuagesima, die sogenannte Vorfastenzeit, und damit die erste Etappe der Vorbereitung auf Ostern.
Wir werden vom hl. Apostel Paulus in die Arena zum Wettkampf gerufen. Ein hartes Kopf-an-Kopf-Rennen wird uns da in Aussicht gestellt: „Wißt ihr nicht, daß die Wettläufer in der Rennbahn zwar alle laufen, aber nur einer den Preis erlangt?“ Nur einer steht am Ende ganz oben auf dem Treppchen. Nur einer erreicht den Siegespreis! Und deshalb sollen wir – und zwar jeder von uns – so laufen, damit wir es sind, die ihn erringen.
Aber, so könnte man dagegen einwenden, ist das denn sonderlich christlich? Soll von uns Katholiken das Leben tatsächlich als Konkurrenzkampf aufgefaßt werden? Sollten wir nicht vielmehr gemeinsam und unter gegenseitiger Unterstützung dem Ziel entgegenstreben, anstatt nur an unseren Sieg zu denken? Ja, auch im heutigen Evangelium ist es doch nicht bloß einer, sondern sind es am Ende doch alle, die den Preis erhalten – den einen Denar! Und außerdem: Unsere Zeit ist doch ohnehin schon so hektisch und unruhig. Die Ereignisse überstürzen sich. Die Gier nach Geld, nach Lust, nach Macht und die Angst vor deren Verlust, läßt den Menschen rennen und schließlich stolpern und fallen. Und viele erheben sich nicht mehr von ihrem Fall. Und jetzt sollen auch wir uns einer solchen Atemlosigkeit übereignen? Sollen auch wir Mitläufer in der Arena der Nichtigkeiten werden? Sollen auch wir unsere Ellbogen zum Einsatz bringen, um am Ende ganz vorne stehen zu können?
Aber, liebe Gläubige, davon kann ja gar nicht die Rede sein! Schauen wir genauer hin, so sehen wir ganz klar, daß der Völkerapostel einen ganz anderen Wettlauf als den der Welt meint; etwas anderes als dieses Haschen nach Vergänglichem; als das sich Vergleichen und sich Messen mit anderen.
Um zum richtigen Verständnis zu gelangen, von welchem Wettstreit der hl. Paulus in der heutigen Epistel spricht und warum es darin tatsächlich nur einen einzigen Sieger geben kann, wollen wir darauf zurückgreifen, was in einer dem hl. Thomas von Aquin zugeschriebenen Predigt zu lesen ist. Es gäbe, so sagt der engelgleiche Lehrer, einen dreifachen „currus“ – d.h. einen dreifachen „Wettlauf“. Nämlich den Lauf der Zeit, den Lauf der Sünde und den Lauf der Gnade.
Drei Athleten treten also an den Start. Und wie es vor dem Wettkampf üblich ist, so wollen wir, ehe das Rennen beginnt, die einzelnen Konkurrenten kurz vorstellen, damit wir wissen, welche Läufer angetreten sind.
Die drei Wettläufer
Zuerst der Rennläufer auf der Bahn der Zeit. – Der Lauf der Zeit schreitet beständig voran, beständig weiter, beständig dem Ende entgegen. Wir haben dabei den Eindruck, es gehe immer schneller und schneller mit ihr. Die Tage, die Wochen, die Monate und Jahre, sie fliegen mit zunehmender Geschwindigkeit nur so dahin. Der Lauf der Zeit ist unaufhaltsam und flüchtig zugleich, wie uns der hl. Augustinus belehrt: „Siehe, wir sagen im Gespräch: ‚In diesem Jahr‘, und was halten wir in der Hand von diesem Jahr außer den einen Tag, an dem wir gerade sind? … Was davon vergangen ist, ist nicht mehr; was davon künftig ist, ist noch nicht. Was sagst du also ‚in diesem Jahr‘? Ändere die Redeweise: Sag ‚heute‘! ‚Gut‘, sagst du, ‚heute, ich sag’s schon.‘ Doch beachte auch dies: daß heute die Morgenstunde schon vorübergegangen, die kommenden Stunden aber noch nicht gekommen sind. Auch das also ändere und sage: ‚diese Stunde.‘ Und von dieser Stunde, was hältst du? Augenblicke von ihr sind schon vorübergegangen, und die kommenden sind noch nicht gekommen. Sag also ‚in diesem Augenblick‘. In welchem Augenblick? Während ich in Silben rede und wenn ich zwei Silben sage, so tönt die zweite nicht, wenn nicht die erste schon vorübergegangen ist. Und endlich auch bei einer Silbe, wenn sie zwei Buchstaben hat, tönt der folgende Buchstabe nicht, wenn der vorausgehende nicht bereits verklungen ist.“ (in Ps. 76,8). So ist der Lauf der Weltzeit. Sie ist nicht zu greifen, nicht aufzuhalten, stets vorwärtsstürmend. Doch wenn sie einst zu Ende ist, so geht nichts mehr. Dann ist die Zeit abgelaufen.
Auf der Bahn daneben finden wir den Lauf der Sünde. – Die Sünde entwickelt bekanntlich ihre Eigendynamik. Sie erfaßt den Menschen und reißt ihn mit sich fort. Wie der Waggon einer Bergbahn, losgekoppelt von der Lokomotive, in abenteuerlicher Beschleunigung zur rasanten, unaufhaltsamen Talfahrt ansetzt, ebenso zieht die Sünde jenen, der sich ihr überläßt, mit steigender Geschwindigkeit hinab in die Tiefe. Und der Mensch – sozusagen zum Treibgut eines wilden Sturzbaches geworden – erkennt in solchem Temporausch kaum noch, wohin die Reise geht. Erst im Augenblick des schmerzhaften Aufpralls kommt dem Läufer auf der Bahn der Sünde das Ende und der Lohn derselben zu Bewußtsein: „Der Lohn der Sünde ist der Tod.“ (Röm. 6,23), sagt der Völkerapostel und meint damit den „ewigen Tod“. Den Untergang. Das Nichts der Gottferne. Die Qualen der ewigen Verdammnis.
Und dann gibt es da noch den dritten Lauf: Den „currus gratiae“, also den Lauf der Gnade. Er wird in den Texten der heutigen Liturgie beschrieben. Es ist der Lauf derer, die dem Ruf des Hausvaters in den Weinberg gefolgt sind; die, um mit der Lesung zu sprechen, durch das „Rote Meer“ der hl. Taufe im Blute Christi hindurchgezogen sind und die nun unter der „lichten Wolke“ der Gottesherrlichkeit, nämlich im Licht des katholischen Glaubens, dem „Gelobten Land“, also der ewigen Glückseligkeit des Himmels entgegenpilgern. Es ist der Lauf derer, die immer wieder die „geistige Speise“ des eucharistischen Heilandes in sich aufnehmen und den „geistigen Trank“ der Lehren des Evangeliums aus dem „mystischen Felsen“ Christus schlürfen und verkosten, der uns begleitet.
Dieser Lauf der Gnade ist tatsächlich ein Lauf! Von der übernatürlichen Gnade erfaßt, sind die Läufer auf dieser Bahn geneigt, Gott in Eile entgegenzulaufen. Wie Maria sich eilig über das Gebirge aufmachte – also über alle Hürden und Hindernisse hinweg –, um ihrer Base Elisabeth und dem noch ungeborenen Johannes in ihrem Schoß die Salbung des Heiligen Geistes und die Kenntnis von der Ankunft des Erlösers zu bringen. Wie die Hirten eilten, um jedem die Geburt des göttlichen Kindes zu verkünden. Wie der Zöllner Zachäus eilends vom Baum herabstieg, als Jesus ihn rief, Er wolle bei ihm unterkommen. Wie die Emmausjünger eilig nach Jerusalem zurückkehrten, um den Aposteln die Freudenbotschaft von der Erscheinung des auferstandenen Herrn zu melden. Und wie die fünf klugen Jungfrauen im Gleichnis dem kommenden Bräutigam mit ihren ölgetränkten Lampen entgegeneilen zur ewigen Hochzeit. Genauso rennt der Mensch, wenn ihn die Gnade Gottes ergriffen und erfaßt hat, eilends hin zum ewigen Ziel, zu seinem geliebten Herrn und Gott, wie wir an den großen Heiligengestalten eindrucksvoll sehen können. Sie verlassen Haus und Brüder und Schwestern und Vater und Mutter und Weib und Kind und Äcker. Keine dieser Hürden kann sie hindern oder zu Fall bringen. In Leichtigkeit gehen sie darüber hinweg. Alles lassen sie um des Namens Christi willen hinter sich. Selbst ihr eigenes Leben verachten sie, während ihr Blick in hoffnungsvoller Freude einzig auf den verheißenen hundertfachen Lohn und das ewige Leben gerichtet bleibt (vgl. Mt. 19,28 f.). Bemerkenswert ist, was gerade am Lauf vieler Heiliger offenbar wird: Je näher sie Gott kommen, umso schneller laufen sie, umso mehr treibt sie die Gnade an, um den ewigen Siegespreis zu erlangen.
Der Wettlauf
Wenn nun aber der Mensch einmal diesen Lauf der Gnade antritt, dann sind auch schnell die beiden anderen Konkurrenten zur Stelle – der Lauf der Zeit und der Lauf der Sünde.
Zunächst also die Konkurrentin „Zeit“. Sie will den Laufenden einholen mit den Altlasten seiner Vergangenheit und auch mit den Sorgen und Ängsten im Hinblick auf die Zukunft. Läßt sich der Mensch von ihr in der Arena einholen und überholen, so versetzt sie ihn, sozusagen mit ihrem Medusenblick, in Erstarrung. Sie hemmt und lähmt seinen Lauf und bannt ihn, der doch dem ewigen Ziel entgegenläuft ins Zeitliche, hält ihn in dieser Welt fest. Die Erinnerung an das Vergangene, an das leichte Leben vor der Bekehrung, macht das Herz schwer. Was man da nicht alles „aus Liebe zu Gott“ aufgegeben hat. Alles das, woran man früher doch seine ergötzliche Freude gehabt hat und woran sich andere jetzt noch freuen. Der sehnsuchtsvolle Blick zurück läßt den Menschen wie die Frau des Lot gleichsam zur Salzsäule erstarren. Eine ähnliche Erstarrung tritt beim Menschen ein, wenn er sich nicht von dem erlittenen Unrecht, das ihm in der Vergangenheit vermeintlich oder tatsächlich zugefügt worden ist, loslösen kann. Das wiederholte Sich-Erinnern, das Nachtragen und Murren läßt die Seele innerlich bitter werden. Der Eifer erlahmt. Die Seele bleibt gefangen in ihrer Vergangenheit. Deshalb warnt der Herr: „Niemand, der seine Hand an den Pflug legt und nach dem Rückwärtigen schaut, ist tauglich für das Reich Gottes.“ (Lk. 9,62).
Aber die Konkurrentin Zeit weiß unseren Lauf auch auf eine andere Weise zu sabotieren. Die Ungewißheit der Zukunft bringt es mit sich, daß Unsicherheit, Zweifel und Ängste entstehen. Wird dieser Weg, auf dem ich schreite, tatsächlich zum Ziel, zur Heiligkeit, zu Gott führen? Oder mache ich mir nur etwas vor? So lange laufe und kämpfe ich nun schon; so viele Jahre sind seit meiner Bekehrung verstrichen und immer wieder beichte ich die gleichen Sünden; noch immer kann ich keinen wesentlichen Fortschritt in der Tugend feststellen; immer wieder stelle ich fest, daß ich meine guten Vorsätze nicht einhalte. Ja, und hat mir die Religion denn schon viel gebracht? Leben die anderen nicht besser ohne Gott? Meistern sie ihr Leben nicht teilweise sogar besser als ich? Ist der treue Gott wirklich an meiner Seite, oder hat Er mich nicht längst verlassen? Auch so erlahmen der Eifer und der Schwung. Das Herz wird zentnerschwer. Zu schwer, um weiterzulaufen. Der Mensch bleibt stehen. Und das Fatale: Er ist dann nicht mehr in der Lage, dem Ruf des Hausvaters zu folgen, in den Weinberg zu eilen, im Weinberg seiner Seele zu arbeiten und eine reiche Ernte an Tugendfrüchten hervorzubringen. Die Lebenszeit fließt ungenutzt dahin. Bis der Tod den Lebenslauf beendet, ohne daß das Ziel erreicht wurde. – Dann ist es zu spät. Die Türe zum himmlischen Hochzeitssaal ist bereits verschlossen. – Wie viele sind es doch, die sich von der Zeit haben einholen und überholen lassen, die sich einmal aufmachen wollten, die aber dem Ruf zur Bekehrung, zur Beichte und zur Lebensbesserung erst folgen wollten, als es schon zu spät war. Ja, und wie viele haben nicht einst ihren Lauf mit solch freudigem Eifer begonnen, daß die größten Hoffnungen berechtigt schienen, nur, um dann doch mitten auf halber Wegstrecke wieder nachzulassen und mutlos, die Aufgabe signalisierend, stehen zu bleiben?
Der zweite Konkurrent zum Lauf der Gnade ist der „currus peccati“, der Lauf der Sünde. Auch die Sünde streckt sich nach unserem Athleten aus, ihn festzuhalten, ihn zu Fall zu bringen. „Fairplay“ gibt es für die Sünde nicht. Sie arbeitet mit allen fiesen Verführungstricks. Sie will den Menschen an sich ketten und in die entgegengesetzte Richtung vom Ziel zerren. Weg von Gott! Weg von dem Gedanken an die Ewigkeit! Hinein in zeitliche Vergnügen und fleischliche Genüsse! Hinein in das weltliche Eifern um Besitz, Ansehen und Macht! Das Ziel der Sünde ist ja der endgültige Untergang, das ewige Verderben. Sie betäubt das Gewissen, vernebelt den Verstand, vergiftet den guten Willen, verhärtet das Herz und tötet die Seele. Und wie viele gab und gibt es, die sich vom Weg der Gnade weggelockt und im Dschungel ihrer sündhaften Verstrickungen festgehalten, wiedergefunden haben. Ganz unmerklich hat es zunächst begonnen. Vielleicht sogar unter dem Anschein des Guten und der Tugendhaftigkeit. Denn die Sünde vermag es, wie der Teufel, sich als „Engel des Lichts“ zu präsentieren. Und je länger einer mit der Sünde kokettiert, umso größer wird ihr Einfluß. Und weil ihr nicht entschieden genug Einhalt geboten wird, vermag sie der Seele ihr tödliches Gift einzuflößen und den Menschen zu Fall zu bringen, daß er sich aus eigener Kraft nicht mehr davon erheben kann.
„Nur einer kann den Preis erlangen.“
Ja, bei diesem Wettkampf im Innern unserer Seele kann unter den drei Konkurrenten – dem Lauf der Zeit, dem Lauf der Sünde und dem Lauf der Gnade – tatsächlich nur einer den Siegespreis erlangen. Entweder lähmt uns die Zeit, oder die Sünde bringt uns zu Fall, oder die Gnade führt uns zur Heiligkeit. Eine fürwahr erbitterte Konkurrenz! Ständig muß unser Zug zur Bequemlichkeit überwunden werden. Das spricht der hl. Apostel Paulus in der heutigen Epistel ja überdeutlich an. „Jeder, der sich am Wettkampf beteiligt, übt in allem Enthaltsamkeit.“ „Ich laufe daher, aber nicht ins Ungewisse; ich kämpfe, aber nicht wie einer, der bloß Luftstreiche ausführt, sondern ich züchtige meinen Leib und bringe ihn in Dienstbarkeit, damit ich nicht selbst verworfen werde, nachdem ich anderen gepredigt habe.“ Nie können wir uns sicher sein, nie uns sagen: „Ich habe mich genug entgegengestemmt“, wenn der Versucher uns unseren geistlich jugendlichen Eifer aus- und uns eine behagliche Genügsamkeit einreden will.
Aber die göttliche Gnade ist es, die uns mit immer größerer Geschwindigkeit spurten, ja, mehr noch: die uns fliegen läßt. Hinweg geht es über die vorne, links und rechts aufgetürmten Hürden. Hinweg, in jener unvergänglichen Jugendlichkeit des Geistes, zu der wir in der hl. Taufe wiedergeboren wurden und die wir am Anfang jeder heiligen Messe beim Stufengebet beschwören: Hin geht es „ad Deum, qui laetificat juventutem meam“ – „zu Gott, der mich erfreut von Jugend auf“. Diese übernatürliche Jugendlichkeit gilt es zu erneuern, indem wir unsere schläfrige Lauheit, in der wir so durch den Alltag taumeln, abschütteln und unseren von der Gottesliebe angetriebenen religiösen Eifer wiederbeleben.
Die Lebenszeit ist ein kostbares Gut, mit dem wir uns die Ewigkeit verdienen müssen. Eben deshalb müssen wir uns dieser Tage wieder ernste Gedanken darüber machen, welche Ziele wir in der bevorstehenden Fastenzeit anstreben und welche Arbeitsmethoden wir zu deren Erreichung im Weinberg unserer Seele zur Anwendung bringen wollen. Die Fastenzeit ist ein Jungbrunnen für unsere Seele. Die Fastenzeit ist die Arbeitszeit, zu der uns der Herr heute in den Weinberg unserer Seele ruft. Der in Aussicht stehende Lohn ist das ewige Leben, das ewige Heil, die ewige Glückseligkeit, die ewige Ruhe. Die Fastenzeit ist die Rennbahn, in der wir dem Sieg entgegenstreben.
„Lauft so, daß ihr ihn erlangt!“
Was ist zu tun? Zuerst müssen wir sicherstellen, daß wir während der Fastenzeit tatsächlich auf der Rennbahn der Gnade laufen. Das tun wir durch eine gut vorbereitete hl. Beichte. Sie wird alle Hindernisse der Sünde in unserer Seele beseitigen und uns mit helfenden Gnaden zur Selbstüberwindung und zu guten Werken antreiben.
Was ist ferner zu tun, um sich von dem Lauf der Zeit und dem Lauf der Sünde nicht wieder behindern zu lassen? Fassen wir in den nächsten Tagen Vorsätze für die Fastenzeit. Gute Vorsätze! Konkrete Vorsätze! Welche sollen das sein? Um nützliche Vorsätze fassen zu können, müssen wir den Heiligen Geist im Gebet anflehen. Denn nur in Seinem Licht kann es uns gelingen, unseren tatsächlichen Seelenzustand wahrhaft zu erkennen und anhand dieser gewonnenen Erkenntnis gezielte Vorsätze fassen zu können; damit wir nicht ins Ungewisse laufen und den Gegner dort bekämpfen, wo er gar nicht ist. Wenn unsere Vorsätze aber keine Luftstreiche sein, sondern tatsächlich einen Fortschritt begründen sollen, dann ist darauf zu achten, daß sie wirklich treffen.
Wenn etwa ein Jäger ein Reh, einen Hasen oder Geflügel erlegen will, so genügt es noch nicht, daß er ein Gewehr und Munition besitzt und einfach auf das Wild, das er vor die Flinte bekommt, losschießt. Vor dem Schießen muß er zielen! Gut zielt! Möglichst genau zielen! Er muß den Lauf des Jagdgewehres genau auf das Wild richten, das er treffen will. Weder höher, noch tiefer, weder rechts noch links, sondern in gerader Richtung auf das Wild. – Dasselbe gilt für unsere Vorsätze. Sie müssen treffend sein. Nur dann können sie einen wahren Nutzen stiften. Sie sollten vier Bereiche betreffen: nämlich den Hauptfehler, das Tugendstreben, das Gebetsleben und die Abtötung. Wir müssen also konkrete Vorsätze fassen, die geeignet sind
- den in unserer Seele vorherrschenden Hauptfehler zu treffen. Der Hauptfehler ist bei jedem Menschen unterschiedlich; sei es der Stolz, der Neid, der Geiz, die Trägheit, die Unkeuschheit, die Unbeherrschtheit, der Zorn bzw. die Ungeduld, das Murren usw. Der Hauptfehler wird am besten getroffen, indem man
- solche Vorsätze faßt, die uns dazu anhalten, die eben diesem Hauptfehler entgegengesetzte Tugend zu erlangen. Der Unkeusche muß keusch, der Ungeduldige geduldig, der Zornmütige sanft, der Stolze demütig, der Träge fleißig, der Unbeherrschte maßvoll, der Neidische wohlwollend, der Murrende gottergeben, der Redselige überlegt, der Selbstsüchtige mitteilsam usw. werden.
- Sollte sich ein Vorsatz auf die Belebung unseres geistlichen Lebens richten; sei es durch zusätzliche oder besondere Gebetsübungen, die sich für die Fastenzeit eignen, sei es durch die Lesung eines geistlichen Buches oder das vertiefende Studium einer Glaubenswahrheit, das unser Gebetsleben befruchtet.
- Sollte sich jeder – insbesondere aber jene, die aufgrund ihres Alters oder sonstiger Umstände nicht zum Fasten verpflichtet sind – für die 40 Tage wenigstens einen Verzicht, eine kleine Abtötung, auferlegen, um für die persönlichen Sünden Buße zu tun. Hier sei besonders der Verzicht auf Nachrichten, soziale Medien und ganz allgemein Bildschirme angeraten. Der Rückzug aus dem weltlichen Treiben wird die Hinwendung zu Gott und die Konzentration auf die Standespflichten begünstigen.
Schließlich dürfen wir bei der Verwirklichung unserer Vorsätze nicht auf unsere eigenen natürlichen Kräfte bauen – wir laufen ja auf der Rennbahn der übernatürlichen Gnade. Deshalb müssen wir Gott unsere Vorsätze in aller Demut unterbreiten und Ihn um Seinen übernatürlichen Beistand bei ihrer Umsetzung anflehen.
So erhalte, erfreue und erneuere Gott uns in der kommenden Fastenzeit jene geistige Jugend, damit wir, jünger und flinker denn je, zur höheren Ehre Gottes, zur Freude unserer himmlischen Mutter und unter den Anfeuerungsrufen unserer heiligen Engel und Patrone durch die Arena dieser Welt laufen; Demjenigen entgegenstürmend, der da mit liebevoll ausgebreiteten Armen und weit geöffnetem Herzen vom Kreuze herab uns zuruft: „Nun komm, meine geliebte Seele! Ich selbst bin dein Ziel, dein Lohn, dein Siegespreis und deine ewige Glückseligkeit.“ Amen.