Von der Unfehlbarkeit der Kirche

Geliebte Gottes!

Nach unserem kurzen Abstecher zur „Gemeinschaft der Heiligen“, durch den wir uns einen ganzheitlichen Überblick über die drei verschiedenen Dimensionen der Kirche auf Erden, im Fegfeuer und im Himmel verschaffen konnten, wollen wir uns heute wieder dem Wesen der „streitenden Kirche“ zuwenden.

Dabei wollen wir an eine Erkenntnis anknüpfen, die wir zuletzt gewonnen haben. Wir hatten gesehen, daß der Kirche von Gott die Aufgabe gestellt ist, die Menschen heilig und selig zu machen. Dafür mußte Gott die Kirche so ausrüsten, damit sie dieses übernatürliche Ziel erreichen kann. Diese Ausrüstung besteht in den drei Ämtern des Heilandes, welche Er Seiner Kirche anvertraut hat: das Lehramt, das Priesteramt und das Hirtenamt.

Notwendigkeit des göttlichen Beistandes

Ganz zum Schluß machten wir jedoch die Feststellung, daß selbst diese drei hl. Ämter allein noch nicht ausreichend sind, damit die katholische Kirche ihren Daseinszweck erfüllen kann. Warum? Weil diejenigen, welche in die Amtsnachfolge Christi getreten sind und treten werden, fehlerhafte Menschen und dazu geneigt sind, die Lehre, das Heilswerk und das Gesetz Christi zu verfälschen. Ja, über Jahrhunderte hinweg gedacht ist es aufgrund der Schwäche und Unbeständigkeit des Menschen undenkbar, daß eine moralisch so anspruchsvolle Religion wie die katholische unverändert und unverfälscht fortbesteht. Die Geschichte anderer, falscher Religionen beweist genau das, daß sie alle im Laufe der Zeit damit anfangen, Änderungen in ihrer Lehre vorzunehmen, Widersprüchliches zu behaupten, Zugeständnisse im Bereich der Sittlichkeit zu machen oder ihren Gottesdienst zu ändern. Sei es, daß sie, wie der Protestantismus, gewisse Sakramente abschaffen oder uminterpretieren. Sei es, daß durch Synkretismus Elemente anderer Religionen angenommen werden.

Wenn das bei der katholischen Kirche möglich wäre, so könnte und würde sie aufgrund der menschlichen Schwäche und Bosheit jene Mittel zerstören, durch die allein sie die Menschen bis zum Ende der Welt heilig und selig machen kann und muß. Sie wäre dann keineswegs die „Säule und Grundfeste der Wahrheit“ (1. Tim. 3,15), als welche sie der Völkerapostel beschrieben hat. Sie würde uns keine zuverlässige Führerin zum Himmel sein, sondern wir stünden in der Gefahr, gerade durch unseren Gehorsam gegen die Kirche von ihr zur Sünde verführt und in die Hölle geführt zu werden.

Weil das nicht geschehen darf, muß die katholische Kirche einen übernatürlichen, göttlichen Beistand besitzen, der sie vor jedem Irrtum und vor jedem Defekt bewahrt. Damit sie den Menschen bis zum Ende der Zeiten als zuverlässige Mittlerin des ewigen Lebens dienlich sein kann. Nur Kraft des göttlichen Beistandes kann die Kirche Christi bis zum Ende der Welt die „eine, heilige, katholische und apostolische Kirche“ sein und bleiben, die wir im Credo bekennen.

Da nun kaum ein anderer Bereich in der Lehre über die katholische Kirche heutzutage mehr geleugnet und verschwiegen oder aber völlig entstellt dargestellt wird als die Lehre von der kirchlichen Unfehlbarkeit, ist es für uns eine umso dringlichere Aufgabe, auf dieses Thema etwas genauer einzugehen. Dabei wollen wir folgende Fragen klären:

  1. Was ist überhaupt gemeint, wenn man sagt, die Kirche sei unfehlbar?
  2. Welche Organe der Unfehlbarkeit gibt es in der Kirche?
  3. Auf welche Weise betätigt die Kirche ihre Unfehlbarkeit?

Und schließlich wollen wir die Lehre von der Unfehlbarkeit der Kirche auf das sog. 2. Vatikanum zur Anwendung bringen.

Was ist gemeint, wenn man sagt, die Kirche sei unfehlbar?

Zunächst müssen wir uns Klarheit darüber verschaffen, was mit dem Begriff der Unfehlbarkeit überhaupt ausgesagt ist. – Die Wortbedeutung des Begriffes „Unfehlbarkeit“ besagt ganz allgemein das Freisein von jedem tatsächlichen Fehler und von jeder Möglichkeit eines Fehlers. Unfehlbarkeit im Vollsinn besagt das Freisein von jedem Irrtum auf der Ebene der Erkenntnis und das Freisein von jeder Sünde auf dem Gebiet der sittlichen Handlungen. In diesem vollen Sinn findet sich die Unfehlbarkeit von Natur aus einzig und allein bei Gott. Gott allein ist der Unfehlbare schlechthin. Nur bei Ihm ist grundsätzlich jeder tatsächliche Fehler und selbst jede Möglichkeit dazu ausgeschlossen. Denn der Irrtum selbst und schon überhaupt die Möglichkeit eines Irrtums wäre unvereinbar mit der Allwissenheit Gottes. Genauso schließt die Heiligkeit Gottes jede tatsächliche moralische Verfehlung oder auch nur die Möglichkeit dazu gänzlich aus. In absoluter Weise ist also nur Gott unfehlbar.

Wenn nun Gott einem Geschöpf Anteil an Seiner Unfehlbarkeit gibt, so ist das folglich nur durch Seinen übernatürlichen Beistand möglich. Im Falle der Kirche beschränkt sich die Anteilnahme an der göttlichen Unfehlbarkeit lediglich auf den Kreis der Wahrheitserkenntnis. Wenn wir also im Folgenden von der „Unfehlbarkeit der Kirche“ sprechen, so meinen wir damit nicht die Unsündlichkeit jener Glieder, die an der kirchlichen Unfehlbarkeit Anteil haben. Die Träger der Unfehlbarkeit können persönlich sehr wohl Sünder sein und sündigen. Die Unfehlbarkeit schließt lediglich aus, daß ihre Träger nicht irren können. Unfehlbarkeit in unserem Sinn besagt also lediglich die Irrtumslosigkeit!

Aber selbst darin muß eine Einschränkung gemacht werden. Die Kirche ist nicht in allen Bereichen der Wahrheitserkenntnis unfehlbar, sondern nur in den für das menschliche Heil relevanten. Nicht also in den Fragen der Naturwissenschaften, der Physik, der Chemie, der Mathematik, der Biologie und der Medizin. Nicht in Fragen der Geschichtswissenschaften, der Wirtschaftswissenschaften, der Kunstwissenschaften etc. In all diesen Bereichen kann die Kirche keine Unfehlbarkeit beanspruchen. Immer unter der Voraussetzung, daß die genannten Wissenschaften in ihren Erkenntnissen und Aussagen nicht solche Fragen berühren, die auch das ewige Heil des Menschen betreffen.

a) Irrtumslosigkeit in Angelegenheiten des Glaubens und der Sitten

Denn in allen Bereichen, die für unser ewiges Heil relevant sind, ist die katholische Kirche sehr wohl unfehlbar. Schön beschreibt der Theologe Johann Baptist Heinrich das Gebiet der kirchlichen Unfehlbarkeit: „Insofern kann man mit Recht sagen und hat es vielfach gesagt, daß die Unfehlbarkeit der Kirche durch das Heil der Seelen gefordert sei und sich so weit erstrecke, als es zum Heile der Seelen notwendig [ist].“ Welche Bereiche sind aber konkret für unser ewiges Heil notwendig? Es sind die Gebiete des Glaubens und der sittlichen Handlungen.

Glaubenslehre ist das, was der Katholik für wahr halten muß. „Wer glaubt … der wird gerettet.“ (vgl. Mk. 16,16). Die Kirche kann vermöge ihrer Unfehlbarkeit nichts lehren, was dem von Jesus Christus geoffenbarten Glauben widersprechen würde. Kraft des göttlichen Beistandes wird die Kirche vom Heiligen Geist selbst gelehrt. Er führt sie in alle Wahrheit ein (vgl. Joh. 16,13). Er erinnert sie an alles, was Christus gesagt und gelehrt hat (vgl. Joh. 14,26). Deshalb ist ein Irrtum bei Entscheidungen in Glaubensfragen unmöglich. Daraus folgt auch, daß die Kirche einen Irrtum sicher erkennt und man ihr gänzlich und aufrichtig zustimmen muß, wenn sie irgendeine Lehre als falsch oder häretisch bezeichnet und verdammt.

Sodann umfaßt die kirchliche Unfehlbarkeit auch den Bereich der Sittenlehre. Sittenlehre ist das, was der Katholik tun muß. Wir haben nicht bloß zu glauben, sondern sollen auch das, was der Glaube lehrt, durch die Tat vollbringen. „Lehrt sie alles halten, was Ich euch befohlen habe“ (Mt. 28,20). Die Kirche hat also auch über die Sittlichkeit oder Unsittlichkeit von menschlichen Handlungen zu entscheiden und ist auch in diesen Urteilen unfehlbar. Wäre das nicht der Fall, könnte also die Kirche in diesen Angelegenheiten irren, indem sie das, was Gott fordert, verbieten oder das, was Gott verbietet, erlauben könnte, dann könnten die Gläubigen leicht vom rechten Weg abkommen und ins Verderben geführt werden. Genau auf jene Weise, wie man es derzeit anschaulich an der „konziliar-synodalen Kirche“ von „Papst“ Franziskus – man könnte ihm den Beinamen „der Zärtliche“ beilegen, so inflationär wie er dieses Wort gebraucht – mit dessen sodomiten- und ehebrecherfreundlichen „Moral“ beobachten kann. Die katholische Kirche ist vor solchen Abweichungen geschützt, weil Gottes Erbarmen mit den Menschen so groß ist, daß Er so etwas nicht zulassen kann. Dafür hat Er der Kirche den unfehlbaren Beistand des Heiligen Geistes gegeben, der sie davor bewahrt, etwas der göttlichen Offenbarung Widersprechendes, Falsches oder Unsittliches zu verkünden.

Aber nicht nur das Gebiet der göttlich geoffenbarten Wahrheiten ist durch die Unfehlbarkeit abgesichert. Die von Gott geoffenbarte Wahrheit ist zwar der unmittelbare, primäre Gegenstand derselben, die Unfehlbarkeit der Kirche geht jedoch darüber hinaus. Sie umfaßt auch als Sekundärgegenstand jene Wahrheiten, die zwar nicht von Gott geoffenbart sind, die aber zu deren Erklärung und Verteidigung der Offenbarung notwendig sind. Konkret erstreckt sich die Unfehlbarkeit auch auf das Gebiet jener philosophischen Wahrheiten, deren Leugnung einschlußweise auch die Leugnung einer Glaubenslehre oder Sittenlehre zur Folge hätte. – Ferner fallen unter den Schutz der kirchlichen Unfehlbarkeit die allgemeingültigen Gesetze der Kirche. Sie sind zwar nicht von Gott geoffenbart, sondern von der Kirche erlassen. Ihre Einhaltung und Befolgung ist aber sehr wohl für ausnahmslos alle Katholiken heilsrelevant. – Gleiches gilt für die von der Kirche erlassenen liturgischen Riten zur Sakramentenspendung, von deren zuverlässiger Gültigkeit das ewige Heil aller Gläubigen abhängt. – Unfehlbar sind ferner die approbierten Ordensregeln. Durch die Gutheißung der Kirche muß garantiert sein, daß die Befolgung der Regel eines Ordens und jene, die sich durch Gelübde daran binden, einen sicheren Pfad beschreiten, der mit der Lehre des Evangeliums übereinstimmt und unfehlbar in den Himmel führt. – Auch die Heiligsprechungen müssen von der Unfehlbarkeit abgedeckt sein, weil die Kirche darin urteilt, daß diese eine Person im Himmel ist, deshalb von den Gläubigen verehrt werden muß und um Fürsprache bei Gott angerufen werden soll. Ferner gilt das Leben eines Heiligen allen Katholiken als nachahmenswertes Beispiel sittlichen Handelns. Und deshalb ist dieses Urteil sehr wohl heilsrelevant für uns. Sagt doch die Kirche mit einer Heiligsprechung zu uns: „Wenn ihr dem Vorbild dieses Heiligen nacheifert, dann werdet ihr wie dieser Heilige in den Himmel gelangen.“ – Schließlich ist die Kirche auch unfehlbar in den sog. „dogmatischen Tatsachen“, also im Urteil über die Wirklichkeit von Fakten, die dem Dogma des Glaubens zugrundeliegen. Etwa die Tatsache, daß die biblischen Ereignisse tatsächlich geschehen sind, daß Pius X. tatsächlich Papst war und folglich seine Amtsakte verbindlich sind, oder daß ein bestimmter Irrtum tatsächlich von dieser konkreten Person vertreten wurde bzw. in diesem konkreten Buch wirklich enthalten ist.

In all dem muß die Kirche unfehlbar sein, weil die garantierte Irrtumslosigkeit in den genannten Bereichen „zum Heil des Menschen notwendig“ ist. Dazu ist ihr der Beistand des Heiligen Geistes von Christus zugesichert.

Um das Wesen der kirchlichen Unfehlbarkeit noch deutlicher herauszustellen, wollen wir es von anderen, ähnlichen Formen abgrenzen, in denen der Heilige Geist im Zusammenhang mit der Weitergabe der göttlichen Wahrheit tätig ist. Die Unfehlbarkeit muß zum einen unterschieden werden von der Offenbarung Gottes und zum anderen von der Inspiration der Heiligen Schrift. Bei allen ist der Heilige Geist durch Seinen Beistand tätig. Aber jeweils auf unterschiedliche Weise.

b) Der Unterschied zur Offenbarung

Der Begriff der göttlichen Offenbarung besagt die Mitteilung bisher unbekannter Wahrheiten, durch Gott. Durch Offenbarung wurden der Kirche bis zum Tod des letzten Apostels neue Wahrheiten mitgeteilt und bisher gänzlich unbekannte Geheimnisse Gottes eröffnet. Damit wurde der Glaubensschatz der Kirche angereichert und vermehrt. Mit dem Tod des letzten Apostels ist die Offenbarung ein für allemal abgeschlossen.

Im Unterschied dazu besagt die kirchliche Unfehlbarkeit lediglich, daß der empfangene Offenbarungsschatz, durch den Beistand des Heiligen Geistes treu und unverfälscht bewahrt wird. Hierbei zielt der göttliche Beistand also nicht auf die Vermehrung der Wahrheitserkenntnisse, sondern nur auf die zuverlässige Bewahrung derselben. Sodaß von der Kirche weder etwas Neues hinzuerfunden werden kann, noch etwas davon verlorengehen oder durch Irrtum verfälscht werden kann. So hat auch das Vatikanische Konzil die Unfehlbarkeit des Papstes vom Begriff der Offenbarung abgegrenzt: „Den Nachfolgern des Petrus wurde der Heilige Geist nämlich nicht verheißen, damit sie durch Seine Offenbarung eine neue Lehre ans Licht brächten, sondern damit sie mit Seinem Beistand die durch die Apostel überlieferte Offenbarung bzw. die Glaubenshinterlage heilig bewahren und getreu auslegen.“ (DH 3070).

Seit dem Tod des letzten Apostels ist jede „Neuheit in der Lehre“ automatisch als Irrtum, als Häresie entlarvt. Darin unterscheidet sich also die göttliche Offenbarung von der Unfehlbarkeit. Durch Offenbarung wurde das Glaubensgut vermehrt. Durch die Unfehlbarkeit hingegen wird es nicht vermehrt, sondern bis zum Ende der Zeiten gerade ohne Zugabe oder Weglassung irrtumslos bewahrt und stets im richtigen Sinn erklärt.

c) Der Unterschied zur Inspiration

Ferner ist der unfehlbare Beistand zu unterscheiden von der Inspiration des Heiligen Geistes. Durch Inspiration wurden die menschlichen Schriftsteller jener hl. Bücher, die wir heute in der „Heiligen Schrift“ zusammengefaßt finden, vom Heiligen Geist angeregt, alles – selbst die scheinbar unwichtigsten Wahrheiten und Tatsachen – niederzuschreiben. Dabei wurde ihr Verstand nicht nur vor Irrtum bewahrt, sondern auch so erleuchtet, daß die hl. Propheten, Apostel und Evangelisten alles genau so niedergeschrieben haben, wie Gott es wollte. Deshalb gilt ja auch Gott völlig zurecht als Urheber der Heiligen Schrift. Gott hat sich der menschlichen Schriftsteller bedient, so wie der Buchautor sein Schreibwerkzeug gebraucht. Er hat sie zum Schreiben angeregt, hat dabei ihren Verstand erleuchtet, den Gang ihrer Darstellung und Gedanken geführt und bis zum Ende geleitet.

Anders verhält es sich mit der Unfehlbarkeit. Der unfehlbare Beistand ist kein aktiver, sondern ein passiver. Den Trägern der Unfehlbarkeit fliegt die Wahrheit nicht durch eine besondere Erleuchtung einfach so zu. Nein, es ist für sie notwendig, in eigener Anstrengung die Glaubensquellen zu durchforschen. Sie müssen um die wahre Erkenntnis beten, sich beraten und um die Erfassung der Wahrheit ringen. Gebet, Forschung und Beratung sind unabdingbar. Der unfehlbare Beistand des Heiligen Geistes ist dabei nur passiv tätig. D.h., Er verhindert lediglich, daß all diese Bemühungen in die Irre gehen.

Konkret bedeutet das, daß der unfehlbare Geistesbeistand nicht garantiert, daß die Darlegung eines Glaubenssatzes nun besonders gelungen sei oder daß ein kirchliches Gesetz besonders klug und der Zeitpunkt seiner Einführung besonders weise gewählt ist. Nur eines steht fest: Das, was da erklärt wird, ist ohne Irrtum! Und die Befolgung eines solchen Gesetzes ist gewiß unschädlich für das ewige Heil. Die Urteile der Kirche über die Angelegenheiten des Glaubens und der Sitten sind deshalb nicht „Wort Gottes“, wie die Heilige Schrift, aber sie sind das „Wort der unfehlbaren Kirche“.

Dieser passive Beistand des Heiligen Geistes, der die katholische Kirche dazu befähigt, das durch Christus und die Apostel geoffenbarte und überlieferte Glaubensgut irrtumslos zu bewahren, ist der Grund dafür, daß wir uns in allen Streitigkeiten in Sachen des Glaubens und der Sitten fest und treu und ohne jegliche Bedenken an das halten können und müssen, was die Kirche entschieden hat und noch entscheiden wird.

Deshalb trifft zu, was der hl. Clemens von Alexandrien sagt: „Die Kirche ist der königliche und vor aller Gefahr sicher gestellte Weg.“ (lib. de praescr. 28). – Fragen wir sodann nach den Organen der kirchlichen Unfehlbarkeit.

Welche Organe der Unfehlbarkeit besitzt die Kirche?

Wenngleich freilich alle Glieder der katholischen Kirche dieselben unfehlbaren Glaubenswahrheiten bekennen, dieselben sittlichen Normen akzeptieren und auf diese Weise an der Unfehlbarkeit der Kirche teilnehmen, so geschieht diese Teilnahme doch nicht bei allen auf gleiche Weise. Es gibt unter den verschiedenen Gliedern der Kirche ein klar zweigeteiltes Verhältnis von Ursache und Wirkung; so wie zwischen Siegel und Wachs.

Der Siegelstock, der Stempel, prägt seine Form – etwa ein Wappen oder Amtsabzeichen – dem weichen Wachs ein. Das Siegel ist dabei aktiv und prägend tätig, das Wachs ist passiv, empfangend. Auf diese Weise gelangt das Wachs zur Anteilnahme jenes Bildes, dessen Träger zuvor allein das Siegel war. Es trägt nun das identische Abbild des Siegelstockes in sich und damit Anteil an dessen Form. Beide Bilder – das auf dem Siegelstock und das im Wachs – sind absolut deckungsgleich.

a) Die Ursächlichkeitsordnung der kirchlichen Unfehlbarkeit

In ähnlicher Weise verhält es sich bei den Gliedern der Kirche. Man unterscheidet eine aktiv-prägende und eine passiv-empfangende Unfehlbarkeit. Erstere ist ursächlich tätig. Die andere ist die Wirkung dieser Tätigkeit.

Die „aktive Unfehlbarkeit“ kommt den Hirten der Kirche zu. Sie wird auch die „Unfehlbarkeit im Lehren“ genannt. Die „passive Unfehlbarkeit“ kommt hingegen allen übrigen Gliedern der Kirche zu, indem sie ihre Zustimmung zu der von den Hirten der Kirche vorgetragenen Glaubensverkündigung geben. Man nennt ihre Unfehlbarkeit die „Unfehlbarkeit im Glauben“. Auf diese Weise besitzen alle Glieder der Kirche Anteil an der unfehlbaren Wahrheit. Und so ist die Kirche insgesamt unfehlbar.

Den „Lehrkörper der Kirche“ bildet die Gesamtheit ihrer Hirten. Kurz: Der „Gesamtepiskopat“. Er besteht also aus dem Papst und den mit ihm vereinten Bischöfen, die das Hirtenamt in der Kirche ausüben – die residierenden Bischöfe. Nur sie sind als Nachfolger der Apostel und Hirten der Kirche auch die amtlich berufenen Lehrer der Kirche. Der Papst allein ist es für die gesamte Kirche. Der Bischof für sein jeweiliges Bistum. Zusammengenommen sind sie die „lehrende Kirche“.

Alle übrigen Katholiken bilden die „hörende Kirche“. Also die Titular- und Weihbischöfe. (Sie üben keine Hirtengewalt aus, seit Papst Gregor XV. die ggf. zu übenden Regierungsgeschäfte ihrer verlorengegangenen Bistümer an den Apostolischen Stuhl gezogen hat. Folglich werden sie auch nicht als Teil des Lehrkörpers betrachtet.). Ferner die Priester, Theologieprofessoren und Religionslehrer bis hinab zum einfachen Laien.

Es muß ausdrücklich darauf hingewiesen werden, daß zum „Gesamtepiskopat“ stets der Papst mitzuzählen ist! Der Papst alleine ist aufgrund seiner universalen Hirtengewalt sehr wohl Repräsentant des Gesamtepiskopates, nicht hingegen die Gesamtheit der Bischöfe ohne den Papst. Das Ganze ist stets mehr als die Summe seiner Teile. Deshalb ist jeder Diözesanbischof für sich genommen nur ein fehlbarer „Lehrer der Kirche“. Mit dem Papst zusammen aber, d.h. in Anschluß an ihn und in Einklang mit seiner Lehre, bilden die Bischöfe die unfehlbare „lehrende Kirche“.

b) Eine Forderung des päpstlichen Primates

Daraus wird ersichtlich, daß es auch innerhalb des Lehrkörpers, also unter den Lehrern der Kirche, ein Ursächlichkeitsverhältnis gibt: Die Autorität des Papstes übt eine prägende und bestimmende Kraft auf das Urteil der Bischöfe aus, durch welche die Bischöfe Anteil an der Unfehlbarkeit des Papstes erlangen.

Die Wurzel der kirchlichen Unfehlbarkeit ist deshalb ganz allein im Felsenfundament der Kirche, im Papst, zu finden. Es handelt sich dabei um eine Forderung des päpstlichen Primates. Kraft des Primates über die ganze Kirche ist er allein der oberste Richter in Fragen des Glaubens und der Sitten. Seine Entscheidungen prägen das Urteil der einzelnen Bischöfe. Und der Glaube des einzelnen Katholiken wird wiederum von diesen geprägt.

Weil sein Richterstuhl in allen kirchlichen Angelegenheiten der höchste ist, der wiederum aber selbst von keiner irdischen Gewalt gerichtet werden kann, ist es für den Fortbestand der Kirche unabdingbar, daß dem Amt des Papstes der unfehlbare Beistand des Heiligen Geistes als dauerndes „Charisma der sicheren Wahrheit und des nie versagenden Glaubens“ (DH 3071) zueigen ist. Denn könnte der Papst in seiner Funktion als oberster Lehrer und letztinstanzlicher Glaubensrichter irren, so würde er notwendigerweise die ganze Kirche mit sich ins Verderben reißen.

Die Bischöfe hingegen sind keineswegs oberste Richter in den Angelegenheiten des Glaubens und der Sitten, sondern nur Wächter und Zeugen derselben in ihren jeweiligen Diözesen. Der Papst kann ihnen zwar, wie wir noch sehen werden, auf einem allgemeinen Konzil Anteil an seinem obersten Richteramt geben. Diese Anteilnahme erfolgt jedoch in völliger Abhängigkeit und Unterordnung unter den Papst. Gerade dadurch erweisen sie sich als Nachfolger der Apostel. Wollten sich hingegen alle Bischöfe der Welt gegen den Papst verschwören, so daß der Papst ganz alleine mit seinem Urteil stünde, so wäre doch stets bei ihm allein mit unfehlbarer Sicherheit die katholische Wahrheit zu finden, während all jene Bischöfe, welche ihm Widerstand leisten und gegen ihn aufstehen, aufhören würden, Hirten und Lehrer, ja sogar Glieder der Kirche zu sein.

Die Kirchengeschichte hat es ja immer wieder gezeigt, daß Bischöfe – auch die Mehrzahl der Bischöfe – sehr wohl in Irrtum und Häresie fallen können. Ja, die schlimmsten Häresien konnten oft nur deshalb so schlimmen Schaden in der Kirche anrichten, weil die Irrlehrer entweder selbst Bischöfe waren, oder weil sie von einer gewissen Zahl von Bischöfen verteidigt wurden.

Andererseits liefert die Geschichte auch den Tatsachenbeweis, daß der Römische Stuhl faktisch nie von der geoffenbarten Wahrheit abgewichen ist. Nur so konnte das Vatikanische Konzil erklären: „Deshalb haben die Bischöfe des ganzen Erdkreises, bald einzeln, bald auf Synoden versammelt, der langen Gewohnheit der Kirche und dem Vorbild der alten Regel folgend, vor allem diejenigen Gefahren vor den Apostolischen Stuhl gebracht, die in Angelegenheiten des Glaubens auftauchten, damit die Schäden des Glaubens vor allem dort wieder ausgebessert würden, wo der Glaube keine Beeinträchtigung erfahren kann.“ (DH 3069). „Denn sie [die rechtgläubigen Lehrer] wußten voll und ganz, daß dieser Stuhl des heiligen Petrus von jedem Irrtum immer unberührt bleibt.“ (DH 3070).

Es gibt also nicht zwei voneinander unabhängige Organe der Unfehlbarkeit in der Kirche, wie zahlreiche anti-römische Theologen immer wieder behauptet haben und was seit dem sog. 2. Vatikanum einmütig sowohl von den Befürwortern der konziliaren „Kollegialität“ als auch von den „Traditionalisten“ vertreten wird: Es gäbe da den Papst auf der einen Seite und dann auf der anderen, gewissermaßen als Korrektiv für den Papst, das sog. „Kollegium der Bischöfe“ (Bei den Traditionalisten sind das die „Bischöfe der Tradition“).

Diese Auffassung vertraten schon die Gallikaner und Altkatholiken. Sie behaupteten, daß die päpstlichen Entscheidungen ihre Verbindlichkeit und Unfehlbarkeit erst aus der nachträglichen Zustimmung der Bischöfe erhielten. Eine Behauptung, welche den Hirtenbefehl Christi an den hl. Petrus in sein Gegenteil verkehren würde. Christus befahl dem Simon Petrus: „Weide meine Schafe.“ (Joh. 21,17). D.h. „Weide die Bischöfe!“ – Wären die Fieberträume der Gallikaner und Altkatholiken wahr, so würde nicht der Hirte die Schafe, sondern die Schafe den Hirten leiten. Genau diese irrige Auffassung erfuhr eine Neuauflage gleich nach dem 2. Vatikanum durch die Lefebvre-Bewegung. Und heute feiert sie neue Urstände bei den Neo-Traditionalisten in der „konziliaren Kirche“, die ihren „Papst“ so gerne „korrigieren“ und „kindlich zurechtweisen“ wollen.

Nein, so wie jeder Mensch nur einen Mund hat, um damit die Wahrheit zu sagen, so hat auch der mystische Leib Christi nur einen einzigen Mund, den Gesamtepiskopat. Und aus diesem Mund ist stets die Stimme des Papstes, des Stellvertreters Christi, zu hören.

Halten wir also fest: Die Organe der kirchlichen Unfehlbarkeit sind der Papst allein für sich genommen und der Gesamtepiskopat, d.h. die Gesamtheit der residierenden Bischöfe, aber nicht allein und für sich genommen, sondern nur in Übereinstimmung und Unterordnung unter den Papst.

Die Betätigung des unfehlbaren Lehramtes

Nachdem wir den Aufbau des kirchlichen Lehrkörpers gesehen haben, müssen wir darauf eingehen, unter welchen Umständen die Unfehlbarkeit aufgerufen ist. Woran sind jene Akte des kirchlichen Lehramtes zu erkennen, welche Unfehlbarkeit erheischen? – Man könnte kurz antworten:

  1. Alle jene Akte müssen unfehlbar sein, welche die höchste Autorität der Kirche an sich tragen und die gesamte Kirche zur Annahme oder Befolgung verpflichten.
  2. Alle jene Akte müssen unfehlbar sein, die vom gesamten Lehrkörper wenigstens einschlußweise seit der Zeit der Apostel schon immer (konstant) gelehrt, oder zu einem bestimmten Zeitpunkt überall (gleichzeitig) auf der Welt einmütig als „katholische Lehre“ vorgetragen werden.

Wäre das Gegenteil möglich, so wäre die Unfehlbarkeit der Kirche kompromittiert und die Kirche insgesamt wäre in die Irre gegangen. Sei es aufgrund der Gehorsamspflicht aller Katholiken gegenüber der höchsten Autorität oder aber weil der gesamte Lehrkörper durch seine alltägliche Lehrtätigkeit entweder immer schon einen Irrtum als „katholische Lehre“ vertreten hätte oder weil die Kirche überall auf der Welt aus dem Mund eines jeden kirchlichen Lehrers gleichzeitig einen Irrtum als „katholische Lehre“ ausgeben würde. In allen genannten Fällen würde die gesamte Kirche notwendigerweise Irrtümer für wahr halten müssen und damit das Seelenheil aller Menschen zerstören.

Die Akte des kirchlichen Lehramtes, denen Unfehlbarkeit zukommt, manifestieren sich in zwei Formen:

  1. Als Akte des „außerordentlichen Lehramtes“. Sie schöpfen ihre Unfehlbarkeit entweder vom Papst alleine, oder vom Papst zusammen mit den auf einem ökumenischen Konzil versammelten Bischöfen. Oder:
  2. Als Akte des „allgemeinen ordentlichen Lehramtes“. Sie schöpfen ihre Unfehlbarkeit aus der Tatsache, daß die Bischöfe überall auf der Welt gleichzeitig und einmütig mit dem Papst in ihrer alltäglichen Lehrtätigkeit, einen Gegenstand als „katholische Lehre“ vertreten.

a) Das unfehlbare Lehramt des Papstes

Wenn wir Katholiken glauben, daß der Papst in seinem Lehramt unfehlbar ist, dann behaupten wir freilich keineswegs, daß alles, was der Papst spricht oder schreibt oder lehrt oder entscheidet, Anspruch auf Unfehlbarkeit hat. Keineswegs!

Wenn er aber als oberster Lehrer und Hirte, unter Aufbietung seiner Apostolischen Autorität, kurz: wenn er „als Papst“ spricht oder schreibt oder lehrt oder entscheidet, und sich dabei nicht bloß an einen oder mehrere Bischöfe, nicht bloß an eine oder mehrere Personen, sondern sich an die ganze Kirche, an alle Christen wendet, dann ist es ausgeschlossen, daß er etwas Irriges, Falsches, Unmoralisches oder für das Heil der Seelen irgendwie Schädliches vorschreiben könnte.

Nicht alles, was ein Richter sagt, ist ein gerichtliches Urteil, sondern nur das, was er „als Richter“ im Namen des Souveräns spricht, hat rechtliche Konsequenzen. Nicht jedes Schriftstück, das ein Beamter unterschreibt, ist eine amtliche Urkunde, sondern nur das, was er unter Beifügung seines Amtssiegels unterzeichnet.

Der Papst ist also dann unfehlbar, wenn er in Ausübung seines Amtes als oberster Hirte aller Christen gemäß seiner höchsten apostolischen Vollmacht eine Lehre über den Glauben oder über die Sitten kundgibt bzw. einen Irrtum gegen dieselben verurteilt und von der ganzen Kirche die gehorsame Annahme seiner Entscheidung verlangt. Diese außerordentlichen Entscheidungen – außerordentlich, weil sie nicht alltäglich sind – werden „ex cathedra“ genannt, also „vom Lehrstuhl aus“, weil sie der Papst in seiner Funktion als oberster und letztverbindlicher Lehrer der Kirche erläßt. Gleiches gilt von der Approbation der Ordensregeln, der liturgischen Bücher, der allgemeingültigen kirchlichen Gesetze und von den Heiligsprechungen.

Die äußere Form oder Feierlichkeit, mit welcher der Papst eine Kathedralentscheidung erläßt, spielt dabei keine Rolle. Der äußere Pomp und bestimmte Formulierungen dienen nur dazu, entweder um die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf seine Entscheidung zu lenken oder um es durch Gebrauch bestimmter Formeln den Theologen leicht zu machen, seine Entscheidung als „höchstrichterlich“ bzw. „definitiv und unabänderlich“ zu erkennen. Wenn seinen Urteilen und Erlassen feierliche Zeremonien oder bestimmte Begrifflichkeiten fehlen, so tut das der Unfehlbarkeit der päpstlichen Entscheidung keinen Eintrag. Es genügt, wenn er „als Papst“ mit höchster Autorität der ganzen Kirche etwas vorschreibt.

Freilich kann sich der Papst jedoch auch der größtmöglichen Feierlichkeit bedienen, welche seinem Amt zur Verfügung steht, nämlich indem er die Bischöfe der ganzen katholischen Welt zu einem allgemeinen Konzil zusammenruft.

b) Das unfehlbare Lehramt eines ökumenischen Konzils

In besonders wichtigen Streitsachen haben die Päpste im Laufe der Jahrhunderte, dem Beispiel der Apostel folgend, immer alle Bischöfe der katholischen Kirche eingeladen, sich an einem Ort zu einem „ökumenischen Konzil“ zu versammeln. „Ökumenisch“ bedeutet hier selbstverständlich nicht, was heute von der „konziliaren Kirche“ als „Ökumene“ praktiziert wird. Nein, „ökumenisch“ ist Griechisch und heißt „allgemein“, d.h. die ganze Kirche betreffend.

Ein ökumenisches Konzil ist also die Einberufung des gesamten kirchlichen Lehrkörpers, um gleichsam aus einem Munde für die gesamte Kirche Entscheidungen zu treffen. Die tatsächliche Anwesenheit aller Bischöfe der Welt ist natürlich nicht gefordert. Nichtsdestotrotz repräsentieren die versammelten Konzilsväter, und mögen es auch nur wenige sein, den Gesamtepiskopat. Die Einberufung und vor allem aber die abschließende Bestätigung der Konzilsbeschlüsse durch den Papst geben einem Konzil den Charakter eines „ökumenischen Konzils“. – Da ein solches Konzil natürlich nichts Alltägliches, sondern etwas Außerordentliches darstellt, fallen auch seine Entscheidungen unter die Kategorie des außerordentlichen Lehramtes.

Durch die Beteiligung der Bischöfe aus aller Welt erfahren die feierlichen Lehrverkündigungen natürlich keinen höheren Grad an Unfehlbarkeit, als würde der Papst alleine entscheiden. Aber aufgrund der großen Zahl der anwesenden Glaubensrichter, die einmütig mit dem Papst – gleichsam wie aus einem Mund und in höchstfeierlichem Rahmen – ihr Urteil in den verhandelten Angelegenheiten verkünden, wird die Allgemeingültigkeit derselben vor der ganzen Kirche hervorgehoben und durch die sichtbare Manifestation der geballten Autorität des zusammengetretenen Lehrkörpers in besonderer Weise eingeprägt.

Die Bürgschaft der Unfehlbarkeit erhalten die Lehren eines ökumenischen Konzils jedoch erst durch die Bestätigung des Papstes. So hat etwa Papst Leo II. nicht alle Beschlüsse des III. Konzils von Konstantinopel gutgeheißen, sondern manche korrigiert oder ganz kassiert. Dadurch wird nur wiederum deutlich, daß die Konzilsväter alleine nicht unfehlbar sind, sondern nur mit dem Papst zusammen und nur durch ihn Anteil an seiner Unfehlbarkeit nehmen.

Von alters her war die Unfehlbarkeit der allgemeinen Konzilien unbestritten. So sagte Papst Gregor d. Gr.: „Ich bekenne, daß ich die vier [bisher gefeierten] Konzilien genauso verehre wie die vier hl. Evangelien.“ (Epist. 1,25). Die hohe Autorität der allgemeinen Konzilien wird schließlich auch dadurch deutlich, daß selbst jene Bischöfe, die bei den Abstimmungen gegen die Beschlüsse gestimmt hatten, und auch alle abwesenden Bischöfe die Konzilsakten nachträglich unterschreiben mußten, sobald sie vom Papst bestätigt wurden, und Widerstand gegen seine Beschlüsse nicht nur als einfacher Ungehorsam, sondern auch als Häresie gebrandmarkt wurde.

Für uns wichtig, festzuhalten, ist die Tatsache, daß die Beschlüsse eines allgemeinen Konzils, solange sie noch nicht vom Papst bestätigt worden sind, sehr wohl Irrtümer und Fehler enthalten können. Sobald aber die päpstliche Bestätigung erfolgt, ist jeder Irrtum ausgeschlossen.

c) Das unfehlbare Lehramt des allgemeinen ordentlichen Lehramtes

Wenn nun also die Lehren des an einem Ort, auf einem ökumenischen Konzil, versammelten und mit einem Mund feierlich sprechenden kirchlichen Lehrkörpers unmöglich, irrig, falsch oder sonstwie für das Heil der Seelen abträglich urteilen kann, weil dadurch sonst die Unfehlbarkeit der Kirche kompromittiert wäre, dann gilt das in gleicher Weise, wenn derselbe Lehrkörper über das weite Erdenrund verteilt, in seiner alltäglichen ordentlichen Lehrtätigkeit einmütig mit dem Papst eine Sache als „zur katholischen Lehre gehörig“ festgehalten wird.

D.h., es handelt sich auch bei all den Dingen um unfehlbare Lehren, welche die Bischöfe gleichzeitig überall auf der Welt und in Übereinstimmung mit dem Papst lehren.

Man spricht hier vom „allgemeinen ordentlichen Lehramt“. „Allgemein“, d.h. es wird überall in der katholischen Welt so gelehrt. „Ordentlich“, d.h. die Lehre wird ohne großen Nachdruck durch die alltägliche bischöfliche Lehrtätigkeit als zum katholischen Glauben gehörig vorgetragen. In diese Kategorie fällt fast die gesamte Morallehre der katholischen Kirche. So gibt es beispielsweise keine feierliche Definition eines Papstes oder Konzils, daß Mord eine Sünde ist. Nichtsdestotrotz wurde die vorsätzliche Tötung eines unschuldigen Menschen zu allen Zeiten und an allen Orten einmütig als Todsünde deklariert. Dasselbe gilt auch bzgl. der Abtreibung, die ja ein Mord an den Unschuldigsten und Wehrlosesten ist. Ferner zählt auch die Lehre von der Existenz der hll. Schutzengel zum Gegenstand des allgemeinen ordentlichen Lehramtes. Es gibt auch über diese Wahrheit kein definiertes Dogma. Dennoch findet sich diese Lehre in jedem katholischen Katechismus auf der Welt. Würde es keine Schutzengel geben, dann würden alle Katechismen der Welt einen Irrtum beinhalten, dann würde die Kirche der Gesamtheit der Christen etwas Falsches lehren. Weil aber ein allgemeiner Irrtum auch auf diese Weise die Unfehlbarkeit der Kirche kompromittieren würde, steht im Umkehrschluß fest, daß all das, was überall auf der Welt, in jedem Bistum friedlich als zur katholischen Lehre gehörig festgehalten wird, notwendigerweise unfehlbar wahr sein muß. Deshalb ist auch die Lehre von der Existenz der Schutzengel aufgrund ihrer Allgemeinheit zu den unfehlbaren Glaubenssätzen zu rechnen.

Wir halten also fest: Eine Lehre, die von allen Bischöfen der Welt gleichzeitig und in Übereinstimmung mit dem Papst vertreten und den Katholiken als „katholische Lehre“ vorgetragen wird, ist unfehlbar.

Wie sind die Irrtümer des sog. 2. Vatikanums erklärbar?

Bringen wir gerade die letzten beiden Punkte zur Anwendung auf das sog. 2. Vatikanum. Es wurde 1962 von „Papst“ „Johannes XXIII.“ und nach dessen Tod von „Papst“ „Paul VI.“ scheinbar als „allgemeines Konzil“ einberufen. An keinem anderen allgemeinen Konzil der Kirchengeschichte nahmen so viele Bischöfe aus allen Ländern der Welt teil wie an dieser Kirchenversammlung. Am 7. Dezember 1965 hat „Paul VI.“ die Beschlüsse des 2. Vatikanums feierlich bestätigt und von allen Konzilsvätern unterzeichnen lassen. Seine Beschlüsse gelten heute überall auf der Welt als „katholische Lehre“.

a) Offensichtliche Irrtümer in den „Konzilsbeschlüssen“

Was folgt daraus? Es folgt daraus, daß scheinbar der gesamte Lehrkörper der katholischen Kirche wie aus einem Mund den Ökumenismus, die Religionsfreiheit und noch vieles andere mehr als zum katholischen Glauben gehörig verkündet hat. Nun wurde aber die Lehre vom Ökumenismus von Papst Pius XI. in seinem Rundschreiben „Mortalium animos“ als Irrtum verurteilt. Darin befindet der Heilige Vater, daß jeder, der den Ökumenismus vertrete, „den Boden der von Gott geoffenbarten Religion vollständig verlassen“ habe. Nicht minder deutlich forderte Papst Pius IX. unter Aufbietung seiner höchsten apostolischen Autorität in seiner Enzyklika „Quanta cura“, daß er von allen Katholiken verlange, u.a. die Lehre von der Religionsfreiheit ein für allemal als verdammt und verworfen aufzufassen. Wie ist es nun möglich, daß ein scheinbar vom „Papst“ gefeiertes „allgemeines Konzil“ wie das sog. 2. Vatikanum die Unfehlbarkeit der katholischen Kirche kompromittiert, indem es sich eindeutig in Widerspruch setzt zu den Entscheidungen der beiden Pius-Päpste?

Die Lefebvristen greifen zu der Ausflucht, das sei „ein Geheimnis“. Dabei liegt die Sache klar auf der Hand! Wie wir gesehen haben, können die Beschlüsse eines Konzils nur solange Irrtümer und Fehler enthalten, als sie noch nicht vom Papst bestätigt worden sind. Ja, aber „Paul VI.“ hat sie doch bestätigt! Jawohl, das hat er. Und genau damit hat er bewiesen, daß er nicht Papst war. Nicht, daß er dadurch aufgehört hätte, Papst zu sein. Denn wäre er Papst gewesen, dann hätte der Beistand des Heiligen Geistes gerade verhindert, daß er die Konzilsirrtümer gutgeheißen hätte. Die Irrtümer des sog. 2. Vatikanums sind nur dadurch zu erklären, daß diejenigen, welche es bestätigt haben, keine Päpste waren. Das ist die einzig mögliche Erklärung.

b) Der einmütig irrende „Gesamtepiskopat“

Für gewöhnlich wird dann gegen diese Feststellung der Einwand erhoben, das sog. 2. Vatikanum sei ja nur ein „Pastoralkonzil“ gewesen. Es wurden dabei keine feierlichen Dogmen definiert. Es wurde keine Unfehlbarkeit beansprucht. Man habe den Heiligen Geist „ausgeladen“ und so seien die Irrtümer zu erklären. – Wir halten dagegen: Wenn es auch keine Dogmen definiert und „keine Unfehlbarkeit beansprucht“ hat, so war es als „allgemeines Konzil“ doch nichts Geringeres die feierlichste Manifestation des gesamten Lehrkörpers der Kirche – des „Gesamtepiskopates“.

Auch wenn dabei keine feierlichen Dogmen auf außerordentliche Weise definiert wurden, so kann unmöglich abgestritten werden, daß es zumindest ein Akt des „allgemeinen ordentlichen Lehramtes“ ist. „Papst“ und die Bischöfe der gesamten Kirche, also die gesamte „lehrende Kirche“ haben auf dem sog. 2. Vatikanum mit einem Mund wenigstens als ordentliche Lehrer der Kirche gesprochen. Es war ja kein Kaffekränzchen, sondern ein lehramtlicher Akt. So hat es auch „Paul VI.“ gesehen. In einer Erklärung vom 12. Januar 1966 gab er seinem „Konzil“ zwar aufgrund seines „pastoralen Charakters“ einen niedrigeren Rang, aber trotzdem wies er ihm die „Autorität des höchsten ordentlichen Lehramtes“ zu, wodurch wiederum die Unfehlbarkeit der Kirche hätte aufgerufen sein müssen. Wie ist das zu erklären? Wiederum einzig und allein damit, daß der Gesamtepiskopat der katholischen Kirche auf dem sog. 2. Vatikanum ganz offensichtlich nicht vollständig versammelt war und gerade der entscheidende Mann fehlte – der Papst.

Im Übrigen entspricht der heutige Umgang mit der Autorität des sog. 2. Vatikanums genau der Beschreibung „Pauls VI.“. Die „Lehren“ des sog. 2. Vatikanums, darunter die erwähnten Irrlehren, werden heute überall auf der Welt von allen residierenden „Bischöfen“ in Einmütigkeit mit dem „Papst“ der „konziliaren Kirche“ vertreten und von den Gläubigen als „katholische Lehre“ zur Annahme auferlegt. Die neuen „Katechismen“ sind voll mit diesen „Lehren“. Wer die „Lehren“ des 2. Vatikanums nicht vollständig annimmt, der steht nicht in „vollkommener Gemeinschaft“ mit der „konziliaren Kirche“, wie man an der „Piusbruderschaft“ sieht. Durch diese Praxis ist es offensichtlich, daß die „Lehren“ des 2. Vatikanums von der „konziliaren Hierarchie“ als „allgemeines ordentliches Lehramt“ aufgefaßt werden. Also müßten sie an und für sich Unfehlbarkeit erheischen. Denn der mit dem Papst in Einheit stehende „Weltepiskopat“ kann unmöglich einen Irrtum als zur „katholischen Lehre gehörig“ erklären. Wie ist das zu erklären? – Immer wieder einzig und allein damit, daß der „Weltepiskopat“ eben nicht in Einheit mit dem Papst der katholischen Kirche steht, sondern sich von einem Scheinpapst in den Irrtum hat führen lassen und damit insgesamt vom katholischen Glauben und von der katholischen Kirche abgefallen ist.

Wir sehen also, daß uns die Lehre von der Unfehlbarkeit der Kirche glasklar offenlegt, daß wir es bei den „Konzilspäpsten“ nicht mit Hirten, sondern mit reißenden Wölfen zu tun haben. Und daß all jene, die das nicht einsehen wollen, gezwungen sind, an dem Dogma von der Unfehlbarkeit der Kirche herumzufälschen, und auf diese Weise selber Schiffbruch im Glauben leiden.

Dringender Aufruf zu Gebet und Opfer

All diese Zusammenhänge lassen deutlich werden, in welcher Gefahr die katholische Kirche und ihre Glieder schweben, wenn sie über längere Zeit einen obersten Hirten entbehren müssen. Ohne den Papst fehlt der Kirche ihr lebendiger Schutzschild gegen alle aktuellen Gefahren unseres Heiles. Deshalb überall die Verwirrung, überall die Widersprüche und überall der Abfall vom Glauben. Wir Katholiken sind dem Irrtum zwar nicht schutzlos ausgeliefert; Wer betet, wer sich im Glauben bildet und konsequent nach den Normen der katholischen Kirche lebt; Kurz: Wer ohne Nachlässigkeit oder Eigensinn sein Möglichstes tut, den wird Gott auch in dieser papstlosen Zeit nicht im Stich lassen.

Nichtsdestotrotz müssen wir uns darüber im Klaren sein, daß unser Heil ohne den unfehlbaren Hirten in ungleich höherem Maß gefährdet ist. Es wäre vermessen zu glauben, durch eigenes Studium das Fehlen des Papstes dauerhaft kompensieren zu können. Daß es genüge, wenn wir irgendwo Bischöfe, unsere Priester, unsere Sakramente und unsere hl. Messe haben. Wir dürfen uns nicht mit der Stillung unserer „geistlichen Bedürfnisse“ abfinden.

Unser göttlicher Erlöser sagt: „Wer bittet, dem wird gegeben. Wer suchet, der findet, und wer anklopft, dem wird aufgetan.“ (Lk. 11,12 f.). Umgekehrt gilt aber auch. Wer nicht bittet, dem wird auch nicht gegeben. Wer nicht sucht, der wird nicht finden. Und wer nicht anklopft, dem wird auch nicht geöffnet. Wie dringlich ist also unser inniges Gebet gefordert, daß sich der Himmel unserer großen Not erbarme und die weise Vorsehung Gottes huldvoll alles anbahne, was zur Bestimmung des Nachfolgers Papst Pius‘ XII. notwendig ist, und dieser dann bei der Besteigung des so lange verwaisten päpstlichen Thron auch solche Umstände vorfinde, die es ihm erlauben, die Kirche frei zu regieren. Das ist nicht nur eines von vielen Anliegen! Nein, darum zu beten und dafür Opfer zu bringen, ist heute die Pflicht eines jeden Katholiken. Die Intensität der Sehnsucht nach dem Papst im Herzen eines jeden von uns gibt Zeugnis davon, wie lebendig oder wie abgestorben unsere katholische Gesinnung ist. Amen.

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