Jesu Herz – ein Meisterwerk Gottes

Geliebte Gottes!

Das Herz ist ein Bild für den innersten Kern, für das emotionale und charakterliche Zentrum des Menschen. Wenn wir den inneren Jubel eines Menschen beschreiben wollen, so gebrauchen wir den Ausdruck „sein Herz springt vor Freude.“ Hingegen wenn wir dem Ausdruck bitterer, schmerzlicher Enttäuschung gewahr werden, so sprechen wir vom „gebrochenen Herzen.“ Wir sagen, jemand habe „ein gutes Herz“ und meinen damit seinen gütigen, wohlwollenden und mitfühlenden Charakter. Das Herz ist also ein Bild für das Innerste, das Persönlichste was den Menschen ausmacht, was ihn bewegt. Vor allem eine Eigenschaft steht mit dem Herzen in unlösbarem Zusammenhang: die Liebe. Das Herz ist ein Bild der Liebe.

Wenn der hl. Apostel Johannes schreibt, „Gott ist die Liebe“ (1. Joh. 4,16), dann kann es uns eigentlich nicht überraschen, daß Gott selbst ein Herz – ja, mehr noch ein geöffnetes Herz, das geöffnete Herz Jesu – zum Zeichen, zum Abbild Seiner Liebe erkoren hat. Das Herz Jesu ist das schönste und tiefste Bild der göttlichen Liebe. Das durchbohrte Herz Jesu ist ein meisterhaftes Kunstwerk, welches uns das innerste Wesen Gottes offenbart: Gott ist die Liebe!

Gefäß der göttlichen Liebe

In Gott sind die Vollkommenheiten nicht von Seiner Natur verschieden. Die Liebe Gottes ist Gott selbst. Weil Gott die Liebe ist, deshalb übersteigt die Liebe Gottes alle unsere Begriffe. Es ist dem begrenzten Geist des Menschen nicht gegeben, die unendliche Liebe Gottes zu erfassen. Deshalb lehren uns die Apostel: „Niemand hat Gott je gesehen.“ (Joh. 1,18). „Gott wohnt im unzugänglichen Licht.“ (1. Tim. 6,16).

Aber Gott wollte Seinen innersten Wesenskern kundtun. Er hat sich uns geoffenbart in der Menschwerdung Seines Sohnes. Der Heilige Geist hat durch das makellose Fleisch und das reinste Blut der unbefleckten Jungfrau Maria die unfaßbare Liebe Gottes für uns Menschen sichtbar und greifbar gemacht. Als der Sohn Got­tes dar­an­ging, zu uns Men­schen auf die Erde her­ab­zu­stei­gen, da schuf Ihm der Hei­lige Geist ein Gefäß, ein Gefäß, in dem Er die an sich unend­li­che Liebe ber­gen sollte. Und die­ses hei­lige Gefäß war Sein gottmenschliches Herz.

Ganz groß! Ganz rein! Ganz lau­ter! Ein Men­schen­herz, aber ganz anders als das unsere. Ein Men­schen­herz, in dem die ewige Liebe Got­tes schlug. Mensch gewor­den unter uns Men­schen, ein Herz, so lau­ter, so stark und gewal­tig, wie nur die­ses Herz eine Liebe kannte und sonst kei­nes mehr.

Wenn wir auf­merk­sam und mit Andacht die Evan­ge­lien lesen, dann wird die Liebe Gottes vor uns sichtbar, wenn wir den Herrn reden und han­deln sehen; wenn wir die Worte Sei­ner Liebe ver­neh­men: „Kommt alle zu Mir, die ihr mühselig und bela­den seid, Ich will euch erqui­cken.“ Er lädt die Bekümmerten, die Lei­den­den, die Geplag­ten ein. – Er sagt: „Ich bin nicht gekom­men, Gerechte zu beru­fen, son­dern Sün­der.“ Er geht den Ver­irr­ten, den Gestrandeten, den Ver­lo­re­nen nach. Die Pharisäer schimpfen über Ihn: „Der Freund, der Zöll­ner und Sün­der!“ Ja, genau das ist Er. Den Verachteten, den Gemie­de­nen geht Er nach, lädt sie ein und lädt Sich bei ihnen ein, nimmt bei ihnen Woh­nung. Schon der Prophet weissagte von Ihm: „Das geknickte Rohr bricht Er nicht und den glim­men­den Docht löscht Er nicht aus.“ Der reui­gen Sün­de­rin hat Er sich ange­nom­men: „Geh hin und sün­dige nicht mehr!“ Und dem reui­gen Schä­cher Dismas am Kreuz ver­hieß Er: „Heute noch wirst du mit Mir im Paradiese sein.“

Und selbst Seine Wun­der­macht hat Er für Seine Liebe ein­ge­setzt. Als die Menschen in der Wüste nichts zu essen hatten, wirkte Er das große Wun­der der Brot­ver­meh­rung, veranlaßt durch Seine erbarmende Liebe: „Mich erbarmt des Volkes“, sagte Er. – Sogar am Kreuze noch betete Er für Seine Pei­ni­ger: „Vater, ver­gib ihnen, denn sie wis­sen nicht, was sie tun!“ Er sucht sie zu ent­schul­di­gen!

So ist das Herz Jesu! Es ist die Liebe Got­tes. Eine Liebe, die nicht müde wird wie unsere Liebe. Eine Liebe, die nicht aus­wählt, wie wir es machen. Eine Liebe, die nicht auf­hört, wie sie bei uns so schnell zu Ende ist. Sieh da, die­ses Herz, es ist das Meisterwerk Gottes.

Ein Werk der göttlichen Vorsehung

Seine Vollendung erfuhr dieses einzigartige Kunstwerk jedoch erst am Karfreitag. Gott selbst waltete dabei als Künstler. Das Herz-Jesu-Bild ist ein Werk der göttlichen Vorsehung.

Wie wir dem Passionsbericht im Johannesevangelium entnehmen, wurden am Karfreitag Soldaten von Pontius Pilatus ausgesandt. Sie hatten den Auftrag den Tod der Gekreuzigten zu beschleunigen, damit sie noch rechtzeitig vor dem Beginn des jüdischen Pascha-Festes bestattet werden konnten. Sie hatten den Auftrag das sogenannte „crucifrangium“ zu vollstrecken. D.h. sie brachen den Verurteilten durch Knüppelschläge die Unterschenkelknochen. Auf diese Weise wurde den Gekreuzigten die Möglichkeit genommen, sich zum Atemholen mit den Füßen abzustützen. Schon nach wenigen Minuten mußte der Tod durch Ersticken eintreten. So geschah es bei den beiden Schächern, bei Dismas und Gesmas.

Nicht aber bei Jesus! Wie der hl. Johannes uns durch die angeführten Schriftstellen, die in jenem Augenblick in Erfüllung gingen beweist, wollte der göttliche Vater nicht, daß Seinem göttlichen Sohn die Beine zerbrochen würden. „Kein Bein soll ihm zerbrochen werden.“ Diese Vorschrift galt zunächst für das zu schlachtende Paschalamm. Nur ein makelloses, unverletztes, männliches Lamm kam dafür in Frage. Dieses Lamm war jedoch nur ein Vorbild für das wahre Opferlamm. Was daher für das Paschalamm galt, das mußte um so mehr auf dessen Urbild, das einzig wahre Osterlamm von Kalvaria zutreffen; auf das „Lamm Gottes, das hinweg nimmt die Sünde der Welt“. Kein Bein soll Ihm zerbrochen werden. Und das war auch nicht notwendig. Denn als die Soldaten zum Kreuz des Heilandes kamen war Er bereits tot. Er hatte bereits in Seiner göttlichen Vollmacht, als Herr über das Leben, Sein Leben dem himmlischen Vater aufgeopfert. Es fanden sich an Ihm keine Lebenszeichen mehr. Das Crucifrangium war daher nicht mehr nötig. Es genügte, daß die Soldaten den tatsächlichen Tod amtlich sicherstellten, bevor der Leichnam Jesu vom Kreuz abgenommen werden durfte. Also wurde dem Heiland mit einer Lanze in die Seite gestoßen. „Und sogleich floß Blut und Wasser heraus.“

Das geschah keineswegs aus Zufall! Die göttliche Vorsehung lenkte dabei die Geschehnisse. Der hl. Johannes macht uns darauf aufmerksam indem er anmerkt, daß in diesem Augenblick eine weitere Prophetie in Erfüllung gegangen war. Der Prophet Zacharias hatte nämlich geweissagt: „Sie sollten auf den blicken, den sie durchbohrt hatten.“ Sie sollten! Das war der Wille des Vaters! Der Soldat, den die Tradition als Longinus kennt, war in jenem Augenblick das Werkzeug der göttlichen Vorsehung. Er war der Meißel in der Hand des göttlichen Bildhauers, durch den das Herz-Jesu-Bild seine Vollendung erhielt.

Das Bild vom durchbohrten Herzen Jesu ist ein Kunstwerk der göttlichen Vorsehung. Und so singt die Kirche in der Fest-Präfation vollkommen zu recht: „Herr, heiliger Vater, allmächtiger, ewiger Gott. Du wolltest, daß Dein Eingeborener am Kreuze von des Soldaten Lanze durchbohrt werde, damit Sein geöffnetes Herz, dies Heiligtum göttlicher Freigebigkeit, Ströme des Erbarmens und der Gnade auf uns ergieße.“

Quelle des übernatürlichen Lebens

Nachdem wir Gott als den Urheber des Bildes vom heiligsten Herzen Jesu herausgestellt haben, muß noch versucht werden die Aussage dieses Bildes herauszulesen. Jedes Kunstwerk will ja nicht nur durch seine Schönheit bestechen, sondern es richtet auch eine Aussage an den Betrachter. Wenn das bei der menschlichen Kunst so ist, dann gilt das um so mehr, wenn sich Gott als Künstler betätigt.

Bereits die hl. Väter deuteten die Seitenwunde Jesu nicht so sehr als eine Verwundung, sondern vielmehr als eine Quelle die aufgestoßen wurde, eine Quelle der Gnade und des übernatürlichen Lebens. – Aus der Seitenwunde Jesu strömte Wasser und Blut. Dadurch würde, nach der Auslegung einiger Väter, die Braut Christi – die hl. Kirche – angezeigt werden, die gleich der Eva aus der Seite des schlafenden Adam genommen worden war. Wasser und Blut seien sodann ein Sinnbild für die sieben hl. Sakramente, durch welche die Braut Christi die Seelen zum ewigen Leben gebiert und so zur „Mutter der Lebendigen“ wird, insbesondere durch die Sakramente der hl. Taufe und der hl. Eucharistie. Das sind die beiden Hauptquellen der Gnade: Wasser und Blut. Taufe und Eucharistie.

Der heilige Augustinus bemerkt dazu: „Der Evangelist drückt sich sehr vorsichtig aus. Er sagt nicht: ‚Er durchbohrte Seine Seite‘, oder ‚Er verwundete sie‘, oder sonst etwas; sondern: ‚er öffnete‘ sie. Dort sollte ja gewissermaßen das Tor zum Leben aufgetan werden. Dort flossen die Sakramente der Kirche heraus, ohne die man zum Leben, welches das ewige Leben ist, nicht eingehen kann. Jenes Blut ward vergossen zur Vergebung der Sünden. Jenes Wasser bietet einen Trank des Heiles … Deshalb wurde die erste Frau aus der Seite des schlafenden Mannes gebildet und die ‚Mutter der Lebenden‘ genannt.“ – Dieser Auslegung schließt sich auch der hl. Franziskanerkardinal und Kirchenlehrer Johannes Bonaventura an, wenn er schreibt: „Darum ließ Gottes Ratschluß es zu, daß einer der Soldaten mit der Lanze Seine heilige Seite durchbohrte und öffnete. Da floß Blut und Wasser heraus. So wurde der Kaufpreis unserer Errettung hingegeben. Es floß aus einem geheimnisvollen Quell, aus Seinem heiligen Herzen. Es gab den Sakramenten der Kirche die Kraft, das Leben der Gnade zu vermitteln. Für die bereits in Christus Lebenden wurde es ein Trank lebendigen Wassers, das hinüberfließt ins ewige Leben.“

Gott hat gewollt, daß Sein eingeborener Sohn am Kreuz von der Lanze durchbohrt werde, damit Sein geöffnetes Herz wie eine Quelle sprudelnden Wassers, Ströme des Erbarmens und der Gnade über uns ausgieße. Das Herz Jesu erscheint uns also zuallererst als Quelle der Gnade, als Brunnen des ewigen Lebens. Folgen wir deshalb der Forderung des hl. Bonaventura: „So erhebe dich, Seele, die du Christus liebst, wache ohne Unterlaß, lege dort den Mund an und schlürfe das Wasser aus den Quellen des Heilandes!“

Zufluchtsstätte in der Not

Die zweite bildhafte Aussage des heiligsten Herzens Jesu wird uns von den Mystikern des Mittelalters erschlossen. Sie bezeichneten die Seitenwunde des Gekreuzigten oft als Zufluchtsort für die liebende Seele. In den Psalmen wird der Seele Schutz beim Allerhöchsten verheißen: „Mit Seinen Flügeln beschirmt er dich, unter Seinen Fittichen bist du geborgen.“ (Ps. 90,4). Seitdem aber der Allerhöchste Mensch geworden ist und Sein Herz geöffnet wurde, wo würde man sich da sicherer fühlen, als in Seinem heiligsten Herzen?

So haben es die Heiligen Bernhard, Bonaventura, Luitgard, Gertrud und Mechthild aufgefaßt. Und so beten wir es ja auch oft in dem schönen Gebet „Seele Christi heilige mich“, wenn es dort heißt: „Verbirg in Deinen Wunden mich.“ Das Herz Jesu soll den Frommen eine Stätte der Ruhe werden, den Büßenden aber als rettende Zuflucht vor dem gerechten Zorn Gottes offenstehen. Dazu rät wiederum der hl. Bonaventura: „Wie süß und lieblich ist es doch, in diesem Herzen zu wohnen! … Denn dazu wurde Deine Seite durchbohrt, damit uns der Zutritt offenstehe. Dazu wurde Dein Herz verwundet, damit wir, vor jeder Belästigung von allen gesichert, darin wohnen können.“

Wenn die rauhe See des Lebens unser Seelenschiff bedrängt; wenn die Wogen der Versuchungen die kleine Nußschale unseres guten Willens zum kentern bringen wollen oder dem Riff der Todsünde entgegen schleudern, so nehmen wir unsere Zuflucht zum heiligsten Herzen Jesu. Dieses offenstehende Herz ist uns ein sicherer Hafen, ein Zufluchtsort in großer Not und Bedrängnis.

Aufruf zur Sühne

Doch will das heiligste Herz Jesu nicht nur als Quelle der Gnaden und als sichere Zuflucht aufgefaßt werden. Die allernächste Aussage des Herz-Jesu-Bildes ist freilich die des verletzten Herzens; des durch unsere Sünden gequälten Herzens, was vor allem durch die Dornen dargestellt wird, mit denen das göttliche Herz umwunden ist.

Der heilige Bonaventura sagt: „Deshalb wurde das Herz Jesu verwundet, damit wir durch die sichtbare Wunde hindurch die unsichtbare Wunde der Liebe schauen können. Die Wunde Seines Leibes deutet hin auf eine geistige Wunde.“ Und auch auf die Ursache dieser geistigen Wunde: auf die Sünde. Ja, auch das Wesen der Sünde hat der göttliche Künstler in Sein Werk eingearbeitet; den Haß, mit welchem der Mensch der göttlichen Liebe begegnet, mit dem er die Liebe Gottes verletzt und quält; ja, sie sogar töten würde, wenn das möglich wäre! Auf diese Weise führt uns das heiligste Herz Jesu klar vor Augen, was unsere Sünden tun! Der Anblick der Wunde, sowie das Wissen, daß wir dieselbe verursacht haben, sollen uns zur Sühne aneifern.

Darauf wies der Heiland in Seinen Erscheinungen vor der hl. Margaretha Maria Alacoque wiederholt hin. Er beklagte sich darüber, daß Er für Seine unermeßliche Liebe nur Beleidigungen und Undank seitens der Menschen erfahren müsse – und das am meisten, ausgerechnet von den Ihm geweihten Seelen.

Hier wurzelt der Aufruf zur Sühne, der uns im Herz-Jesu-Bild vorgestellt wird. Es fordert von uns eine fortwährende Bekehrung und Wiedergutmachung.

Was versteht man genau unter Sühne? Sühne im reli­giö­sen Wort­sinn bedeu­tet eine Leis­tung, die Gott für die Sün­den, die Ihn belei­di­gen, Sei­ne Ehre beschädigen und Ihm Unrecht zufü­gen, Abbitte, Genug­tu­ung und Ersatz bieten soll. Das Bewußtsein der eige­nen Sünd­haf­tig­keit legt den Gläu­bi­gen die Sühne für sich selbst nahe. Dazu tritt die stell­ver­tre­tende Genug­tu­ung für die Sün­den der Men­schen, beson­ders der gleich­gül­ti­gen und lauen Chris­ten. Der eigent­li­che Zweck der Sühne ist ein dop­pel­ter: 1. Ersatz­leis­tung für die dem ver­klär­ten und dem eucha­ris­ti­schen Hei­land zuge­fügte Belei­di­gung und Verunehrung; 2. Trös­tung, inso­fern als der Hei­land in Sei­nem Erden­lei­den des Tros­tes bedürf­tig war und dank Sei­ner All­wis­sen­heit all das vor­aus­sah und als Trös­tung ent­ge­gen­nahm, was treue See­len für Ihn bis zum Ende der Zei­ten in mit­lei­den­der Sühne tun. Damit ver­bin­det sich als äuße­rer Zweck die Ver­söh­nung Got­tes, die Abwen­dung oder Mil­de­rung von Stra­fen und die Erlan­gung von Gna­den.

Das verwundete Erlöserherz fleht die Menschen an, doch Mitleid und Erbarmen mit Ihm zu haben; endlich damit aufzuhören, es mit Dornen zu malträtieren und stattdessen auf den Anruf Seiner Liebe zu antworten. Durch die Regung unseres Mitgefühls will uns der Heiland zu wahrer, aufrichtiger Genugtuung führen – zu einer Buße aus Liebe. Nicht aus kaltem, widerwilligem Pflichtgefühl heraus, sondern aus liebender Zerknirschung.

Der hl. Johannes Bonaventura sagt: „Wer wollte dieses verwundete Herz nicht lieben? Wer wollte einem, der uns so liebt, nicht seine Gegenliebe schenken? Wer wollte ein so lauteres Herz nicht umfassen? Darum wollen wir also, solange wir noch im Fleische leben, so gut wir können, Ihm, der uns so sehr liebt, unsere Gegenliebe schenken.“ Wer von uns könnte schon von sich behaupten, er habe dem göttlichen Herzen bereits jene genugtuende Gegenliebe geschenkt, die Es verdient? Wer könnte von sich sagen, er habe alle Beleidigungen, welche Ihm von uns oder von anderen zugefügt worden sind, hinreichend gesühnt?

Das mit Dornen umwundene, durchbohrte Herz Jesu hat keinen innigeren Wunsch, als daß wir beten und büßen für uns und unsere Mitmenschen; für alle die, welche Seine Liebe verwundet haben. Das Kunstwerk des Herzens Jesu ist also ein Aufruf zur Sühne.

Bilde unser Herz nach Deinem Herzen!

Auf diese Weise hat uns Gott das Geheimnis Seiner unfaßbaren Liebe in dem Kunstwerk des heiligsten Herzens Jesu sichtbar und (be-)greifbar gemacht: Es ist die aufgestoßene Quelle des ewigen Lebens; es ist schützende Zufluchtsstätte in der Not und Zeichen der verletzten Liebe Gottes, die sich nach unserer Liebe sehnt. Dieses Meisterwerk Gottes ist wie ein Schatz im Acker. Es soll von uns bestaunt, verehrt, angebetet; ja, sogar erworben werden. Der hl. Bonaventura sagt, wie das geschehen kann: „Ein großer Schatz, eine kostbare Perle ist Dein Herz, guter Jesus. Auf dem aufgerissenen Acker Deines Leibes finden wir sie. Wer möchte diese Perle wieder wegwerfen? Im Gegenteil, ich will alle Perlen hergeben, will meine Gedanken und Wünsche opfern und mir diese sichern. Alle meine Gedanken will ich auf das Herz des guten Jesus hinlenken.“ Alle meine Gedanken will ich auf das Herz Jesu hinlenken!

Die Verehrung eines überragenden Kunstwerks zeigt sich ja nicht nur darin, daß es angestaunt und bewundert wird, sondern auch, daß es aufgrund seiner Vollkommenheit, aufgrund seiner idealen Schönheit und Formvollendung, zur Vorlage und zur Nachahmung dient. Was in der Moderne eine Verletzung der Urheberrechte darstellt, das war in früheren Zeiten ein Akt der Hochachtung und ist von Gott ausdrücklich gewünscht. Wir sollen das göttliche Herz nachahmen; wir sollen dem Herzen Jesu ähnlich werden! Darum beten wir am Ende der Litanei: „Jesus, sanft und demütig von Herzen – Bilde unser Herz nach Deinem Herzen“. Die ganze Herz-Jesu-Verehrung zielt auf die Umwandlung unseres Herzens ab; auf die Angleichung an das Original, an das heiligste Herz Jesu.

a) Das Gut des Gehorsams

Deshalb kann sich die wahre Herz-Jesu-Verehrung nicht allein in der Pflege bestimmter Andachtsübungen erschöpfen. Die Antwort auf die Liebe Christi, kann nur unsere persönliche Liebe sein. Die Liebe zum heiligsten Herzen Jesu steht und fällt mit dem innerlichen Mitvollzug der Andacht zum Herzen Jesu. Dabei müssen unsere Herzen zu einem Echo des Liebesanrufs des Herzens Jesu werden. „Wir wollen Ihn umfassen, der für uns verwundet wurde“, sagt der hl. Bonaventura, „dessen Hände und Füße, Seite und Herz die gottlosen Menschen durchbohrt haben. Wir wollen Ihn bitten, Er möge unser Herz, das noch so hart und ohne Reue ist, durch das Band Seiner Liebe fesseln und mit einem Pfeile verwunden.“

Die Bitte um Angleichung an das heiligste Herz des Erlösers darf sodann nicht in bloßer Sentimentalität steckenbleiben, sondern muß unbedingt konkret werden! Obwohl eine gefühlsmäßige Liebe zum Herzen Jesu schön und wünschenswert ist, so ist dieselbe nicht entscheidend. Ja, Gefühle allein, wären sogar ungenügend!

Damit unsere Liebe vollwertig ist, muß sie sich beweisen in der Tat. So sagt es der hl. Papst Gregor d. Gr.: „Die Echtheit der Liebe zeigt sich im Werke.“ (Hom. in Ev. 30,1). Christus selber hat den objektiven Maßstab der wahren Liebe aufgestellt, indem Er sprach: „Wenn ihr Mich liebt, so hal­tet Meine Gebote.“ (Joh. 14,15). „Wer Meine Gebote hat und sie hält, der ist es, der Mich liebt.“ Christus hat den Erweis der Liebe in den Gehor­sam ver­legt. Liebe ist etwas ande­res als Gehor­sam, aber sie bewährt sich im Gehor­sam. Der Gehor­sam ist ein hohes Gut. Er ist der Erweis der Liebe. Das allein ist der wahre Prüfstein für die Echtheit unserer Liebe.

Es gibt Seelen, die von Gefühlen überströmen, die sich aber nicht den mindesten Zwang antun, wo es gilt, ihre bösen Neigungen zu überwinden, ihre schlechten Gewohnheiten und Launen abzulegen und die Gelegenheit zur Sünde nach Kräften zu meiden; die jeder Versuchung erliegen und murren und klagen, wo auch immer ihnen Ungemach und Schwierigkeiten begegnen. So eine Liebe ist voll Selbstsucht. Sie ist keine Nachbildung, sondern eine Karikatur des Originals.

Mit anderen Worten: Wir müssen uns daran gewöhnen alles, selbst die unbedeutenden und gerade die uns widerwärtigen Dinge, aus Liebe zu tun. Wir müssen uns überwinden, um Jesus Christus zu erfreuen. Eine wahrhaft ausgezeichnete, tätige Andacht zum heiligsten Herzen Jesu besteht darin, daß wir arbeiten, unsere Leiden und Mühen annehmen, unsere Standespflichten in sorgfältiger Liebe und liebender Sorgfalt erfüllen, und zwar zu dem Zweck, dabei allein Gottes Wohlgefallen und nicht das der Menschen zu suchen.

b) Das Apostolat der Liebe

Die Liebe zeigt sich sodann aber auch darin, daß wir die Anlie­gen des Her­zens Jesu zu unse­ren eige­nen machen. Die Liebe des Herzens Jesu will, daß alle Men­schen Seine Jün­ger wer­den, zum Glau­ben fin­den, Glieder der katholischen Kirche werden und ihre Seele für die Ewigkeit retten. Es darf uns des­we­gen keine Ruhe las­sen, daß Men­schen Chris­tus nicht ken­nen. Es darf uns keine Ruhe las­sen, daß Men­schen sich von Chris­tus abwen­den. Und auch wenn unser Mahnen und Zureden bei ihnen auf Zurückweisung stößt, so müssen wir doch weiter für die Liebe zum heiligsten Herzen werben durch unser gutes Beispiel und durch unser Beten und Opfern für die Bekehrung der Sünder.

Wenn die Liebe einmal auf diese Weise in unserem Herzen Wurzeln schlägt, dann wird unsere ganze Tätigkeit von der Liebe zum heiligsten Herzen Jesu getragen sein und wiederum aus ihr hervorgehen.

Viele Wasser können nicht auslöschen die Liebe.

Wohl mögen wir Schwierigkeiten begegnen, harten Prüfungen unterworfen werden oder heftige Versuchungen erleiden müssen; nichts aber wird uns erschüttern können, wenn wir wahrhaft das Herz Jesu lieben, das uns so sehr liebt; das uns Quelle des ewigen Lebens, Zufluchtsort in der Not und Ansporn zur Sühne sein will. Denn wer vom Liebesfeuer dieses göttlichen Meisterwerkes erfaßt worden ist, der will nicht mehr „für sich leben, sondern für Den, der für ihn gestorben und auferstanden ist.“ (2. Kor. 5,14). Amen.

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