Palmsonntag
Vom Lohn der Sünde
Geliebte Gottes!
Wie sehr Gott die Sünde verabscheut, haben wir zu erkennen gesucht aus der Art und Weise, wie sich Gott, der die Liebe ist, gegenüber den abgefallenen Engeln verhalten hat. Wenn wir jedoch die Stellung, die Gott gegenüber der schweren Sünde einnimmt, noch besser verstehen wollen, so müssen wir auch dasjenige genauer ins Auge fassen, was die Sünde dem unbußfertigen Sünder einbringt.
Der hl. Paulus schreibt dazu im Römerbrief: „Der Lohn der Sünde ist der Tod.“ (Röm. 6,23). Gemeint ist hier nicht nur jener Tod, der unser irdisches Leben beendet, sondern der zweite Tod, der eigentliche Tod. Also die Strafe der ewigen Verdammnis!
Unser göttlicher Erlöser Jesus Christus selbst hat mit wenigen, aber inhaltsschweren Worten im Gleichnis vom reichen Prasser und dem armen Lazarus (Lk. 16,19-31) diese Strafe vor unser geistiges Auge gestellt: „Es starb auch der Reiche und wurde in der Hölle begraben.“
Betrachten wir also:
- Die Ursache – warum der reiche Prasser in die Hölle begraben wurde. Und
- Welche Leiden er dort zu erdulden hat.
Die Sünde des reichen Prassers
Warum wurde der reiche Prasser in der Hölle begraben? Nur wegen seiner Sünden, und da es sich um die Hölle handelt, nur wegen einer oder mehrerer schweren Sünden. – Aber worin bestand seine Sünde? Da unser Herr Jesus Christus seine Strafe schildert, muß man annehmen, daß er uns auch seine Sünde nicht verschwiegen hat. Was sagt unser Herr also von ihm?
„Er war ein reicher Mann.“ – Dabei sagt Er nicht, daß er den Reichtum auf ungerechte Weise erworben habe, durch betrug, durch Ausbeutung der Armen; auch nicht, daß er ihn zur Unmäßigkeit, zur Unkeuschheit, zur Verschwendung mißbraucht habe. „Er war ein reicher Mann.“ Der Reichtum ist freilich eine Gefahr, um in zahlreiche Sünden zu fallen, wie gerade unsere heutige Zeit mit ihrem Wohlleben zeigt.
Der Reichtum ist also eine Gefahr, aber an sich noch keine Sünde. Die Kirche verehrt zahlreiche Fürsten und Könige als Heilige; Menschen also, die aufgrund ihres gehobenen Standes, aufgrund ihrer Abstammung reich und wohlhabend waren. Reichtum an sich ist also keine Sünde. Einzig die Kommunisten behaupten das.
Da heißt es weiter vom reichen Prasser: „Er kleidete sich in Purpur und feine Leinwand.“ Das ist zu allen Zeiten üblich gewesen, daß die Reichen sich besser und feiner kleideten als die Armen. Auch an seiner Kleidung lag unmöglich seine Sünde, mit der er sich in die ewige Verdammnis gestürzt hat. Weiter: „Er hielt alle Tage köstliche Mahlzeit.“ Jesus sagt nicht, daß er unmäßig gewesen sei; daß an seinem Tisch schamlose Reden geführt wurden; daß er die Religion verspottete oder Gott lästerte. Nichts davon. Er war reich, kleidete sich fein, aß und trank gut. Er war ein Lebemann; ein Mann von Welt; vielleicht in den Augen der Welt ein Ehrenmann. Wir haben immer noch nichts gehört, wodurch er die Strafe der Hölle verdient hat.
Wenn tatsächlich sein weltliches, üppiges, sinnliches Leben ihn in die Hölle gebracht haben sollte, wie viele andere, die ähnlich leben wie der reiche Prasser, wird sie dann noch verschlingen müssen? Die Sünde, aufgrund der er nach seinem Tod verworfen wurde, scheint nach mehreren Auslegern jedoch in etwas anderem gelegen zu haben.
An der Tür des reichen Mannes lag der arme Lazarus, ein Armer, ein Bettler, ein kranker, mit Geschwüren bedeckt; ein Hungriger, der so gern seinen Hunger gestillt hätte mit den Brosamen, d.h. mit den Resten oder Abfällen, die vom Tisch des reichen Mannes übrigblieben. Niemand gab sie ihm. Dafür wurde der Reiche verdammt, weil er den Armen nicht unterstützt hatte. Weil er seinen Reichtum nur für sich aufgewandt hat und nicht dafür, wofür Gott ihm den Reichtum hatte zufallen lassen. Gott will, daß es reiche Menschen gibt, damit diese Ihn durch Akte der Nächstenliebe, der Hilfe und Unterstützung verherrlichen. Der Reiche konnte Lazarus also unterstützen. Doch er tat es nicht. Er wurde verworfen wegen einer Unterlassungssünde.
Er kannte den Armen, er sah ihn, so oft er ein oder ausging; er lag vor seiner Tür. Er konnte ihn leicht unterstützen; die Reste von seinem Tisch hätten genügt. Er tat es nicht, sei es aus Hochmut, oder aus Geiz, oder aus Nachlässigkeit, oder aus Hartherzigkeit. Er unterließ die Erfüllung einer wichtigen Standespflicht, und deswegen, so scheint es, wurde er in die Hölle begraben. Wegen einer Unterlassungssünde also, weil er seine Pflicht vernachlässigte!
Fragen wir uns also, wenn der reiche Prasser wegen dieser Sünde in die Hölle verdammt wurde, wo werden dann diejenigen bleiben, die sich aus der Not der Armen bereichern, die Ehebrecher, die Unzüchtigen, die Verführer der Jugend, die Religionsspötter, die Gotteslästerer, diejenigen die das Allerheiligste entweihen durch unwürdige Kommunion? Wenn der reiche Mann wegen einer schweren Unterlassung in die Hölle „begraben wurde“, also recht tief in die Hölle kam, wie tief, so mag man fragen, wird dann der Abgrund sein, in welchen diejenigen gelangen, die sozusagen alle Arten der schweren Sünden geübt und sich im Schlamm aller Sünden hin und her gewälzt haben?
Die Strafe des reichen Prassers
Mag die Sünde des reichen Prassers bestanden haben, worin sie mag. Gewiß ist, daß er gesündigt hat und daß er schwer gesündigt hat. Gewiß ist, und unser Herr Jesus Christus selbst hat es uns gesagt, daß er in der Hölle ist. Jesus hat uns an seinem Beispiel auch die Strafe der Hölle geschildert; und zwar in allen ihren Teilen.
a) Die Strafe des Verlustes
In seinen Qualen erhob der reiche Prasser seine Augen und sah von weitem (in der Ferne) den Abraham und den Lazarus in seinem Schoße. Ja, das ist die eine Seite der Höllenstrafe. Wenn auch die Verdammten die Seligen nicht mit leiblichen Augen im Schoße Gottes im Himmel sehen, so denken sie doch daran, wie glücklich die Seligen im Himmel und in der unmittelbaren Anschauung Gottes sind. Welches Glück! Welche Wonne! Welche Seligkeit, die kein Auge gesehen, kein Ohr gehört und kein Menschenherz jemals geahnt hat.
Das erste Gefühl, welches die Seele der Höllenbewohner bei diesem Anblick, bei dem Gedanken an das Glück der Seligen im Himmel zerreißt, ist das Gefühl des bittersten Neides. Der Neid ist die Traurigkeit über das Gut des Nächsten. Der Neid ist um so größer, je größer das Glück des anderen ist, das man selber entbehren muß. Ein heiliger Kirchenvater hat hierzu gesagt, das Glück des Himmels quäle und brenne die verdammten noch mehr als das Feuer der Hölle. Der Neid ist ferner um so heftiger, je näher diejenigen, die glücklich sind, denjenigen stehen, die dieses Glück entbehren und darum vom Neid zerfressen werden.
Was müssen die Bewohner der Hölle also fühlen, wenn sie ihre Augen und ihre Gedanken zu den Seligen im Himmel erheben, die bei Gott geborgen in ungestörter Sicherheit, in ewiger Glückseligkeit ruhen? Die Verdammten werden sagen: „Es sind diejenigen, die mit uns auf Erden in so ähnlicher Lage waren: unsere Landsleute, Bewohner derselben Stadt, unsere Glaubensgenossen, unsere Zeitgenossen, die denselben Versuchungen ausgesetzt waren wie wir, unsere Standesgenossen, unsere Schulkameraden; sie empfingen dieselbe Belehrung in der Predigt und im Katechismusunterricht, sie besuchten dieselbe Kirche, empfingen dieselben Sakramente, hatten dieselben Gnaden, vielleicht weniger als wir – und nun, nun haben sie ein Glück, das keine Menschenzunge beschreiben kann, und wir, wir sind in einem Elend, das kein Auge gesehen, kein Ohr gehört, keine Zunge beschreiben, kein Menschenherz erahnen kann.“ Sie entbrennen im Neid über ein Glück der Seligen, das diesen niemand mehr nehmen kann und das für sie in Ewigkeit verloren ist.
b) Der Wurm des Gewissens
Der zweite qualvolle Gedanke, der die Seelen der Verworfenen durchwühlt, ist die Frage, warum sie nicht auch in den Himmel gelangt sind. Ja, warum? Warum sind jene im Himmel? Warum sind wir in der Hölle? – Und die Einsicht: „Mea culpa, mea culpa, mea maxima culpa! Durch meine Schuld, durch meine Schuld, durch meine übergroße Schuld.“ Das ist der Wurm, der nicht stirbt. Sie sagen es und müssen es sich selbst eingestehen: Durch meine eigene Schuld!
„Wußte ich denn nicht, daß der heilige Gott durch die schwere Sünde schwer beleidigt wird? Wußte ich nicht, daß der beleidigte Gott den Todsünder, wie die abgefallenen Engel mit der Hölle bestraft? Wußte ich nicht, daß Gott Seiner nicht spotten läßt? Glaubte ich es nicht? Jawohl, ich wußte und glaubte es, und doch sündigte ich. Ich konnte die Sünde meiden und mied sie nicht. Ich konnte die begangene Sünde bereuen und beichten und tat es nicht. Ich konnte mich bekehren und mein Leben bessern und wollte nicht. Nun ist es zu spät. Der Tod überkam mich. Nun muß ich für die unendliche Schuld die unendliche Strafe tragen – die ewige Hölle! Wie blind bin ich gewesen! Wie dumm! Wie hirnverbrannt! Ein Wort des Bekenntnisses, ein Augenblick der Reue hätte mich retten können, und nun ist es zu spät.“
Das ist der nagende Wurm, der niemals stirbt. Das ist die dauernde Selbstanklage: „Du hättest es so leicht in den Himmel schaffen können, so leicht, so einfach. Doch die Zeit ist vertan. Zu spät. – Aus eigener Schuld und Dummheit! Aus Faulheit! Aus falscher Scham! Vertan! Für immer!“ Diese Selbstanklage wird nur übertönt durch die Ausbrüche der Wut über sich selbst und durch die Lästerungen gegen Gott, der so gerecht ist; gegen die Heiligen, die so glücklich sind; gegen sich selbst, die so unglücklich sind. Wenn in der Hölle nichts wäre als der Neid gegen das Glück der Seligen und die Anklagen gegen sich selbst, so wäre sie schon deshalb ein Ort der Qual.
c) Die sinnlichen Strafen
Der reiche Prasser wird jedoch noch von etwas anderem gequält. „Vater Abraham“, ruft er, „sende den Lazarus, daß er seine Fingerspitze ins Wasser tauche und meine Zunge kühle; denn ich leide große Pein in dieser Flamme.“ Er leidet also große Pein – „in dieser Flamme“. Es ist das Feuer der Hölle, in dem sie sich befinden und das ihn vor Schmerzen fast um den Verstand bringt. Es ist nicht dasselbe Feuer wie unser Feuer; es ist eine andere Art – schneidender, beißender. Es ist quälendes Feuer, wirkliches Feuer, angezündet, unterhalten von der strafenden Gerechtigkeit Gottes!
Elektrisches Licht ist auch ein anderes Licht als das Licht einer Kerzenflamme, und es ist aber doch Licht, wahres wirkliches Licht, das auch leuchtet und ja besser leuchtet, als manch anderes Licht. In der Hölle ist wahres, wirkliches Feuer, das viel heftiger brennt als das irdische. Und in diesem Feuer sind die Verdammten. Feuer ist über ihnen, unter ihnen, außerhalb ihres Leibes – ja sogar in ihnen. Es umgibt sie wie ein Gewand, es durch dringt sie, brennt in ihren Lungen, in ihren Herzen, in ihren Adern in ihrem Gehirn. „Ich leide große Qual in diesen Flammen!“
Ein Feuer, das keine Linderung kennt. Der Prasser bat, Lazarus möchte nicht etwa seine Hand, sondern nur einen Finger, ja nicht einmal den Finger, sondern nur die Fingerspitze in Wasser tauchen und seine Feuerqualen ein klein wenig lindern. Geschah es? Nein! Es wird nie geschehen! Die ganze Ewigkeit mag er rufen: „Ich leide große Pein in dieser Flamme.“ Diese Tatsache liegt im Gipfel der Höllenstrafe begründet.
d) Der Graben der Ewigkeit
Abraham belehrt den unglücklichen Prasser: „Überdies ist zwischen und euch eine große Kluft befestigt, so daß diejenigen, die von uns zu euch hinüber wollen, es nicht können, noch auch von dort zu uns.“ Jeglicher Kontakt ist abgeschnitten. Die Sünde hat einen unüberbrückbaren Graben aufgerissen, die von jeder, auch der kleinsten Wohltat oder Linderung abschneidet. Es handelt sich um einen bleibenden Graben, der für immer bestehenbleibt – auf immer und ewig!
Also die einen bleiben so lange in der Hölle, als die anderen im Himmel. Ein Übergang ist nicht mehr möglich. Die Kluft ist zu tief, sie ist befestigt, sie kann nicht überschritten werden. Der Wurm stirbt nicht, das Feuer verlöscht nicht, die Hölle dauert ewig. Voll unaussprechlicher Qual! Keine Änderung, keine Linderung, kein Ende. Für immer und ewig! – Hier auf Erden hoffen wir im Winter auf den kommenden Frühling. Der Reisende denkt an das Ziel der Reise, der Kranke hofft auf den Tag der Genesung. Der Arbeiter denkt während der anstrengenden Arbeit an die Ruhe des Abends. Wer im Leben nichts mehr hoffen kann, verlangt nach dem Tod.
Wir finden in unseren Gedanken stets einen Punkt, wo die Hoffnung des Herzens wieder Anker werfen und verweilen kann. Das Auge des Wanderers in der Wüste, wo ringsumher sich nichts zeigt als eine unermeßliche Sandfläche, sucht mit aller Anstrengung nach irgend einem Punkt, sei es eine Sanddüne, eine Palme, ein Kamel, auf dem sein Auge als Ziel ruhen könnte. – Der Gedanke der Gottlosen in der Hölle durcheilt die Jahre, die Jahrhunderte, die Jahrtausende, um in der fernen, fernen Zukunft ein Ende der namenlosen Qual zu finden. Aber ihre Gedanken arbeiten vergebens. Kein Ende! Kein Ende! – Solange der Himmel besteht, wird die Hölle Bestand haben. Solange die Seele, die unsterbliche Seele lebt, muß sie in der Hölle leiden; solange die unendliche Schuld einer einzigen Todsünde ungetilgt ist, wird sie gestraft. Solange die Gerechtigkeit Gottes besteht, wird ihre Strafe bleiben. Also: Ewig! Ewig! Ewig!
Furcht vor der Hölle
Es ist ein schrecklicher, entsetzlicher Gedanke, daß Gott die Sünder so schwer und so lange in der ewigen Hölle straft. ja, ein schrecklicher Gedanke! Aber wenn der Gedanke an die Hölle so schrecklich ist, wie schrecklich muß dann auch nur eine einzige schwere Sünde in den Augen Gottes sein, daß Er, der die unendliche Liebe ist, sie so strafen muß. Ein Geheimnis der Bosheit!
Doch der Gedanke an die Hölle ist ebenso heilsam wie schrecklich. Denn kein Gedanke ist so geeignet, uns in der Versuchung standhaft zu machen, als der Gedanke an die Hölle. Kein Gedanke ist so geeignet, uns von der Sünde abzuschrecken, als der Gedanke an die Hölle. Kein Gedanke ist so geeignet, uns zur Reue und zur Buße über die begangenen Sünden anzutreiben, als der Gedanke an die Hölle. Kein Gedanke ist so geeignet, uns vor der Hölle zu bewahren, als der gläubige Gedanke an die Hölle. Ja, in Wahrheit, an die Hölle glauben und sie fürchten, ist beinahe dasselbe. Die Hölle meiden und zum Himmel gelangen ist dasselbe.
Der heilige Thomas von Aquin teilt die Verdammten in zwei Klassen ein: Die Ungläubigen, denen die Hölle verkündigt wurde und die nicht daran glauben wollten; und die Toren, die daran glaubten und sie in ihrer Dummheit nicht fürchteten.
Zu den Ungläubigen gehören wir nicht. Wollen wir zu den Dummen gehören, welche an die Hölle zwar glaubten und sich doch leichtfertig in sie hineinstürzen? – „Gedenke, o Mensch, der letzten Dinge, und du wirst in Ewigkeit nicht sündigen.“ Amen.