„Damit die Kraft Christi in mir wohne.“

Geliebte Gottes!

Ein Bestandteil jeder Romwallfahrt ist für gewöhnlich der Besuch der gewaltigen Basilika „St. Paul vor den Mauern“. Dieses auf Kaiser Konstantin zurückgehende Kirchenbauwerk beeindruckt jeden Besucher mit seinen atemberaubenden Ausmaßen und der kostbaren und kunstfertigen Ausstattung aus allen christlichen Jahrhunderten.

Was werden wohl die zahllosen Touristen, denen das Christentum gänzlich fremd ist, angesichts eines solchen Prachtbaus von demjenigen halten, über dessen Grab diese Basilika errichtet worden ist? Besucher aus Japan, China und Korea; was werden sie wohl angesichts eines so monumentalen Denkmals über die Person des hl. Apostels Paulus denken? Es wäre nicht überraschend, würden sie ihn für einen mächtigen, einflußreichen Herrscher halten, der die Landkarte Europas entscheidend geprägt hat; der in vielen Schlachten siegreich war, zahlreiche Völker unterworfen hat und als großer Feldherr in die Annalen eingegangen ist. Oder für einen, der durch seine Bildung, seine Beredsamkeit, seinen Einfluß in Politik und Wissenschaft zu Glanz und Gloria gelangt war. Einer, der von Erfolg zu Erfolg, von einer Glanzleistung zur nächsten geschritten ist; der eine Bilderbuchkarriere hingelegt haben mußte, die ihm bei den Reichen und Mächtigen seiner Zeit in hohes Ansehen gebracht hatte, so daß seinem Ruhm ein solch gewaltiges Grabdenkmal aus Marmor, Alabaster und Porphyr gesetzt wurde.

Das Porträt des Völkerapostels

In der Tat gehört der hl. Paulus zu den größten Männern der Kirchengeschichte. Er ist der Völkerapostel, das von Christus auserwählte Werkzeug, um, wie kein anderer Apostel, die Frohbotschaft unter die Völker der Welt zu tragen. Unvorstellbare Strecken legte er zurück, gründete zahlreiche Gemeinden und hinterließ in seinen Briefen für alle Jahrhunderte einen unerschöpflichen Quell übernatürlicher Erleuchtung und Belehrung. Paulus ist der Sämann, der Sämann des Wortes Christi, der den Samen des Gotteswortes bis an die Grenzen der damaligen Welt getragen hat und ihn, in Form seiner Briefe, bis ans Ende der Zeiten ausbringen wird.

Welcher Kontrast aber ergibt sich jedoch, wenn wir den Abschnitt der heutigen Epistel lesen? Dort sehen wir ein ganz anderes Bild vom hl. Paulus. Da steht nicht der Held in Glanz und Gloria vor uns, sondern ein Mann der Schmerzen; ein Mann, der viel gelitten hat. Ja, man möchte fast sagen, ein Mann, der zu leiden gewohnt ist.

„Vielerlei Mühen habe ich erduldet“, schreibt er. „Häufige Kerkerhaft, Mißhandlungen über die Maßen und oftmals Todesgefahren.“ Achtmal wurde er gegeißelt, einmal gesteinigt, dreimal litt er Schiffbruch. „Mühsal und Elend, häufige Nachtwachen, Hunger und Durst, häufiges Fasten Kälte und Blöße.“ Das ist alles andere, als man sich eine Bilderbuchkarriere vorstellt; alles andere als man sich eine Bilderbuchkarriere wünschen würde. Paulus kämpft seine Feinde nicht in heldenhafter Überlegenheit nieder, sondern muß vor ihnen fliehen. Ja, und auch seine körperliche Konstitution entsprach wohl nicht der heute gängigen Vorstellung eines muskelbepackten Siegertypen mit strahlendem Perweiß-Lächeln. Nein, es wurde ihm ein „Stachel in sein Fleisch“ gegeben, „ein Engel Satans, der ihn mit Fäusten schlagen sollte“. Einige Ausleger vermuten hinter dieser Umschreibung eine chronische, sehr schmerzhafte oder demütigende Krankheit, die den hl. Paulus immer wieder niederstreckte. Andere meinen, damit seien heftige Versuchungen angedeutet, derer sich der Völkerapostel fortwährend zu erwehren hatte. Wieder andere geben, dem Wortsinn gemäß, teuflische Belästigungen an, von denen ja beispielsweise auch der hl. Pfarrer von Ars geplagt worden war. – Kurz: Das in der Epistel skizzierte Bild des Völkerapostels stellt uns alles andere, als einen Siegertypen vor Augen, wie ihn sich die Welt vorstellt. Paulus war kein Held im Format von Hollywood; kein Batman oder Flash Gordon.

Die göttliche Pflugschaufel

Nein, auch der hl. Apostel Paulus, der große Sämann des göttlichen Wortes, mußte selbst erst guter, tiefer Ackerboden werden. Er mußte erst selbst lockere Ackerkrume werden, um jene hundertfältige Frucht bringen zu können, von deren Ertrag sich die Kirche, in Form seiner Lehre, heute noch nährt. Dieses gute, fruchtbare Erdreich konnte Paulus allein durch die Pflugschaufel Gottes werden. So von Leiden und Nöten, von Versuchungen und demütigenden Mißerfolgen durchpflügt, wurde die Seele Pauli in jener Weite und Tiefe aufgerissen, die notwendig war, um darin die Fülle des Evangeliums einzusenken. Die ganze Litanei der Schmerzen, die wir vernommen haben, ist ein Werk Gottes, wie Er es bereits am Tag der Bekehrung des hl. Paulus angekündigt hatte, als Er zu Ananias sprach: „Dieser ist Mir ein auserwähltes Werkzeug, Meinen Namen vor Heiden und Könige und die Kinder Israels zu tragen. Denn Ich werde ihm zeigen, wie viel er für Meinen Namen leiden muß.“ (Apg. 9,15).

Wie Derjenige, den der hl. Paulus als wahren Gott und wahren Mensch verkündete, durch die Erfahrung eigenen Leidens den Gehorsam lernen sollte, um für die vielen, die Ihm Gehorsam leisten würden, zum Ewigen Hohepriester und zum Urheber des ewigen Heiles zu werden (vgl. Heb. 5,9), so mußte auch dessen Herold, durch die Erfahrung des Leidens, die Fruchtbarkeit seines Apostolates erwerben. Nur aus eigener Erfahrung konnte der hl. Paulus den Römern überzeugend die Fruchtfolge der Trübsale verkünden: „Wir wissen, daß Trübsal Ausdauer bewirkt, die Ausdauer aber Bewährung, die Bewährung aber Hoffnung, die Hoffnung aber macht nicht zuschanden; weil die Liebe Gottes in unseren Herzen ausgegossen ist durch den Heiligen Geist, der uns gegeben ist.“ (Röm. 5,3 ff.).

Gott bearbeitet die Seele, welche Er übernatürlich fruchtbar machen will und bearbeitet sie, wie der Bauer den Acker. Er bricht das durch Verblendung zum Weg verdichtete Erdreich der Seele auf, entsteint den Seelengrund von den Felsbrocken eitlen Selbstvertrauens und entfernt die Dornen unserer ungeordneten Anhänglichkeiten, in denen sich die Seele bisweilen verfängt und aufreißt. Gott bearbeitet die Seele, bis sie zur Einsicht ihres eigenen Unvermögens und ihres eigenen Nichts gelangt ist. Das geht nicht ohne die Erfahrung von Trübsalen. Denn meistens ist der Mensch erst wenn er am Boden liegt, wenn es ihm schlecht geht, wenn er seine Unzulänglichkeit spürt oder wenn er seiner Not hilflos ausgeliefert ist, in der Lage, seine Bedürftigkeit zu erkennen, diese Wahrheit vor Gott anzuerkennen und als Tatsache anzunehmen.

Erst dann ist das Erdreich der Seele genügend gelockert. Erst dann ist die Furche hinreichend tief gezogen, daß das göttliche Samenkorn in die Seele eingehen kann, um dort gedeihen zu können. Erst dann ist sie offen für das Verständnis des Wortes Gottes, die übernatürliche Gnade, für göttliche Erleuchtungen und Einsichten, für das Wachstum in den göttlichen und übernatürlichen Tugenden, für das Wirken der Gaben des Heiligen Geistes. Erst dann erwartet die Seele nichts mehr in eitlem Selbstvertrauen von sich selbst und ihren eigenen Kräften, sondern alles von Gott, im Vertrauen auf Seine weise Allmacht und Vorsehung. Erst unter dieser Voraussetzung kann dann Gott etwas Großes aus einer solchen Seele wachsen lassen. So war es beim hl. Paulus. Und so ist es bei jeder christlichen Seele.

Durch die vielen persönlichen Niederlagen, Schicksalsschläge, Ungerechtigkeiten, die uns von außen zugefügt werden; durch den wiederholten Rückfall in alte Sünden, unsere Unzulänglichkeiten und Schwächen, die wir in unserem Inneren feststellen; all diese Dinge sind Zulassungen Gottes, um unser Herz zu demütigen, um es durch die „humiliationes“, also die Demütigungen, in fruchtbaren Humus zu verwandeln.

Frucht bringen in Geduld

Nur in ein geduldiges Herz kann der Herr Seine göttliche Kraft, Seine lebensspendende Kraft, Seine fruchtbringende Kraft, den Samen Seiner Gnade, mit der Hoffnung auf tatsächlichen Ertrag hineinsenken. Der Stolze, der selbstzentrierte und selbstgenügsame Mensch gleicht hingegen eher dem planierten Boden, der nichts in sich eindringen läßt, der für jeden Einfluß von oben, sei es durch den erweichenden Regen guter Eingebungen und Ratschläge, sei es für das Saatkorn der Gebote des Evangeliums unzugänglich, verdichtet und verhärtet bleibt. Die Widrigkeiten und Trübsale des Lebens durchbrechen den Stolz, machen das Herz offen für das, was Gott in uns großes hineinlegen will, damit wir „Frucht bringen in Geduld“.

Frucht bringen in Geduld! Hier liegt oft das Problem bei vielen enthusiastischen Bekehrungen. Menschen fühlen sich überwältigt von der Gnade. Sie meinen etwas Übernatürliches erfahren, gehört, vielleicht sogar gesehen zu haben. Wie vorsichtig man mit solchen Wahrnehmungen sein muß, das sagen uns die Heiligen und die Lehrer des geistlichen Lebens übrigens immer wieder.

Ein gesteigerter Puls, Gefühle eines von der Erde Enthobenseins, und auch einer Art innerer Schau von etwas, in das ich mich zuvor leidenschaftlich hineingesteigert habe, muß noch längst keine übernatürliche Angelegenheit, sondern kann ein ganz normaler menschlicher Vorgang sein.

Jene Bekehrten also meinen, sie hätten etwas ganz besonderes erlebt und dann wissen sie meistens ganz genau: „Gott verlangt von mir dieses oder jenes.“ „Er hat mich auf diesen Weg gewiesen.“ Und man kann ihnen kaum noch einen Ratschlag geben. Mit fliegenden Fahnen geht es los. Der Enthusiasmus steigert sich bei den ersten Erfolgen, die man gemacht zu haben meint. Und dann kommt, was einfach kommen muß: Widerstände, Trockenheit im Gebet, Rückfall in alte Sünden, Trübsale, Leiden, vielleicht sogar Verfolgungen. Umstände also, welche die Tugend der Geduld – die Ausdauer in Widerwärtigkeiten – erforderlich machen. Doch Fehlanzeige! Enttäuschung, ja, sogar Verbitterung bemächtigt sich des menschlichen Herzens. Einige Zeit führt man vielleicht noch dieselben frommen Worte im Mund, die man vorher schon immer wieder aufgesagt hatte. Es waren damals vielleicht schon hohle Phrasen. Jetzt spätestens sind sie es geworden. Wer Frucht bringen will, nicht in Geduld, sondern in Ungeduld, der mag sich vielleicht in seiner „Erfahrung“ und Methodik sehr gelehrt und gescheit fühlen, aber er ist doch bereits im Ansatz gescheitert. Und nicht selten wird aus dem enthusiastisch Bekehrten ein zum Deserteur aus der Schar der Streiter Christi Gewordener.

Die Widrigkeiten des Lebens machen uns nicht nur erst empfänglich für die Gnade, sie prüfen auch die Echtheit unserer Gottesliebe. Denn die Liebe ist nun einmal unnachgiebig und hartnäckig. „Die Liebe erträgt alles, glaubt alles, hofft alles, duldet alles. Die Liebe hört nie auf.“ (1. Kor. 13,7 f.)

Ja, aber ist Liebe nicht auch ungeduldig? Ja und nein! In einem Sinne ist sie es. Aber das ist eben nicht die Ungeduld darüber, daß eine Maschine nicht recht funktionieren will, sondern es ist eher das Leiden daran, daß man Gott eben noch nicht so liebt und Ihm nicht so dient, wie Er es verdient. Daß man statt dessen noch immer viel zu sehr um sich selbst kreist. Oder um es mit den Worten des hl. Ignatius von Loyola zu sagen: Es ist die leidvolle Ungeduld, immer noch nicht „zu geben ohne zu zählen, zu kämpfen ohne der Wunden zu achten, zu arbeiten ohne Ruhe zu suchen und sich hinzugeben ohne einen anderen Lohn zu erwarten als das frohe Wissen, Gottes heiligen Willen erfüllt zu haben.“ Die Liebe aber treibt uns an, im Guten auszuharren und beharrlich im Vertrauen auf Gottes Gnade jeden Tag aufs Neue den Anlauf zu wagen.

Dann kann es und wird es auch geschehen, daß wir nach längerem Ausharren, einen Fortschritt feststellen dürfen. Keine sensationellen Vorgänge vermutlich; aber doch vielleicht eine ruhige Ergebenheit in Gottes Zulassungen dort, wo wir früher noch innerlich aufbegehrten; mehr Milde und Sanftmut mit dem Nächsten dort, wo wir früher kritisierten und verurteilten; und ein tieferes Mitgefühl und eine größere Hilfsbereitschaft dort, wo wir früher am Leid Anderer kalt und unbeteiligt vorübergingen. Das klingt vielleicht nicht besonders attraktiv für denjenigen, der ganz schnell ganz hoch hinaus will. Aber es ist mehr, es ist echter und es ist wesentlicher als das allermeiste im religiösen Leben, was vielleicht das Gefühl des Menschen und sein Selbstwertgefühl anspricht und hebt, aber oft zu nichts anderem nutze ist, als dazu, das Ego zu steigern und den geistlichen Dünkel zu nähren.

Das Naturgesetz im Reiche Gottes

Gott will uns durch die Probe der Geduld begreiflich machen, daß wir aus uns allein zu nichts, aber auch zu gar nichts fähig sind, was für die Ewigkeit Bestand und Wert hätte. Er will daß wir erkennen, daß Er allein die Ursache jeden Fortschritts und jeder übernatürlichen Fruchtbarkeit ist und daß wir keinen Grund haben, uns selbst zu rühmen, außer unserer Schwachheit. Deshalb erklärt der hl. Paulus: „Gern will ich mich darum meiner Schwachheiten rühmen, damit die Kraft Christi in mir wohne.“ Gern will er sich seiner Schwachheit rühmen! Das klingt für uns sehr rätselhaft und ist doch von größter Bedeutung.

Es widerstrebt dem Stolz des Menschen die Demütigungen und Niederlagen anzunehmen, geschweige denn sie „gern“ anzunehmen. Schwachheit wiederstrebt der Ungeduld des Menschen, der unter Aufbietung aller Kräfte schnelle Erfolge sehen will. Deshalb versuchen wir unsere Schwächen, Mißerfolge und unschönen Verhaltensweisen möglichst zu verschweigen, vor anderen zu verbergen oder zu beschönigen, bei uns selbst, durch Verdrängung, in Vergessenheit zu bringen. Wir werden mißmutig, enttäuscht, niedergeschlagen und gereizt wenn die Dinge nicht so laufen, wie wir es uns ausgerechnet haben; wenn wir kritisiert werden, wenn wir versagen. Wir grummeln und poltern, werden kleinmütig, resignieren, ja hadern bisweilen sogar mit Gott über unser Schicksal.

Warum aber rühmt sich der Völkerapostel „gern“ seiner Schwachheit und Hinfälligkeit? Antwort: „Damit die Kraft Christi in mir wohne.“ Er hat die Beweise seiner Schwachheit nicht ohne Grund angeführt! Stehen sie doch in deutlichstem Kontrast mit den glorreichen Früchten seiner apostolischen Tätigkeit, die den Korinthern, an die er diese Zeilen richtete, handgreiflich vor Augen standen. Indem er also auf seine Schwachheit hinwies, zeigte er zugleich, wie groß die göttliche Kraft in ihm wirksam gewesen sein mußte, die – seiner Schwachheit zum Trotz – durch ihn doch noch etwas Gutes, etwas so staunenswert Großes zustande gebracht hat.

Je mehr weiter unsere Seele durch die Pflugschar Gottes geöffnet wird, und je ergebener wir darunter ausharren, um so tiefer dringt der Same Seiner übernatürlichen Gnadenkraft und Seines göttlichen Lebens in uns ein und wird in uns um so fruchtbarer.

Blicken wir in unseren Prüfungen auf zum Kreuz unseres Heilandes. Schauen wir wie der Sohn Gottes von den Marterwerkzeugen seiner Peiniger beackert und durchpflügt worden ist; von den Geißeln, den Dornen, den Nägeln, der Lanze. Und welche Frucht hat Gott daraus erwachsen lassen! Die Frucht der Sündenvergebung. „Lamm Gottes, Du nimmst hinweg die Sünden der Welt!“ Die Frucht aller Gnaden und des unvergänglichen Lebens. Die Frucht unendlicher Glückseligkeit und ewiger Glorie. Christus ist das Weizenkorn, das in die Erde fällt und stirbt. Und es hat mehr als hundertfältige Frucht getragen.

Bis zum Ende der Zeiten wird ein Grundsatz, gleichsam das Naturgesetz des Gottesreiches, bestehenbleiben. Es lautet: „Im Kreuz ist Heil.“ Oder, wie es viele Heilige gesagt haben: „Per crucem ad lucem“ – „Durch das Kreuz zum Lichte der himmlischen Herrlichkeit.“ Dieser Sinnspruch fand sich im Leben des hl. Paulus verwirklicht. Gott will ihn auch in unserem Leben verwirklicht sehen.

Kraft in der Schwachheit!

Noch immer gelten die Worte Jesu: „Wer sich selbst erhöht, wird erniedrigt werden. Und wer sich selbst erniedrigt, wird erhöht werden.“ (Lk. 14,11). Genauso das Wort vom Weizenkorn: „Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und stirbt, bleibt es allein; wenn es aber stirbt, bringt es viele Frucht.“

Die Epistel hat uns die Leiden des Völkerapostels, gleichsam sein Sterben in Christus hinein, geschildert. Doch welche herrlichen Früchte sind daraus gewachsen! – Von keinem der übrigen Apostel wissen wir, daß ihm ein vergleichbarer Erfolg im Apostolat beschieden gewesen war. Kein Apostel gründete in den verschiedensten Ländern der damaligen Welt mehr Gemeinden, als Paulus. Keiner wurde öfter durch den Heiligen Geist gewürdigt, inspiriertes Wort Gottes niederzuschreiben, so daß seine 17 Briefe in der Heiligen Schrift „Corpus Paulinum“ genannt, während die der übrigen Apostel mit der Bezeichnung „katholische Briefe“ zusammengefaßt werden. Kein anderer Apostel deckte in seinen Briefen so viele Bereiche der christlichen Lehre ab und keiner gelangte zu annähernd gleicher theologischer Tiefe wie er. Von keinem sind uns derart mystische Ekstasen bekanntgeworden, daß einer, wie Paulus, in den dritten Himmel entrückt worden sei, um dort Worte zu vernehmen, die man nicht aussprechen kann. Das ist die hundertfältige Frucht, die aus den geduldig ertragenen Leiden und Trübsalen des hl. Paulus hervorgegangen sind.

Diese Erkenntnis läßt ihn nicht nur in stiller Ergebung tragen, was nun einmal unabwendbar ist, sondern begeistert ihn und zeigt ihm alle sin verklärendem Licht, was sonst den Menschen abschreckt. Er spricht nicht mehr: Ich „muß“ leiden, sondern ich „darf“ leiden. Geschieht es doch aus Liebe zu dem, der sein ganzes Herz besitzt – um Christi willen. Mögen die Beschwernisse von innen oder außen kommen, aus der Natur der Dinge oder aus der Bosheit der Menschen, je mehr das „irdene Gefäß“ seines Leibes vom stolzen Ich leer wird, um so eher kann Christus es randvoll füllen mit Seiner Kraft. In der Parole: „Kraft in der Schwachheit“ ist alles irdische Leid von innen überwunden!

Damit die Kraft Christi in mir wohne

In ähnlicher Weise wird es sich bei uns verhalten, wenn wir dem Beispiel des Völkerapostels nacheifern und die Widrigkeiten des Lebens in ergebener Geduld annehmen. Je mehr wir geprüft werden, umso tiefer wachsen wir in Christus hinein. In den geduldig ertragenen Demütigungen, Trübsalen und Prüfungen, die Gott über uns – aber auch über die Kirche – kommen läßt, liegt das Geheimnis geistlichen Wachstums und immerwährender Fruchtbarkeit.

Bemühen wir uns deshalb, in den Mühsalen, Prüfungen und Leiden unseres Lebens gläubig die Hand Gottes zu sehen, die das Erdreich unserer Seele bearbeitet. Nicht um uns aufzureiben, sondern um uns fruchtbar für sein Himmelreich zu machen. Raffen wir uns angesichts der beginnenden Fastenzeit wieder auf. Beten wir um eine große Gottesliebe, die in uns die Opferbereitschaft erstarken lassen wird. Dann kann die Fastenzeit für uns wieder ein neuer geistiger Frühling werden, in dem der göttliche Ackers- und Sämann ausgeht, um das Feld unserer Seele zu bestellen.

Verbinden wir uns bei dieser heiligen Messe ganz bewußt mit dem leidenden Christus. Bitten wir Ihn, daß Er uns in Sein Opfer hineinnehme, daß wir die Gesinnungen Seines Heiligsten Herzens übernehmen können, um mit Ihm zusammen eine gottwohlgefällige Opfergabe zu sein. Dann würde unser Herz dem guten Erdreich gleichen, das dann bei der hl. Kommunion den Samen – das fleischgewordene Wort Gottes – in Gestalt der hl. Hostie, in sich aufnimmt, „damit die Kraft Christi in ihm wohne“. Und dann wird dieser Same auch in uns Frucht bringen: dreißigfach, sechzigfach, ja hundertfach. Amen.

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