23. Sonntag nach Pfingsten
Die Auferstehung des Fleisches
Geliebte Gottes!
Der Tod ist das große Portal in die Ewigkeit; geheimnisvoll und für viele Menschen schrecklich. Der natürlich gesinnte Mensch, der ohne das Licht des Glaubens auf den Tod blickt, läßt sich nur ungern daran erinnern, daß dieses Leben eines Tages enden wird. Auch den Katholiken erfüllt der Gedanke daran mit Ernst, aber nicht ohne würdige Ruhe und stille Beseligung, die ihm der Glaube an Jesus Christus gibt.
Im heutigen Evangelium vernehmen wir aus dem Munde des Heilandes ein Wort, das in Verbindung mit dem darauffolgenden Machterweis, uns den Tod im rechten Licht sehen läßt und unseren Glauben an die Auferstehung von den Toten festigt. Welches Wort ist das? Es ist das Wort unseres Herrn an die im Haus des Jairus versammelte Trauergemeinde: „Das Mädchen ist nicht tot, es schläft nur.“
Der Tod, des Schlafes Bruder
Christus gibt mit diesen Worten einen Vergleich. Er vergleicht den Tod mit dem Schlaf. Das Mädchen war tatsächlich gestorben. Der Vater selbst hatte es gesagt: „Herr, meine Tochter ist soeben gestorben.“ Und doch sagte Christus, sie schlafe nur. Der Vergleich des Todes mit dem Schlaf ist nicht neu. Im Alten Bund sprach Gott zu Moses, um diesen auf seinen bevorstehenden Tod vorzubereiten: „Siehe, du wirst schlafen mit deinen Vätern.“ (Dt. 31,16). Der Prophet Daniel spricht von den Verstorbenen als von der „Menge derer, die im Staube der Erde schlafen.“ (Dan. 12,2).
So ist es nicht verwunderlich, daß auch unser göttlicher Erlöser im heutigen Evangelium und mit Ihm dann auch die hl. Apostel in der neutestamentlichen Offenbarung, wiederholt und im gleichen Sinne an diesen Vergleich anknüpfen. So verkündet der Völkerapostel den vom Tode auferstandenen Herrn mit den Worten: „Christus, [ist] der Erstling der Entschlafenen.“ (1. Kor. 15,20). Der Auferstandene ist der Erste, der vom Todesschlaf wiederauferstanden ist. – An anderer Stelle schreibt der hl. Paulus: „Wenn wir glauben, daß Jesus gestorben und auferstanden ist, so wird auch Gott die, welche in Jesus entschlafen sind, mit Ihm herbeiführen.“ (1. Thess. 4,14). Mit dem Ausdruck „in Jesus entschlafen“ will der hl. Paulus sagen, daß am Jüngsten Tag diejenigen, die im Glauben an Jesus und in der Liebe Christi gestorben sind, auferweckt, und zusammen mit dem Heiland zum ewigen Leben versammelt werden.
Der Vergleich des Todes mit dem Schlaf ist nicht nur biblisch, sondern außerdem überaus passend. Beide, sowohl der Schlaf, als auch der Tod sind eine Unterbrechung unserer gewöhnlichen Lebenstätigkeiten. – Beide sind eine Zeit der Ruhe, nach Mühe und Anstrengung. – Beide sind unwiderstehlich. Sowohl der Schlaf als auch der Tod überkommen den Menschen, ohne daß er sich ihrer auf Dauer erwehren könnte. – Beide, Schlaf und Tod, gehen aus der Schwäche des gefallenen Menschen hervor. Denn wie der Schlaf in der körperlichen Erschöpfung die erbsündlich bedingte Begrenztheit der menschlichen Kräfte offenbart, so offenbart der Tod die selbstverschuldete Begrenztheit des Menschenlebens, als Folge der ersten Sünde. – Der Vergleich führt uns schließlich zu einer letzten Gemeinsamkeit von Schlaf und Tod. Auf beide folgt ein Erwachen. Sowohl der Tod, als auch der Schlaf sind endlich. Es gibt aus beiden ein Erwachen. Freilich ein unterschiedliches: Heiter und fröhlich oder trübsinnig und schmerzlich, je nach der Verfassung, in der man eingeschlafen ist…
Die Leugnung der Auferstehung von den Toten
Bedingt durch die Erbsünde und die damit einhergehende Verdunklung des Verstandes, ist dem Menschen der rechte Begriff vom Tod, wie er sich aus seinem „kleinen Bruder“, dem Schlaf, ergibt, bald abhanden gekommen.
Im Judentum erkannte man zwar im Lichte der göttlichen Offenbarung das Sterben als ein Versammeltwerden zu den Vätern, als Übergang zu einem besseren, bleibenden Fortbestehen, durch das Wirken des zukünftigen Messias. Allein schon zur Zeit Jesu leugneten viele Juden, vor allem die Angehörigen der sog. Sadduzäer, die Unsterblichkeit der Seele und folglich, sowohl ein Fortleben nach dem Tod, als auch eine Auferstehung des Fleisches.
Im Heidentum war über das Grab hinaus trostlose Ödnis und Finsternis. Nur die besten und edelsten heidnischen Philosophen des Altertums hofften auf ein irgendwie geartetes Fortbestehen nach dem Tode. Aber eine leibliche Auferstehung, war ihnen genauso undenkbar.
Erst Jesus Christus brachte im wahrsten Sinne des Wortes, Licht in die Finsternis des Grabes. Er der von Sich sagen konnte „Ich bin das Licht der Welt“, steht am Ostermorgen in Seiner verklärten Gestalt als Auferstandener wie eine leuchtende Fackel im Dunkel des Grabes. Mit der Überwindung des Todes in Seiner österlichen Auferstehung hat Christus die Wahrheit Seiner wiederholt gegebenen Verheißungen erwiesen. Die Wahrheit etwa jenes Wort, das da lautet: „Ich bin die Auferstehung und das Leben; wer an Mich glaubt, wird leben, auch wenn er gestorben ist.“ (Joh. 11,25). Oder das Wort, das Er heute an die trauernden Juden richtete: „Das Mädchen ist nicht tot, es schläft nur.“ – Der Tod ist ein Schlaf für jene, die mit Jesus zu einem neuen, übernatürlichen Leben auferstanden sind, wodurch sie der zukünftigen Verklärung, auch dem Leibe nach, teilhaftig werden.
Die Reaktion vieler Menschen, damals wie heute, ist jedoch dieselbe, wie wir sie bei der lärmenden Menge der Trauergäste im Haus des Synagogenvorstehers im heutigen Evangelium finden: „Da verlachten sie Ihn.“ Viele Menschen spotten über einen solchen Glauben. Die Materialisten und Atheisten der damaligen wie der heutigen Zeit behaupten, daß die Unsterblichkeit, das Weiterleben der Seele und der Glaube an eine leibhaftige Auferstehung von den Toten nur erfunden worden sei, um die Einfältigen über das Todesschicksal hinweg zu trösten. – In Wirklichkeit spiegelt sich in ihrem spöttischen Unglauben jedoch eine uneingestandene Angst wider. Denn der Gedanke an das Weiterleben ist nicht nur ein Trost. Er kann auch eine Furcht sein, eine berechtigte Furcht! – Es ist also manchmal gerade umgekehrt. Diejenigen, welche die Auferstehung von den Toten leugnen, wünschen sich (!), im Tode ausgelöscht zu werden, denn sie fürchten, daß, wenn es ein Weiterleben gäbe, es für sie nicht behaglich sein könnte.
Im spanischen Bürgerkrieg wurden zahllose Priester und Ordensleute von den Kommunisten ermordet, darunter auch der Kanonikus eines Domkapitels, der, um mit den Worten des hl. Paulus zu sprechen, als ein „Feind des Kreuzes Christi“ gelebt hat. Er hatte vor seiner Hinrichtung ein letztes Gespräch mit einem abgefallenen Priester, der sein Amt verraten und zu „den Roten“ übergelaufen war. Dieser apostatische Priester sagte zu ihm: „Ach, wissen Sie, ich habe meinen Glauben abgeworfen.“ Der Kanonikus antwortete: „Sie Glücklicher! Sie Glücklicher! Ich wollte, ich könnte meinen Glauben loswerden. Morgen in aller Frühe erschossen zu werden, fiele mir dann nicht so schwer, wenn ich überzeugt wäre, danach einfach nicht mehr zu existieren.“ Ja, die Leugnung des Fortlebens nach dem Tod und der Auferstehung des Fleisches ist oft nur der Wunsch eines schlechten Gewissens, das aus der klaren Erkenntnis der eigenen Schuld resultiert.
Das Dogma von der Auferstehung des Fleisches
Das heutige Evangelium belehrt uns, daß es nicht nur ein Fortleben nach dem Tod gibt, sondern auch eine Auferweckung. Die Seele überdauert nicht nur aufgrund ihrer einfachen, unzerstörbaren Natur; nein, sie wird eines Tages wieder mit dem abgestorbenen Leib vereinigt, worauf sich dieser vom Todesschlaf erheben wird, wie die Tochter des Jairus.
Für uns Katholiken ist der Glaube an die Auferstehung des Fleisches ein geoffenbarter Glaubenssatz, der schon zur Zeit der Apostel Eingang in das Glaubensbekenntnis gefunden hat. „Ich glaube an …, die Auferstehung des Fleisches und das ewige Leben.“ Lassen Sie uns deshalb auf das Dogma von der Auferstehung des Fleisches genauer eingehen und dabei drei Punkte besonders hervorheben:
- die Tatsache der Auferstehung des Fleisches;
- den Zweck der Auferstehung des Fleisches; und
- die Art und Weise der Auferstehung.
a) Die Tatsache der Auferstehung des Fleisches
Kann man wirklich behaupten, die Auferstehung des Fleisches sei eine Tatsache? – Wenn man von Tatsachen spricht, so versteht man darunter für gewöhnlich doch ein Ereignis, das sich bereits ereignet hat; ein Ereignis, das sich in der Vergangenheit nachweislich zugetragen hat.
Die Auferstehung des Fleisches ist auch eine Tatsache, aber eine Tatsache, die erst in Zukunft, ja, sogar in der aller fernsten Zukunft, am jüngsten Tage, am Ende der Erdenzeit, geschehen wird. Sie wird sozusagen die letzte Tatsache auf der Bühne dieser Welt sein. Eine künftige Tatsache!
Bei Tatsachen denkt man stets an etwas Sicheres und Feststehendes, an ein Ereignis, das sich wirklich zugetragen hat. Nun aber scheint nichts ungewisser zu sein als die Zukunft. Und je weiter ein Ereignis in zukünftiger Ferne liegen soll, um so ungewisser ist es für gewöhnlich. Wenn nun die Auferstehung des Fleisches, wie gesagt, ganz am Ende aller Tage vor sich gehen soll, so scheint sie eben deshalb von allen zukünftigen Ereignissen dasjenige zu sein, welches von größter Ungewißheit ist. Nichtsdestotrotz ist die Auferstehung eine durchaus sichere und gewisse Tatsache. Denn woher kommt denn die Kenntnis von der zukünftigen Auferstehung des Fleisches? – Von Gott! Vom ewigen Gott. Von Gott der im ewigen Heute, im ewigen Jetzt, wohnt und über allen Zeiten thront. Von Gott, der den ganzen Zeitenlauf vom Schöpfungsmorgen bis zum Jüngsten Tag in einem einzigen Blick sieht; für den jeder Augenblick der Weltzeit gleichermaßen Gegenwart ist. Seinem allwissenden Auge ist also das zukünftige Ereignis der Auferstehung des Fleisches am letzten aller Tage jetzt schon als geschehene Tatsache gegenwärtig. Ja, sie ist Ihm von Ewigkeit stets gegenwärtig. – Diese Kenntnis hat Gott nicht für sich behalten, sondern Er hat sie offenbart. Er hat sie auserwählten Menschen mitgeteilt. Und diese haben sie wiederum festgehalten in der Heiligen Schrift.
Schon im Alten Bund sagt der fromme Job, bereits Jahrtausende vor dem Erscheinen des Erlösers Jesus Christus, von Gott erleuchtet: „Ich weiß, daß mein Erlöser lebt, und daß ich am jüngsten Tage von der Erde auferstehen werde. Und ich werde wieder umkleidet werden mit meiner Haut, und in meinem Fleische werde ich meinen Gott schauen. Ich selbst werde Ihn sehen und kein anderer [d.h. kein Unwürdiger]. Diese meine Hoffnung ruht in meinem Herzen!“ (Job 19,25 ff.).
Auch die Vision, die dem Propheten Ezechiel zuteil wurde, ist ein deutliches Vorzeichen der künftigen allgemeinen Auferstehung des Fleisches. Der Prophet sah ein weites Feld, das voller Gebeine war. „Menschensohn, meinst du wohl, daß diese Gebeine lebendig werden?“ (Ez. 37,2-14), so vernahm er eine Stimme. Und der Prophet gab zur Antwort: „Gott, Herr, Du weißt es.“ Daraufhin befahl Gott dem Propheten die Gebeine anzureden und zu sagen: „Ihr verdorrten Gebeine, vernehmt das Wort des Herrn. So spricht Gott, der Herr, zu diesen Gebeinen: ‚Siehe, Ich will den Geist in euch bringen, daß ihr lebendig werdet. Ich will euch Sehnen geben, und Fleisch über euch wachsen lassen, und euch mit Haut überziehen; und will euch den Geist verleihen, daß ihr lebendig werdet und erkennet, daß Ich der Herr bin.‘“ Genau das tat der Prophet und was geschah? Es fügte sich Gebein an Gebein. Nerven, Sehnen, Muskeln und Haut umkleideten sie, der Lebensodem belebte sie. Der Geist Gottes vereinigte die Seelen wieder mit den Leibern und die vormals Toten erhoben sich aus dem Staub. Hiernach erklärte Gott: „Ihr sollt erkennen, daß Ich der Herr bin, der Ich eure Gräber öffne, und euch, Mein Volk, aus euren Grüften herausführe, und euch Meinen Geist gebe, daß ihr lebet.“
Im Neuen Testament hat unser göttlicher Erlöser die Auferstehung des Fleisches nicht minder deutlich vorhergesagt: „Es kommt die Stunde, und sie ist schon da, wo alle, die in den Gräbern sind, die Stimme des Sohnes Gottes hören werden, und es werden hervorgehen, die Gutes getan haben, zur Auferstehung des Lebens, die aber Böses getan haben, zur Auferstehung des Gerichtes.“ (Joh. 5,28 f.). Sah der Heiland nicht weit genug in die Zukunft? Gewiß, Er ist der allwissende Gott. Er, der ewige Sohn Gottes, ruht von Ewigkeit im Schoße des Vaters und hat nicht nur indirekte Kunde von den zukünftigen Dingen gebracht, wie es die Propheten getan haben. Nein, der Sohn Gottes hat das Zukünftige als Gott selbst geschaut und uns davon als unmittelbarer Zeuge Kunde gebracht, was Er am Jüngsten Tag tun wird. – Wird Ihm dazu die Kraft fehlen? Gewiß nicht! Er hat Seine Macht mehrmals bewiesen. An sich selbst, indem Er von den Toten auferstand. An anderen, indem Er Verstorbene vom Tod auferweckte. Soeben hörten wir von dem verstorbenen Töchterchen des Jairus, das im Kindesalter gewesen war. An anderer Stelle erweckte Er den Jüngling von Naim, der in der Blüte der Jugend, und schließlich Seinen Freund Lazarus, der im reifen Alter gestorben war. Es gibt kein Alter, das Seiner Macht entzogen wäre! – Das Mädchen des Synagogenvorstehers weckte Er auf, als es noch auf dem Sterbebett lag. Den Jüngling, als er sich auf dem Weg zum Grabe befand. Den Lazarus, als dessen Leichnam bereits tagelang im Grab war und den Geruch der Verwesung verbreitete.
Sodann geschah jede Auferweckung durch den Heiland mit großer Leichtigkeit. Der hl. Markus berichtet in seinem Evangelium genauer als der hl. Matthäus. Markus hat ja die Predigt des hl. Petrus aufgeschrieben. Und Petrus war einer der wenigen Augenzeugen der heutigen Totenerweckung. „Er ergriff die Hand des Kindes und befahl ihm: ‚Talitha kumi‘, das heißt übersetzt: ‚Mädchen, Ich sage dir, steh auf!‘ Und sogleich stand das Mädchen auf und ging umher. Es war ja schon zwölf Jahre alt.“ (Mk. 5,41 f.) Sanft ergriff der Heiland die Hand des toten Kindes. Ein Wort. Ein Befehl und es stand auf und ging umher. – Ebenso weckte Jesus den Jüngling von Naim. „Er sprach: ‚Jüngling, Ich sage dir: steh auf.‘ Da richtete sich der Tote auf und fing an zu reden.“ Ein Wort, ein Befehl genügt! – Nicht anders verhielt es sich vor dem Grab des Lazarus. „Er rief mit mächtiger Stimme: ‚Lazarus, komm heraus!‘ – Da kam der Verstorbene heraus an Füßen und Händen mit Linnenbinden umwickelt, das Gesicht mit einem Schweißtuch umhüllt. Jesus befahl ihnen: ‚Macht ihn frei und laßt ihn gehen!‘“ (Joh. 11,43 f.). Genauso wird am Jüngsten Tag der lebensspendende Ruf des „Siegers über den Tod“ wie eine Posaune die Gräber durchdringen und alle Toten werden auf Seinen Befehl hin im neuen Gewand des Fleisches daraus hervorgehen.
Von den hl. Aposteln hat besonders der hl. Paulus oft und ausführlich in seinen Briefen die Auferstehung des Fleisches verkündet. Die junge Kirche hat von Anfang an der Offenbarung Gottes geglaubt. Und weil die ersten Christen gehorsame Schüler der Kirche waren, haben sie die Leichen der gestorbenen Brüder mit großer Ehrfurcht behandelt. Sie segneten sie, begleiteten sie mit Gebeten und Gesängen zum Grab. Sie segneten das Grab und setzten auf die Gräber das Erlösungszeichen des hl. Kreuzes. Den Ort, wo ihre Gebeine ruhen, nannten sie Gottesacker, also den Acker Gottes, von dem der hl. Paulus schreibt: „Es wird gesät in Verweslichkeit, es wird auferstehen in Unverweslichkeit. Es wird gesät in Unehre, auferstehen wird es in Herrlichkeit; gesät wird es in Schwachheit, auferstehen in Kraft.“ (1. Kor. 15,42 f.). Wir Katholiken betrachten die toten Leiber als Samenkörner, die einst, am Jüngsten Tage, aufgehen werden zur ewigen Ernte Gottes.
Die zukünftige Tatsache der Auferstehung des Fleisches ist also eine sehr sichere Tatsache. Es ist aber auch eine gewaltig große Tatsache. – Groß zunächst wegen ihres Urhebers. Der Sohn Gottes, Jesus Christus, der Erlöser der Welt, wird sie, wenn Er kommt, um zu richten die Lebenden und die Toten, in einem Augenblick verwirklichen. – Groß wegen der Kraft, womit diese Tatsache vollzogen wird. Durch ein Wort der Allmacht Gottes. Groß wegen der Ausdehnung, welche die Auferstehung des Fleisches nehmen wird. Alle werden auferstehen! Alle, die gestorben sind; von Adam bis zu dem letzten, den vor dem Jüngsten Tag der Tod ereilen wird. Gute und Böse! – Groß schließlich wegen der Wirkung, welche diese Auferstehung haben wird. Die Auferstandenen werden leben und nie mehr sterben. Leib und Seele sind dann so fest und eng verbunden, daß sie in Ewigkeit nicht mehr getrennt werden können.
Alles in allem ist die Auferstehung des Fleisches also eine zukünftige, eine sichere und eine große Tatsache.
b) Der Zweck der Auferstehung des Fleisches
Aber warum, zu welchem Zweck, sollen die Leiber der Verstorbenen wiederauferstehen? Ihre Seelen genießen doch schon den verdienten Lohn bzw. die verdiente Strafe. Genügt das nicht? – Nein, aus zwei Gründen soll auch der tote Leib auferstehen: Erstens, aufgrund der Gerechtigkeit. Denn auch der Leib soll Anteil erhalten an dem Lohn bzw. an der Strafe der Seele, wie er ja zu Lebzeiten auch Anteil hatte an den guten bzw. bösen Werken. – Und zweitens muß die Auferstehung des Fleisches erfolgen, damit der Sieg Christi über den Tod vollkommen werde.
In der Tat wird die göttliche Gerechtigkeit erst mit der Auferstehung des Fleisches dem Verdienst des Menschen vollends gerecht. Der Leib hat teilgenommen an der Ausübung sowohl der guten als auch der bösen Werke. Das ist unbestreitbar. – Es gibt fast kein gutes Werk, woran der Leib nicht beteiligt wäre. Beim Gebet hat die Seele freilich den Hauptanteil. Allein, das Falten der Hände, das Beugen der Knie, die Bewegung des Mundes, die Haltung des Leibes gehört doch auch zum Gebet. Das Fasten fühlt vorzüglich der Leib; das Wachen ist vor allem dem Leib beschwerlich. Die Mühe der Arbeit, die Anstrengung einer Wallfahrt, das Ertragen von Krankheiten und Schmerzen fällt doch hauptsächlich dem Leibe zur Last. – Wer wollte leugnen, daß die herrlichen Tugenden der Mäßigkeit, der Keuschheit, des Fleißes, der Geduld, alle Werke der Barmherzigkeit, nur mit Hilfe des Leibes geübt werden können? Mag die Seele die Gebieterin und Anführerin sein. Der Leib ist der Gehilfe.
Wenn aber nun der Leib an der Ausübung der guten Werke teilhatte, dann verlangt die Ordnung der Gerechtigkeit, daß auch er am ewigen Lohn seinen Anteil bekommt. Nicht bloß der siegreiche Feldherr bekommt den Lorbeer, auch die Soldaten seiner Armee bekommen ihn, weil sie seinem Kommando gefolgt sind. Nicht bloß der Reiter, der beim Wettrennen als erster ins Ziel einging, wird für den Sieg geehrt, sondern auch das Rennpferd, das ihn dorthin trug.
Ähnlich wie mit den guten Werken ist es mit den Bösen. Der Leib ist bei ihnen in gleicher Weise beteiligt. Dem Leib zuliebe begeht der Mensch so viele Sünden der Unterlassung, Sünden der Trägheit, der Nachlässigkeit. Der Leib zieht die Seele herab in viele Sünden; in den Sumpf der Unmäßigkeit, in den Schmutz der Unkeuschheit. Die Zunge dient als Werkzeug für üble Nachrede, Verleumdungen, Ehrabschneidungen, für verletzende Worte und Streitereien. Es wäre eine Ungerechtigkeit, würde mit der Seele nicht auch der Leib dafür gestraft werden. – Wenn der Leib aber nun am Lohn bzw. an der Strafe der Seele teilnehmen soll, dann muß er spätestens am Ende aller Tage aus dem Grab auferweckt werden.
Der andere Grund für die Notwendigkeit der Auferstehung ist, damit der Sieg Christi über den Tod vollständig sei. Christus hat über den Tod triumphiert. Wann? Natürlich als Er glorreich aus dem Grabe auferstand. Wenn aber die Leiber der Erlösten nicht auferstehen würden, so wäre der Sieg Christi unvollständig. Der Tod könnte sagen: „Du hast mich zwar besiegt, aber nicht ganz. Du bist dem Grab wohl entstiegen, aber die Leiber deiner Brüder habe ich ins Grab gebracht. Sie verwesen und niemand wird sie mir entreißen.“ Indem aber Jesus Christus auch die Leiber aller Menschen – selbst die der Verdammten – auferweckt, macht Er Seinen Sieg über den Tod vollständig. Christus kann sagen: Wie Adam den Tod aller verschuldet hat, so bin Ich die Ursache der Auferstehung aller. Erst dann ist der Jubel des hl. Paulus gerechtfertigt: „O Tod, wo ist dein Sieg? O Tod, wo ist dein Stachel?“ (1. Kor. 15,55). Du bist besiegt, vollständig besiegt!
c) Die Art und Weise der Auferstehung
Ja, am Jüngsten Tage werden alle Leiber der Verstorbenen auferstehen; die der Heiligen, genauso wie die der Verdammten. Aber nicht alle in der gleichen Art und Weise!
Es ist müßig zu sagen, daß die Leiber aller Auferstandenen frei sein werden von allen irdischen Bedürfnissen. Sie sind fürderhin unsterblich. – Hingegen werden die Leiber der Verworfenen elend und abscheulich, die der Seligen aber herrlich und dem verklärten Leib des Auferstandenen Christus ähnlich sein. Das ist die Lehre des hl. Paulus: „Wir werden zwar alle auferstehen, aber wir werden nicht alle verwandelt“ (1. Kor. 15,51), d.h. verklärt werden.
Die Leiber der Verworfenen werden elend und abscheulich sein, behaftet mit dem Kennzeichen ihrer Sünden, mit dem Siegel der Verdammnis, mit dem Brandmal ewiger Schande, so daß es der Seele graut, in diesen Leib einzukehren, der fortan ihr ewiges Gefängnis sein wird, und aus dessen Schmerzen sie keine Ohnmacht und kein Tod mehr zu erlösen vermag.
Die Leiber der Seligen werden herrlich und dem verklärten Leibe Christi ähnlich sein. Glänzend wie der Leib Christi. Mit Blitzes-, ja mit Gedankenschnelligkeit sich selbst durch Hindernisse hindurch bewegend, wie der Leib Christi. Unsterblich, frei von Krankheit, Schmerz und Tod, wie der Leib Christi. Besonders hervorleuchten werden die Stellen am Körper der Märtyrer, an denen ihnen um des Glaubens willen Wunden, tödliche Wunden geschlagen wurden, so wie am Leibe Christi besonders Seine heiligen Wundmale verklärt sind.
Betrachten wir unseren Leib! Vielleicht ist er alt, verwelkt, entkräftet, schon mit einem Fuß im Grab. Gleichgültig! Wir sollen den Tod nicht fürchten wie diejenigen, die keine Hoffnung haben.
Wirkung des Glaubens an die Auferstehung des Fleisches
Es ist lohnend, sich ins Gedächtnis zu rufen, wie Menschen anderer Zeiten dem Tode, dem Sterben entgegengegangen sind. In der Französischen Revolution wurde dem König Ludwig XVI. der Prozeß gemacht. Er wurde wegen eines angeblichen Landesverrates zum Tode verurteilt. Der König war kein Heiliger, aber ein gläubiger, katholischer Christ. Er sah seiner Hinrichtung gefaßt und ohne Angst entgegen. Ein Arzt, der ihn untersuchte, stellte fest: „Der Puls ist nicht erhöht. Der Blutdruck ist nicht gesteigert.“ Mutig und furchtlos betrat der König das Schafott, wo er hingerichtet werden sollte, und erhob noch einmal seine Stimme: „Ich sterbe unschuldig, aber ich vergebe denen, die mich auf das Schafott gebracht haben.“ Und so ist er am 21. Januar 1793 in die Ewigkeit gegangen.
Die Frau des Königs, Marie Antoinette, eine Tochter der österreichischen Kaiserin Maria Theresia, folgte ihrem Gemahl bald auf das Blutgerüst. Sie ging dem Tod ebenfalls in fester Haltung und ohne Zittern entgegen. Auf dem Wege zur Hinrichtung hatte sie eine Verabredung getroffen mit einem verkleideten Priester, der ihr die letzte sakramentale Lossprechung geben sollte. Und das geschah. So bestieg sie mutig die Richtstätte und beugte ihr Haupt unter die Guillotine. Sie starb würdig ihrer Mutter. Von Maria Theresia stammt das schöne Wort: „Wenn ich sterben muß, ist es mir, als ob ich von einem Zimmer ins andere gehe.“
Auch Elisabeth, die Schwester König Ludwigs, wurde vor das Revolutionsgericht geführt. Sie forderte die Richter auf, das Verhör abzubrechen. „Alle diese Fragen sind unnütz! Sie wollen meinen Tod. Ich habe Gott das Opfer meines Lebens dargebracht. Ich bin bereit zu sterben; glücklich, mich aufzumachen, um mich mit meinen ehrbaren Verwandten zu vereinigen, die mir vorausgegangen sind.“
In der Französischen Revolution wurden Hunderte, Tausende von Bischöfen und Priestern, mit oder ohne Urteil, zu Tode gebracht. Die meisten ertrugen ihr Schicksal in gläubiger Ergebung.
Man kann den Glauben der damaligen Katholiken nur bewundern. Der Glaube an die Auferstehung des Fleisches gab ihnen die Kraft, furchtlos das Todesschicksal auf sich zu nehmen. Diese gläubige Haltung war um so erstaunlicher, als damals bereits jahrzehntelang die Materialisten und Atheisten versucht hatten, mit ihren Schriften den katholischen Glauben zum Erlöschen zu bringen, indem sie die Erwartung des ewigen Lebens und der Auferstehung des Fleisches als eine Einbildung hinstellten und dem Gespött preisgaben.
Dieser Leib wird vom Tode auferweckt werden!
Das Licht dieses Glaubens brennt auch in uns. Es lehrt uns: Dieser Leib wird sterben. Aber eben dieser selbe Leib wird auch auferstehen. – Vielleicht ist dieser Leib jetzt heimgesucht von quälendem Husten, von lähmender Gicht, von chronischen Schmerzen, von allerlei Gebrechen. Dieser Leib, kein anderer! Nein, dieser Leib wird auferstehen in Herrlichkeit, unsterblich und frei von jedem Gebrechen. – Mag unser Leib verunstaltet, häßlich, voll offener Wunden, verkrüppelt oder vom Krebs ausgezehrt sein. Dieser Leib, kein anderer, wird umgestaltet werden und in ewiger Jugend und Schönheit die Ähnlichkeit Christi an sich tragen.
Der hl. Pfarrer von Ars, der sich sein Leben lang rastlos für das Heil der Seelen aufgerieben hat; der sein Fleisch gezüchtigt und es in Dienstbarkeit gehalten hat, ging dem Tode ohne Zittern und Zagen entgegen. Er hat gesagt: „Wie schön läßt es sich sterben, wenn man auf dem Kreuze gelebt hat.“ Was für eine kernige und zugleich wahre Aussage! Wie schön läßt es sich sterben, wenn man auf dem Kreuze gelebt hat!
Halten wir deshalb unseren Leib in Ehren. Machen auch wir aus ihm ein Werkzeug der Arbeit, des Eifers, der Geduld, der Mäßigkeit, der Keuschheit, der Buße; und eben dieser Leib wird für uns, wenn der Herr ihn aus dem Todesschlaf erweckt, wie Er mit einem Wort das Töchterchen des Synagogenvorstehers Jairus auferweckt hat, in alle Ewigkeit ein Haus der Verzückung werden, ein Ehrenkleid, ein Gefäß der Freude, ein Gegenstand ewigen Jubels, der Genosse ewiger Glückseligkeit. Amen.