Der Rosenkranz als Friedensbringer

Geliebte Gottes!

Das Festtagsevangelium des Rosenkranzfestes führt uns in das beschauliche Haus Mariens in Nazareth. Dort führte die allerseligste Jungfrau ein verborgenes Leben des Gebetes und der Erfüllung alltäglicher Pflichten, bis zu dem von Gott festgesetzten Tag, als der göttliche Bote bei ihr eintrat, ihr jenes „Ave“ entbot, das seitdem nicht mehr verstummt ist, und sich in der Folge jene heilige Konversation zwischen dem hl. Erzengel und der unbefleckten Jungfrau entspann, an deren Ende Maria die herrlichen Worte sprach: „Siehe ich bin die Magd des Herrn. Mir geschehe nach deinem Wort.“

Wir durften soeben die große Stunde Mariens miterleben, da sie dem Schicksal des ganzen Menschengeschlechtes eine neue Wendung gab; weg von dem Unheil, das aus der Unterhaltung des höllischen Engels mit der Stammmutter Eva entstanden war, hin zum Frieden mit Gott. Dabei ist schon die ganze Szene der Verkündigung in Nazareth beherrscht von einem tiefen Frieden. Alles ist ganz einfach. Doch trotz aller Bescheidenheit ist alles wohlgeordnet: Der Erzengel grüßt als Untergebener seine Königin. Die Jungfrau weiß sich trotz der einzigartigen Auszeichnung Muttergottes zu werden, als „Magd des Herrn“. Und der Sohn Gottes erniedrigt sich wortlos im Gehorsam gegen den Willen des Vaters. Er nimmt Knechtsgestalt an und ruft im Himmel gleichsam als Echo der Worte Mariens aus: „Einen Leib hast Du Mir bereitet. Siehe Ich komme, Deinen Willen zu erfüllen.“ Alles in Nazareth geschieht in der rechten Ordnung. „Pax tranquillitas ordinis“ – „Der Frieden ist Ruhe der Ordnung.“ Ordnung ist die Grundlage und Voraussetzung des Friedens. Des äußeren Friedens und des inneren Friedens.

Die Betstube der allerseligsten Jungfrau steht also für eifriges, innerliches Gebet, für innige, ja die innigste Vereinigung mit Gott, der sich in einem solchen Grad mit Maria verbindet, daß Er aus ihr Fleisch annimmt, und sie steht für den inneren Frieden. Der Friede von Nazareth steht also gerade für all das, wonach sich zwar so viele gläubige und fromme Menschen sehnen, aber was doch nur so wenige erlangen.

Man kann ganze Bibliotheken mit Büchern zu den Themen „innerliches Gebet“, „Vereinigung mit Gott“ und „innerer Herzensfrieden“ füllen. Im Laufe der Zeit haben sich verschiedene geistliche Schulen gebildet – die benediktinische Schule, die dominikanische Schule, die karmelitische Schule, die ignatianische Schule um nur einige Beispiele zu nennen. Sie haben Methoden des Gebetes entwickelt und mehr oder weniger kompliziert beschrieben. – Uns soll es heute genügen auf nur eine einzige, einfache Gebetsmethode näher einzugehen. Sie wurde dem hl. Dominikus auf himmlische Weise offenbart. Es ist der hl. Rosenkranz.

Das Rosenkranzgebet führt uns zur Innerlichkeit. Es macht die Seele zu einem Ort des Gebetes, zu einem Ort der Vereinigung mit Gott und schließlich zu einem Ort des innerlichen Friedens. Das werden wir einsehen, wenn wir folgende drei Punkte genauer in Augenschein nehmen:

  1. Die drei Arten, wie man den Rosenkranz beten kann.
  2. Wie uns der Rosenkranz ganz natürlich zum innerlichen Gebet führt; und
  3. Wie der Rosenkranz den inneren Herzensfrieden schafft.

Das Rosenkranzgebet

Jeder Katholik kennt den Rosenkranz. Es ist eines der am weitesten verbreiteten Gebete. Und doch ist er vielen Katholiken verschlossen, wie ein Buch mit sieben Siegeln. Sie empfinden die sich ständig wiederholenden Gebete öde und langweilig. Und wenn es sich so verhält, dann ist es auch nicht verwunderlich, daß der Rosenkranz bei einer solchen Seele oft ohne merkliche Frucht bleibt, ja auch schnell wieder beiseite gelegt wird.

Der Rosenkranz ist in gewisser Hinsicht ein einfaches Gebet, setzt er sich doch aus jenen einfachen Grundgebeten zusammen, die wir von Kindesbeinen auf kennen: aus dem „Apostolischen Glaubensbekenntnis“, dem „Vaterunser“ und „Ehre-sei-dem-Vater“ und natürlich dem „Ave Maria“. – Aber der Rosenkranz ist in gewisser Hinsicht auch ein forderndes Gebet. Das Betrachten der Geheimnisse, die Erkenntnis der in ihnen enthaltenen Gnaden und Lehren, sowie deren Anwendungen auf unsere persönliche Lebensführung und auf unser Gebetsleben, ist mühsam und verlangt eine geistige und sodann auch sittliche Anstrengung. Man kann die Rosenkranzgeheimnisse nun auf dreifache Weise betrachten.

a) Die Betrachtung mit der Phantasie

Erstens, indem man den Geist auf das heilsgeschichtliche Ereignis des jeweiligen Rosenkranzgeheimnisses richtet. Hier ist vor allem unser Vorstellungsvermögen gefordert, indem man sich die biblische Szene im Geiste vorstellt und man während der zehn Ave, das heilige Geschehen nach und nach vor sich ablaufen läßt. Auf diese Weise können wir uns leicht in die Situation hineinversetzen, als wären wir damals selber dabeigewesen. – Etwa bei der Geißelung des Herrn: Wir stellen uns unseren Herrn vor, wie Er entblößt den schamlosen Blicken aller Umstehenden ausgeliefert, an die Geißelsäule gebunden dasteht. Wir sehen im Geiste seinen geschundenen Leib, das herabströmende Blut, die Qualen die Er unter den wütenden Schlägen Seiner Peiniger aussteht. Stellen wir uns vor, als wären wir persönlich dabei anwesend. Wir beten dabei unseren Herrn an. Wir bereuen die Sünden der Fleischeslust, der Unmäßigkeit und des Zornes. Wir bewundern Seinen Leidenswillen, wie Er sich zur Sühne für unsere Sünden opfert und danken Ihm für Seine Liebe. Diese erste Methode ist zum einen eine große Hilfe gegen Zerstreuungen, weil unsere Phantasie, die sich während des Rosenkranzgebetes so gerne auf Wanderschaft begibt, durch die ablaufende Handlung der Szene gebunden wird. Ferner wird uns diese Methode zu einem sprudelnden Quell der Gnade, wird uns doch durch die Betrachtung des Geheimnisses, die besondere, sich in ihm bergende Gnade erschlossen.

Es handelt sich um eine tiefe Wahrheit: Die historische Begebenheit ereignete sich vor 2000 Jahren in der Vergangenheit. Aber die damals von unserem Erlöser und Seiner makellosen Mutter verdienten Gnaden, werden vermittelt genau in dem Augenblick, da wir heute den Rosenkranz beten; genau in dem Moment, da wir durch das betrachtende Beten des Rosenkranzes gleichsam an den damaligen Geschehnissen teilnehmen.

Diese erste Methode eignet sich insbesondere für Kinder, um sie an das Rosenkranzgebet heranzuführen. Sie eignet sich für einfache Geister; ja, grundsätzlich für Jedermann. Vor allem in Phasen innerer Trockenheit und geistiger Ermattung – wenn wir etwa nach einem anstrengenden Arbeitstag beten wollen. Da fällt es leichter die Gedanken beisammen zu halten, wenn wir unsere Phantasie beschäftigt halten, das jeweilige Geheimnis in unserem Geist lebendig werden zu lassen.

b) Die Betrachtung mit dem Verstand

Die zweite Art, die Rosenkranzgeheimnisse zu beten, zielt auf die Betrachtung des jeweiligen Tugendideals, das uns in ihnen vorgestellt wird. Der hl. Ludwig Maria Grignion von Montfort hat jedem Geheimnis eine besondere Tugend zugeordnet, die während der jeweiligen biblischen Szene besonders deutlich hervortritt. Natürlich scheinen mehrere Tugenden in einem Geheimnis auf. Aber der Heilige wollte damit eine Hilfestellung geben, die vorherrschende und für uns besonders wichtige Tugend eines jeden Geheimnisses zu benennen. So sind es etwa beim freudenreichen Rosenkranz im ersten Geheimnis die Tugend der Demut; im zweiten, die Tugend der hilfsbereiten Nächstenliebe; im dritten, die Tugend der Genügsamkeit, also der Liebe zur Armut; im vierten, die Tugend der Keuschheit und schließlich im fünften freudenreichen Geheimnis, die Tugend des Gehorsams. Um die Tugenden der jeweiligen Geheimnisse zu erkennen ist vor allem unser Verstand gefordert. Seine Aufgabe ist es, aus dem Geschehen des in unserer Vorstellung ablaufenden Geheimnisses, die vorherrschende Tugend herauszuschälen und uns klar vor unser inneres Auge zu stellen.

Bei dem vorhin erwähnten Beispiel der Geißelung ist es etwa die Tugend der Geduld. Durch die Anwendung des Verstandes auf die Szene erkennen wir, wie Jesus ohne ein böses Wort, ja, ohne auch nur eine Regung des Unwillens, des Zornes, oder der Rachsucht, all diese ungerechten Grausamkeiten, die Ihm angetan werden, schweigend erträgt. Keine Klage findet sich auf Seinen Lippen, keine Drohung, kein Murren. Tapfer erträgt Er die Pein. Schlag um Schlag nimmt Er willig an. An der Geißelsäule hat uns Christus ein Beispiel gegeben, was es heißt die Tugend der Geduld zu üben.

Wie gesagt scheint nicht nur eine Tugend in jedem Geheimnis auf, sondern mehr oder weniger deutlich sogar alle. Man kann sich deshalb – gleichsam als eine Variante – von vorneherein nur eine einzige Tugend vornehmen; vorzüglich natürlich jene Tugend, die wir durch das Gebet erbitten; jene Tugend, die uns mangelt, derer wir aber bedürfen, um eines unserer Laster zu bekämpfen. Diese ersehnte Tugend wollen wir am Beispiel Jesu und Mariä mit dem Verstand betrachten, während aller fünf Geheimnisse eines Rosenkranzes hindurch. Nehmen wir uns etwa die Tugend der Demut vor, so blicken wir etwa während der fünf freudenreichen Geheimnisse auf die allerseligste Jungfrau. In jedem Geheimnis scheint diese Tugend in einer anderen Schattierung auf. Im Gespräch mit dem hl. Erzengel Gabriel; bei ihrem Besuch bei Elisabeth; im Stall von Bethlehem; genauso wie bei der Darstellung im Tempel und bei der Suche nach dem 12-jährigen Jesus. Jede Einstellung wird uns nicht nur zeigen, wo und auf welch vielfältige Weise Maria die Demut geübt hat, sondern die verschiedenen Szenen werden uns gleichsam zu einer Inspirationsquelle, wie auch wir, in unseren persönlichen und alltäglichen Verhältnissen, eben diese Tugend üben und Maria in der Praxis nachahmen können. In gleicher Weise kann sich der Blick unseres Verstandes auch auf unseren göttlichen Erlöser, Jesus Christus, konzentrieren, um das unerschöpfliche Tugendbeispiel, das Er uns in den einzelnen Geheimnissen gibt, zu verinnerlichen.

c) Die Betrachtung mit dem Willen

Der dritte Weg die Rosenkranzgeheimnisse zu betrachten, zielt darauf ab, unsere Seele mit Jesus und Maria durch die Liebe zu vereinigen. Hier ist insbesondere unser Wille gefordert.

Diese Methode kann verglichen werden, mit jenen drei Jünglingen, die in Babylon in den glühenden Feuerofen geworfen wurden, wie uns das Buch des Propheten Daniel berichtet. Die drei Jünglinge standen inmitten der Feuersbrunst, ohne daß ihnen die Flammen etwas zuleide tun konnten. Und was geschah? Inmitten der Feuersglut begannen sie Gott zu preisen! Das ist eine Veranschaulichung des dritten Weges.

Wir stürzen uns, während wir uns zehn Ave lang ein Rosenkranzgeheimnis vorstellen, gleichsam in den Feuerofen des heiligsten Herzens Jesu, in den „brennenden Feuerherd der göttlichen Liebe“, um unsre Liebe an dem jeweiligen Rosenkranzgeheimnis zu entzünden, Christus anzubeten, Ihn aus allen unseren Kräften zu preisen und zu lieben. Die drei Jünglinge haben es damals mit dem Gesang ihres „Lobgesanges“ (Dan. 3,57-88) getan. Wir tun es mit dem Lobpreis des „Ave Maria“, in das wir die ganzen Affekte unserer Gottesliebe hineinlegen. Auf diese Weise wird jedes Geheimnis des hl. Rosenkranzes nicht nur zu einer Erleuchtung für unseren Verstand, sondern zu einer geistigen Kommunion der Seele, mit dem jeweiligen Geschehen, das uns ein Rosenkranzgeheimnis vorstellt. Wir vereinigen uns mit Jesus durch die übernatürliche Liebe.

Alle drei Methoden bieten ein weites Betätigungsfeld für unsere Seele. Denn die drei Gebetsweisen des Rosenkranzes können auch kombiniert bzw. von Gesätz zu Gesätz abgewechselt werden, je nach der augenblicklichen Neigung unserer Seele, bzw. je nach ihrem momentanen Bedürfnis. Auf diese Weise gebetet, wird der Rosenkranz zu einem derart reichhaltigem Gebet, daß uns dabei eigentlich nie wieder langweilig sein dürfte.

Das innerliche Gebet

Die drei Gebetsweisen des hl. Rosenkranzes, führen uns sodann ganz natürlich zu einer Form des Gebetes, die auf die Vereinigung mit Gott abzielt. Sie führen uns zum sog. „innerlichen Gebet.“ Das innerliche Gebet scheint manchen eine hohe Kunst des Betens zu sein, weshalb schon viele, ohne es überhaupt zu versuchen, davon Abstand nehmen. Das innerliche Gebet ist jedoch – wie der Rosenkranz – nicht schwierig, wenn man weiß, was man darunter versteht. Die hl. Theresa von Avila sagt es uns: „Das innerliche Gebet ist nichts anderes, als ein vertrauter Austausch unter Freunden. Das bedeutet, sich häufig die Zeit nehmen, um mit demjenigen allein zu sein, von dem wir wissen, daß Er uns liebt.“ Das innerliche Gebet ist also nichts Kompliziertes! Im Gegenteil! Es ist eine einfache, vertraute Unterhaltung mit Gott.

Jeder von uns unterhält sich tagein tagaus mit anderen Menschen. Wenn es uns nun so leicht fällt, uns mit Menschen in Gesprächen auszutauschen, wie sollte es dann schwer sein, mit Gott zu sprechen? Einfach so mit Ihm sprechen, wie der Freund zum Freund. Oder einfach so wie einem der Schnabel gewachsen ist. Was soll daran schwierig sein? – Durch die hl. Taufe sind wir zu Kindern Gottes geworden. Wie könnte es sein, daß wir nicht mit unserem himmlischen Vater sprechen könnten? Oder gar, nicht mit Ihm sprechen wollen? Wie der Rosenkranz, ein Gebet ist, für groß und klein, für jung und alt, für reich und arm, für hohe und einfache Geister, genauso verhält es sich mit dem „innerlichen Gebet“.

Das „innerliche Gebet“ ist jedoch nicht nur einfach. Es ist auch ganz und gar notwendig! Warum? Weil die Heiligkeit, zu der wir alle berufen sind, in der Vollkommenheit der Liebe besteht. Man kann jedoch nur lieben, was man kennt. Und um jemanden kennen- und lieben zu lernen, muß man mit dem Geliebten Zeit verbringen. – Ferner ist das innere Gebet von größter Bedeutung für jene, die an das Ideal der Heiligkeit gar nicht zu denken wagen, weil sie noch im täglichen Kampf mit den Versuchungen zur Todsünde stehen, und nicht selten darin unterliegen. Die Übung des inneren Gebetes ist so mächtig, daß es das Leben des Sünders zu ändern, ja umzukrempeln vermag. – Der hl. Alfons Maria von Liguori liefert die Begründung für die Macht des inneren Gebetes, wenn er sagt: „Das innere Gebet und die Todsünde können in einer Seele unmöglich zusammen bestehenbleiben.“ D.h. entweder wird die Seele das innere Gebet aufgeben, um wieder der Sünde zu frönen, oder sie wird das innere Gebet beibehalten und in seiner Kraft ein für allemal mit der schweren Sünde und dem Laster brechen. – Zur Veranschaulichung ein Beispiel: Man kann einen lasterhaften Menschen im Stande der Todsünde vergleichen mit einem Sklaven, der in einer finsteren Höhle gefangengehalten wird. Stellen wir uns einen Menschen vor, der über Jahre in der Finsternis lebt und eines Tages beschließt nach draußen zu gehen, um die Sonne zu sehen. Er ist dazu nicht in der Lage. Denn seine Augen können das Sonnenlicht nicht ertragen. Das Licht schmerzt in seinen Augen. Er ist geblendet und sieht gar nichts. Nun aber muß er eine Wahl treffen. Entweder er geht zurück in die Finsternis der Höhle, oder er nimmt sich Zeit, erträgt tapfer die anfängliche Widerwärtigkeit, um sich nach und nach an das helle Licht der Sonne zu gewöhnen. – Auf das geistliche Leben angewandt, bedeutet das: Entweder wird die Seele durch das innerliche Gebet und den vertrauten Umgang mit Jesus Christus, der wahren Sonne unseres Lebens die Todsünde aufgeben, oder sie wird sich von den Sonnenstrahlen des Erlösers, denen wir uns während des inneren Gebets aussetzen, wieder abwenden und in die Finsternis ihrer sündhaften Gewohnheiten zurückkehren.

Das innerliche Gebet ist aber nicht nur notwendig für jene, die nach Vollkommenheit streben und für jene, die mit der Todsünde ringen. Es gibt ja auch Seelen, die zwar nicht in der Finsternis der Todsünde leben, aber die es vernachlässigen an die Sonne zu gehen, um sich von ihren Strahlen wärmen zu lassen. Deshalb bleiben sie in ihrer religiösen Praxis kalt, förmlich und auf das Minimum beschränkt. Es sind die lauen Seelen. Und ihre Zahl ist nicht gering! – Sie sollten eigentlich nach Gottes Plan ein Licht sein für die anderen; durch ihr vorbildliches Leben, durch ihr Tugendstreben, durch ihren Gebets- und Bußeifer. Aber sie ziehen es vor, kleine unscheinbare Glühwürmchen zu bleiben, die nur kaltes Licht ausstrahlen. – Die Lauheit ist eine gefährliche Krankheit der Seele! Alle Mittel und Wege zur Vollkommenheit stünden einer solchen Seele offen. Sie verfügt über viele und mächtige Mittel zu ihrer Heiligung – das hl. Meßopfer, die Belehrung durch die Predigt und geistliche Lektüre, das Gebet, die hl. Beichte. Aber die laue Seele unterläßt es, daraus Nutzen zu ziehen. Sie ist weltlich eingestellt. Der Glaube ist in ihrem Leben nicht oberste Regel und höchste Norm. Stattdessen wird sie beherrscht von ihrem Eigenwillen und ihrer ungeordneten Eigenliebe. Der laue Christ gleicht also einem Verhungernden, der an einer reich gedeckten Tafel sitzt, deren Tischplatten sich biegen. Aber der Laue ist zu faul, zu gleichgültig oder zu stolz die geistliche Speise an den Mund zu führen. Alles was man ihm vorsetzt, weigert er sich zu essen, wie der Suppenkasper. Das Beste, was die katholische Religion zu bieten hat, wurde ihm vorgesetzt, doch er hat es verschmäht. Deshalb muß ein der Lauheit verfallener Christ ein strenges Gericht fürchten, doch ist er sich dessen gar nicht bewußt. Das wirksamste Mittel, um der gefährlichen Krankheit der Lauheit vorzubeugen, findet sich wiederum im innerlichen Gebet; also in der vertrauten Unterhaltung mit Gott.

„Ja, aber worüber soll ich denn mit Gott reden?“ mag einer fragen. „Ich habe Ihm nichts großartiges zu erzählen, bzw. alles worum ich Ihn bitte ist in zwei Sätzen gesagt. Außerdem antwortet mir Gott nie. Wie soll ich mich da mit Ihm unterhalten?“ – Es ist natürlich völlig richtig, daß sich eine Unterhaltung nur entwickeln kann, wenn es Gesprächsstoff gibt. Man braucht ein Thema, worüber man sich gemeinsam unterhält. Und den Gesprächsstoff mit Gott liefern uns in vorzüglicher Weise wiederum die fünfzehn Geheimnisse des hl. Rosenkranzes.

Verfahren wir dabei, wie beim betrachtenden Rosenkranzgebet. Stellen wir uns im Geiste eine Szene vor. Versetzen wir uns etwa hinein in den Stall von Bethlehem. Versuchen wir die Kälte und die ganze Armseligkeit der Heiligen Nacht wahrzunehmen, in die der Sohn Gottes hineingeboren werden wollte. Schon damit läßt sich ein Gespräch beginnen. – Freilich wird Gott nicht in Worten zu uns sprechen. Doch die Umstände der Szenerie, die auftretenden Personen – Maria, Joseph, die Hirten, Ochs und Esel, der Chor der Engel – und ihr jeweiliges Verhalten, ihre Worte, ihr Tun und Lassen werden uns ansprechen. Auf diese Weise „redet“ Gott zu uns in der vertrauten Unterhaltung des inneren Gebetes. – Gebrauchen wir sodann unseren Verstand und fragen wir uns: Warum handeln die Personen so? Wie verhalten sie sich? Was sagen sie? Was sind ihre Beweggründe? Was bedeutet das alles? – Stellen wir auch stets den Vergleich mit uns selber an: Wie würde ich mich unter diesen Umständen verhalten? In der kalten Nacht? Von all meinen Verwandten und Bekannten abgewiesen, hungrig und durchgefroren? Was kann ich von den Personen, die ich im Innern meiner Seele betrachte, lernen? – Sprechen wir sodann mit Gott über das Geschehen. Sprechen wir mit den Personen; mit dem Kind in der Krippe, mit Maria und Joseph, mit den Hirten oder den Engeln. Demütigen wir uns etwa vor Maria und Joseph und insbesondere vor dem göttlichen Kind, das die Entbehrungen der Heiligen Nacht freiwillig auf sich nehmen wollte, um uns ein Beispiel zu geben. – Bitten wir um die Gnade, ihrem Vorbild ähnlicher werden zu können: bescheidener, genügsamer, einfacher, weniger anspruchsvoll, verzeihend, sich trotz aller Verluste an der Gegenwart Gottes freuend. – Schließlich sollen wir dazu übergehen, Willensakte zu setzen: Akte des Glaubens, der Anbetung, der Hoffnung und Liebe. Akte des Vertrauens und der Bewunderung. – Wir sind bei unserer Unterhaltung mit Gott ganz frei und können uns in die Richtung ziehen lassen, wohin unser Herz das Gespräch hinleitet. Wichtig zu beachten ist lediglich, daß nicht unsere Gedanken das Zentrale beim innerlichen Gebet sein dürfen, sondern unsere Liebe, die durch dieses Gespräch entfacht werden soll.

Noch einige praktische Hinweise: Wann soll man diese Unterhaltung am besten führen? Am besten am Morgen. Da fällt es leichter, die Konzentration zu wahren. – Wo? An einem Ort, wo wir möglichst nicht gestört werden können. – Wie lange? Man empfiehlt 30 Minuten. Für den Anfänger sind 15 Minuten hinreichend, aber durchaus ausbaufähig … 10 Minuten sollten es selbst an arbeitsamen Tagen aber mindestens sein. Der Tag hat 24 Stunden und da sollten sich nicht wenigstens 10 Minuten finden lassen, um mit Gott über eines der 15 wichtigsten Stationen der Heilsgeschichte von Herz zu Herz zu sprechen?

Der Herzensfrieden der Kinder

Die Frucht des innerlichen Gebetes schließlich ist der innere Herzensfrieden. Wie bereits gesagt: „Frieden ist die Ruhe der Ordnung.“ Durch das Rosenkranzgebet und das ganz natürlich aus ihm hervorströmende innerliche Gebet, wird nach und nach, alles in unserem Leben durch den Willen Gottes geprägt und geordnet: Unser Denken, unser Reden, unser Tun und Lassen werden durch das Tugendbeispiel und den vertrauten Umgang mit den heiligsten Personen geprägt und in die gottgewollte Ordnung gebracht werden.

„Ja, das glauben wir gern!“, wird man beipflichten. Wenn alles in unserem Leben glatt läuft, wenn keine großen Schwierigkeiten auftreten, alle unsere Vorhaben leicht von der Hand gehen und von Erfolg gekrönt sind, dann verspüren wir scheinbar den inneren Frieden, nach dem wir uns so sehr sehnen. Wenn jedoch alles schief läuft, wenn uns Leiden, Kreuze, Enttäuschungen, Demütigungen und Mißerfolge treffen, dann ist diese Überzeugung schnell vergessen und folglich ist dann auch schnell der Herzensfrieden dahin.

Das ist der Augenblick, in dem wir wieder gefordert sind. Wir müssen die kleinen Kinder nachahmen. Was tut ein Kind, sobald es sich fürchtet? – Es läuft zur Mutter und ergreift ihre Hand. Genauso sollen wir, wenn wir uns ängstigen, wenn wir in Bedrängnis geraten und der innere Friede der Seele verloren zu gehen droht, zu unserer himmlischen Mutter laufen und ihre Hand ergreifen. Wie ergreifen wir die Hand der Gottesmutter? Durch den Rosenkranz!

Sagen wir Maria alles, was uns auf dem Herzen liegt und bitten wir sie um ihre mächtige Hilfe. Wenn wir aber das getan haben, dann müssen wir alles Maria anheimstellen! Wir müssen unsere Sorgen vertreiben, ja, nach Möglichkeit sogar ganz vergessen. Wie stellen wir das an? Durch die Betrachtung der Rosenkranzgeheimnisse! Das kindliche Vertrauen, das wir Maria auf diese Weise entgegenbringen, findet bei Gott großes Wohlgefallen, weil wir durch diese wahre Hingabe an unsere himmlische Mutter einen tiefen Glauben an ihre Barmherzigkeit, Güte und Macht unter Beweis stellen.

Die Kinder wissen genau, wie man es machen muß. Deshalb sagte unser Herr von ihnen: „Denn gerade für solche wie sie ist das Himmelreich.“ (Mt. 19,14). Wenn wir also niedergedrückt, besorgt oder sonstwie beunruhigt sind; wenn wir von der Hitze der Leidenschaften gequält werden, so eilen wir zu Maria. Sagen wir ihr alles, was uns drückt. Bitten wir sie um ihre Hilfe. Greifen wir zum Rosenkranz und überlassen wir uns ganz der liebevollen Führung unserer himmlischen Mutter ohne weiter zu hadern.

Zusammenfassend können wir sagen, der Rosenkranz führt uns mit seinen Geheimnissen zum innerlichen Gebet. Das innerliche Gebet vermehrt die Gottesliebe in unserer Seele. Und die Gottesliebe schenkt uns den inneren Frieden, soweit dies in diesem Leben möglich ist. So ist der Rosenkranz ein wahrer Friedensbringer. Er bringt den Frieden von Nazareth – der nichts anderes ist als ein Vorgeschmack des himmlischen Friedens – in unsere Seele, in unser Herz, in unser Leben. – „Jagt dem Frieden nach.“ (Heb. 12,14), ruft uns der Völkerapostel zu. Folgen wir seinem Aufruf in diesem Oktober und greifen wir eifrig zum hl. Rosenkranz. Amen.

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