Fest der Verklärung Christi
„Ihr aber, für wen haltet ihr Mich?“
Geliebte Gottes!
Um die Bedeutung der Verklärung Christi auf dem Tabor erfassen zu können, müssen wir sie im Kontext der damaligen Ereignisse betrachten. Vor kurzem hatte Jesus den Jüngern bei Cäsarea-Philippi eine Frage gestellt: „Für wen halten die Leute den Menschensohn?“ (Mt. 16,13). Nachdem die Apostel ihrem Meister die verschiedenen Meinungen des einfachen Volkes aufgezählt hatten – daß die einen Ihn für den von den Toten wiederauferstandenen Johannes den Täufer hielten, andere für den zurückgekehrten Elias, wieder andere für Jeremias, oder einen der Propheten – da hakte Jesus nochmals nach und konfrontierte die Zwölf selber mit dieser Frage: „Ihr aber, für wen haltet ihr Mich?“ (Mt. 16,15). Da war es Simon Petrus, der auf eine Offenbarung des himmlischen Vaters hin zur Antwort gab: „Du bist Christus, der Sohn des lebendigen Gottes.“ (Mt. 16,16). Nachdem also zum ersten Male im Kreis der Jünger die messianische Würde und die wahre Gottheit unseres Herrn klar und feierlich, gleichsam als Dogma verkündet und sogleich von Christus bestätigt worden war, indem Er den hl. Petrus seliggepriesen und ihm den Primat verheißen hatte, da setzte Jesus alles daran, die Zwölf in die Bedeutung des Petrusbekenntnisses einzuführen.
Die Apostel mußten sich hierfür von dem „Messias“-Bild des Volksglaubens und auch von ihren persönlichen Vorstellungen und Erwartungen loslösen, sonst würde ihr Glaube an Ihn zu kurz greifen. – Wie sich jedoch bald zeigen sollte, war das keine leichte Aufgabe, waren doch die Vorstellungen vom „Messias“ und von der „Erlösung“, die er bringen werde, auch bei den Aposteln auf eine rein innerweltliche und nationalistische Erwartung konzentriert. Die Sehnsucht nach einem politischen Messias, als Garant einer besseren diesseitigen Welt, der politischen Freiheit und Unabhängigkeit ihres Volkes von der römischen Oberherrschaft, machten sie blind für das Bild des leidenden Gottesknechtes, wie es Moses und die Propheten in ihren Weissagungen gezeichnet hatten.
Dieser falschen Vorstellung vom „Messias“ und der Erlösung, die er bringen werde, steuerte Jesus entgegen, indem Er begann von Seinem bevorstehenden Erlösungsopfer zu sprechen: „Von dieser Zeit fing Jesus an, Seinen Jünger zu zeigen, daß Er hingehen müsse nach Jerusalem, und von den Ältesten und Schriftgelehrten und Hohenpriestern vieles erleiden müsse; Er müsse getötet werden, und am dritten Tage wieder auferstehen.“ (Mt. 16,21). Auf die wiederholten Leidensankündigungen reagierten die Apostel jedoch unverständig, verstört, ja sogar widerwillig. Petrus machte Jesus sogar Vorhaltungen: „Das sei ferne von Dir, Herr! Das wird Dir nicht widerfahren.“ (Mt. 16,23). Jesus wies Simon Petrus scharf zurecht, dennoch blieb die Rede von der Notwendigkeit Seines bevorstehenden Leidens den verwirrten Aposteln dunkel. „Sie verstanden nicht, was Er damit sagen wollte.“ Damit aber blieb ihnen auch derjenige ein Unbekannter, den Petrus feierlich als „Christus“ und als „Sohn des lebendigen Gottes“ bekannt hatte. Von hier aus begreifen wir erst den Aufbau und die Bedeutung der Verklärungsszene des heutigen Evangeliums. – Es geht um die Frage der wahren Identität des Messias und um Seine gottgesetzte Sendung.
Empor die Herzen!
Deshalb knüpft der Bericht von der Verklärung durch eine genaue Zeitangabe unmittelbar an die Geschehnisse bei Cäsarea-Philippi an. „Nach sechs Tagen“ (Mt. 7,1) sonderte Christus Seine bevorzugten Apostel – Petrus, Jakobus und Johannes – von den übrigen ab „und führte sie auf einen hohen Berg.“
Um sich von ihren irdischen und allzu menschlichen Vorstellungen zu lösen und sich geistig gleichsam über dieselben hinaus zu erheben, wählte der Herr zunächst den körperlichen Aufstieg auf den Berg Tabor. Östlich von Nazareth, am Nordostrand der großen Ebene Esdrelon gelegen, erhebt er sich als ein abgestumpfter Kegel mit herrlicher Um- und Fernsicht über ganz Galiläa bis zum Mittelmeer. Die Apostel sollten vor allem ihre Herzen erheben – „Sursum corda!“ – um einen möglichst weitreichenden Einblick in das Geheimnis des göttlichen Erlösers zu erhalten.
Jesus wählte drei Apostel aus. Es sind drei, wegen der vom jüdischen Gesetz vorgegebenen Zahl an Zeugen, die notwendig war, damit ein Zeugnis als glaubwürdig gelte (vgl. Deut. 19,15; Mt. 18,16). – Es sind jene drei Jünger, die Christus auch bei anderen Gelegenheiten als seine bevorzugten Zeugen mit sich nahm. So etwa bei der Auferweckung der Tochter des Jairus von den Toten und später bei Seiner Agonie am Ölberg. – Man kann in den drei Apostelpersönlichkeiten die Personifikation bestimmter Tugenden erkennen, die zum geistigen Nachvollzug des Aufstiegs auf den Berg der Verklärung notwendig sind. Im hl. Petrus ist der Glaube versinnbildet; denn er ist als erster Papst der unfehlbare Hüter desselben. Der hl. Jakobus verkörpert besonders die Tugend der Hoffnung, da er als erster der Apostel den Martertod sterben wird und sich die Hoffnung des Blutzeugen ganz auf die Vergeltung im Leben nach dem Tode richtet. Und naheliegend repräsentiert natürlich der hl. Lieblingsjünger die Tugend der übernatürlichen Liebe.
Andere Ausleger erkennen in den drei Aposteln die drei Klassen der auserwählten Glieder der Kirche: Petrus, der Vertreter des Chores der Glaubensbekenner; Jakobus des Märtyrerchores; Johannes der Vertreter der jungfräulichen Seelen. So wird in ihnen gleichsam die gesamte junge Kirche von Christus auf den Tabor geführt.
Die Verklärung
Die Geheimnisse Gottes, in welche die Apostel eingeführt werden sollen, erschließen sich dem Menschen vorrangig durch das Gebet, weshalb der Heiland, am Taborgipfel angelangt, zusammen mit den Aposteln eine Gebetswache hielt. Christus gab damit allen Generationen ein Beispiel, wie man sich den Glaubensgeheimnissen zu nähern hat: Auf den Knien! Er wird sicher auch für die Apostel gebetet haben, daß ihr dunkler Unverstand aufbreche und sich ihnen Sein zutiefst übernatürlicher Erlöserberuf erschließe. Die Apostel begannen mit dem Herrn das Gebet, aber, vielleicht geschwächt von den Strapazen des Aufstieges, überkam sie die Müdigkeit. Und während Jesus immer inniger zu Gott flehte, „waren Petrus und seine Gefährten in tiefen Schlaf gesunken.“ (Lk. 9,32).
Doch mitten in der Nacht wurde es auf einmal taghell auf dem Tabor. Ein leuchtender Glanz weckte die Apostel auf und im Erwachen sahen Sie den Herrn auf einmal ganz verändert: „Da wurde Er vor ihnen verklärt. Sein Antlitz leuchtete wie die Sonne und Seine Kleider wurden weiß wie der Schnee.“ (Mt. 17,2). „Seine Kleider leuchteten glitzernd Weiß, wie kein Walker auf Erden sie so weiß machen kann.“ (Mk. 9,3). „Während Er betete, veränderte sich das Aussehen Seines Gesichtes und Seine Kleidung wurde leuchtend weiß.“ (Lk. 9,29). Und doch war all die Lichtfülle damals nur ein matter Abglanz jener erhabenen Verklärung, welche die heiligste Menschheit Christi seit der österlichen Auferstehung jetzt auf dem himmlischen Thron besitzt und ausstrahlt, und wie sie jetzt im Tabernakel unter der Brotsgestalt verborgen ist; steht doch vom himmlischen Jerusalem folgendes geschrieben: „Und die Stadt bedarf nicht des Sonnen- und Mondlichtes; denn die Herrlichkeit Gottes erhellt sie, und ihre Leuchte ist das Lamm.“ (Offb. 21,23).
Für eine Weile erscheint der Heiland in einer Gestalt, die Er als wahrer Sohn Gottes, schon vor Seiner Auferstehung ganz natürlich besaß. Ein verklärtes, leuchtendes Auftreten wäre eigentlich Seine natürliche Erscheinungsform vor den Augen der Menschen damals gewesen. Allein durch ein andauerndes Wunder unterdrückte Jesus die Herrlichkeit Seiner gottmenschlichen Natur. Jetzt aber, auf dem Tabor, unterbricht Er dieses Wunder und zeigt sich den Aposteln so, wie Er ist, damit diese über Sein wesensgleiches Gottsein belehrt würden. Sie sollen endlich begreifen, daß Jesus nicht bloß der Fremdling aus Nazareth ist, nicht bloß der weise Rabbi, der barmherzige Wundertäter, sondern der menschgewordene Gottessohn; nicht ein politischer „Messias“, der ein einziges Volk aus der Unterdrückung durch die Römer befreien und Israel selber zu einer Weltmacht machen würde, sondern der Erlöser aller Völker und Nationen, ja der ganzen Welt. Erlösung wird Er bringen, nicht nur von irdischen Drangsalen, sondern von einer viel weitreichenderen Unterdrückung; dem Joch der Sünde und des Todes, insbesondere des ewigen Todes der Verdammnis, welches auf dem Menschengeschlecht lastet. Wie das Licht nicht nur einem einzigen Volk leuchtet, so leuchtet auch der Messias als „Licht der Welt“ allen „Menschen, die eines guten Willens sind.“
Moses und Elias
Um die Sendung des Erlösers klar zu machen erschienen, während der Herr in Seine Verklärung eingetreten war, plötzlich zwei Gestalten, die eine zu Seiner Rechten, die andere zu Seiner Linken. Es waren Moses und Elias. Beide ebenfalls in strahlenden Gewändern und im verklärten Zustand.
Da ist Moses, der große Diener Gottes, der vor anderthalb Jahrtausenden das auserwählte Volk aus Ägyptens Knechtschaft führte, der Herzensvertraute des Herrn. Einst bat Ihn Moses: „Laß mich Deine Herrlichkeit schauen!“ Und der Herr antwortete: „Du kannst Mein Angesicht nicht schauen. Kein Mensch sieht Mich und bleibt am Leben.“ Nur von ferne durfte Moses Gott sehen, als dieser in der Wolke vorüberzog. Und doch strahlte schon allein deshalb das Antlitz des Moses fortan in hellem Glanz, sodaß sich die Hebräer vor ihm fürchteten und er sein Angesicht vor ihnen verhüllen mußte. Jetzt war Jahwe selbst ein Mensch geworden und Moses durfte Ihn sehen und mit Ihm reden „von Angesicht zu Angesicht, so wie jemand mit seinem Freunde spricht.“ (Ex. 33,11). Moses war der Gesetzgeber vom Berge Sinai, der charismatische Führer seines Volkes.
Der andere war Elias, vielleicht der größte unter allen Propheten, der unerschrockene Gottesbote, der Eiferer für den Herrn der Heerscharen. Auch er wurde während seines Lebens einer Gotteserscheinung gewürdigt. Zu ihm wurde gesagt: „‘Gehe hinaus [aus der Höhle] und stelle dich auf dem Berg vor den Herrn hin!‘ Da zog der Herr an ihm vorüber. Ein gewaltiger, heftiger Sturmwind, der die Berge zerriß und die Felsen spaltete, fuhr vor dem Herrn her. Aber der Herr war nicht in dem Sturm. Nach dem Sturm kam ein Erdbeben; aber der Herr war nicht in dem Erdbeben. Nach dem Erdbeben kam ein Feuer. Aber der Herr war nicht in dem Feuer. Nach dem Feuer kam ein sanftes, leises Säuseln. Als Elias dies hörte, verhüllte er sein Antlitz.“ (3. Kön. 19,11-13). Und nun, auf Tabor, da hörte Elias die Stimme des menschgewordenen Herrn unmittelbar. So hatte auch er den Herrn noch nicht gehört. Jetzt sollte Elias das Antlitz Gottes schauen, das Antlitz des menschgewordenen Gottessohnes.
Die Apostel wurden auf diese Weise darüber belehrt, daß Christus selbst in Seiner Überzeitlichkeit es gewesen ist, der damals – lange vor Seiner Menschwerdung – zu Moses und Elias auf dem Berg Horeb sprach. Sie sollten erkennen, daß Seine Person überzeitlich, ewig, ja göttlich ist.
Die Unterredung
Doch die Belehrung war noch nicht zu Ende. Es heißt von Moses und Elias ausdrücklich: „Und sie befanden sich im Gespräch mit Jesus.“ Es war eine bedeutungsvolle Unterredung. – Worüber sprachen sie? Das Lukasevangelium weiß, daß sie sich über Jesus und Seine Sendung als Erlöser unterhielten. „Sie redeten über Seinen Ausgang, den Er in Jerusalem nehmen sollte.“ (Lk. 9,31). Moses und Elias sprachen mit Jesus von der einen, großen, erhabenen Tat, welche die Welt erlösen soll. Sie redeten von dem bitteren Leiden und Sterben Jesu am Kreuz – und von Seiner Auferstehung. Sie redeten über die Erfüllung aller Prophezeiungen, die der Herr vor kurzem Seinen Aposteln gegenüber zum ersten Mal in Seiner Leidensweissagung zusammenfaßte. Das ist das zentrale Ereignis der messianischen Sendung Jesu, die Erlösung von der Sünde durch Seine Passion und Seine Auferstehung von den Toten. Interessanterweise wählte der hl. Lukas in dem Satz mit dem er das Gespräch der drei verklärten Gestalten zusammenfaßte, einen Ausdruck, der die Sendung Jesu in seiner ganzen heilsgeschichtlichen Dimension aufscheinen läßt. Lukas sagt: Sie sprachen über seinen „Ausgang“, den Er in Jerusalem nehmen soll. Hierbei gebraucht er das griechische Wort „έξοδος“ „Exodos“ – „Ausgang“, „Auszug“, das in einem frommen Juden sofort den Exodus, den Auszug des Gottesvolkes aus Ägypten wachruft. Ja, der Auszug des auserwählten Volkes aus der Sklaverei des Pharao war nur ein Vorbild und wird in unbeschreiblich größerer Dimension, vollends erfüllt in dem Exodus Jesu. Das Kreuz Jesu ist „Exodus“ – ist Ausgang, ist Auszug. Es ist ein Heraustreten aus diesem Leben, ein hindurchgehen durch das Rote Meer der Passion und ein Hinübergehen in das Gelobte Land der himmlischen Heimat, die ewige verklärte Herrlichkeit bei Gott, wo der Erlöser Seinen Auserwählten die ewigen Wohnungen bereiten wird.
Jesus ist der neue, der vollkommenere Moses, der die vom Teufel versklavte Menschheit aus den Banden der Sünden durch die Vergießung Seines Erlöserblutes befreien; der durch den Stab des Kreuzesholzes das undurchquerbare Meer der Sündenschuld spalten und Seinem auserwählten Volk, das Ihm durch die Fluten der Wasser- oder Bluttaufe nachfolgt, einen Auszug, einen „Exodus“ bahnen werde, in das Gelobte Land des Himmelreiches, in dem die Sünde und der Tod entmachtet sind.
So leuchtete in dieser geheimnisvollen Nachtstunde im Glanz des himmlischen Lichtes auf den Höhen des Tabors das Geheimnis des Kreuzes auf. Durch diese Unterredung sollte das bittere Leiden und Sterben Christi offenbart werden, nicht als ein Scheitern Seiner Sendung und Seines Erlösungswerkes, sondern als eine Erfüllung all der erbarmungsreichen Ratschlüsse Gottes, zu unserer Erlösung und als der Weg zur Herrlichkeit und Seligkeit.
Die Apostel sollten begreifen, daß in Moses das alttestamentliche Gesetz und in Elias die Propheten – kurz, daß die gesamte Offenbarung des Alten Bundes den Messias als den leidenden Gottesknecht gezeichnet hatte. Der Messias wird also nicht mit Heeresmacht in Jerusalem einziehen, nicht auf einem marmornen Throne sitzen und nicht in einem barocken Schloß tafeln. Der Messias wird sich als der Dornengekrönte vor der Welt zeigen. Sein Thron ist das Kreuz, Sein Königsmantel der Purpur Seines Blutes. Wenn durch Moses das alttestamentliche Gesetz und durch Elias die Propheten des Alten Bundes das bestätigen, dann ist damit erkennbar, daß das Leidensschicksal Jesu nur vermeintlich ein verunglücktes Scheitern Seiner Sendung ist, in Wahrheit aber deren Erfüllung; daß das Leidensschicksal vom Vater im Himmel gewollt und beabsichtigt ist.
Im Kreuz ist Heil!
Die Taborstunde war ein weltgeschichtliches Ereignis! Moses und Elias trafen sich hier auf der Bergeshöhe mit Jesus, dem Erlöser des Menschengeschlechtes, der umgeben ist von den zukünftigen Häuptern der katholischen Kirche. Die beiden Vertreter des Alten Bundes erscheinen neben dem ewigen Menschheitskönig und Ihm zu Füßen die Vertreter der Zukunft, die Apostel des Neuen Bundes.
Auf dem Tabor wird gleichsam die gesamte Kirche der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft unter dem stets gleichbleibenden Oberhaupt Jesus Christus präsent. An dem einen mystischen Leibe Christi, der Kirche, sind zwar durch alle Jahrhunderte hindurch viele verschiedene Glieder, doch muß ein jedes dem wahren Moses durch das Meer der Passion, der Abtötung und der Selbstverleugnung nachfolgen. Der Kreuzweg wurde auf dem Tabor damit nicht für Christus, sondern auch für alle Seine Glieder, also für alle Christgläubigen aller Zeiten, vorgezeichnet. „Wer Mein Jünger sein will, der verleugne sich selbst, der nehme täglich sein Kreuz auf sich und folge Mir nach“ (Mt. 16,24). – „Wer mit Mir kommen will, der muß sich mit Mir mühen, und wie er teilgenommen an Meinem Leid, so wird er auch teilnehmen an Meiner Herrlichkeit.“ (vgl. Ign. Ex.)
Auch diese Lehre wollte der Herr den Aposteln und den Jüngern aller Zeiten auf dem Tabor tief in die Seele einprägen. Verklärung und Leid sind nicht zu trennen! „Im Kreuz ist Heil … im Kreuz ist Leben, im Kreuz ist Freude des Geistes … und alle Vollkommenheit und Heiligkeit.“ (Nachf. Chr.; II,12).
Identität und Sendung Jesu
Die Apostel waren ganz hingerissen von dem wunderbaren Schauspiel. Petrus, von beseligender Wonne erfüllt, machte den Vorschlag: „Meister, es ist gut, daß wir hier sind. Wenn Du willst, so wollen wir hier drei Hütten bauen; Dir eine, dem Moses eine und dem Elias eine.“ (Mt. 7,4). „Und siehe während er noch redete“ – gleichsam als Antwort auf das Vorhaben des hl. Petrus – „während er noch redete, überschattete sie eine lichte Wolke.“
Die Wolke ist im Alten Testament immer ein Zeichen der Gegenwart der göttlichen Majestät – die „Schechina“. Die Wolke ist eine Erscheinungsform Gottes. Sie offenbart Gott, und sie verhüllt Ihn gleichzeitig. In der Wüste erschien den Hebräern die Herrlichkeit des Herrn in einer Wolke über der Stiftshütte. Bei der Tempelweihe, als König Salomon den herrlichen, goldenen Tempel errichtet hatte, da erschien wieder eine Wolke und erfüllte das Haus des Herrn. Auf dem Tabor wurde Jesus von der Wolke überschattet! – Das ist die Antwort auf den Vorschlag des hl. Petrus. Nein, keine Hütten sollen gebaut werden. Das ist nicht nötig, denn die Menschheit Jesu Christi ist der Wohnort Gottes! Sie ist das Zelt des Allerhöchsten inmitten der Menschen. Die menschliche Natur unseres Herrn ist der heiligste Tempel Gottes, erbaut aus dem makellosen Fleisch und Blut der unbefleckten Jungfrau und Gottesmutter Maria. Inmitten dieses Tempels steht der Opferaltar des Neuen Bundes, das heiligste Herz Jesu, von dem aus allezeit vor Gott das Ihm einzig wohlgefällige Opfer aufsteigt – der liebevolle Gehorsam gegen den Willen des Vaters, bis zum Tod am Kreuz.
Mit dem ganzen Szenario von der Verklärung auf dem Tabor beantwortet Jesus selbst die bei Cäsarea-Philippi aufgeworfene Frage, wer Er sei. Und gleichsam als Bestätigung all dessen, wird das erhabene Zeugnis des himmlischen Vaters vernehmbar: „Dieser ist Mein vielgeliebter Sohn. Ihn sollt ihr hören.“ (Mt. 7,5). – Die Himmelsstimme ist die göttliche Bestätigung des Petrusbekenntnisses bei Cäsarea-Philippi, und dessen authentische Erklärung: Ja, Dieser ist „Christus, der Sohn des lebendigen Gottes.“ Gottvater bekennt sich zu Seinem wesensgleichen Sohn. Christus ist der wahre, ewige Gott, der lange vor Seiner Menschwerdung zu Moses im brennenden Dornbusch und zu Elias im Säuseln des Windes sprach. Er ist „Gott von Gott, Licht vom Licht, wahrer Gott, vom wahren Gott; gezeugt nicht geschaffen; eines Wesens mit dem Vater.“ – Aber Christus ist auch wahrer Menschensohn. Der himmlische Vater bekennt sich zu Seinem menschgewordenen, jüdischen Sohn; und bestätigt Ihn als den Leidensknecht Gottes, der durch die Vergießung Seines kostbaren Blutes für Viele die Erlösung von ihren Sünden bringen werde, und Ihm durch Seinen „Exodus“ ein neues, reines Gottesvolk bereiten wird. – „Ihn sollt ihr hören.“ Das bezieht sich auf die gesamte Verkündigung Jesu. Er ist der gottgesandte Offenbarer. Seine Lehre ist Gottes Lehre. Wer Ihn hört, der hört Gott. Was Er auf Erden verkündigt, das ist im Himmel beglaubigt.
Für wen haltet ihr Mich?
Was aber will die Kirche nun uns mit der heutigen Festfeier sagen? Sie will auch uns mit der Frage Jesu konfrontieren: „Ihr aber, für wen haltet ihr Mich?“ – Auch wir sollen im Gebet auf den Tabor gehen und unsere persönliche Kenntnis Christi vertiefen; vielleicht auch korrigieren wo sie schief, zu menschlich, zu sehr den falschen Vorstellungen der Apostel folgend, auf den eigenen, zeitlichen Vorteil und Gewinn bedacht ist. Ja ist unsere Messias-Vorstellung nicht häufig auch von allzu irdischen Erwartungen geprägt? Daß Er uns vor allem Widrigen beschützen, unsere Krankheiten heilen, die Schmerzen und Schwierigkeiten hinwegnehmen müsse, damit wir hier auf Erden ein behagliches Leben führen können? Ja, ist nicht auch für uns die Nachfolge Christi gerade auf dem Kreuzweg dunkel und rätselhaft? Deshalb sollen wir tief hineinschauen in das geheimnisvolle Licht, das von Christus auf dem Tabor ausstrahlt. Aber wie? Was soll uns dazu dienen unsere Kenntnis von Christus zu vermehren?
Einmal, indem wir uns im betrachtenden Gebet die einzelnen Momente des Taborereignisses tief in die Seele einprägen. – Ein weiteres Mittel könnte durch Moses und Elias, also durch das Gesetz und die Propheten angedeutet sein. Bei der Lesung der Heiligen Schrift – des Neuen, aber auch des Alten Testaments – sowie durch die Erläuterungen des Katechismus werden uns die Augen immer weiter geöffnet, tritt das wahre Bild Christi immer deutlicher vor das geistige Auge der gläubigen Seele.
Ferner darf diese Kenntnis Christi keine theoretische bleiben. Wir müssen Jesus auch in unserem praktischen Leben ähnlich werden. „Der Schüler steht nicht über dem Meister“, die Glieder nicht über dem Haupt. Wir müssen als Glieder am mystischen Leib Christi lernen, unsere Leiden, unsere „Passion“, auch als einen „Exodus“ zu verstehen, als ein Hinübergehen durch das Rote Meer des Kreuzes in das gelobte Land der Himmel. Die Kreuze und Beschwernisse unseres Alltags sollen uns nicht mehr niederdrücken und mutlos machen, sondern unsere Hoffnung auf die künftige Herrlichkeit um so mehr steigern.
Schließlich will uns die Kirche heute auch dabei helfen, die hl. Messe gut mitzufeiern und gut zu kommunizieren. Der Altar ist heute gleichsam der Berg der Verklärung. Auf ihm wird Christus bei der Wandlung, freilich unter der Hülle der sakramentalen Gestalten von Brot und Wein, gegenwärtig. Nichtsdestotrotz ist Er gegenwärtig. Und zwar genau so, wie damals auf dem Tabor: Verklärt! In der Herrlichkeit Seiner Gottheit, aber auch bezeichnet als Opferlamm durch die fünf heiligen Wundmale. – Dem Beispiel der drei Apostel auf dem Tabor folgend, sollen auch wir heute bei der hl. Wandlung und bei der hl. Kommunion, gleichsam auf unser Angesicht niederfallen und mit felsenfestem Glauben, starker Hoffnung und glühender Liebe anbeten. Und durch die Offenbarung des himmlischen Vaters im Lichte der Verklärung belehrt, wollen wir erleuchtetem Glauben zusammen mit dem hl. Petrus feierlich bekennen: „Du bist Christus, der Sohn des lebendigen Gottes.“ Amen.