3. Sonntag nach Erscheinung
Lebendiger, demütiger und bittender Glaube
Geliebte Gottes!
Zwei Menschen treten an unseren göttlichen Erlöser heran. Der erste ist ein Aussätziger. Der Aussatz ist, wie jede Krankheit, ein anschauliches Anzeichen für den sündigen, unerlösten Menschen. Der hl. Paulus sagt: „Durch einen Menschen kam die Sünde in die Welt und mit der Sünde der Tod“ (Röm. 5, 12). Die vielfältigen Krankheiten, körperlichen und seelischen Leiden, die zahlreichen, drückenden Kreuze des Lebens sind wie eine langgestreckte Vorwegnahme des Todes, bzw. ein sich hinziehendes Sterben. Insbesondere der Aussatz, der den Menschen bei lebendigem Leibe auffrißt und entsetzlich entstellt, veranschaulicht eindrucksvoll was die Sünde anrichtet und wie notwendig der Mensch eines Erlösers bedarf.
Der Aussätzige bittet Christus im heutigen Evangelium: „Wenn Du willst, kannst du mich rein machen!“ Eine seltsame Bitte! – Nicht weil der arme Kranke gesund werden will. Wer will ihm das verdenken? Aber weil er sich bei der Art und Weise sein Anliegen vorzubringen so viel denkt. „Wenn du willst“, sagt er. Er bittet nicht: „Wenn Du kannst.“ „Wenn Du willst“ heißt soviel wie: Ich weiß, daß Du kannst. Ich weiß, daß Du die Macht hast, mich vom Aussatz zu heilen; meine verfaulten Glieder wiederherzustellen, mein entstelltes Fleisch zu heilen. Aber ich weiß nicht, ob es gut für mich ist. Denn Du willst eben nur das, was gut ist. – Ja, Macht hat Er. Er braucht also nur noch zu wollen. Und Er will nur das Gute.
Wer von uns denkt schon beim Beten mit solchem Glauben wie dieser Aussätzige, ob etwa nicht auch unsere Krankheit „Wille Gottes“ sein könnte? Ob Gesundheit für uns wirklich stets ein Geschenk ist? – „Wenn Du willst“, so unterwirft sich der Kranke ganz dem Willen dessen, der die Krankheit zugelassen hat und sie genauso leicht wegnehmen kann. Nicht wie zu einem Menschen, dem man etwas abbetteln müßte, spricht der Aussätzige, sondern wie zu Gott. Der Herr belohnt diesen Glauben an Seine Gottheit und heilt ihn. Er berührt ihn mit der Hand und bestätigt damit seinen Glauben. Als wahrer Gott ist Christus nämlich tatsächlich der Quell des Lebens und des Heiles. Die Berührung mit dem Aussatz macht Ihn nicht krank, wie es einem gewöhnlichen Menschen widerfahren würde, sondern Seine Berührung überwindet die Krankheit und stellt mit schöpferischer Wundermacht einen unversehrten Leib wieder her. So belohnt Christus den Glauben des Aussätzigen an Seine Gottheit. Jedoch wird dessen Glaube noch von einem anderen an Lebendigkeit übertroffen.
Ein zweiter Mann kommt zu Ihm. Einer, der nicht die Erziehung des auserwählten Volkes bekommen hat wie der Aussätzige. Er ist nicht durch die Schule der Rabbiner gegangen, weil er ein Römer, also ein Heide ist. Auch er hat ein Anliegen; aber noch nicht einmal für sich selbst. Sein Knecht ist krank. Er nimmt die zurückhaltendste Form, die man für eine Bitte wählen kann. Er nennt nur seine Not: „Mein Knecht liegt zu Hause gelähmt und leidet große Qualen.“ Weiter sagt der Römer nichts. – Christus ist bereit, persönlich zu kommen. Doch das geht gegen die Bescheidenheit dieses vom Glauben erfüllten Mannes. Zu viel Mühe für einen Heiden, zumal es auch gar nicht nötig ist. Denn dieser Jesus von Nazareth ist Herr über Krankheit und Tod. Er gebraucht keine Tricks und keine Wunderformeln. Er heilt mit göttlicher Allmacht. Was bedeuten da schon Nähe und Ferne, Berührung mit der Hand oder_ „nur ein Wort“_ von weitem. Für den römischen Hauptmann ist das alles gleich: „Sprich nur ein Wort.“ – Einen „so großen Glauben“ nennt Christus diese Haltung und gibt zu, daß Er sie vergebens in Israel gesucht hat.
Die heutige Perikope zeigt uns anhand leidender Menschen die Bedingungen auf, die von unserer Seite erfüllt werden müssen, um der Erlösung durch den göttlichen Heiland teilhaftig zu werden. Wir bedürfen eines großen Glaubens, ja eines „so großen Glaubens“. Wie genau ist ein solcher Glaube beschaffen? Drei Eigenschaften wollen wir versuchen herauszuarbeiten:
- Der Glaube muß lebendig sein.
- Der Glaube muß demütig sein.
- Der Glaube muß ein bittender Glaube sein.
Der lebendige Glaube
Die erste Bedingung ist ein lebendiger Glaube. Lebendig ist der Glaube nur unter der Voraussetzung, daß sich die Seele dessen, der glaubt, im Stande der heiligmachenden Gnade befindet; also, wenn in ihm der Tod der Erbsünde und der schweren Sünde überwunden und das übernatürliche Leben der Kinder Gottes in ihm ist. Das Gnadenleben, oder wenigstens die Sehnsucht nach wahrer Bekehrung und Besserung des eigenen Lebens sind absolute Grundbedingungen. Der Todsünder lebt ja in Feindschaft mit Gott. Und Gott erhört nicht seine Feinde. Der Todsünder mag einen übernatürlichen Glauben haben. Aber es ist aufgrund des Mangels an heiligmachender Gnade ein „toter Glaube“.
Lebendig glauben heißt sodann von ganzer Seele auf die Gottheit Jesu Christi vertrauen; nicht auf menschliche Mittel Hoffnung setzen, sondern allein auf Gott bauen; auf Seine erbarmende, menschenfreundliche Güte, auf Seine unbegrenzte Allmacht, die Er schon bei so vielen Gelegenheiten im Leben eines jeden Einzelnen von uns an den Tag gelegt hat. Der lebendige Glaube zeigt sich in einer zweifellos ruhigen und zuversichtlichen Erwartung im Hinblick auf die „Güte und Menschenfreundlichkeit Gottes, unseres Heilandes“ (Tit. 3, 4), welche umhergezogen ist um den Leidenden wohlzutun.
Zum lebendigen Glauben gehört aber nicht nur das unerschütterliche Vertrauen auf die Güte und Allmacht des Heilandes, sondern auch, daß wir uns – wie der Aussätzige – Seinem göttlichen Willen ganz unterwerfen. D.h. daß wir unseren Willen vollständig dem Seinen unterordnen und hingeben; unsere persönlichen Wünsche dem Willen Gottes unterordnen – sie, wenn es sein muß, opfern – , im festen Vertrauen, daß dieser allweise, göttliche Wille – auch wenn wir ihn bisweilen nicht verstehen können – keine Fehler macht und es stets gut mit uns meint. Ja, daß Er sogar nur das Beste für uns im Hinblick auf unser ewiges Heil wollen kann und will. Es ist also eine gläubige Liebe, die sich ganz dem göttlichen Willen hingibt. „Herr, wie Du willst soll mir geschehn, und wie Du willst, so will ich gehn, hilf Deinen Willen nur verstehn. … Herr, was Du willst das nehm ich hin; und was Du willst ist mir Gewinn; genug, daß ich Dein eigen bin. Herr, weil Du’s willst, drum ist es gut. Und weil Du’s willst drum hab ich Mut, mein Herz in Deinen Händen ruht.“ So betete der aus Stuttgart stammende und hauptsächlich in München wirkende Jesuitenpater Rupert Mayer in seinem Lieblingsgebet.
Beide Merkmale des lebendigen Glaubens finden wir beim Aussätzigen. Sein Vertrauen ist fest auf Jesus, auf Seine Güte und Macht gerichtet. Ohne Zweifel und ohne Bedenken Heilung zu erfahren harrt er dem erlösenden und heilenden Wort entgegen. Nur in dieser tiefen Glaubensüberzeugung rein zu werden, ist es überhaupt denkbar, daß er, der Unreine, es überhaupt gewagt hat an den Heiland heranzutreten, hatten sich doch die Aussätzigen, aufgrund der hohen Ansteckungsgefahr ihrer Krankheit, in großem Abstand zu den Gesunden aufzuhalten, und durften nicht mehr am gesellschaftlichen Leben teilnehmen.
Die vollkommene Hingabe an den göttlichen Willen, die den Aussätzigen beseelt, findet seinen Widerhall in den Worten: „Wenn Du willst, kannst Du mich rein machen.“ Nicht der eigene Wille, nicht das unbedingte Verlangen gesund zu werden hat ihn bewegt. „Herr, wenn Du willst!“ Wenn es Dir gefällt, Deinen Namen an mir zu verherrlichen. Wenn Du erkennst, daß die Gesundheit für mein ewiges Heil zuträglich ist.
In Canterbury, auf der britischen Insel, wurde einst – so wird erzählt – ein blind-geborener Pilger am Grab des hl. Thomas Becket auf die Fürsprache dieses hl. Märtyrerbischofs von seiner Blindheit geheilt. Groß war das Staunen und groß war die Freude, insbesondere bei dem Geheilten. Endlich konnte er die Dinge, die er nur von Beschreibungen her kannte mit eigenen Augen sehen – das Licht der Sonne, die Schönheit der Natur, die Menschen um ihn herum. Doch verspürte er auf einmal auch sündhafte Regungen in sich, die er vorher – aufgrund seiner Blindheit – nicht gekannt hatte. Er sah sich Versuchungen ausgesetzt, die ihm früher unbekannt waren. Er machte also erneut eine Wallfahrt nach Canterbury. Und am Grab des Heiligen betete er: „Hl. Thomas Becket, wenn es meinem Seelenheil dienlicher ist, blind zu sein, so laß mich wieder blind werden.“ Und er wurde blind! – Das ist derselbe lebendige Glaube jenes Aussätzigen: „Wenn Du willst, dann mache mich rein.“ Wenn Du willst! Nur, wenn es meinem ewigen Heil dienlich ist. – Ebenso finden wir den lebendigen Glauben am Hauptmann. „Sprich nur ein Wort und mein Knecht wird gesund.“ Welch ein lebendiges Vertrauen in die Allmacht unseres Herrn! Mit Recht anerkennt Jesus diesen Glauben voll Bewunderung. „Wahrlich, Ich sage euch, einen so großen Glauben habe Ich in Israel nicht gefunden.“
Doch wie sieht es mit unserem Glauben aus? Glauben auch wir so lebendig? Wir könnten es, denn der Abgrund der allmächtigen Liebe unseres göttlichen Erlösers liegt nach wie vor offen vor uns. Christus ist nicht weniger gütig und nicht weniger allmächtig als damals. Er will uns nicht weniger Gutes. Wir könnten also. Und wir sollten auch. Wir sollten bitten wie es der hl. Apostel Jakobus lehrt: Wer bittet, der -.„bitte im Glauben, ohne zu zweifeln“_ (Jak. 1, 6). Der Herr macht uns auch Mut, wenn Er sagt: „Wer glaubt, dem ist alles möglich“ (Mt. 9, 22). „Was ihr im Gebet begehrt, glaubt nur, daß ihr es erhaltet, so wird es euch zuteil werden“ (Mk. 11, 24). Der Mangel an lebendigem Glauben ist zumeist die Ursache, welche das Eintreten dieser Verheißungen verhindert.
Der demütige Glaube
Der Glaube muß jedoch nicht nur lebendig, sondern auch demütig sein. Die Erhörung einer Bitte, die göttliche Hilfe, die uns zuteil wird, ist eine Gnade. Gott schuldet sie nicht. Niemand kann vor Gott Forderungen stellen. Auch nicht „wie“ und „wann“ Er unsere Gebete erhören muß. Er teilt aus wie Er will. Gott ist gütig. Und Gott ist gerecht. D.h. Er teilt mit Recht aus, wie es jedem zukommt.
Die Gnadenhaftigkeit jeder göttlichen Wohltat kommt noch stärker zum Tragen, wenn wir bedenken, daß wir der Hilfe des Allmächtigen eigentlich unwürdig sind. Alle Leiden, auch die Leiden unseres Lebens, sind verschuldet durch die Ursünde – und meist auch durch unsere persönlichen Sünden. Daher ruft auch uns Jesus zu: „Geh hin und sündige nicht mehr.“ Erkenne erst den Grund deiner so zahlreichen Leiden! Es ist nicht alles Leid ein zufälliges Unglück, sondern bisweilen gibt es eine moralische Ursache. Zuerst ist der sittliche Giftstoff zu entfernen, ehe Unheil heilen kann. Erst dann dürfen wir, auf Gottes Erbarmen hoffend, herantreten und alles Seiner weisen Güte anheimstellen, auf daß wir das empfangen, was Seine weise Vorsehung für uns als das Beste erachtet.
Der Hauptmann ist in seiner Demut zu bewundern und nachzuahmen. Welch vollkommene Vorstellung hat er von dem menschgewordenen Gottessohn! Dem natürlichen Auge ist Jesus ein bloßer Mensch, ein bescheidener Zimmermann aus Nazareth. Der Hauptmann hingegen erkennt glasklar Seine Erhabenheit und sagt: „Herr, bemühe Dich nicht!“ (Lk. 7, 6). Ich weiß, Du hast es gar nicht nötig meinen Knecht persönlich aufzusuchen und ihm die Hand aufzulegen, wie Du es bei jenem Aussätzigen getan hast. Dein allmächtiges Gotteswort wirkt überall. „Sprich nur ein Wort!“
So groß die Hochachtung des Hauptmannes unserem Herrn gegenüber ist, umso niedriger erkennt er sich selbst, wie es besonders aus dem detailreicheren Bericht im Lukasevangelium hervorgeht. „Ich bin nicht würdig. … darum habe ich auch mich selbst nicht für würdig geachtet, zu dir zu kommen“ (Lk. 7, 7), sagt der Hauptmann. Von Lukas wissen wir nämlich, daß der römische Hauptmann Christus nicht persönlich aufsuchte, wie es im Matthäus-Bericht den Anschein erweckt, sondern eine Gesandtschaft frommer, gottesfürchtiger Juden zu Jesus schickte, um dem Heiland seine Bitte vorzutragen. Er erachtet sich also nicht nur für unwürdig Christus in sein Haus aufzunehmen, sondern sah sich als Heide sogar unwert Ihm überhaupt unter die Augen zu treten. Deshalb bediente er sich der Fürsprache rechtgläubiger Volksgenossen des Messias. – Welch eine Demut! Nicht gespielt, nicht gekünstelt, sondern durch und durch wahrhaftig. – Die Demut ist ja die Tugend der Wahrhaftigkeit. Sie erkennt Gottes Größe und die eigene Niedrigkeit an, so wie sie ist. Ansonsten wäre es nur Heuchelei. Die demütige Wahrhaftigkeit ist es gerade, die den Unwürdigen in den Augen Gottes würdig macht. Und so trägt der demütige Glaube gesegnete Früchte.
Auch hier wollen wir einen Vergleich zu unserem Glauben anstellen. Wie treten wir an Christus heran? In aufrichtiger Ehrfurcht? Oder wohl eher fordernd, in unehrerbietigem Ungestüm? – Schnell soll Gott helfen. Fast ungebeten soll Er eingreifen. Ungerufen soll Er in unser Haus kommen. Ja, wie konnte Er auch nur dieses zulassen und jenes nicht verhüten. Wir klagen, bestürmen Ihn, als ob Er zu helfen verpflichtet wäre; als wären wir immer schon Seine besten Freunde gewesen; als hätten wir Ihn noch nie beleidigt; als seien wir ohne Sünde und der Buße nicht bedürftig. Wenn Gott sodann zögert, dann verläßt uns schnell der Mut und wir hören wieder auf zu beten. „Bringt ja doch nichts.“ … – Vielleicht versteigen wir uns sogar und machen Gott Vorhaltungen, es sei eine Ungerechtigkeit, uns leiden zu lassen, oder so lange auf Sein Eingreifen warten zu müssen. Wo findet sich bei uns der demütige Glaube des Hauptmanns? – Wie ungeduldig wollen wir doch die Zeit der Hilfe, die Art und Weise des Eingreifens, die Mittel und das Maß festlegen, als ob Gott nur der Vollstrecker des souveränen menschlichen Willens wäre.
Manche haben das „Vater unser“ zwar nur an einem einzigen Buchstaben, aber doch grundsätzlich verfälscht. Denn in ihrem Herzen beten viele Menschen – im Gegensatz zu den Worten, die ihre Lippen dabei formen – statt „_D__ein Wille geschehe“, „__M__ein Wille geschehe“. Wir alle müssen also stets darauf bedacht sein, daß wir das Gebet des Herrn auch tatsächlich so beten, wie es uns Christus gelehrt hat. „D“ statt „M“! Ansonsten brauchen wir uns nämlich nicht zu wundern, wenn Gott weder kommt, noch _„ein Wort“ spricht, sondern unseren unbändigen Eigensinn zu Boden drückt.
Der bittende Glaube
Unser Glaube muß lebendig sein. Er muß demütig sein. Die dritte Bedingung, die unser göttlicher Erlöser fordert ist, daß es ein bittender Glaube sei: „Bittet, so wird euch gegeben.“ „Ein jeder, der bittet, empfängt.“ – Die Logik ist simpel. Wer nicht bittet, dem wird nicht gegeben. Und ein jeder der nicht bittet, der empfängt auch nichts, weil er es offensichtlich auch nicht nötig hat; sonst würde er ja bitten.
Gott verlangt unsere Bitte mit Recht. Denn jede unserer Bitten ist ein Glaubensbekenntnis an die Oberherrschaft Gottes und ein Bekenntnis unserer vollständigen Abhängigkeit von Ihm. Es ist ein Bekenntnis, daß wir von uns aus kein Anrecht besitzen, sondern alles was wir können, alles was wir haben und alles was wir sind, einzig und allein von Ihm erhalten haben und fortwährend empfangen.
Sowohl die Bitte des Aussätzigen – „Herr, wenn Du willst, kannst Du mich rein machen.“ – als auch die des Hauptmanns – „Sprich nur ein Wort!“ – sind von demselben Geist getragen. Und deshalb wurden beide Bitten vom Gottessohn erhört, wie Er es selbst verheißen hat: „Alles, um was ihr immer im Gebet mit Glauben bitten werdet, das werdet ihr erhalten“ (Mt. 21, 22). Ein solch lebendiger, demütiger Glaube floß in die Bitte über. Solchem Glauben weicht der Aussatz und jedes Leid; ja selbst Berge würden nach dem Wort des Erlösers weichen.
Die Prophezeiung ist nicht abgeschlossen
Was Jesus schließlich als Prophezeiung an das Lob des „so großen Glaubens“ des Hauptmannes angeschlossen hat, das ist nur zu deutlich in Erfüllung gegangen: „Ich sage euch aber: Viele [bekehrte Heiden] werden vom Aufgang und Niedergang [der Sonne] kommen und mit Abraham, Isaak und Jakob im Himmelreich zu Tische sitzen. Die Kinder des Reiches aber werden hinausgeworfen in die Finsternis draußen; da wird Heulen und Zähneknirschen sein.“ Millionen und Abermillionen Heiden wie jener römische Offizier haben inzwischen aus Ost und West zu Christus und Seiner Kirche gefunden, zu jener heiligen Gemeinde der Gotteskinder, die in der Bildsprache des Alten Bundes die Tischgemeinschaft der Patriarchen ist. Die Gemeinschaft jener heiligen Männer, die so gläubig auf den Messias warteten. Die Kinder Israels aber sind zum größten Teil im Unglauben stecken geblieben und fanden nicht zum neuen, christlichen Gottesvolk, trotz Tempel und Propheten, und trotz ihrer Blutsverwandtschaft mit dem göttlichen Erlöser. Glaube und Unglaube sind schicksalhaft für ganze Völker.
Wohlgemerkt! Nichts beweist, daß diese Prophezeiung des Herrn schon abgeschlossen ist. Sie erweist sich weiter als wahr, indem christliche Völker, die durch die Taufe von Kindesbeinen an zum neuen Gottesvolk gehören, in die Finsternis des Irrtums und in unerleuchtete Gottesferne gestoßen werden, weil sie ihren Glauben nicht gepflegt haben. Und daß aus Ost und West neue Völker sich zu einem lebendigen, demütigen und bittenden Glauben entschließen und eines Tages die gastfreundlichen Hallen der katholischen Kirche füllen.
Der vom Aussatz angegriffene Glaube
Die großen Irrlehren, die heute unsere Welt beherrschen, unseren Glauben vergiften und ihn gleichsam wie ein geistiger Aussatz zersetzen, sind folgende: Die religiöse Gleichgültigkeit, als sei Gott nicht sehr wichtig. Die Humanitätsduselei, als komme es nur auf natürliche Solidarität, „anti-diskriminierendes Verhalten“ und „Verständnis für alles und jeden“ an. Der dialektische und praktische Materialismus, der Gott leugnet. Ein Deismus, der Gott in Ruhe läßt und von ihm in Ruhe gelassen werden will, genauso aber auch eine „naturalistische Frömmigkeit“, die nur Heilung sucht, nicht Heiligung. – Das alles sind Dekadenzerscheinungen. – Vor allem die Lauheit als Lebensstil, die sich aufbläht, als sei sie modern und fortschrittlich, frißt heute unsern Glauben an, daß er nicht mehr ein „so großer Glaube“ ist, wie der Herr ihn erwartet und lobt.
Dabei wissen wir nicht, ob die modernen Heiden, die Christus im Gegensatz zu uns noch nicht kennen, nicht eines Tages auf die Wahrheit stoßen und sie dann mit jener Glut vertreten werden, die sie jetzt dem Irrtum schenken? Wären wir dann nicht beschämt, weil sie aus der Ferne zum Gastmahl des Gottesreiches gekommen sind, während wir des himmlischen Mannas überdrüssig wurden? Wieder wäre die Prophezeiung des Herrn traurige Wirklichkeit geworden. Das Schicksal der Konzils-„Katholiken“ sollte uns eine Warnung sein, wie leise und unbemerkt der Abfall vom Glauben geschehen kann.
Das sog. „christliche Abendland“ ist niemals endgültig christlich. Es muß von jeder Generation christlich gemacht werden, sonst wird sie in die Finsternis hinausgeworfen. Entscheidend ist also, ob die Menschen heute wieder einen Weg finden, den Glauben zu mobilisieren, zu pflegen und an die kommende Generation weiterzugeben: den lebendigen, demütigen und bittenden Glauben.
„Gehe hin; es geschehe wie du geglaubt hast.“
Der Glaube des jüdischen Aussätzigen und des heidnischen Hauptmannes sind uns zur Vorlage gegeben. Solchen Glauben müssen auch wir haben. Wer leidet nicht? Wer bedarf Gottes Hilfe nicht? – Derselbe Helfer, der sich damals erbarmte, lebt und ist auch uns nahe. Es ist dieselbe starke Hand, die Er auch uns anbietet. Was zögern wir also? Beseitigen wir die Kluft die uns von Christus trennt. Beseitigen wir die Sünden der Vergangenheit in einer guten Beichte. Beseitigen wir die Sünden der Zukunft in einem wirksamen und festen Vorsatz. „Sündige nicht mehr!“ Das verlangt Christus zuerst. Dann aber hängen wir uns an Ihn mit lebendigem und demütigem Vertrauen. Bitten wir zu Seinen Füßen: „Wenn Du willst! Denn, Herr, ich bin nicht würdig! Aber sprich nur ein Wort!“ Lassen wir nicht ab zu bitten, bis auch wir hören dürfen: „Gehe hin; es geschehe wie du geglaubt hast.“ Amen.