Der Magierweg des Menschenlebens

Geliebte Gottes!

Das Evangelium, das wir soeben vernommen haben, zeigt uns, wie das Licht von Weihnachten immer heller leuchtet und immer weitere Kreise zieht. Das „Licht der Welt“, unser Herr Jesus Christus, erleuchtet die Finsternis dieser Welt (vgl. Joh. 1, 5). In der Heiligen Nacht tauchte es Maria an der Krippe in den Strahlenkranz der Gottesmutterschaft, ohne dabei den Glanz ihrer Jungfräulichkeit zu trüben.

In einem zweiten Schritt leuchtete das Licht der Welt auf die Fluren Betlehems hinaus und ließ die Frohbotschaft von der Geburt des Erlösers im Glanz der Engel zu den Hirten dringen. Schließlich hören wir im heutigen Evangelium davon, wie unser Herr auf eine dritte Weise in die Finsternis leuchtete: Nämlich durch den Stern, der den drei Magiern aus dem fernen Morgenland aufging und ihnen die Geburt des göttlichen Erlösers und Königs der Welt verkündete. Wie das Licht seine Strahlen immer weiter in den Raum hinaus sendet, so verbreitet sich die Kunde von der Geburt des Sohnes Gottes im Fleische. Dabei trägt das Licht zwei Bewegungen in sich:

  1. Es strahlt aus. Es bringt Erkenntnis, läßt die Wahrheit aufstrahlen und erleuchtet den Verstand.
  2. Es zieht an. Es setzt den Willen in Bewegung. Alle, die „in Finsternis und Todesschatten sitzen“, fühlen sich angezogen vom Licht und kommen ans Licht.

So sehen wir es: Maria sinkt anbetend vor dem göttlichen Kinde nieder. Die Hirten eilen zum Licht der Krippe. Und auch die drei Weisen lassen sich anziehen vom Licht des Erlösers, das ihnen aufleuchtet durch den Stern.

Der Neue Bund steht allen Menschen offen

Die Magier waren keine Juden. Sie gehörten nicht dem auserwählten Volk Israel an, sondern waren Heiden. In vielen Krippendarstellungen werden sie deshalb oft mit verschiedenen Hautfarben dargestellt. Da ist einer unverkennbar aus Schwarzafrika; ein anderer ist als Orientale oder Asiate erkennbar, während der dritte europäische Züge trägt. Daß das Licht des Sternes sie zur Krippe ruft zeigt uns, daß die Religion des Neuen Testaments nicht auf ein bestimmtes Volk beschränkt bleiben sollte, sondern daß alle Menschen aus allen Völkern von Christus berufen sind zu Ihm zu kommen, wie wir es vom Propheten gehört haben: „Steh auf, Jerusalem, werde Licht! Denn dein Licht ist gekommen, und die Herrlichkeit des Herrn erstrahlt über dir. Denn siehe: Finsternis bedeckt die Erde und Dunkel die Völker.“ – Das ist die Finsternis des Heidentums – „Über dir aber geht der Herr auf, und Seine Herrlichkeit leuchtet über dir. Völker werden kommen zu deinem Lichte und Könige zum Glanze deines Aufganges. Eine Flut von Kamelen wird dich bedecken, Dromedare aus Madian und Epha. Alle kommen sie von Saba; Gold und Weihrauch bringen sie und künden das Lob des Herrn“ (Is. 60, 1-6). Ja, alle Völker und auch alle Altersgruppen sind zum Heil gerufen und werden von den Weisen aus dem Morgenland repräsentiert, weshalb die drei Weisen nicht nur in verschiedenen Hautfarben, sondern meist auch in drei verschiedenen Altersstufen dargestellt werden. Da ist einer im Alter der Jugend. Ein anderer im reifen Mannesalter und der dritte zumeist im Alter des Greises.

Wir sind die Nachfahren dieser Magier. Auch wir stammen von Heiden ab und so dürfen wir in den drei Weisen unsere Stellvertreter an der Krippe sehen, die in unserem Namen dem Gottessohn die Huldigung und die Geschenke der nichtjüdischen Welt darbrachten. Besonders ihr Weg zur Krippe wird in der Heiligen Schrift ausführlich geschildert. Und das mit Recht, hat er doch sehr viele Vergleichspunkte mit unserem persönlichen Leben. Wir wollen vor allem drei Dinge erwägen und auf unser religiöses Leben anwenden: 1. den Stern, 2. den Weg und 3. die Geschenke der Magier.

Der Stern

Plötzlich, auf einmal, erschien den Weisen im Morgenland ein sonderbarer Stern. Dieser Stern war ein ganz außergewöhnlicher Stern, den sie bisher noch nie gesehen hatten, von dem aber die Überlieferungen berichteten, es sei der Geburtsstern eines Gottkönigs. Dieser Stern lockte sie und ließ ihnen keine Ruhe mehr, bis sie sich aufmachten und seinem Leuchten nachgingen. Für andere ihrer Zeitgenossen und Kollegen war dieser Stern belanglos, oder wurde von ihnen vielleicht völlig übersehen. Sie belächelten nur die Geschäftigkeit und das aufgeregte Getue der Drei, sowie die vermeintliche Torheit der Weisen: Wie kann man nur so dumm, so „nerdig“, so fanatisch sein; und alles aufgeben, alles liegen und stehen, alles einfach hinter sich lassen – Besitz, Familie, Stellung. Wie kann man nur alle Sicherheiten fahren lassen und sich statt dessen in ein waghalsiges Abenteuer stürzen, dessen Ausgang unabsehbar ist. Und das nur wegen eines Leuchtens am Himmel. – Nun traten die Drei eine wirklich beschwerliche Reise an. Der Stern war ihnen Führer. Wenn der Weg durch die Wüste, durchs Gebirge ging, gab ihnen der Stern Trost und Kraft, die Wanderung fortzusetzen. In Jerusalem angekommen wähnten sie sich am Ziel. Da verschwand der Stern. Doch als sie von Jerusalem nach Bethlehem weiterzogen, erblickten sie ihn wieder und sie hatten darüber „eine große Freude“. Der Stern führte sie bis zum Haus der Heiligen Familie. Erst dort blieb er stehen.

Die Berufung zum Glauben

Auch uns, liebe Gläubige, ist ein Stern erschienen. Der Stern ist die Berufung zum katholischen Glauben und zum übernatürlichen Leben der Gnade. Eines Tages ging er auf. Entweder schon in unseren Kindestagen, im Mannesalter, oder erst später. Eines Tages ließ uns Gott die Wahrheit des katholischen Glaubens aufleuchten. Aus Tausenden heraus sind wir zum Glauben berufen. Es ist ein ganz unverdientes Gnadengeschenk! Viele unserer Zeitgenossen sahen dieses Leuchten nicht, ja verlachten uns vielleicht, als wir anfingen unser Leben nach und nach zu ändern; als wir das alte Leben hinter uns ließen, um fortan dem Stern des Glaubens zu folgen, dem Stern des Glaubens, der uns zu Christus führt. Dieser Gnadenstern begleitet uns seither täglich. Seine Strahlen sind die Einsprechungen Gottes, die in unserem Gewissen widerklingen. Sanft leuchtet er uns und zeigt uns was Licht und Finsternis, was Gut und Böse, was Richtig und Falsch ist. – Die Gnade zwingt nicht, der Mensch bleibt dabei frei. Deshalb müssen wir mit der Gnade mitwirken. Gott spricht zu uns in der Stille, wir müssen auf Seine Stimme achten. Wenn wir sie überhören, im Lärm der Welt und im Genuß des Lebens aufgehen, so verblaßt dieser Stern. Oder er verschwindet gar aus unseren Augen. Was für eine Gefahr für unsere Seele, wenn Gott Sein Gnadenlicht aufgrund unserer Untreue und Gleichgültigkeit, oder aufgrund unseres ungeordneten Dranges zur Selbstverwirklichung verblassen ließe! In so einem Falle wird der dämonische Herodes, der „Fürst dieser Welt“, auch uns freundlich empfangen und uns nach und nach verderben.

Der Magierweg

Der Stern ist das göttliche Element. Doch wie es bereits angeklungen ist: Der Glaube und die Gnade allein genügen nicht. Es muß die menschliche Mitwirkung hinzukommen. Der Wille muß sich mit der Gnade verbinden und sich von ihr bewegen lassen. Das bedeutet in unserem Gleichnis der Magierweg. – Das Sehen des Sternes allein, hätte den Magiern nicht genügt, um zu Christus zu gelangen. Sie mußten sich auch selbst in Bewegung setzen. Sie mußten Mitwirken, sich Anstrengen und eine strapaziöse Reise auf sich nehmen. Und sie machten sich tatsächlich auf, den beschwerlichen Weg nach Palästina in Angriff zu nehmen. Sie ließen sich nicht entmutigen, wenn sich die sandbedeckte Wüste in ihrer lebensfeindlichen Glut vor ihnen ausbreitete, wenn große Flüsse ihnen den Weg versperrten, wenn sich hohe Gebirge vor ihnen auftürmten. Nicht Hitze bei Tag, nicht Kälte bei Nacht, nicht Hunger und Durst ließen sie von ihrem einmal gefaßten Vorhaben abweichen. Sie demonstrierten uns eine enorme Willensstärke und Ausdauer. Nun kamen sie in Jerusalem an, glaubten am Ziel ihrer Reise zu sein. Doch, stattdessen eröffneten sich neue Schwierigkeiten, die ihnen fast den Erfolg ihrer Reise zunichte gemacht hätten. Geschickt wurden sie von Herodes in dessen Mordpläne gegen den neugeborenen „Konkurrenten“ eingespannt, ohne daß sie es überhaupt bemerkten. Nur durch Gottes Eingreifen wurde der hinterhältige Plan vereitelt. Erst nach langer Odyssee erreichten sie ihr ersehntes Ziel – das göttliche Kind.

Die Hingabe unseres Willens

Auch unser Leben ist ein solcher Magierweg. Gott verlangt unsere Mitwirkung. Unser Beitrag ist der von der Gnade geführte Wille, ist die liebevolle Hingabe an den göttlichen Willen. Es muß unsere eifrigste Sorge sein, daß wir durch unser tägliches „fiat“ so bereitwillig und lauter als nur möglich an der Verwirklichung des Gotteswillens mitwirken, jeder an seinem Platz.

Doch an der Lauterkeit der Absicht Gott – und Gott allein – wohlgefallen zu wollen, fehlt es leider bei uns sehr oft. Wir haben unsere eigenen Vorstellungen, wie der Weg unseres Lebens zu verlaufen hat und mit wem wir ihn gehen wollen und mit wem nicht. Wir laufen oft aus eigener Kraft nach Jerusalem; in die Fänge des Verführers, obwohl uns der Stern so sanft nach Betlehem führen will. Oft genug verwechseln wir den Willen Gottes mit unserem eigenen Willen. Ja, wir ertappen uns sogar dabei, daß wir unsere eigenen Vorstellungen und Erwartungen in den edelsten und frömmsten Beweggründen zu verpacken wissen. Und so fällt es uns selbst schon gar nicht mehr auf, daß wir vielleicht schon lange nicht mehr dem Stern Gottes folgen, sondern einer Fata Morgana.

Jedoch geht nicht alles Schwere im Leben auf unseren Eigenwillen zurück. Gott selbst schickt auch Hindernisse und Schwierigkeiten: Versuchungen, Leiden, Ausgrenzung, Verkennung. Er tut es, um uns noch entschlossener und fester zu machen. Wie der hl. Apostel Jakobus schreibt: „Der Glaube, wird er erprobt, bewirkt Standhaftigkeit. Die Standhaftigkeit aber soll sich im Werk vollenden, damit ihr vollkommen und untadelig seid und in nichts versagt“ (Jak. 1, 2-4). Erlahmen wir also nicht auf dem Weg. Mühen wir uns um einen festen Willen. Mühen wir uns aber auch um einen gefügigen Willen. Kämpfen wir, wie der hl. Paulus sagt, den guten Kampf, vollenden wir den Lauf, bewahren wir den Glauben – im Herzen und in unseren Werken.

Die Geschenke der Magier

Schließlich, als die drei Weisen ihr Ziel erreichten, fielen sie vor dem göttlichen Kind nieder und beteten es an. Aber sie wollten ihre Hingabe auch durch sinnfällige Gaben ausdrücken; sie öffneten ihre Schatztruhen und brachten dem Herrn Gold, Weihrauch und Myrrhe dar. Wie uns die Liturgie belehrt, finden wir in den drei Geschenken der Morgenländer das ausgedrückt, was sie von dem Kind auf dem Schoß Mariens glaubten. Ein Responsorium des heutigen Nachtoffiziums lautet: „Drei Geschenke bringen die Magier an diesem Tage dem Herrn dar, und sie schließen in sich göttliche Geheimnisse: Im Golde soll des Königs Macht gezeigt werden; im Weihrauch betrachte den Hohenpriester und in der Myrrhe des Herrn Begräbnis.“

Ihr ganzes Vermögen und damit symbolisch ihr ganzes Leben gossen die drei Weisen zu Füssen des Jesuskindes aus. Genauso großzügig sollen auch wir sein. Bringen wir unserem Gott das Gold unserer Berufsarbeit, den Weihrauch unserer Frömmigkeit und die Myrrhe unserer in Ergebung getragenen Leiden dar. Das ist der Hauptinhalt unseres Lebens: Arbeit, Gebet und Leiden.

Das Gold

Die Arbeit ist die erste Gabe; und zwar die stille, alltägliche, kleine Berufsarbeit, womit wir vor den Menschen nicht glänzen können. Das treue, unentwegte Erfüllen der täglichen Standespflichten ist damit gemeint. Das harte Tagwerk des Arbeiters, die gleichmäßige Hausarbeit der Familienmutter, die stressige Arbeit der Angestellten, genauso wie die Schularbeiten des Kindes. Das ist das Gold unseres Lebens. Es ist schwer zu schürfen und hat doch so großes Gewicht auf Gottes Waagen.

Und noch ein zweites ist unser Gold: die übernatürliche Liebe. Der Gnadenstand ist das wahre Gold unseres Lebens. Alles, was wir im Stande der heiligmachenden Gnade aus Liebe zu Gott tun und erarbeiten, wird durch die übernatürliche Gottesliebe, wie durch einen Zauberstab, in unvergängliches Gold verwandelt: all unser Tun und Lassen, jeden Gedanken und die kleinste, unbedeutendste Tat, die niedrigste Arbeit, erhält durch die gnadenhafte Liebe zu Gott einen ewigen Wert.

Der Weihrauch

Auch den Weihrauch unserer Frömmigkeit sollen wir Gott täglich darbringen. Wahre Frömmigkeit, das ist die innere Haltung der Hingabe an Gott. Der schönste Ausdruck wahrer Frömmigkeit ist das Gebet. Beständig soll der Weihrauch unseres Gebetes zum Wohlgeruch Gottes emporsteigen.

Um zwei Dinge müssen wir uns hierbei bemühen. Einmal um die Ordnung und zum anderen um die Andacht. Morgen- und Abendgebet und auch der hl. Rosenkranz, brauchen einen festen Platz im Tagesablauf. Und auch wenn kaum noch jemand die Gelegenheit hat, täglich der heiligen Messe beizuwohnen, so sollten wir uns doch täglich durch unseren Herrn und Erlöser, Jesus Christus, in Verbindung mit einer hl. Messe, die vielleicht in großer Entfernung gefeiert wird, aufopfern.

Zum anderen darf unser Gebet kein Geplapper sein, keine wortreiche, „stinkende Rauchwolke“, sondern reiner Weihrauch. Die Seele muß sich sammeln, muß innerlich ruhig werden, wenn sie sich erhebt, um den Wohlgeruch ihrer Liebe zu Gott aufsteigen zu lassen – nicht unbedingt in vielen Worten.

Die Myrrhe

Schließlich will Gott auch die bittere Myrrhe als Geschenk haben. Es gibt kein Menschenleben ohne Leid; aber noch viel weniger gibt es ein Christenleben ohne Leid. Es ist ein Stück vom Kreuz Christi. Diese Königsgabe ist, unter der Voraussetzung, daß wir sie ergeben tragen, vor Gott am wertvollsten. Das Opfer ist der Beweis für die Echtheit unserer Liebe, daß wir Gott wirklich mehr lieben als uns selbst.

Schließlich heißt es von den drei Weisen, daß sie auf einem anderen Weg in ihre Heimat zurückkehrten. Der hl. Papst Gregor d. Gr. macht darauf die Anwendung wenn er sagt: „Unser Heimatland ist das Paradies, aus dem wir durch Stolz, durch Ungehorsam und durch den Genuß der verbotenen Frucht wegziehen mußten. Daher müssen wir auf ‚dem anderen Weg‘ der Buße, des Glaubensgehorsams und der Zügelung der irdischen Begierden in dasselbe zurückkehren.“

Wir sehen also, wie zahlreich die Vergleichspunkte des Weges der Magier mit unserem christlichen Leben sind. Nutzen wir die Festwoche von Epiphanie, um den Weg der Magier beim betrachtenden Gebet an der Krippe im Geiste nachzugehen. Lassen auch wir uns von dem Stern erleuchten; lassen wir uns anziehen von dem fleischgewordenen Licht der Welt, das auch in die Finsternis unseres Lebens hineinleuchten will, um sie mit jener Hoffnung und Freude aufzuhellen, die von Ihm ausgeht. Lassen wir das alte Leben der Sorge, das Festklammern an den geschaffenen Dingen hinter uns. Brechen wir auf, ohne Angst; im Vertrauen auf Gott! Gehen wir tapfer und folgsam zugleich, durch alle Prüfungen des Alltags hindurch. Dann werden wir eines Tages, mit Gottes Hilfe, eingehen in das ewige Licht und dem Heiland das Gold unserer in Liebe getanen Werke, den Weihrauch unserer Anbetung und die Myrrhe unserer Leiden und Opfer, die wir im Verlauf unseres gesamten Lebens gesammelt haben, darbringen können. Amen.

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