Waffe des Lichtes

Geliebte Gottes!

Zwei Monate des Jahres hat die katholische Kirche in besonderer Weise der unbefleckten Gottesmutter Maria geweiht: Den Mai und den Oktober. Den Blütenmonat und den Erntemonat. Es ist, als sollten wir den natürlichen Reichtum der Erde zu unserer himmlischen Mutter tragen: Das Schönste des Jahres – nämlich die Blüten; und das Beste des Jahres – die reifen Früchte. Papst Leo XIII. sagt in seiner Rosenkranzenzyklika „Augustissimae Virginis“ aus dem Jahr 1897: „Denn es ziemt sich diese beiden Zeiten des Jahres derjenigen zu weihen, die von sich sagen konnte: ‚Meine Blüten sind Früchte der Herrlichkeit und Ehre.‘ (Ekkl. 24,23).“ Im Mai bekränzen wir deshalb das Bild der Maienkönigin. Im Oktober neigen wir uns flehend vor der Rosenkranzkönigin.

Die Früchte des Rosenkranzgebetes

Maria ist die Königin des Rosenkranzes, weil die Gottesmutter in keinem anderen Gebet so sehr als Königin des Himmels und der Christenheit gefeiert wird, wie in diesem – im Rosenkranz. In keinem anderen Gebet wird Maria so mit der ganzen Fülle ihrer einzigartigen Begnadigungen und ihrer unermeßlichen Verdienste gelobt und als das vollkommenste Geschöpf Gottes gepriesen. Und auch das kann man sagen: Auf kein anderes Gebet erwidert die Himmelskönigin mit einer derart königlichen Freigebigkeit an Erhörung und Gewährung all dessen, worum man sie beim Beten des Rosenkranzes bittet. Ungezählte Beter haben die große Macht und Fruchtbarkeit des Rosenkranzgebetes an sich persönlich erfahren dürfen.

Ja, selbst auf der Ebene der Weltpolitik; also auf dem Parkett, auf dem sich Könige und Königinnen, Staatslenker und Präsidenten bewegen, da hat sich die Macht des Rosenkranzes des öfteren glanzvoll geoffenbart. Haben etwa nicht die Dominikaner, unter der Führung des hl. Dominikus, im 12. Jahrhundert gerade mit dem Rosenkranzgebet gegen die übermächtig gewordenen Anarchisten des Mittelalters, die Albigenser, einen siegreichen Kampf geführt? War nicht der Rosenkranz die Hauptwaffe, mit der im Jahre 1571 jener glänzende Seesieg von Lepanto und im Jahr 1683 jener wunderbare Triumph vor Wien errungen wurde, der das Abendland von der furchtbaren Türkengefahr und damit vor dem Islam bewahrt hat?

Waffe des Lichtes

In den letzten Wochen und Monaten wurde in der Öffentlichkeit viel über Aufrüstung und Waffenlieferungen diskutiert. Sollen wir aufrüsten? Sollen wir Waffen liefern? Nur zur Verteidigung, versteht sich! Auch Verteidigungswaffen schlagen Wunden. Das läßt sich nicht ändern. Dabei gibt es jedoch tatsächlich eine Waffe, die hilft und doch keinen verwundet; eine Waffe, die Leid wendet, ohne andere damit zu belasten.

Der hl. Paulus sagte einmal zu den Christen seiner Zeit, sie sollten die „Waffen des Lichtes“ ergreifen (Röm. 13, 12). Wir Christen sind „Kinder des Lichtes“, Kinder einer anderen lichten Gnadenwelt, in der wir einmal ewig beheimatet sein sollen. Wir müssen auf unserer irdischen Pilgerfahrt Waffen tragen; aber ganz andere Waffen, als die „Kinder der Finsternis“. Zu diesen „Waffen des Lichtes“ gehört an erster Stelle das Gebet. Und insbesondere das Rosenkranzgebet. Es mag einer einwenden, der zwar die Notwendigkeit zu den „Waffen des Lichtes“ zu greifen einsieht und auch gewillt ist, dieser Einsicht Folge zu leisten, der aber mit dem Rosenkranz einfach nichts anzufangen weiß: „Beten ja, aber muß es denn gerade der Rosenkranz sein?“ – Antwort: Nein, es muß nicht gerade der Rosenkranz sein. Es werden niemandem Vorschriften gemacht, was oder wie er beten soll. Aber es wäre sehr vernünftig; es wäre sehr klug, wenn es gerade der Rosenkranz wäre. Und für jemanden, der kein Freund vielen Betens ist und dem die große Kunst des Betens noch fremd ist, für den wäre es doppelt klug, wenn er gerade zum Rosenkranz greifen würde. Warum? – Das wollen wir versuchen zu erklären.

Die Schule des Gebetes

Der Rosenkranz ist die Schule des Gebetes. Das Gebet ist eine Sprache ganz für sich. Eine Sprache, die man mit keinem Wörterbuch und mit keinem Sprachkurs lernen kann; eine Sprache, die uns eigentlich nur Gott selbst beibringen kann. Das Gebet ist die rechte Art, wie man mit Gott sprechen soll. Wir Anfänger, das sind wir doch vermutlich alle, ganz gleich wie alt wir sind und wie lange wir schon beten; wir Anfänger sagen in unserem Gespräch mit Gott noch oft viele törichte Dinge. Selten kommen wir über das Betteln hinaus, und wenn es schon Bitten sein sollen, die wir Gott zu sagen haben, dann sind es meistens doch sehr ungeschickte, kurzsichtige und selbstsüchtige Bitten, weil wir Menschen eben meist nicht jenes Maß an Weisheit haben, mit dem wir wirklich das Beste, das ewig Gültige, das wirklich Gute und Notwendige erkennen und dann auch erbitten könnten. Gott nimmt das Seinen Kindern nicht übel, aber es wirkt sich unvorteilhaft für uns selber, auf unser Beten, aus. Wenn wir immer nur um uns selber, um unsere Wünsche, Bedürfnisse und Ängste kreisen, so macht uns eben das müde im Beten und läßt uns des Sprechens mit Gott überdrüssig werden.

Gott hat uns zwei Gebete als Musterbeispiele gegeben, weil Er weiß, daß wir die heilige Sprache des Gebetes so schlecht sprechen: Diese Musterbeispiele sind zum einen das „Vaterunser“ – also ein Wort an den ewigen Vater, wie es vollkommener nicht sein kann, stammt es doch vom Sohn Gottes selbst, der es Seine Jünger lehrte, als sie Ihn gefragt hatten, wie sie beten sollten. – Und das andere Musterbeispiel ist das „Ave Maria“ – ein Wort an die Gottesmutter, die große Fürsprecherin und Helferin beim Beten. In diesen beiden Gebeten hätten wir also den Wortlaut vollkommener Gebete, in denen alles enthalten ist, was der Mensch Seinem Gott, was das Gotteskind seinem himmlischen Vater; was der arme Sünder seiner reinsten und unbefleckten Mutter sagen darf und sagen soll und sagen kann.

Durch Übung zur Meisterschaft

Es fehlt sodann nur noch, daß wir diese echten, heiligen Gebete „ganz richtig“ beten lernen: Daß wir so viel Andacht, so viel Gottesliebe, so viel Vertrauen, so viel Reue, so viel Glauben haben, wie diese Gebetsworte eigentlich verlangen, dann hätten wir „vollkommen“ gebetet. – Wenn wir nur ein einziges Mal das „Vaterunser“ so sagen könnten, wie Christus es vorgebetet hat, oder auch nur einmal das „Ave“, wie es der Erzengel zur allerseligsten Jungfrau gesagt hat, dann hätten wir die Sprache Gottes erlernt. Dann hätten wir ein vollkommenes Gebet zu Gott gesprochen. So betet es aber leider keiner. Das soll uns nicht mutlos machen. Kein Meister ist vom Himmel gefallen. Und Übung macht bekanntlich erst den Meister. Wir können und sollen uns also wenigstens üben. Dann können wir es auch weit bringen in dieser heiligen Kunst.

Niemand sage also, der Rosenkranz sei langweilig, oder es sei doch sinnlos so viele „Vaterunser“ und „Ave Maria“ herunter zu beten. Wir brauchen die Übung! – Freilich, wegen der häufigen Wiederholung der gleichen Gebetsworte besteht beim Rosenkranz, wie bei kaum einem andern Gebet, die Gefahr, daß es zum bloßen Lippengebet wird. Und doch birgt es eine Fülle von Gedanken, die jedem Beter tiefen Trost und Einsicht schenken können. Mit Recht kann man sagen: „Wenn er aus vollem Herzen kommt, ist der Rosenkranz das beste Gebet. Wenn er aus einem leeren Herzen kommt, ist er das schlechteste.“ Der Rosenkranz ist also ein Gebet für volle Herzen!

Beten wir deshalb die vielen „Vaterunser“ und „Ave Maria“ mit der Sehnsucht, daß doch ein ganz schönes, ein möglichst vollkommenes darunter sei; eines, das so ähnlich klingt wie jene Worte Christi, die der Wind über den Fluren Judäas verweht hat; oder so ähnlich wie die Worte, welche die unbefleckte Jungfrau Maria in Nazareth aus dem Mund des himmlischen Boten vernahm. Und dann wenn einst, am Ende unseres Lebens nach viel, viel Übung, nach unzähligen Rosenkränzen, doch endlich ein einziges, kleines „Ave Maria“ so gelungen wäre, dann hätten sich alle die vielen, vielen Rosenkränze gelohnt; dann hätte sich unser ganzes Gebetsleben gelohnt.

Hochschule des christlichen Lebens …

Die besondere Eigenart des Rosenkranzes besteht sodann darin, daß er nicht bloß ein mündliches, sondern auch zugleich ein betrachtendes Gebet ist. Nur, wenn wir die Geheimnisse beim Beten des „Ave“ auch beachten, werden wir den Rosenkranz vollkommen beten. Dabei entfaltet sich der Rosenkranz zur Hochschule des Gebetes und zur Hochschule des christlichen Lebens. Man kann ja bekanntlich auch in der papstlosen Zeit, trotz der wenigen Orte, wo man noch eine katholische hl. Messe mitfeiern kann, noch so manche Predigt hören oder nachlesen, wenn man die technischen Mittel ausnützt, die uns heute in Form des Internet zur Verfügung stehen. Und bisweilen muß man sich ja auch so manches geduldig anhören, wenn man seine Sonntagspflicht erfüllt, nicht wahr?

Aber die beste Predigt, vom heiligsten Prediger gehalten, dringt nicht so tief wie die Predigt, die wir uns selber ganz ehrlich halten. Das tun wir leider nur so selten. – Statt dessen predigen uns ständig die Menschen um uns herum. Genauso tun es die Dinge und das Leben. Der Zeitgeist hält uns ständig eine Predigt. Aber meist keine gute. Sie legt uns etwa die Falschheit und Lüge nahe und redet uns ein, das sei schlau. Sie ist so voll Haß, und ehe man sich versieht, hassen wir mit. Sie ist so sinnlich und schmierig, und arme Menschen fallen auf den falschen Zauber der Lust herein. Sie ist gottlos und, wer auf ihre Predigt hört, der wird von Zweifeln gequält, wenn er nicht gar selber gottlos wird. Sie ist beängstigend, wenn sie beständig von Energiekrise, Klimakrise, Ukrainekrise, Coronakrise, Inflation und Wirtschaftskrise spricht. Sie lähmt unseren Lebensmut und stürzt in Verzweiflung.

Mancher geht in seinen Sorgen zu Verwandten, Freunden und Bekannten, und siehe, auch dort spricht man von schlechten Zeiten und von schlechten Menschen, von Verlogenheit, Korruption und Schwindel, oder was dergleichen gangbare Themen sind. Wir können nicht einfach aus der Welt heraus oder uns die Ohren zustopfen und die Augen verbinden, aber wir können uns unempfindlich machen gegen die Predigt der Welt durch die Pflege des Rosenkranzgebetes.

… durch die Betrachtung der Rosenkranzgeheimnisse

Bekanntlich werden zwischen die beiden Gebetsteile des „Ave Maria“ die wichtigsten Geheimnisse des Lebens Jesu und Seiner heiligsten Mutter hineingeflochten. Das Leben Christi steht dabei im Mittelpunkt. Die Geheimnisse machen den Rosenkranz zu einem christo-zentrischen Gebet. Betend durchwandern wir an der Hand Mariens den Weg, den ihr göttlicher Sohn zum Heil der Welt gegangen ist, und den sie mit Ihm ging, um an Seinem Erlösungswerk Anteil zu haben, wie nur das Herz einer Mutter am Werk des Sohnes teilnehmen kann.

Die Betrachtung der fünfzehn Geheimnisse des Rosenkranzes ist jedesmal eine Predigt, die wir uns selber halten; eine eindringliche Predigt, weil wir jede Wahrheit zehnmal wiederholen und langsam in uns hineinbeten. – Durch ihre Betrachtung könnten wir wieder mehr Lebenskraft schöpfen. Wir würden manches gar nicht mehr so schwer tragen, vielleicht würden wir auch bessere, tugendhaftere Menschen und hätten auch wieder den Mut, geduldig zu sein, ehrlich zu sein, rein zu bleiben oder, was es nun sein mag.

Ganz am Anfang des Rosenkranzpsalters steht das Gesetz: „Den du, o Jungfrau, vom Heiligen Geist empfangen hast.“ Zehnmal sprechen wir von der makellos reinen Jungfrau, die da vom Heiligen Geist in heiligster Liebe und unversehrter Keuschheit das göttliche Kind entgegennahm. Vielleicht wird dabei wieder eine Sehnsucht in uns wach nach Unberührtheit und Unschuld; ein edler Wunsch und ein fester Vorsatz. Diese Predigt bewirkt mit wunderbarer Heilkraft, eine Gesinnung der Reue, der Sehnsucht, des Besserungswillens, die uns von der Unschuld, Reinheit und Sündenlosigkeit der Verkündigungsstunde etwas mitgibt. Nach der Predigt dieses Rosenkranzgesetzes sind wir vielleicht wieder besser geworden, als vorher. – Vielleicht erinnern wir uns beim Gedanken an den Heiligen Geist, daß er doch der reiche göttliche Geber ist, der auch in unser Herz, ganz gleich, wie es darin aussieht, noch viel von Seinen übernatürlichen Gnaden und Gaben hineinlegen kann, wie Er es an Maria gezeigt hat. Und während wir darüber nachdenken und darum beten, haben wir uns schon neu geheiligt.

Wir beten und predigen weiter: „Den du, o Jungfrau, zu Elisabeth getragen hast.“ Auf diese Predigt müßten wir besonders genau hinhören. – Da eilt eine Frau voll selbstloser Güte einer anderen zu Hilfe. Maria hatte nach der Botschaft des Erzengels eigentlich Grund genug, an sich selber zu denken. Aber im Gebirge braucht jemand Hilfe, und sie geht hin; und mit ihrer Güte und Hilfsbereitschaft brachte sie noch etwas anderes mit: Gott, den menschgewordenen Gottessohn unter ihrem Herzen, noch ganz verborgen und doch schon Segen bringend. – Dabei merken wir, daß auch wir so manchen Gang zu Elisabeth machen könnten. Wir bräuchten nur ein wenig hilfsbereiter sein, bräuchten nur ein wenig mehr Güte zeigen. Oft leiden wir ja selbst am meisten darunter, daß wir so kantig und so unerträglich sind und immer andern zur Last fallen müssen. Es sollte uns freuen, daß eine es fertiggebracht hat gütig zu sein. Das kann uns antreiben alles Ungute, was wir erlebt haben, verzeihen und vergessen zu wollen. Es gäbe uns etwas ernsten Willen zu größerer Freundlichkeit, zu einem sanfteren Ton, zu mehr Geduld in unserem Umgang, und wir wären nach dieser kurzen Predigt der zehn Ave wenigstens für diese Augenblicke wirklich gut; und vielleicht sind wir es dann auch noch einige Zeit nachher.

„Den du, o Jungfrau, geboren hast.“ Beim dritten Gesetz wird das Bild des Stalles von Bethlehem ganz lebendig, wo das göttliche Kind in aller Armut geboren wurde. Da war eine Mutter und hatte nichts als ihre große Liebe und ihr Mitleid mit dem Kind. Da war ein Mann, der von Vatersorgen erzählen könnte und von der Härte der andern. Da ist ein Neugeborenes, das ein anderes Los verdient hätte. Aber trotz aller Entbehrungen gab es keine Verbitterung, keine gereizten Anklagen und Schuldzuweisungen, kein Hadern mit Gott. Die drei wußten, daß Gott doch die Liebe ist und alles zum Besten und zu einem guten Ende führen wird. – Wer oft und besinnlich an Bethlehem denkt, betend daran denkt und eine innige Bitte daran knüpft, an Gott, der das Menschenherz formen und lenken kann, der wird ein zufriedenerer Mensch, der lernt die kostbare Kunst, sich in alles zu ergeben wie Gott es will.

Sodann begleiten wir eine betende Frau auf dem Gang zum Tempel: „Den du, o Jungfrau, im Tempel aufgeopfert hast.“ Väter und Mütter, die ein Kind verloren haben, oder die um das Leben eines Kindes bangen; Frauen, die um den Mann trauern und Männer, die ihre Gattin verloren haben. Sie sollten oft dieses Gesetz beten, von der Mutter, die ihr Kind Gott aufgeopfert hat, ihr liebstes Kind; denn wohl keine Mutter hing jemals mit solcher Liebe an ihrem Kind, wie Maria. Und wenn sie zehn Ave lang daran gedacht haben und mit Gott und mit jener Mutter gesprochen haben, dann wird bestimmt die Opferkraft ein wenig gewachsen sein, dann ist bestimmt unser Eigenwille, der Gott immer dreinreden möchte und der es doch gar nicht besser wissen kann, was wirklich gut ist, der wird bestimmt ruhiger und ergebener geworden sein. – „Den du, o Jungfrau, im Tempel aufgeopfert hast“, das müßten eigentlich alle beten, die liebgewordene Pläne aufgeben müssen, die auf Wünsche verzichten müssen, damit es nicht bitter mit verbissenen Zähnen geschieht, sondern stark und frei als eine Gabe an Gott. So müßten alle beten, die mit Versuchung und Sünde ringen, daß sie den Mut finden, zu opfern, was nicht sein darf. – So müßten alle, die unter Mißerfolg leiden und nicht weiterkommen, beten, daß sie mit ihrer Aufgabe, die Gott gestellt hat, zufrieden sind und weiter ringen, scheinbar ohne Erfolg, vor Gott aber immer erfolgreich. Ja, man könnte auf ganz andere Gedanken kommen bei diesem sinnigen Gesetz und wieder froher und ruhiger zur eigenen täglichen Plage zurückkehren.

Noch ein ganz reiches Geheimnis lädt uns zum Nachdenken ein: „Den du, o Jungfrau, im Tempel wiedergefunden hast“. Mütter beten es gerne, auch Väter, die besorgt sind um das Seelenheil ihrer Kinder, denen vielleicht ein Kind mißraten ist, aller Bemühungen zum Trotz. Gott kann es den Tempel wiederfinden lassen. Junge Menschen sollten es beten im Gedanken, wie der zwölfjährige Jesus mit seinen Eltern nach Nazareth ging und ihnen gehorsam unterworfen war. Der Gottessohn den menschlichen Eltern! Was muß die Würde der Eltern also heilig sein, wenn Christus sich ihr untergeordnet hat!

Nach den freudenreichen Geheimnissen wandelt sich sodann die Reihe der Bilder: Wir gehen mit dem Herrn und Seiner Mutter den dunklen Passionsweg, der in Gethsemane beginnt, an dem die Geißelsäule steht, sowie der Schmerzensmann mit der Dornenkrone, der in den Kreuzweg einmündet und unter dem Opferaltar auf Golgotha endet.

Dann wieder eine Wandlung der betenden Schau: Wir sehen die Mutter teilnehmen an der Herrlichkeit des erstandenen Sohnes, sehen sie unter der Jüngerschar auf dem Berge der Himmelfahrt und bei der Herabkunft des Pfingstgeistes. Und schließlich schauen wir ihre wunderbare Erhöhung; ihre leibliche Aufnahme in den Himmel, ihre Krönung zur Königin der Engel und der ganzen Christenheit.

So schmücken wir das Bild der Rosenkranzkönigin nacheinander mit den weißen Rosen der Freude, den roten Rosen des Leidens und den goldenen Rosen ewiger Glorie. Dreimal fünf Stationen eines einzigartigen Lebensweges, dessen Vorbild unser Denken und Reden, unser Tun und Lassen befruchten wird! Jede Station dieses Weges, zieht dabei im Geiste an uns vorüber; jeder Abschnitt dieser Predigt prägt sich währenddessen unserer Seele ein – zehn Ave lang und entfaltet seine heilsame Wirkung, indem es uns dazu anregt dem Beispiel Jesu und Mariens nachzueifern.

Das Reisen im Zug

Schließlich mag jemand einwenden: Wie soll man aber nun bitteschön beides gleichzeitig hinbekommen? Wie soll man einerseits andächtig das „Vaterunser“ und das „Ave Maria“ beten und dabei dann auch noch die einzelnen Geheimnisse aus dem Leben Christi und der Gottesmutter aufmerksam betrachten? Man kann sich ja nicht auf zwei Dinge gleichzeitig konzentrieren. Das Rosenkranzgebet, kann man vergleichen mit einer Zugfahrt. Wenn wir im Zug sitzen, so bleiben unsere Blicke nicht starr auf einen Punkt gerichtet, sondern sie schweifen umher. Einmal gehen sie aus dem Fenster und betrachten die schöne Landschaft die an uns vorbeizieht. Wenig später schauen wir wieder ins Innere des Zuges und betrachten die Fahrgäste im Abteil, die mit uns zusammen reisen. – Nicht anders ist das Rosenkranzbeten. Die feste Gebetsformel des „Ave Maria“ ist unser Zug mit dem wir durch das Heilige Land zur Zeit Christi fahren. An den Fenstern unseres Zuges ziehen die Stationen des Lebens Jesu vorbei. Und wie man sich im Zug verhält, so sollen wir auch den Rosenkranz beten. Eine Zeitlang schaut man aus dem Fenster, d.h. man betrachtet das jeweilige Geheimnis aus dem Leben Jesu. Bisweilen schaut man ins Innere des Zuges, d.h. man betet bewußt die Worte des „Ave Maria“. So ist beständig für Abwechslung gesorgt, je nach unserer augenblicklichen Verfassung.

Es ist Rosenkranzmonat!

Ja, der Rosenkranz könnte eine hohe Schule des Betens und des Lebens sein. Jeder probiere es selber aus. Jetzt ist Zeit. Es ist ja Rosenkranzmonat. Hier in der Kapelle beten wir ihn zusammen. Wer nicht kommen kann, der bete ihn sonst unter Tags oder am Abend zusammen im Kreis der Familie. Sicher, wir haben nicht unbeschränkt Zeit, wir haben wichtige Pflichten. Aber gar keine Zeit zum Beten haben, das ist ein Irrtum und wäre eine Sünde. Der betende Mensch, der gute, ruhige Beter gewinnt Zeit, weil er frischer und stärker vom Gebet zurückkommt. Mag sein, daß es nicht immer zu einem ganzen Rosenkranz reichen will. Aber für ein Gesetz gibt es verlorene Minuten genug am Tag. Es gibt doch viele Gänge zu machen. Und dabei braucht es ja keiner zu merken, daß wir den Rosenkranz verborgen in der Hand haben und am Nachdenken sind über die schönsten Geheimnisse unseres Glaubens. Wir haben für manche viel weniger wichtige Dinge noch Zeit, warum nicht auch einmal für ein besinnliches Rosenkranzgesetz? – Es ist höchste Zeit, daß wir die Waffen des Lichtes ergreifen. Und zu den Waffen des Lichtes gehört das Gebet; besonders, das Rosenkranzgebet. Amen.

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