Entdeckung der wahren Freude

Geliebte Gottes!

Der Grund, warum der Priester am heutigen Tag rosafarbene Gewänder trägt, ist der, daß die Kirche heute die Freude über die baldige Ankunft des Erlösers an Weihnachten vorwegnimmt. Sie nimmt heute bereits einen Tropfen von der Festfarbe Weiß und mischt ihn in das strenge Violett der Bußzeit. So entsteht das freudige Rosa. – Wie die Israeliten im Alten Testament getröstet und erfreut waren, als sie die Propheten über den zukünftigen Messias weissagen hörten, so ist auch die Kirche erfreut von der Botschaft der baldigen Ankunft des Messias. Sie hat sich die Aufforderung Christi vom ersten Adventssonntag, angesichts der vorherrschenden Drangsale hoffnungsfroh das Haupt zu erheben und die herannahende Erlösung zu erwarten (vgl. Lk. 21, 25-28), zu eigen gemacht und geht heute, wie die fünf klugen Jungfrauen aus dem Gleichnis (vgl. Mt. 25, 1-13), mit großer Vorfreude ihrem messianischen Bräutigam entgegen. 

Der Herr ist nahe!“

Heute freut sich die Kirche, denn der Herr ist nahe, wie der hl. Paulus in seinem Brief an die Philipper versichert (vgl. Phil. 4, 4-7). Die Freude der Kirche zielt dabei mehr auf die Zukunft als auf die Vergangenheit. Sie ist nicht nur ein Gedächtnis der Vorfreude des Alten Bundes auf die ersehnte erste Ankunft des Erlösers. Es ist eine Vorfreude, deren Erfüllung noch aussteht. – In diesem irdischen Leben wird unser wahres Weihnachtsfest ja darin bestehen, eine selige Sterbestunde geschenkt zu bekommen, in der wir in der beseligenden Anschauung des Himmels mit Gott vereinigt werden. Das wird die höchste Form des Besitzes Gottes sein. Und daraus wird dem Menschen die größtmögliche Freude überhaupt erwachsen, die ewige Glückseligkeit. Denken wir daran! Das alljährliche Weihnachtsfest ist nur ein Platzhalter für die zweite Ankunft Christi. Es ist ein Platzhalter für die Stunde unseres Todes. Das Weihnachtsgeschenk ist ein symbolischer Stellvertreter für „das Geschenk“ schlechthin, mit dem uns der göttliche Erlöser einst bedenken will – die ewige Seligkeit im Besitz Gottes. 

Aber schon jetzt, in diesem Leben gibt es eine wahre Vorfreude, eine vorweggenommene Freude, eine Freude, die darin besteht, daß wir Gott jetzt schon in unserer Seele besitzen dürfen – durch die heiligmachende Gnade. Die Seele im Gnadenstand besitzt Gott, wenngleich dieser Besitz noch nicht so vollkommen ist wie einst im Himmel. Noch liegt dieser Besitz verborgen im Dunkel des Glaubens. Er entzieht sich gänzlich unserer sinnlichen Wahrnehmung. Auch ist dieser Besitz noch nicht für immer und ewig gesichert. Wir können ihn durch eine schwere Sünde verlieren. – Trotzdem bleibt es wahr: Die Seele im Gnadenstand hat einen wahren Grund zur Freude. Gott wohnt in ihr! Sie besitzt das höchste Gut. Der Herr ist uns also in einem sehr wörtlichen Sinne nahe! – Der Gedanke an Seine wirkliche Nähe bewirkt in einem gläubigen Herzen Freude. Wie die Prophezeiungen vom Herannahen des ersehnten Messias im Alten Bund denjenigen eine Quelle der Freude und des Trostes waren, welche ihn gläubig erwartet haben, so ist die Gegenwart Gottes in der Seele eine Quelle hoffnungsvoller Vorfreude, einst den Herrn in der seligen Anschauung des Himmels sehen zu dürfen. In gleicher Weise wie die Hirten und die Weisen aus dem Morgenland von Freude erfüllt waren, als sie mit ihren Augen den langerwarteten Erlöser schauen durften, so wird auch unsere Freude überfließend und vollkommen sein, wenn wir Gott im Himmel einst schauen werden.

Freude und Freudlosigkeit

Die Freude erwächst ihrem Wesen nach aus dem Besitz dessen, was der Mensch liebt. Die Seele ist geistig. Die Seele ist der ganz einfache und damit unzerstörbare Teil der menschlichen Natur. Sie ist nicht zusammengesetzt aus Teilen und kann deshalb nicht in ihre Bestandteile zerfallen. Im Gegensatz zum Leib kann die Seele des Menschen folglich nicht sterben, sich nicht auflösen, nicht vergehen. Die Geistseele ist unvergänglich. Sie bleibt für immer. Deshalb kann die Seele aber auch einzig und allein in geistigen Gütern, die wie sie selbst unvergänglich sind, ihre wahre Freude finden. Umgekehrt bedeutet das: Weil die Seele geistig ist, deshalb kann sie nicht mit materiellen Dingen zufriedengestellt werden. Materielle Dinge sind zusammengesetzt aus Teilen. Deshalb sind materielle Dinge vergänglich, können zerstört und aufgelöst werden. Und so können sie auch keine unvergängliche Freude spenden. – Die Seele hat nichts von Essen und Trinken. Auch nichts von Gold und Silber, nichts vom Komfort, nichts vom „Glamour und Glitzer“ und auch nichts von schönen Kleidern. Die Seele verlangt nach Gerechtigkeit, nach Liebe, Barmherzigkeit, Liebenswürdigkeit, Starkmut und nach all jenen geistigen Gütern, die man mit Geld nicht kaufen kann.

Die moderne Welt ist im Materialismus versunken. Sie glaubt die Freude in den sinnlichen Genüssen finden zu können. Sie sucht die unvergängliche Freude, nach der sich die menschliche Seele naturgemäß sehnt, an der falschen Stelle. Sie jagt vergänglichen Glücksgütern nach und wird von ihnen notwendigerweise enttäuscht. 

Aus diesem Grund ist die Scheidungsrate, die Zahl der Depressionen und Selbstmorde so extrem angestiegen. Obwohl die Ehepaare heute materielle Güter zu erschwinglichen Preisen kaufen können, von denen man vor 100 oder 75 Jahren nur träumen konnte; obwohl die Menschen heute einen beispiellosen Wohlstand und einen bisher unbekannten Lebensstandart genießen; obwohl sie darüber hinaus – verglichen mit früheren Generationen – viel mehr Freizeit und Urlaub haben; trotz all dem Überfluß an Glücksgütern sind die Menschen heute freudloser, unerfüllter und unglücklicher als diejenigen, die zu weitaus ärmeren Zeiten gelebt haben. – Woran liegt das? Der Grund hierfür findet sich in der Tatsache, daß sich die Menschen heute durch ihre Gier und die materialistische Selbstsucht der notwendigsten geistigen Güter berauben. Sie werden unglücklich, depressiv und lebensmüde. 

Die Seele ist an sich blind für materielle und fleischliche Befriedigungen. Stattdessen lechzt sie nach den vorhin erwähnten geistigen Gütern. Der hl. Franz von Sales gebraucht das Bild eines kleinen Säuglings, der sich überhaupt nicht um die wertvolle Kette um den Hals seiner Mutter kümmert. Die Halskette mag aus Gold bestehen, mit kostbaren Edelsteinen und wertvollen Diamanten besetzt sein. Das Baby interessiert sich nicht dafür. Es ist nur an einer einzigen Sache interessiert, und das ist die Milch seiner Mutter. Es ist blind für die Juwelen. Könnte es sprechen, würde es sagen: „Nutzloses Zeug! Was nützt das?“ Die Halskette mag 100.000 Euro wert sein. Aber sie macht das Baby nicht satt. Deshalb achtet es nicht darauf. In der gleichen Weise beachtet die Seele allein das Geistige. Sie wird nur durch geistige Güter gesättigt. Der Hunger nach geistigen Gütern, ja, nach dem höchsten geistigen Gut ist in sie hineingeschaffen. Die Seele ist von Gott und für Gott geschaffen. Deshalb kann sie keine Ruhe finden, bis sie ihre Freude im Besitz Gottes gefunden hat. Dieser Grundwahrheit hat der hl. Augustinus in seinem berühmten Wort Ausdruck verliehen: „Für dich sind wir erschaffen und unruhig ist unser Herz bis es ruht in dir, mein Gott.“

Die Freude aus der Ordnung

In diesem Leben ist der Besitz Gottes durch die heiligmachende Gnade die höchste aller Freuden. Wenn Gott Seinen Wohnsitz in einer Seele aufschlägt, dann gibt Er der Seele eine grundsätzliche Ordnung. – Stellen wir uns einen Handwerker vor, der ein heruntergekommenes und verlebtes Haus nach und nach in Ordnung bringt. Wenn der Eigentümer dieses Hauses nach getaner Arbeit einzieht, dann wird er alles schön und geordnet vorfinden. Das gibt ihm eine gewisse Freude und eine Zufriedenheit. – Oder wenn man ein Hotelzimmer betritt. Alles ist sauber, frisch und ordentlich. Die äußere Ordnung schenkt der Seele Frieden und eine gewisse Freude. Deshalb sagt man ganz zurecht: Innerer Friede setzt Ordnung voraus. Chaos macht krank. Nur wer in seinem Umfeld alles geregelt hat, wird auch innerlich zur Ruhe kommen. Die Ordnung gibt Freude und Ruhe. Unordnung hingegen verursacht Traurigkeit und innere Rastlosigkeit. 

Als erste Wirkung der heiligmachenden Gnade ordnet Gott die Seele durch die Tugend der übernatürlichen Liebe. Je mehr der Einfluß der übernatürlichen Liebe auf alle Bereiche der Seele – Verstand, Wille, Leidenschaften – zunimmt, um so vollkommener wird die innere Ordnung. Alle Gedanken, Gefühlsregungen und Willensakte bekommen ihren rechten Platz und ihr rechtes Maß. – Wenn der Besitz Gottes in einer heiligen Seele durch die übernatürliche Liebe zur Vollkommenheit gelangt ist, dann sind auch die innere Freude und der Frieden dieser Seele vollkommen. Und zwar so ganz und gar vollkommen, daß sie von keiner zeitlichen Drangsal hinweg genommen werden können. 

Die vollkommene Freude

Die Lehrer des geistlichen Lebens sagen übereinstimmend, daß es ein Anzeichen der Vollkommenheit ist, wenn es für eine Seele keine zeitliche Drangsal gibt, die ihr den inneren Frieden rauben kann; wenn sie selbst die quälendsten Probleme mit innerem Frieden, in Ruhe und in vollkommener Ergebung in den göttlichen Willen ertragen kann. Das ist ein Anzeichen für einen hohen Grad an geistlicher Vollkommenheit.

Das bedeutet nicht, daß es für eine solche Seele fortan nichts mehr zu leiden gäbe; daß sie keinen Schmerz mehr spüren könnte; daß ihr ein Verlust nicht mehr wehtun würde. Nein, eine vollkommene Seele ist nicht für Schmerzen taub und immun gegen Nöte und Drangsale. Aber es bedeutet, daß kein Leid und kein Schmerz den inneren Frieden der Seele zerstören kann. Egal welche Prüfung über den Menschen kommt – körperlich oder geistig –, die wesentliche Freude der Seele bleibt davon unberührt, weil der für die Seele wesentliche Besitz – nämlich der Besitz Gottes mittels der heiligmachenden Gnade – und die innere Ordnung davon nicht berührt wird.

Um vielleicht etwas besser verstehen zu können, was gemeint ist, lassen Sie uns kurz einen gemeinsamem Blick auf unseren Herrn Jesus Christus in Seiner Passion werfen. – Christus besaß in Seiner menschlichen Natur vom ersten Augenblick Seiner Empfängnis im Schoß der Jungfrau Maria die beseligende Anschauung Gottes, die „visio beata“. Seine Menschheit war in einer Weise im Besitz Gottes, die vollkommener überhaupt nicht gedacht werden kann. Deshalb kann man sagen, daß Christus als Mensch in jedem Augenblick Seines irdischen Lebens unermeßlich glücklich und im Besitz vollkommener Freude gewesen ist. – Und selbst am Kreuz besaß der Heiland eine innere Freude über den Besitz der Gottheit und das, obwohl Seine körperlichen und seelischen Leiden derart gewaltig waren, daß jede Beschreibung ihrer spotten würde. Christus wollte die ganze Bitterkeit des menschlichen Leidens – körperlich und seelisch – vollends auskosten bis hin zum Tod. Er wollte den Kelch des Leidens, zum Beweis Seiner Liebe zu uns, bis zur Neige trinken. Er wollte uns auch ein Beispiel geben, wie wir unsere Leiden und Schmerzen als Folge der Erbsünde und unserer persönlichen Sünden tragen sollen. Deshalb hat Er die Qualen der Passion auf sich genommen. Der Heiland wollte leiden! – Von hier aus ergibt sich das richtige Verständnis der ungeheuerlichen und geheimnisvollen Worte Christi am Kreuz: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ (Mt. 27, 46) – Wie konnte der Sohn Gottes so etwas sagen, als könne Ihn Gott verlassen? Er ist doch selbst die zweite Person der Allerheiligsten Dreifaltigkeit! – Der Grund ist der genannte. Christus wollte alles erdenkliche Elend und Leid der menschlichen Existenz auskosten. Dazu gehört auch das bitterste aller geistigen Leiden – nämlich die Gottverlassenheit. Er wollte die Todesangst, das hilflose Ausgeliefertsein angesichts des herannahenden Todes und die damit verbundene Machtlosigkeit, soweit als möglich, selbst empfinden. Er wollte den emotionalen Streß des Todeskampfes spüren. Und weil wir wissen sollten, daß Er all diese geistigen Qualen im Inneren Seiner Seele litt, deshalb hat Er das Verborgene nach außen mit dem Ausruf kund gemacht: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen.“ Darin ist die äußerste Bitterkeit aller geistigen Leiden, derer ein Mensch überhaupt fähig ist, zusammengefaßt. Obwohl unser Herr am Kreuz nun dieser ungeheuerlichen Belastungsprobe ausgesetzt war und unsägliche Qualen sowohl an Seinem hl. Leib und noch mehr in Seiner makellosen Seele litt, so besaß Er trotz alledem gleichzeitig eine unermeßliche Freude in Seinem Innern. Denn alle Schmerzen und selbst das quälende Gefühl der Gottverlassenheit konnten Ihn unmöglich von der Gottheit trennen. Er ist ja die zweite Person Gottes. Obwohl also Seine ganze menschliche Natur unsägliche Qualen litt, blieb sie mit der Gottheit vereint. Sie blieb in der rechten Ordnung und deshalb in der Freude des Gottesbesitzes.

Das Gesagte trifft in ähnlicher Weise auch auf die allerseligste Jungfrau Maria zu. Die Gottesmutter hatte freilich während ihres irdischen Lebens nicht die beseligende Anschauung Gottes wie ihr göttlicher Sohn. Aber ihr Leben in der Gnadenfülle war von einer solchen Intensität, daß die innere Freude über den Besitz Gottes in ihrer unbefleckten Seele nicht durch die schrecklichen Leiden, die sie insbesondere unter dem Kreuz erdulden mußte, zerstört werden konnte.

Ferner berichten die Märtyrerakten quer durch die ganze Kirchengeschichte, daß die hl. Märtyrer ihrem Tod freudig und friedvoll entgegen gegangen sind. In heiliger Ergebung in Gottes Willen. Voll Milde gegen ihre Henker. Sie haben ihren nicht selten haßerfüllten Peinigern vergeben und beteten für deren Bekehrung. Dieser innere Friede und die übernatürliche Freude der Märtyrer in ihren Todesqualen sind es gewesen, die der Kirche so viele Konversionen beschert haben. – Die heidnischen Römer waren verroht. Sie waren an Blut, Gewalt und Grausamkeit gewöhnt. Ja, sie liebten das sogar. Genau das wollten sie sehen: Blut, Gewalt und Grausamkeit. Deshalb strömten sie zu Tausenden in die Arenen. Sie wollten sehen, wie die Christen von den Löwen zerrissen werden. Das war für sie nichts anderes als eine gute Unterhaltung. – Was die heidnischen Römer in die Knie gezwungen hatte, das waren die Freude und der Herzensfrieden eben dieser Christen, während sie von den Bestien zerrissen wurden! Die Römer fragten sich: „Was haben diese Menschen, was ich nicht habe? Warum haben sie keine Angst? Wie können sie dem Tod so friedvoll, ja sogar mit Freuden entgegengehen?“ Das ist es gewesen, was das heidnische Rom bekehrt hat. Zuvor waren sie hartherzige Heiden, verhärtet in ihrer Sünde, ihn ihrer Grausamkeit und in ihrem Durst nach Blut. Diese verhärteten Seelen wurden in die Knie gezwungen durch die innere Freude der Märtyrer; von wehrlosen Frauen, von schwachen Kindern. 

Oder denken wir an die 16 Karmelitinnen von Compiègne während der Französischen Revolution. Sie waren kontemplative Ordensschwestern; Nonnen, die in strenger Klausur lebten und die das Kloster nach ihrer Profeß nie mehr verlassen durften. Diese Schwestern wurden von dem gottlosen, französischen Revolutionsregime, dem sog.„Wohlfahrtsausschuß“, als Staatsfeinde angeklagt, weil sie ihr Ordensleben nicht aufgeben wollten. Kontemplative Karmelitinnen gefährdeten also den Staat! Das zeigt, wie krank und bösartig diese Menschen damals waren. – Die Nonnen wurden zum Tode verurteilt. Als sie am 17. Juli 1794 zur Guillotine geführt wurden, sangen sie das „Veni creator Spiritus“ – das „Komm Schöpfer Geist“. Und ein Augenzeuge berichtete, daß sie dem Tod entgegengingen wie Bräute an ihrem Hochzeitstag. Mit derselben Freude und demselben Frieden einer Braut an ihrem Hochzeitstag! – Das ist etwas, was die Guillotine nicht berühren kann! Im übrigen auch keine staatlich verordnete Spritze! All das kann nur in den Leib, aber nicht in die Seele eindringen. 

Ursachen der Traurigkeit

Die menschliche Seele sehnt sich zutiefst nach eben dieser inneren Freude und nach dem daraus resultierenden Herzensfrieden. – Hingegen werden die Menschen der sinnlichen Freuden schnell müde und überdrüssig. Jeder Mensch weiß in seinem tiefsten Innern, daß er ein geistiges Wesen ist; daß das, was ihn zum Menschen macht, wesentlich die Geistseele ist, nicht das Fleisch, nicht der Körper.

Der ein oder andere von uns mag vielleicht sagen: „Ich führe ein christliches Leben. Ich befinde mich im Stand der heiligmachenden Gnade. Aber trotzdem bin ich traurig und innerlich unruhig. Wie kann das sein?“ – Der Grund liegt daran, daß unser geistliches Leben unvollkommen ist. Weil die von der Gnade verursachte innere Freude durch die gleichzeitig vorhandene Anhänglichkeit an irgendwelche irdischen Güter getrübt wird. Wo die Welt vorherrschend ist, da wird man notwendigerweise die Traurigkeit finden. Und in dem Maß als die Anhänglichkeit an die irdischen Dinge vorhanden ist, überschattet die ihnen anhaftende Traurigkeit die wahre innere Freude und den Herzensfrieden. 

Alles, was die Welt zu bieten hat, wird vergehen. Das wissen wir. Zur wahren Freude aber gehört wesentlich der volle, immerwährende und unverlierbare Besitz der geliebten Sache. Der hl. Augustinus sagt: „Ein vergängliches Glück nenne ich kein Glück.“ Die Traurigkeit in uns rührt also daher, weil wir unser Glück, unsere Freude, unsere Zufriedenheit in den Dingen suchen, die uns nur eine Zeitlang oder gar nur einige kurze Augenblicke erfreuen und zufriedenstellen können. Und schon das Wissen um die Vergänglichkeit des Augenblicks und die Gewißheit des Scheidens der geliebten Person oder Sache macht uns irgendwie traurig. Selbst schon im Augenblick des glücklichen Besitzes! „Ein vergängliches Glück nenne ich kein Glück.“ Letztlich ist nur Gott ewig und unvergänglich, weshalb der Mensch nur in Ihm sein Glück finden kann.

Selbst die größte natürliche Freude, die einem Menschen in diesem Leben zuteil werden kann, nämlich das Glück, einen Ehepartner zu finden, geht deshalb mit Traurigkeit einher. Denn jeder Mensch ist so schwach, so unbeständig, so hinfällig, daß er oft versagt und nicht so ist, wie er sein sollte. Daher bleibt selbst dem größten irdischen Glück, das in der Ehe erfahren werden kann, eine gewisse Enttäuschung nicht erspart. Deshalb gehen viele Ehen, die nicht auf Gott gegründet sind, wieder auseinander. Sie haben keine Basis, kein geistiges Fundament, das ihrer vergänglichen menschlichen Liebe eine lebenslange Beständigkeit verleihen könnte. – Das ist die Welt. Alles, was sie uns bietet, trägt das von Gott verhängte Todesurteil an sich. Alles, was unseren Augen gut und schön erscheint, trägt ein Verfallsdatum: Sei es die Freude beim Kauf eines neuen Autos; oder die Faszination durch irgendein neues elektronisches Spielzeug; oder die Begeisterung für ein neues Haus, für Schmuck. Sei es die Befriedigung durch fleischliche Genüsse; oder die Genugtuung über ein gutes Einkommen, eine scheinbar sichere Altersvorsorge, einen komfortablen Urlaub. – Die Seele zieht aus all diesen weltlichen Dingen so wenig Freude, daß sie sich beinahe permanent in einem Zustand pausenlosen Ausschauhaltens und rastlosen Strebens nach neuen, anderen Glücksgütern befindet, von denen sie sich die Befriedigung ihres Hungers nach Glück verspricht. – Man kann immer noch mehr Geld verdienen. Es gibt immer ein noch besseres Auto, noch schönere Kleidung, noch wertvolleren Schmuck und noch ausgefallenere Speisen zu genießen. – Diese Freuden sind wie eine Wunderkerze. Funkensprühend bezaubern sie uns, doch sie sind schnell heruntergebrannt und hinterlassen einen üblen Geruch.

Wenn wir also Traurigkeit verspüren, dann vielleicht, weil wir neidisch sind? Weil wir sündhafte Freuden begehren? Weil wir geschaffene Güter übermäßig lieben? Weil wir zu sehr nach menschlicher Aufmerksamkeit und Anerkennung verlangen? Weil wir zu hohe Erwartungen an unseren Ehepartner, an unsere Kinder oder an unsere Freunde und Mitmenschen haben? Weil wir wahres oder vermeintliches Unrecht nicht vergeben wollen? Weil wir unsere menschlichen Vorlieben und Freundschaften mehr lieben als Gott? Weil wir uns selbst mehr lieben als Gott? Weil wir uns vollstopfen? Sei es körperlich, durch übermäßiges Essen und Trinken; sei es geistig, durch minderwertige Zerstreuungen in Form von Filmen, Videospielen oder sonstigen Unterhaltungen, die den Geist abstumpfen und schwerfällig machen und die eine große Ablenkung von dem darstellen, was im Leben wirklich wichtig ist. – Ja, wenn wir auf diesen Wegen unser Glück suchen, wird uns die Traurigkeit unweigerlich ein beständiger Begleiter sein, denn alle genannten Begierden können nur mit solchen Gütern befriedigt werden, die selbst schnell vergehen. 

Der Weg zur Weihnachtsfreude

Um die wahre innere Freude und den wahren inneren Frieden des Weihnachtsfestes zu entdecken, deshalb feiern wir heute den Sonntag „Gaudete“ und treten damit in die dritte Adventswoche ein, die uns nicht zuletzt durch die drei Quatembertage dazu verhelfen will, uns von der Anhänglichkeit an die geschaffenen Güter dieser Welt loszulösen. 

Am Weihnachtstag sollen wir das Jesuskind in einem armen Stall anbeten. Und beachten wir dabei: Christus hätte auch in Nazareth geboren werden können. Maria und Joseph hatten dort gewiß alle möglichen Vorbereitungen getroffen, um dem Heiland alle Liebe, Geborgenheit und materielle Sicherheit angedeihen lassen zu können, die im Rahmen ihrer Möglichkeiten standen. Um uns aber ein Beispiel der Loslösung und der Entsagung zu geben, wählte der göttliche Erlöser die weite und unbequeme Reise nach Bethlehem; auf einem Esel; mitten im unbehaglichen Winter; von den Menschen unbekannt, verkannt und abgewiesen. Als Reiseziel und Geburtsstätte hatte Er einen kalten, finsteren und stinkenden Stall ausgemacht. – Die allerseligste Jungfrau Maria hätte sagen können: „Ich bin hochschwanger. Ich kann unmöglich auf einem schwankenden Esel diese weite Reise auf mich nehmen. Das ist viel zu gefährlich.“ – Die Heilige Familie hatte all die Unannehmlichkeiten der Reise, die demütigenden Umstände bei der Herbergssuche in Bethlehem, die ärmlichen Verhältnisse des Stalles auf sich genommen. Dort wollte der Sohn Gottes geboren werden! – Und wir sollen dieses Kind anbeten! Dieses von allen irdischen Gütern losgelöste Kind! Deshalb muß es uns eine Freude sein, uns von den weltlichen Dingen loszulösen und stattdessen in größerem Maße Gott anzuhängen.

Sollte jemand unter uns im Stande der Todsünde sein – was Gott verhüten möge –, dann ist jetzt die Zeit, mit der Sünde zu brechen, sie zu bereuen und zu beichten. Gerade die Hoffnung auf Vergebung der Sünden ist ein Grund zu wahrer Freude!

Wenn wir uns im Gnadenstand befinden sollten, dann mögen wir in dieser Woche besonders darum beten, uns noch vollständiger von den vergänglichen Dingen loslösen zu können, damit wir dem göttlichen Kind in der Krippe so ähnlich wie möglich werden und so unsere Liebe glühend und unsere Freude vollkommen sei, wenn der Herr kommt. Amen.

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