24. (letzter) Sonntag nach Pfingsten
Die Gerichtsrede Jesu
Geliebte Gottes!
Die Kirche setzt heute den Schlußstein auf das gewaltige Gebäude eines Kirchenjahres; eines Jahres des Heiles. Dabei gibt sie uns an diesem letzen Sonntag des liturgischen Jahres einen Ausblick auf den definitiv letzten Tag. Sie zeigt uns das Ende der Welt, den jüngsten aller Tage.
Der Hintergrund
Das heutige Evangelium ist aus der großen Weltgerichtsrede Christi genommen. Es war in den letzten Tagen im irdischen Leben des Herrn, vielleicht am Mittwoch der Karwoche. Jesus verweilte den ganzen Tag im Tempel. Die Pharisäer bedrängten Ihn, stellten Ihm boshafte, verfängliche Fragen, um eine Handhabe für die Umsetzung ihres Mordplanes zu finden. Er aber zerriß das Gespinst ihrer Intrigen mit der Weisheit Seiner Antworten. – Nachdem weder die Belehrungen noch die Drohreden des Heilandes die Führer des auserwählten Volkes zur Bekehrung zu bewegen vermochten, waren die Gnadenerweise Gottes erschöpft. Christus verließ den Tempel, um ihn nie mehr wieder zu betreten. Wie Er nun so aus dem Tempel schritt, meinten Seine Jünger zu Ihm: „Meister, schau, wie herrlich sind doch diese Säulen. Was für ein Bauwerk, mit so schönen Steinen und Weihegeschenken geschmückt“ (vgl. Mt. 24, 1). Doch Jesus antwortete: „Seht ihr dies alles? Wahrlich, ich sage euch, es wird hier kein Stein auf dem anderen gelassen, der nicht abgebrochen wird“ (Mt. 24, 2). Dieses Wort traf das religiöse Empfinden der Apostel mitten ins Herz. Wie alle frommen Juden hingen sie mit großer Liebe am Tempel, am Zelt des Allerhöchsten, am Haus Gottes inmitten ihres Volkes, am Zentrum der alttestamentlichen Religion.
Die Worte Jesu sind auch eine Lehre für uns. „Kein Stein wird auf dem anderen gelassen, der nicht abgebrochen wird.“Das gilt nicht nur für den jüdischen Tempel in Jerusalem. Das gilt für die Welt, für unser Leben, für unseren Leib, für alles, was uns in diesem Leben lieb und teuer ist. Alles wird vergehen. – Eine schmerzliche Botschaft, die uns, wenn wir sie wirklich an uns heranlassen, genauso treffen müßte, wie die Apostel damals. Denn auch unser Herz hängt in vielerlei Weise zu sehr an dieser Welt; an den geschaffenen Dingen. Da ist es bitter zu hören, daß nichts von alledem bleiben wird.
Der Blick des Propheten
Nachdenklich und still folgten die Jünger dem Herrn wie schon in den Tagen zuvor hinüber auf den Ölberg zum Gebet und zur Nachtruhe. Die Sonne war im Untergang begriffen. Die letzten Strahlen beleuchteten die treulose Stadt Jerusalem. Das Abendrot spiegelte sich glänzend im vergoldeten Dach des Tempels. Jesus saß sinnend am Ölberg und blickte auf die vor ihm friedlich daliegende Stadt. Da traten einige Jünger zu Ihm heran. Das Wort des Herrn beim Verlassen des Tempels ließ ihnen keinen Frieden. Sie wollten wissen, wann das geschehen werde. Welches werden die Zeichen dafür sein.
Jesus rief alle Apostel zusammen und hielt ihnen eine lange Rede, die schwer zu deuten ist. Schwer zu deuten ist sie, weil der Herr darin von mehreren zukünftigen Ereignissen in einem einzigen Bild spricht. Christus prophezeit das grauenhafte Szenario vom Untergang Jerusalems, wie er sich ca. 40 Jahre später, im Jahre 70 n. Chr., genauso zutragen wird. Diese Prophetie vom Untergang der Gottesstadt Jerusalem ist aber nun wiederum eine Prophetie, d.h. ein prophetisches Bild, ein Typus, für die Ereignisse am Ende der Welt. Der Herr redet also von zwei zukünftigen Ereignissen, als wären sie eines. Es ist, als würde Er zwei Folienbilder – das eine zeigt den Untergang Jerusalems, das andere den Weltuntergang – übereinanderlegen und das Gesamtbild beschreiben. Die Schwierigkeit besteht darin, das Gesamtbild zu deuten. Einige Worte der Rede Christi beziehen sich nur auf den Untergang Jerusalems, einige nur auf das Ende der Welt. Einige Ereignisse beim Untergang von Jerusalem werden später in ähnlicher Weise eintreten, und dem allerletzten Tage vorangehen; beschreiben also in einem analogen Sinn die Ereignisse des Weltendes. Wie jedoch die konkrete Erfüllung aussieht, bleibt meist nur zu erahnen. Die Worte der Gerichtsrede bleiben für uns geheimnisvoll und dunkel. Sie sind für diejenigen aufgespart, welche die letzten Ereignisse wirklich erleben werden.
Der Greuel der Verwüstung
Die heutige Evangelienperikope beinhaltet nur einen kleinen Auszug der gesamten Rede Jesu. Zunächst hören wir von den Vorzeichen, die dem Untergang Jerusalems vorausgehen werden. Ein wichtiges Vorzeichen ist der „Greuel der Verwüstung an heiliger Stätte“. Diese Redeweise beschreibt im Sprachgebrauch des Alten Testaments, auf welches der Herr mit Seinem Hinweis auf den Propheten Daniel verweist, die Schändung des Tempels durch heidnische Opfer und Blutvergießen sowie die Einstellung des Opferkultes. Daniel spricht dreimal vom „Greuel der Verwüstung“ (vgl. Dan. 9, 27; 11, 31; 12, 11), worunter vielfach die Aufstellung eines Götzenbildes des Jupiter im Tempel verstanden wird, wie es unter dem Syrerkönig Antiochus IV. Epiphanes schon im Jahr 168 v. Chr. geschah. Dieser brachte den jüdischen Opfergottesdienst zum Erliegen, indem er auf dem jüdischen Brandopferaltar seinen olympischen Göttern unreine Opfer darbringen ließ. Dies wiederholte sich, als Pontius Pilatus das vergötterte Kaiserbild des Tiberius im Tempel anbringen ließ. – Wenn also der Tempelkult zum Erliegen gebracht und die heilige Stätte geschändet und entweiht wurde, dann sollte dies den Christen von Jerusalem ein Zeichen sein, daß es höchste Zeit sei zu fliehen. Der Evangelist macht sowohl seine ersten Leser als auch spätere Generationen nachdrücklich auf dieses Vorzeichen aufmerksam, indem er beifügt: „Wer es liest, bedenke es wohl.“ – Der Greuel der Verwüstung, die Profanierung des Heiligen, die Schandtat im Heiligtum Gottes soll uns auch heute noch als Zeichen für das herannahende Ende gelten. Und insbesondere seit der Regierung Bergoglios ist es offensichtlich, daß die neue Religion, die auf dem sog. 2. Vatikanum, sozusagen im Heiligtum Gottes, im Herzen der katholischen Kirche, gegründet worden ist, nichts anderes als ein solches Werk der Verwüstung an heiliger Stätte ist. Das hl. Meßopfer, die Erfüllung des Opfers Abels, in welchem das reinste Lamm Gottes zur Versöhnung der Menschen mit Gott dargebracht wird, wurde ersetzt durch das Opfer Kains, welches lediglich „die Frucht der Erde und der menschlichen Arbeit“, d.h. „gedanksagtes Brot“ auf dem Altar präsentiert, um die freimaurerische Verbrüderung der Menschheit im gemeinsamen Mahl zu zelebrieren. Zu nennen sind ferner die gotteslästerlichen Exzesse an heiliger Stätte: Die Einführung des Pachamama-Götzen in den Petersdom durch „Papst“ Bergoglio, oder die Inthronisierung eines Buddhas auf dem Tabernakel in Assisi, zur Zeit „Papst“ Wojtylas. Ist nicht das Heiligtum Gottes, der Kult der katholischen Kirche inzwischen dort, wo er eigentlich hingehört, nämlich in den Domen, Kathedralen und Pfarrkirchen verwüstet? Sind nicht die Hochaltäre niedergerissen und durch Mahltische ersetzt worden? Ist nicht der Opferkult dort und überhaupt in weiten Teilen längst zum Erliegen gekommen? Nicht zu übersehen ist ferner die Verwüstung im Heiligtum der Glaubenslehre. Banales bis unorthodoxes Gerede, Häresien, Lästerungen, d.h. verbale Schändungen sind in den katholischen Heiligtümern an der Tagesordnung. Freilich wird dieses Vorzeichen erst zur Zeit des Antichrist zu seiner Fülle auskondensiert sein, wie der hl. Paulus prophezeit hat: „Der Widersacher, der sich gegen alles erhebt, was Gott und Heiligtum heißt, wird sich selbst ins Gotteshaus setzen und sich für Gott ausgeben“ (2. Thess. 2, 4). – Der Herr forderte die Christen dazu auf, wenn sie den Greuel der Verwüstung gewahren, die Heimat zu verlassen und in die schützenden Berge Judäas zu fliehen. – Nichts anderes haben wir angesichts der Verwüstung der katholischen Heiligtümer getan. Um unser übernatürliches Leben, das Leben der Gnade, das Leben des Glaubens und das Leben aus dem Glauben zu retten, haben die Älteren unter uns ihre geistige Heimat, nämlich ihre Pfarrgemeinden verlassen und sind „in die Berge“ geflohen. Die Jüngeren sind bereits im Schutz der Berge geboren. Was sind „die Berge“? – Das Bergland um Jerusalem, das sog. judäische Bergland, ist schwer zugänglich. Es bietet mit seinen Schluchten und Felsenhöhlen Schlupfwinkel, die dem jüdischen Volk seit jeher als Zufluchtsstätten in Kriegswirren dienten. – „Die Berge“, das sind auch unsere heutigen Zufluchtsstätten. Privatkapellen und angemietete Räume dienen uns als Schlupfwinkel. Sie sind Orte, an denen immer noch das heilige Meßopfer dargebracht werden kann. Dort stehen die wahren Opferaltäre, die uns an den Berg Golgatha erinnern. Dorthin sollen wir uns flüchten. Dort sollen wir überdauern.
Die Kriegsdrangsale
Der Heiland weist ferner darauf hin, daß das Kriegsleid in den Tagen der Drangsal so groß wie nie zuvor sein wird. Nur um der treuen Christen willen sollen diese Tage abgekürzt werden. – Ja, beim Untergang Jerusalems haben sich ganz grauenhafte Szenen abgespielt. Die Römer hungerten die Stadt durch einen Belagerungsring derart aus, daß Mütter ihre eigenen Kinder schlachteten, um sie zu verzehren. Die Verzweiflung unter den Bewohnern Jerusalems griff derart um sich, daß einzelne Machtgruppen, die sich im Tempel verschanzt hatten, anfingen, sich gegenseitig blutig zu bekriegen und einander zu zerfleischen. – Auch hier müssen wir auf erschreckende Parallelen zur heutigen Zeit hinweisen: Auch wir werden belagert. Nicht von den Römern, aber von den Geheimgesellschaften, die in ihrem undurchsichtigen und undurchdringbaren Gespinst ihrer Machenschaften in der Politik, in der Finanzwelt, in der Wirtschaft, im Erziehungswesen und neuerdings auch im beruflichen und öffentlichen Leben die Menschen immer mehr ihrer Freiheit berauben und in den Schwitzkasten nehmen. – Dann das Kriegsleid. Kein Jahrhundert war von so zahlreichen Kriegen gekennzeichnet wie das zurückliegende. Auch wird das Klima zwischen den Völkern auf der ganzen Welt immer frostiger und aggressiver. Die laufende Völkerwanderung und die Destabilisierung der Infrastruktur, aber auch die bewußte Diskriminierung ganzer Bevölkerungsteile wird die Spannungen innerhalb der Bevölkerung verschärfen. Es wird immer wahrscheinlicher, daß in nicht allzu ferner Zukunft die Völker tatsächlich wieder beginnen, sich ähnlich wie die Machtgruppen im damaligen Jerusalem gegenseitig zu zerfleischen und übereinander herzufallen. – Schließlich die Abtreibung: Es ist zwar nicht das quälende Hungergefühl im Magen, das auch heute zahllose Frauen dazu treibt, ihre Kinder noch im Mutterschoß zu töten. Aber es ist der ihnen eingeimpfte Hunger nach Selbstverwirklichung sowie die Gier nach Anerkennung und Karriere. In nicht wenigen Fällen ist es aber auch eine (vermeintliche) Ressourcenknappheit. „Für zwei – d.h. für mich und mein Kind – wird das Geld nicht reichen. Ich alleine schaffe das nicht.“ Das sind die Gedanken alleingelassener Mütter, die aus purer Verzweiflung ihre Schritte zur Abtreibungsklinik lenken.
Die Falschen Propheten
Der Herr sagte des weiteren voraus, daß in dieser Zeit vor der Katastrophe viele falsche Propheten und Seher auftreten werden. – Er sagt also eine Zeit ohne lehramtliche Führung voraus. Wegen der daraus resultierenden Orientierungslosigkeit schweben die letzten Frommen in der Gefahr, jeder Erscheinung und jeder Botschaft leichtgläubig hinterherzulaufen. – Finden wir dieses Vorzeichen der religiösen Orientierungslosigkeit nicht auch in der Zeit seit dem sog. 2. Vatikanum zunehmend verwirklicht? Viele fromme Menschen haben in der „nachkonziliaren“ Ära instinktiv erkannt, daß sie in der Novus-Ordo-Hierarchie keine rechtgläubigen Hirten haben. Auf der Suche nach Orientierung wandten sich viele allen möglichen und unmöglichen Erscheinungsorten und angeblichen Sehern zu, um gleichsam direkt vom Himmel Leitung zu finden. Seither sind bei zahlreichen frommen Menschen die Weisungen von selbsterklärten Sehern oder gar von dubiosen Privatoffenbarungen an die Stelle des kirchlichen Lehramtes und eines soliden Katechismuswissens getreten. – Christus sagt von den falschen Propheten, daß sie durch teuflische Kräfte sogar Scheinwunder werden wirken können, sodaß sogar die glaubensfesten Christen in Verwirrung und Irrtum geraten könnten. Deshalb die eindringliche Warnung Christi keinem Propheten und Seher leichtfertig Glauben zu schenken. „Geht nicht hinaus! … Glaubt es nicht!“ (Mt. 24, 26). Eine wichtige Aufforderung zu einem gesunden Mißtrauen gegenüber so mancher Privatoffenbarung und so manchem Seher ist also im heutigen Überlebenskampf des wahren Glaubens dringend angeraten. – Man kann nicht fromm und heilig genug sein, um in diesem Bereich vor Täuschungen gefeit zu sein. Statt dessen müssen wir uns anhand der Unterweisung der früheren, wahren Päpste über unseren Glauben kundig machen. Diese Unterweisung findet sich für jeden leichtverständlich in jedem guten „vorkonziliaren“ Katechismus niedergelegt. Die Gebildeten mögen ruhig zu vertiefenden Werken greifen oder die Weisungen und Mahnungen der Päpste in ihren zahlreichen Enzykliken studieren und verstehen lernen.
Der Weltuntergang
Schließlich sagt Jesus: „Noch in dieser Generation“ wird die Katastrophe über Jerusalem hereinbrechen. Und tatsächlich: knapp 40 Jahre später ereilte Jerusalem das verheißene Schicksal. Der römische Feldherr Titus eroberte die sturmreife, ausgehungerte und verendende Stadt. Der Tempel brannte nieder, wurde bis auf die Fundamente geschleift und wird nicht mehr wieder aufgebaut werden können, bis endlich auch das auserwählte Volk des Alten Bundes seinen Nacken beugt und unseren Herrn Jesus Christus als seinen Messias anerkennt. – Unter der Bevölkerung richteten die Römer ein Blutbad sondergleichen an. Männer, Frauen, Kinder und Greise wurden im Blutrausch erbarmungslos niedergemetzelt. Die letzten Überlebenden wurden bezeichnenderweise gekreuzigt. Die Bewohner Jerusalems ernteten also das, was sie am Karfreitag gefordert hatten: „Sein Blut komme über uns und unsere Kinder“ (Mt. 27, 25). Und es kam „noch in dieser Generation“über sie. Die übrigen Bewohner des Judenlandes wurden in alle Windrichtungen zerstreut. Christus weist uns darauf hin, daß das Schicksal des alttestamentlichen Volkes ein Vorspiel für das Endgericht sein wird.
Ganz plötzlich und unverhofft werden die Ereignisse hereinbrechen. Wie der Blitz eine im Dunkel liegende Landschaft in einem Augenblick erhellt, so plötzlich wird der Menschensohn für alle unzweifelhaft und sichtbar wiederkommen (vgl. Mt. 24, 27). – Die goldenen Adler der Legionen des Titus marschierten ganz unverhofft vor Jerusalems Stadtmauer auf und kreisten die verendende Stadt mit einem Belagerungsring ein. „Wo ein Aas ist, da sammeln sich auch die Adler“ (Mt. 24, 28). So ist es buchstäblich in Erfüllung gegangen. Genauso wird es auch am Ende der Zeiten allen offensichtlich sein, daß Er es ist, der da kommt – der gerechte Richter, Jesus Christus.
Am Ende der Welt wird die Schöpfung, wie damals Jerusalem, geschleift. „Die Sonne wird verfinstert werden, der Mond keinen Schein mehr geben, die Sterne werden vom Himmel fallen und die Kräfte des Himmels werden erschüttert werden“ (Mt. 24, 29). Der Menschensohn wird wie der römische Feldherr als gestrenger Richter kommen; auf den Wolken des Himmels thronend mit großer Macht und Herrlichkeit. „Aus Seinem Mund geht ein scharfes, zweischneidiges Schwert hervor, um damit die Völker zu schlagen. Und Er wird sie leiten mit eisernem Stab; und Er tritt die Kelter des Zornweins, des Grimmes Gottes des Allmächtigen“ (Offb. 19, 15).
„Alsbald wird das Zeichen des Menschensohnes am Himmel erscheinen“ (Mt. 24, 30). Die königliche Standarte Christi, das Zeichen des heiligen Kreuzes, wird am Himmel sichtbar werden. Denn das Kreuz ist der eiserne Maßstab Seines Gerichts. An jedes Menschenleben wird er angelegt werden, um es daran zu messen und danach zu richten. Die einen werden also bei seinem Aufscheinen am Himmel getröstet sein, die anderen werden wehklagen.
Schließlich wird Christus die Legionen Seiner Engel mit tönenden Posaunen aussenden, nicht um wie einst Titus das auserwählte Volk in die Zerstreuung auseinanderzutreiben, sondern um alle Menschen aus den Gräbern zusammenzurufen zum letzten Gericht Seiner göttlichen Gerechtigkeit. Vor den Augen aller je dagewesen Völker und Nationen wird jeder einzelne von uns Rechenschaft für sein Tun und Lassen geben müssen.
Die Vorwegnahme der Wiederkunft Christi
Soweit unser Evangelium, welches einen Ausblick auf den Untergang der Welt im Bilde der Zerstörung Jerusalems gewährt. Was aber will uns die Kirche damit sagen? – Die tatsächliche Zerstörung Jerusalems ist für uns eine Bürgschaft, daß die Worte Christi vom Weltende genauso wahr sind und Wort für Wort eintreten werden, wie Seine Worte über den Untergang der Stadt längst in Erfüllung gegangen sind. Wir sollen von den Worten Christi in heilsamer Furcht ergriffen werden. Keiner von uns darf sagen: „Ich erlebe das sicher nicht mehr. Es sind ja noch lange nicht alle Vorzeichen für den bevorstehenden Weltuntergang eingetreten. Der Prophet Elias ist noch nicht erschienen; das Judentum hat sich noch nicht bekehrt; und auch der Antichrist hat seine 3½-jährige Schreckensherrschaft noch nicht angetreten. Die Wiederkunft des Herrn ist also noch fern und hat für mein Leben keine unmittelbare Bedeutung.“ – Nein, so dürfen wir nicht sprechen. Bedenken wir stattdessen, daß der Weltuntergang in das Leben eines jeden Menschen hineinreicht – durch den Tod! Der Tod ist ein kleiner, privater Weltuntergang. Der Tod kommt für viele Menschen unangemeldet und unerwartet. Er darf uns nicht unvorbereitet antreffen. Denn er ist die Tür zu unserer ersten Begegnung mit unserem Richter Jesus Christus – Aug in Aug. Der Tod nimmt also für jeden Einzelnen vorweg, was die gesamte Schöpfung am Ende erwartet.
Die heilige Messe will uns eine Gelegenheit sein, um diese entscheidende Begegnung mit Christus vorzubereiten. – Ist das Erscheinen Christi bei der heiligen Wandlung nicht ebenfalls schon eine kleine Vorwegnahme Seiner Ankunft in der Todesstunde und Seiner endgültigen Wiederkunft am Ende aller Tage? Gewiß! In der hl. Wandlung kommt der Herr noch nicht mit großer Macht und Herrlichkeit. Er kommt verhüllt. Er kommt in der unscheinbaren Gestalt des Brotes und des Weines. Aber trotzdem! Er ist es! Derselbe Herr! Derselbe Richter, der einst im verklärten Glanz Seiner Herrlichkeit kommen wird. Die heilige Messe ist also eine Vorverwirklichung der Wiederkunft Christi. – Hier kommt Er noch nicht um zu richten, sondern um zu heilen. Er kommt, um uns würdig zu machen, „Anteil am Erbe der Heiligen im Lichte zu erhalten“ (vgl. Kol. 1). Er will in der heiligen Kommunion zu uns kommen, um Wegzehrung zu sein und uns heimzuführen aus der Gefangenschaft dieses Erdentales. Und doch ist die heilige Kommunion auch schon in gewisser Weise ein Gericht, welches die Gewissen scheidet. Nicht jeder darf es wagen, zu ihr hinzuzutreten. „Wer unwürdig ißt und trinkt, der ißt und trinkt sich das Gericht.“ (1. Kor. 11, 29). Der Herr kommt. Sein unbestechlicher Blick dringt auch jetzt schon bis in die verborgensten Winkel des Menschenherzens. Was sieht Er in meiner Seele? Einen geschmückten Tempel des Heiligen Geistes? Oder den Greuel der Verwüstung an heiliger Stätte? Wie wird Er über mich urteilen, während der Priester mit der hl. Hostie das Kreuzzeichen über mich schlägt? Wird Er mich segnen? Oder wird Er sich mit Grauen von mir abwenden?
Die neue Gnadenzeit
Ein Kirchenjahr geht zu Ende. Ein Jahr der Gnade. Ein Jahr des Heiles. Blicken wir zurück und halten wir im Angesicht Christi Gericht über uns selbst. Wie habe ich dieses Gnadenjahr gebraucht? Wie habe ich mich gegenüber dem Kreuz Christi positioniert? Kann ich berechtigterweise zu den „Freunden des hl. Kreuzes“ gezählt werden? Oder würde der hl. Paulus auch über meinen Wandel im zurückliegenden Jahr weinen müssen, weil ich gelebt habe, wie einer der „Feinde des Kreuzes Christi.“ Von diesen sagt der Apostel: „Ihr Gott ist der Bauch, ihr Ruhm liegt in ihrer Schande, auf Irdisches richtet sich ihr Sinnen und Trachten“ (Phil. 3, 18b f.). Versuchen wir, diese Woche eine Gewissenserforschung über das letzte Jahr zu halten, unsere Sünden und unsere Versäumnisse von ganzem Herzen zu bereuen. Bitten wir Christus um Verzeihung für die vertane Zeit, für die aufgeschobenen Beichten, für die lauen hll. Kommunionen, für die ungenutzten Gnaden und den geringen Fortschritt in der Tugend. – Bitten wir den Herrn schließlich um die Gnade eines neuen Kirchenjahrs, einer erneuten Zeit der Gnade. Bitten wir Ihn um eine gesegnete Adventszeit, damit wir Ihm die Aufrichtigkeit unserer Gesinnung durch den nötigen Ernst und freiwillige Buße beweisen können. Empfehlen wir uns heute auch besonders der allerseligsten Jungfrau Maria. Die Kirche gedenkt am heutigen Fest „Mariä Opferung“ ihres Tempelganges als junges Mädchen. Das soll uns ein willkommener Anlaß sein, Maria darum zu bitten, sie möge auch in das Heiligtum unserer Seele einziehen und dort Wohnung nehmen. Durch ihren Schutz und Schirm wird unser Leib stets ein Tempel des Heiligen Geistes sein, in dem das Kreuz Christi aufgerichtet steht; und niemals würde sie es zulassen, daß dort der Greuel der Verwüstung Einzug hielte.
Das Kreuz ist der Hirtenstab, mit dem der Menschensohn einst die Schafe von den Böcken scheiden wird. Wie sich der Mensch im Leben zum Kreuz stellt, so wird er sich einst vor dem göttlichen Richter einfinden – zur Rechten oder zu Linken. Entweder werden wir die schrecklichen Worte zu hören bekommen: „Weichet von mir ihr Verfluchten, in das ewige Feuer, das dem Teufel und seinem Anhang bereitet ist!“ (Mt. 25, 41). Oder aber: „Kommt ihr gesegneten meines Vaters, nehmt das Reich in Besitz, das euch bereitet ist seit Grundlegung der Welt“ (Mt. 25, 34). Jetzt ist die Zeit der Gnade. Noch liegt es in unserer Hand, welchen Wortlaut das Urteil über uns haben wird. „Wachet also und betet zu jeder Zeit, damit ihr imstande seid, all diesen kommenden Dingen zu entrinnen und zu bestehen vor dem Menschensohn“ (Lk. 21, 36). Amen.