Der Himmel

Geliebte Gottes!

Nach Seiner Auferstehung von den Toten blieb unser Herr Jesus Christus vierzig Tage hier auf Erden. Dies geschah allein zu dem Zweck, um uns Beweise zu liefern, daß Er tatsächlich von den Toten auferstanden war. Er hat die Apostel im Glauben gestärkt. Er hat sie in dieser Zeit besonders unterweisen und geschult, wie sie die Kirche nach der Aussendung des Heiligen Geistes, an Seiner Statt ausbreiten und leiten sollten.

Grund und Ursache der Himmelfahrt Christi

Diese Erde als Ort des Werdens und Vergehens, war jedoch ungeeignet für den dauerhaften Aufenthalt dessen, der siegreich dem Grab entstiegen und dabei in den Zustand der verklärten Herrlichkeit eingetreten war, in das ewige Heute der Unveränderlichkeit. Deshalb ist Christus, nachdem Er den Glauben der Jünger gereinigt und gestärkt, ihre Hoffnung gefestigt und ihre Liebe mit der Sehnsucht nach dem Übernatürlichen entfacht hatte, am vierzigsten Tag nach Seiner Auferstehung in den Himmel aufgefahren.

Fragt sich, auf welche Weise das geschehen ist. Er fuhr aus eigener Kraft in den Himmel auf! Die unmittelbare Wirkursache der Himmelfahrt war die der Seele Christi innewohnende und auf Seinen Leib überströmende Glorie. Die Glorie der Seele unseres Herrn bewirkte die Verklärung Seines Leibes, sowie die wundersame Beweglichkeit Seines Körpers. Mehrmals hörten wir in den österlichen Evangelienberichten, daß Christus körperlich durch Wände und Türen hindurch schreiten konnte, daß Er plötzlich erschien und wieder entschwand. Sein Leib hatte die Fähigkeit, sich überallhin zu bewegen, wohin er wollte. Die Ursache dafür war die Seiner Seele innewohnende Glorie. Der hl. Thomas von Aquin folgert deshalb, daß eben diese auch die Ursache für Seine Himmelfahrt war. Weil aber die Glorie durch die Teilnahme an der Gottheit herrührt, so ist der letzte Grund der Himmelfahrt unseres Herrn die göttliche Kraft Christi. Der hl. Thomas erklärt: „So ist Christus also aus eigener Kraft in den Himmel aufgefahren, nämlich erstens aus Seiner göttlichen Kraft, zweitens aus der Kraft der verklärten Seele, die den Leib bewegt, wie sie will“ (III, 57, 3).

Unzureichende Vorstellungen vom Himmel

Segnend fuhr Christus in den Himmel auf. Die Blicke der Apostel folgten Ihm, bis Er ihren Blicken entschwand. Ohne ein einziges Wort erinnerte unser Herr Seine Jünger, wo das wahre Glück des Menschen zu finden sei. Nicht auf dieser Welt. Nicht in diesem irdischen Leben. Sondern jenseits des Horizonts, im Himmel. Und so richtet das Fest Christi Himmelfahrt auch unsere Gedanken auf das, was uns nach diesem irdischen Leben erwartet.

Wir wissen aus dem Katechismus: Der Daseinszweck des Menschen besteht darin, in den Himmel zu kommen. Dazu ist der Mensch geschaffen. Dazu ist er von Gott berufen. Doch was man sich unter dem Himmel genau vorstellen soll, das bleibt sehr dunkel.

Natürlich wissen wir, daß kindliche Vorstellungen von pausbackigen Engelchen, die über den Wolken miteinander wie bei einer Kissenschlacht herumbalgen, genauso unzutreffend sind, wie die von St. Petrus als Pförtner an der Himmelstür. Wir wissen, daß man weder mit Raumschiffen den Himmel entdecken, noch mit Bergwerken die Hölle ausgraben kann. Wir wissen, was uns der hl. Paulus, der immerhin in den dritten Himmel entrückt worden war, darüber geschrieben hat: „Kein Auge hat es gesehen, kein Ohr hat es gehört und in keines Menschen Herz ist es gedrungen, was Gott denen bereitet hat, die Ihn lieben“ (1. Kor. 2, 9). Darüber hinaus ist uns von Gott, abgesehen von den zahlreichen Gleichnissen Christi vom Himmelreich, nichts Konkretes über den Himmel offenbart worden. Weil wir mangels genauer Kenntnisse eben keine konkrete Vorstellung vom Leben nach dem Tod haben, deshalb hängen wir so sehr an diesem irdischen Leben. Wir haben Angst vor dem Sterben, weil wir nicht genau wissen, was uns erwartet. 

Die meisten Menschen, auch Christen, haben sich außerdem eine falsche Vorstellung vom Leben nach dem Tod gebildet. Als würde es sich dabei um eine unendliche Fortsetzung des Lebens hier auf Erden handeln. Das aber ist eine heidnische Vorstellung. So dachten schon die Römer, Griechen und Ägypter. Deshalb findet man in heidnischen Gräbern Grabbeigaben. Gefäße mit Nahrungsmittel, Kleidung, Waffen, Schmuck, Fortbewegungsmittel und natürlich Geld. Alles, was man eben braucht, um in der jenseitigen Welt so weiterleben zu können wie hier auf Erden. Man stellte sich das Leben nach dem Tod lediglich als eine Fortsetzung des irdischen Lebens in einer Parallelwelt vor. Auch in der Konzilskirche wird diese Vorstellung vom Himmel gefördert. Bei Beerdigungen versuchen die Novus-Ordo-Priester die Leuten mit der Vorstellung zu trösten, daß der Verstorbene jetzt unsichtbar irgendwie ja doch noch unter seinen lieben Angehörigen verweilt. Daß der Verstorbene alles das, was er hier auf Erden gerne getan hat, jetzt im Himmel tut. Daß er dort etwa seinem geliebten Hobby nachgeht usw. Das sind heidnische Ideen, als wäre der Himmel eine unbeschwerte Fortsetzung dieses Lebens.

Annäherung

Stattdessen sollten wir bedenken, was Christus gesagt hat: „Im Haus meines Vaters sind viele Wohnungen. ... Ich gehe hin, euch eine Stätte zu bereiten“ (Joh. 14). Christus spricht von Wohnungen. Er spricht von einem anderen Ort. Wenn unser Herr von der Wohnung spricht, die Er ab dem Himmelfahrtstag bereiten will, dann steht Wohnung für die damaligen Zuhörer im Gegensatz zum Zelt der Nomaden und Halbnomaden, das sie alle noch in Sichtweite hatten. Wenn wir Menschen von heute, denen das Zelt zum Sport- und Freizeitartikel geworden ist, einen ähnlichen Kontrast spüren wollen, müssen wir Wohnung in Gegensatz stellen zum Flüchtlingslager. Unser Leben auf Erden, das uns so wichtig, so bewegt, so beglückend vorkommt, ist nur Barackendasein. Die Wohnung ist das ewige Leben an einem anderen Ort.

Außerdem ist es auch nicht so, wie unser zaghaftes Herz immer wieder fürchtet, als sei die Hauptsache hier in diesem Leben und drüben ein Schattendasein zu fristen. Es verhält sich genau umgekehrt! Die Hauptsache, das volle Leben, kommt erst. Es wäre also töricht, im Wohncontainer eines Auffanglagers letzten Komfort zu erwarten. Aber in der Wohnung, die uns der Gottessohn bereitet, möchte man sich gerne einrichten. – Denken wir einmal, ein ungeborenes Kind unter dem Mutterherzen hätte hellwaches Bewußtsein und würde sagen: „Was ist das schön, ich bin lebendig!“ Dann würden wir lächeln und denken: Natürlich bist du lebendig. Aber eigentlich bist du erst unterwegs zum Leben. Warte, bis du geboren bist und das Licht der Welt erblickst. Dann beginnt für dich erst das eigentliche Leben. Dieses Kind aber würde gewiß keinen Augenblick so fürchten wie den seiner Geburt; weil es weiß, was es mit der Geborgenheit des Mutterschoßes aufgibt, aber noch keine Vorstellung hat, was es gewinnt. So fürchtet der Mensch seine Geburt für die Ewigkeit; weil er weiß, was er aufgibt, aber noch keine Vorstellung geschweige denn eine Sehnsucht hat nach dem, was er gewinnt. Da hilft nur eines: Wir müssen dem glauben und vertrauen, der es wissen muß und der versichert: „Seid getrost. Dann wird euer Herz sich freuen, und eure Freude wird niemand mehr von euch nehmen“ (Joh. 16, 22). – Wir halten also fest: Gott hat für diejenigen, die Ihn lieben, einen Ort im Himmel vorbereitet. Wie Er uns dieses irdische Leben geschenkt hat, so beabsichtigt Er uns auch dorthin zu führen. Im Himmel werden wir ein Leben führen dürfen, das all unsere Erfahrungen und Erwartungen bei weitem übersteigt.

Das irdische Leben ohne Sünde

Gibt es aber nun wirklich gar keine Möglichkeit, uns eine genauere Vorstellung von dem Ort zu machen, an den Christus vorausgeeilt ist, um uns dort Wohnungen zu bereiten? – Durchaus. Wenn wir von unserem Leben hier auf Erden ausgehen, so müssen wir uns in einem ersten Schritt alles wegdenken, was mit der ewigen Glückseligkeit des Himmel unvereinbar ist. Konkret: Wir müssen uns die Sünde wegdenken und alle Folgen und Wirkungen, die aus der Sünde erwachsen.

Für die Welt des Himmel bedeutet das: Dort gibt es kein schlechtes Wetter. Keine kalten Winter. Keinen brütendheißen Sommer. Keine Stürme. Keine Erdbeben und Vulkanausbrüche. Keine Tsunami oder Überschwemmungen. Keine Erdrutsche und Schlammlawinen. Keine Naturkatastrophen. Jeder Tag ist einem wunderschönen Frühlingstag vergleichbar. Die Bäume und Sträucher stehen in beständiger Blüte und tragen doch schon Früchte. Der Himmel ist ein Ort ohne unbewohnbare Flächen – ohne Sandwüsten oder Eiswüsten. Ein Ort ohne lästiges Ungeziefer. Ohne wilde und gefährliche Tiere. Denn all diese Dinge waren in der Welt vor dem Sündenfall nicht zu finden. Sie kamen über die gesamte Menschheit als Strafe für die Sünden. Durch die Sünde hat sich der Mensch gegen den Schöpfer der Welt aufgelehnt. Deshalb trat ihm fortan die Schöpfung feindlich entgegen.

Denken wir an die körperlichen Lebensumstände des Menschen ohne Sünde und ohne die Wirkungen der Sünde: Immerwährende Jugend. Kein Altern. Keine Gebrechen. Kein Tod! Ein Leben in der beständigen Kraft und Schönheit eines Zwanzigjährigen. Keine Geburtsfehler, Behinderungen und Erbkrankheiten. Weder körperliche oder seelische Schmerzen. Keine Krankheiten. Keine Traurigkeit. Keine Depression. Ja, nicht einmal eine Träne. Keine Gefahren für Leib und Seele. Alles Notwendige, Gute und Schöne; Nahrung und sonstige Glücksgüter, sind für jeden vorhanden und steht jedem zur freien Verfügung. Es besteht keine Notwendigkeit zur Arbeit. Keine Mühe, keine Plage, kein Schweiß, keine Erschöpfung und Müdigkeit. Kein Erfolgsdruck. Keine Mißerfolge. So hatte es Gott ursprünglich für den Menschen geplant.

Denken wir schließlich an die sittliche und gesellschaftliche Verfassung des Menschen ohne Sünde: Keine Unwissenheit. Keine Neigung zum Bösen. Keine Habsucht oder Selbstsucht. Keine Ungerechtigkeit. Kein Ehebruch. Keine Unzucht. Keine sexuellen Exzesse und Abweichungen. Keine Obszönitäten. Kein Diebstahl. Keine Unehrlichkeit. Keine üble Nachrede. Weder Lüge noch Betrug. Weder Drogenrausch noch Sucht. Weder Eifersucht noch Neid. Kein Haß. Kein Zorn. Keine Fleischeslust. Keine Ungeduld. Keine Faulheit. Keine Streitereien. Keine Interessenkonflikte. Kein Konkurrenzkampf. Keine Kriege. Weder Mord noch Todschlag. Keine Gewalt, Brutalität oder Grausamkeit. Überhaupt keine Konflikte! – Keine korrupten Politiker und keine Parteien; keine Kommunisten oder Liberale. Keine diktatorischen Regierungen. Keine Sozialisten. Eine Welt ohne Angela Merkel als Bundeskanzlerin und ohne „Die Grünen“. Ohne Stolz und Eitelkeit. Ohne Abtreibung, ohne Selbstmorde.

Keine Häresien. Keine Modernisten. Keine Blasphemien. Keine Gottlosigkeit. Keine aufreizende Kleidung. Keine Atheisten. Keine Furcht vor irgend jemandem oder vor irgend etwas. – In einer Welt ohne Sünde und ohne die Wirkungen der Sünde wäre außerdem auch keine Aszese notwendig: Also keine Bußübungen und Abtötungen mehr. Keine Fastenzeit. Keine Quatember. Keine Selbstüberwindung. Nichts von alledem. 

Was wir soeben beschrieben haben, klingt wunderschön, ist aber nichts anderes als der ursprüngliche Zustand des Menschen im Paradies. Es ist lediglich das irdische Leben des Menschen ohne Sünde und deren schreckliche Wirkungen. So sehr hat Gott den Menschen geliebt, daß Er ihn genau so erschaffen hat. Wenn es dabei geblieben wäre und die Stammeltern nicht die erste Sünde begangen hätten; wenn wir alle in den Genuß dieses paradiesischen Zustandes gekommen wären, so würden wir uns niemals ein anderes Leben wünschen. Jeder wäre mehr als zufrieden. – Und doch! Das wäre noch nicht der Himmel! Es wäre nur eine Welt ohne Sünde, aber nicht der Himmel! Eine Welt ohne Sünde wäre nur ein schwacher Schatten des Himmels. Denn eine sündenlose Welt blieb trotz all ihrer Vorzüge immer nur ein schwacher Abglanz Gottes. Der Himmel aber besteht wesentlich in der unmittelbaren Anschauung Gottes. Der Himmel besteht darin, Gott zu schauen von Angesicht zu Angesicht, so wie Er in sich selbst ist!

Die Anschauung Gottes

Es besteht ein himmelweiter Unterschied, in den Geschöpfen nur die Auswirkungen der göttlichen Vollkommenheit zu bewundern und sich daran zu erfreuen oder aber die Quelle all dessen selbst und unmittelbar zu schauen. Keiner schaut sich das Photo einer Person an, wenn diese Person unmittelbar vor einem sitzt. Das ist es, was den Himmel wesentlich ausmacht! In ihrer Vorstellung vom Himmel haben das die Wenigsten überhaupt im Blickfeld. Der Himmel besteht wesentlich darin, bei Gott zu sein, Gott zu schauen wie Er ist. Selbst bei gläubigen Menschen scheint dies in ihrer Vorstellung vom Himmel nur etwas Zweitrangiges zu sein. Aber in Wirklichkeit wird gerade die selige Anschauung Gottes dasjenige sein, was uns vollkommen in Beschlag nehmen wird. Hinter der Anschauung Gottes wird alles andere, was am Leben im Himmel sonst noch schön ist, weit zurücktreten. – Zur Veranschaulichung stellen wir uns ein junges verliebtes Pärchen vor. Jedem, der schon einmal zwei verliebte Menschen beobachten konnte, wird aufgefallen sein, daß sie von dem Augenblick an, da sie sich ineinander verliebt haben, alles andere um sich herum vergessen. Sie lassen nichts mehr von sich hören. Sie schreiben nicht mehr, rufen nicht mehr an, kommen nicht mehr auf Besuch. Ihre Eltern, Geschwister und Freunde spielen keine besondere Rolle mehr, so sehr sind sie aufeinander fixiert. So sehr sind sie voneinander in Bann geschlagen. Sie denken nur noch an den anderen. Sie interessieren sich nur noch für den Geliebten. In der geliebten Person erblicken sie die Quelle für das Glück ihres Leben. Deshalb ist die geliebte Person der erste und primäre Gegenstand ihrer Aufmerksamkeit. Angesichts dieser Liebe tritt die Liebe zu Eltern, Geschwistern und Freunden, die immer noch vorhanden ist, weit zurück. – Dasselbe trifft auf das Leben des Menschen im Himmel zu. Wenn wir einst Gott von Angesicht zu Angesicht schauen werden, dann wird unsere Liebe, Zuneigung und Verbundenheit zu allem anderen zweitrangig sein. Und das ist der tiefste Grund, warum das Leben im Himmel ein vollkommen anderes Leben sein wird; nicht einfach eine beschwerdefreie Fortsetzung des irdischen Lebens. 

Das Glück des Himmel wird nicht wesentlich in dem Wiedersehen mit dem Ehegatten, den Eltern, Geschwistern, Kindern und Freunden bestehen, wie wir es uns das vielleicht gerne ausmalen. Dabei ist es doch nicht einmal gesagt, daß wir unsere Familienangehörigen und Freunde dort überhaupt finden werden. Und selbst wenn wir im Himmel niemanden, den wir aus unserem Leben auf Erden kennen, wiedersehen würden; trotzdem wäre der Himmel das unvorstellbare und unüberbietbare Glück für uns. – Im Himmel gibt es kein Ehe mehr. Das Eheband wird vom Tod gelöst. Im Himmel besteht ein anderes Band. Im Himmel besteht das Liebesband zwischen Gott und der einzelnen Seele. Darin besteht das primäre Glück des Himmels. Freilich wird es auch eine sekundäre Freude geben. Sie wird zum einen in der freundschaftlichen Liebe zu den Engeln und Heiligen des Himmels, in der Gemeinschaft der Heiligen, bestehen; und zum andern in der Freude an dem „neuen Himmel“ und der „neuen Erde“, die Gott am Jüngsten Tag heraufführen wird.

Der Weg in den Himmel

Der Weg in den Himmel entspricht gerade den beiden Hauptmerkmalen des Himmels. Er beinhaltet die Überwindung der Sünde und die Vereinigung mit Gott. Der Weg in den Himmel ist der Kreuzweg. Es ist der Weg, den uns Christus uns exemplarisch vorangegangen ist. Er hat uns diesen Weg gewiesen: „Wer mein Jünger sein will, der verleugne sich selbst, der nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach“ (Lk. 9, 23). – Der Weg in den Himmel besteht zuerst im Tod gegenüber der Sünde. Christus starb am Kreuz. Er hat den Fluch Adams, den Fluch der Sünde und des Todes, auf Sich genommen. Deshalb müssen auch wir tot sein für Sünde. – Und zweitens besteht der Weg in den Himmel in der Entfaltung der Gottesliebe. Christus starb aus liebendem Gehorsam gegen Seinen himmlischen Vater. Unser Herr war vollkommen unschuldig. Weder hatte Er eine Strafe verdient noch irgendeiner Abtötung bedurft. Er litt die Passion einzig aus Gehorsam gegen Seinen Vater. Und bekanntlich besteht im Gehorsam der einzige in den Augen Gottes gültige Beweis für die Echtheit der Liebe. Der Gehorsam ist Selbstverleugnung, Verzicht auf den eigenen Willen zugunsten des Geliebten, aus Liebe zu Gott. – Aus beidem besteht das Kreuz: Abtötung und Gottesliebe. Das ist der Weg, der in den Himmel führt. Das ist der Grund, warum das Kreuz im Zentrum unseres Lebens stehen muß. Das ist der Grund, warum das Kreuz im Zentrum unserer Religion steht. Das ist der Grund, warum wir uns um den Altar versammeln beim hl. Meßopfer. Alle Gnaden, die uns durch die Sakramente und durch das Gebet zufließen, um in uns die Sünde zu besiegen und die Gottesliebe zu entfachen, fließen aus dem Opfer des Kreuzes. Das muß uns beständig vor Augen stehen: Das Kreuz ist der Weg in den Himmel.

Deshalb ist Christus nach Seinem Sieg am Kreuz in den Himmel aufgefahren. Diese Erde mit ihrer Sünde, mit ihrer Verderbnis, ihrer Vergänglichkeit und ihrem Gotteshaß ist nicht mehr der richtige Ort für Ihn. Das ist der Grund, warum die allerseligste Jungfrau Maria mit Leib und Seele in den Himmel aufgenommen wurde. Nach der Vollendung ihres Erdenlebens war hier nicht mehr der richtige Platz für sie, die Unbefleckte, die Gnadenvolle. Und so soll es auch bei uns sein. Wir sollen dieses irdische Leben gebrauchen, um der Sünde abzusterben und Gott zu lieben. Wir sollen im Stande der heiligmachenden Gnade leben. Die heiligmachenden Gnade ist in unserer Seele wie die heiße Luft ein einem Heißluftballon. Sie hebt unser natürliches Leben empor, zieht es nach oben, in das Reich der Übernatur, dem Himmlischen entgegen. Sie läßt uns das Irdische aus der Perspektive des Himmels betrachten, läßt uns dieses Leben erkennen als das was es ist: eine Durchgangsstation. Ein vorläufiges Barackendasein. Ein Ort der Bewährung und der Prüfung. Ein Jammertal, ein Ort der Verbannung.

Das Verlangen nach dem Himmel

Gemäß der Lehre der Heiligen und der Erklärungen der geistlichen Schriftsteller besteht eines der Anzeichen geistlicher Vollkommenheit in dem Verlangen danach zu sterben. Wohlgemerkt! Das Motiv jener heiligen Todessehnsucht darf nicht die Kreuzesflucht sein, also der Überdruß an den Versuchungen und Leiden dieses Lebens. Als wäre der Tod an sich eine Erlösung, als wäre der Tod an sich etwas begehrenswertes. Nein! Die heilige Todessehnsucht erblickt im Tod den Zugang zum eigentlichen Leben. Sie erblickt im Tod freudig das Portal, welches den ersehnten Zugang zum unverlierbaren Besitz Gottes eröffnet. Nur so darf und soll der Tod ersehnt werden. 

Als Jünger Christi sollen wir den Tod nicht fürchten, sondern gläubig auf die Liebe Gottes vertrauen, der für uns nach dem Tod das eigentliche Leben bereithält. Ein Leben das so überwältigend schön ist, so herrlich, daß wir mit dem hl. Paulus ausrufen dürfen: „Christus ist mein Leben und Sterben ist mir Gewinn“ (Phil. 1, 21). „Ich sehne mich danach, aufgelöst zu werden und bei Christus zu sein“ (Phil. 1, 23). Amen.

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