Weißer Sonntag
Die Bedeutung der Auferstehung Christi
Geliebte Gottes!
Die Tatsache der Auferstehung unseres Herrn ist durch zahlreiche und vor allem glaubwürdige Zeugnisse gesichert. Alle dagegen vorgebrachten Einwände halten einer genauen Prüfung nicht stand, wie wir am Ostersonntag gezeigt haben. Die Tatsache der Auferstehung ist als ein historisches Faktum in der Menschheitsgeschichte verankert und hat aufgrund dessen Auswirkungen auf uns; Auswirkungen von sehr großer Bedeutung. Welche Bedeutung hat die Auferstehung für uns? Man kann sie im Wesentlichen in drei Punkten zusammenfassen: 1. Die Auferstehung Christi stärkt unseren Glauben an die Wahrheit des katholischen Bekenntnisses. 2. Sie gibt uns Hoffnung auf unsere eigene künftige Auferstehung am Jüngsten Tag. Und 3. soll sie uns ein Vorbild zu einem neuen, besseren, heiligen Leben nach unserer Bekehrung sein.
Das Fundament des katholischen Glaubens
Die nächste und erste Bedeutung der tatsächlichen Auferstehung unseres Herrn Jesus Christus besteht in einer Stärkung des Glaubens. Wieso? Das ist nicht schwer zu erklären. Jesus hat im Laufe Seines irdischen Lebens oft und deutlich von Sich bekannt, daß Er der Sohn Gottes ist. Deshalb wurde Er von Seinen Feinden angegriffen, weil Er, der in ihren Augen ein bloßer Mensch sei, sich selbst zu Gott mache (vgl. Joh. 10, 33). Deshalb hat Christus durch zahllose Wunder die Wahrheit Seiner Worte bewiesen. Er hat Wunder gewirkt, die noch nie zuvor gesehen worden waren: etwa die Heilung eines Blindgeborenen, der Gehorsam der Sturmgewalten auf dem See Genesareth, die beiden Brotvermehrungen, die zahlreichen Dämonenaustreibungen und Totenerweckungen. Aber die letzte und stärkste Demonstration, sozusagen der alles erdrückende Beweis für Seine göttliche Allmacht, liegt in Seiner Auferstehung von den Toten. Denn noch nie zuvor ist ein Mensch aus eigener Kraft von den Toten auferstanden. Jesus hatte Seine Auferstehung mehrmals angekündigt: „Ich werde in die Hände meiner Feinde überliefert werden; sie werden mich töten, aber nach drei Tagen werde ich auferstehen“ (vgl. Lk. 9, 22; Mt. 17, 22; Mk. 10, 32). Sowohl Seine Feinde als auch Seine Jünger wußten, daß Er so gesprochen hatte. Seine Feinde fürchteten, daß sich Sein Wort bewahrheiten könnte, und ließen das Grab bewachen. Seine Freunde hatten diese Rede nicht verstanden oder darauf vergessen, so daß sie sich nach der Erschütterung des Karfreitags ängstlich und verzweifelt im Abendmahlssaal verbarrikadiert hatten. Und die angekündigte Auferstehung ist wahr geworden. Unser Herr Jesus Christus ist am dritten Tag von den Toten auferstanden. – Doch was folgt daraus? Nichts anderes, als daß Er wirklich der Sohn des allmächtigen Gottes ist. – Hätte etwa ein Betrüger aus eigener Kraft vom Grabe auferstehen können? Niemals! Gott würde niemals Seine Allmacht dazu hergeben, um einem Lügner und Betrüger zur Bekräftigung seiner Lüge zu verhelfen! Gott ist die Wahrheit und steht deshalb von Seiner Natur her einer jeden Lüge feindselig gegenüber. – Christus ist auferstanden. Also ist Er wirklich Gottes Sohn. So bekennt es im heutigen Sonntagsevangelium der von seinem Zweifel geheilte Apostel Thomas: „Mein Herr und mein Gott!“ (Joh. 20, 28). – Daraus folgt aber dann: Seine Lehre und Seine Vorschriften, sind nicht Wort eines Menschen, sondern Worte Gottes. „Ich und der Vater sind eins“ (Joh. 10, 30). „Wer mich sieht, der sieht den Vater“ (Joh. 14, 9). „Meine Lehre ist nicht mein, sondern dessen, der Mich gesandt hat“ (Joh. 7, 16). Mit anderen Worten: Wer mich hört, der hört Gott sprechen. Deshalb müssen wir von der Wahrheit der Worte Christi felsenfest überzeugt sein und sowohl Seiner Lehre als auch Seinen Vorschriften im Glauben gehorchen. Wir können Seine Worten nie fest genug glauben. Auch wenn wir die Geheimnisse des Glaubens niemals vollkommen verstehen können, so müssen wir um so fester für wahr halten. Und zwar allein deshalb, weil Er, Jesus Christus, der Sohn Gottes und die ewige Wahrheit Selbst, die Sich nicht irren und andere nicht täuschen kann es uns zu glauben vorgelegt hat. Allein, weil Er es gesagt hat!
Es ist in diesem Zusammenhang kein bedeutungsloses Detail, daß Christus aus einem Felsengrab von den Toten auferstanden ist. Christus, der sich als Gott erwiesen hat, ist der Fels. In der Wüste schlug Moses einen Wasserquell aus dem Felsen, um das Volk zu tränken. Christus ist der Fels, aus dessen Brust der klare Quell der göttlichen Wahrheit sprudelt. Christus ist der Petrus, unseres Glaubens. Seine Gottheit ist das Fundament unseres Glaubens. Er ist der Stein, den die Bauleute verworfen haben. Und Er ist zum Eckstein geworden (vgl. Ps. 117, 22). So hat es Gott durch den Propheten Isaias angekündigt: „Seht, ich lege in Sion einen auserwählten kostbaren Eckstein und wer an ihn glaubt, der wird nicht zuschanden“ (Is. 28, 16).
Auch folgt ferner aus der Tatsache der Auferstehung: Wenn sich Christus als Herr über Leben und Tod und damit als wahrer Gott erwiesen hat, dann ist die katholische Kirche, die Christus gestiftet hat, die Kirche des lebendigen Gottes. Sie ruht auf dem Fundament, das Christus ist, die göttliche Wahrheit. Die katholische Kirche ist es, die wir während der österlichen Zeit im „Vidi aquam“ besingen: „Ich sah Wasser hervortreten aus dem Tempel von der rechten Seite, alleluja, und alle, zu denen dieses Wasser gelangte, wurden gerettet.“ Die katholische Kirche gibt uns das klare Wasser, das zur Rechten ihres Felsenfundaments hervorquillt. Sie tränkt uns mit der göttlichen Wahrheit in Form ihrer Lehre und durch ihre Vorschriften. Niemals kann uns die Kirche trübe Wasser des Irrtums und der Unmoral geben, sondern nur die kristallklare Wahrheit, die aus ihrem Fundament, aus dem Gottessohn Jesus Christus hervorquillt. Durch das Trinken dieser Wahrheit, d.h. durch die gläubige Annahme der gesamten katholischen Lehre, werden wir gerettet. Deshalb ruft uns der hl. Petrus zu: „Zu Ihm nun tretet hinzu, dem lebendigen Steine, der zwar von den Menschen verworfen, von Gott aber auserwählt und hoch geehrt ist; und werdet auch ihr als lebendige Steine gebaut auf Ihn als ein geistiger Tempel“ (1. Petr. 2, 4 f.).
Ferner folgt aus der Auferstehung Christi von den Toten, daß Seine menschlichen Stellvertreter auf Erden, die Apostel und ihre Nachfolger, d.h. die Päpste und Bischöfe der katholischen Kirche, nicht mit einer bloß menschlicher Autorität sprechen, sondern in der Autorität Gottes. „Wie Mich der Vater gesandt hat, so sende Ich euch“ (Joh. 20, 21). Deshalb hat der Sohn Gottes zu den Aposteln gesagt: „Wer euch hört, der hört mich. Und wer euch verachtet, der verachtet mich. Wer aber mich verachtet, der verachtet den, der mich gesandt hat“ (Lk. 10, 16). Dem Simon Petrus gab Christus nicht nur durch die Namensbezeichnung „Petrus, Fels“ Anteil an Seiner unüberwindlichen Festigkeit in der göttlichen Wahrheit, sondern auch Seinen göttlichen Beistand, daß Petrus niemals vom Glauben abweichen könne: „Was auch immer du auf Erden binden wirst, das wird auch im Himmel gebunden sein. Und was auch immer du auf Erden lösen wirst, das wird auch im Himmel gelöst sein“ (Mt. 16, 18). Die rechtmäßigen Nachfolger Petri und der Apostel sprechen also mit der Autorität Christi. Deshalb schulden wir ihrem Wort Glaube und Gehorsam, wie wir Christus selbst Glaube und Gehorsam schulden; ja, wie wir Gott Glaube und Gehorsam schulden. Aus der Stimme der Päpste hören wir Petrus, der in seinen Nachfolgern durch die Geschichte hindurch fortlebt und die Menschheit mit der göttlichen Wahrheit tränkt und vor dem ewigen Verdursten rettet. Mit anderen Worten: Nicht Linus, lehrt, sondern Christus. Nicht Kletus, nicht Clemens, nicht Gregor, nicht Innozenz, Urban oder Damasus; nicht Leo und auch nicht Pius, sondern Christus lehrt, dessen Stelle sie alle vertreten haben. – Und weil jene, die heute für Päpste und Bischöfe gehalten werden wollen, Dinge lehren, die Christus durch den Mund früherer Päpste verdammt und verurteilt hat, wissen wir, daß jene niemals die Autorität Gottes haben können. Denn Gott ist die Wahrheit. Er kann sich nicht widersprechen. Weil also jene, die heute die kirchlichen Ämter beanspruchen, Irrtümer lehren, so können wir vollkommen gewiß sein, daß diese unmöglich die Autorität Jesu Christi besitzen, d.h. daß sie keine wahren Päpste und Bischöfe der katholischen Kirche sind, sondern Scheinpäpste und Gegenpäpste, wie sie immer wieder im Verlaufe der Kirchengeschichte aufgestanden sind.
Wir sehen also, wie weit sich der göttliche Machterweis der tatsächlichen Auferstehung Christi von den Toten auf unseren Glauben auswirkt. Wie der Zement in einem Gebäude alle Bauteile zu einer einzigen Einheit zusammenzieht, verbindet und aushärtet, so gibt die Tatsache der Auferstehung unseres göttlichen Erlösers dem gesamten katholischen Glaubensgebäude sowohl ihre kompakte Einheit als auch eine Festigkeit, die härter ist als Diamant – nämlich die unumstößliche Unfehlbarkeit.
Aus der Auferstehung Christi folgt außerdem, daß nicht nur die Lehre, sondern auch die Sakramente dieser Kirche wahrhaft göttliche Heilsmittel für unsere Seele sind, sofern wir sie andächtig und würdig empfangen; ebenso, wie es die Kirche im Name Christi vorschreibt. In einem Wort: Aus der Tatsache der Auferstehung folgt die Wahrheit unseres Glaubens. Wie wir den hl. Paulus haben sagen hören: „Wenn Christus nicht auferstanden ist, so ist euer Glaube eitel“ (1. Kor. 15, 17). Folglich gilt auch umgekehrt: Wenn Er aber auferstanden ist – und das steht felsenfest – so ist unser Glaube in all seinen Teilen felsenfest gegründet. Und deshalb gilt vom katholischen Glauben dasselbe, wie von Christus selbst: „Und wer auf diesen Stein fällt, der wird zerschmettert werden; auf wen er aber fällt, den wird er zermalmen“ (Mt. 21, 44).
Der Grund der christlichen Hoffnung
Ähnlich wie durch die Tatsache der Auferstehung unser Glaube gestärkt und gefestigt wird, so wird durch dieselbe auch unsere Hoffnung bis in ihr tiefstes Fundament hinein verankert. – Was haben wir Menschen von diesem Leben zu „erhoffen“? – Vieles, doch nur eines ist sicher. Der Tod. Der Tod ist das sicherste im ganzen Menschenleben. Jeder von uns wird sterben. Das steht seit dem Augenblick unserer Empfängnis im Mutterschoß fest. – Allein der katholische Glaube gibt uns darüber hinaus eine tiefere, eine freudige Hoffnung. Was ist der eigentliche Gegenstand der christlichen Hoffnung? Ein Verheißung. Nämlich das, was Christus versprochen hat. Was hat Er versprochen? Ein Leben nach dem Tod. Die Auferweckung unseres toten Leibes am Jüngsten Tag. Ein ewiges Leben. Ein Leben unvorstellbarer Herrlichkeit in einer anderen Welt. Ein Leben ewiger Glückseligkeit – ohne Tränen, ohne Jammer und ohne Klagen. – Große Dinge! Kann Christus das halten? Wird Er dieses Versprechen halten? Schauen wir auf die Tatsache Seiner eigenen Auferstehung, und jeder Zweifel muß schwinden. – Wenn einer das Schwierige kann, sollte er dann nicht auch das Leichtere können? Wenn Christus glorreich aus Seinem eigenen Grabe auferstanden ist, da Er tot war, wie sollt es Ihm schwer fallen, uns aufzuerwecken, da Er doch jetzt lebendig ist? – Christus hat versprochen, selbst aufzuerstehen. Er hat Wort gehalten. Er wird also auch Wort halten und uns auferwecken. – Er hat versprochen, am dritten Tage aufzuerstehen. Er hat Wort gehalten. Also wird Er auch bei uns den Tag und sozusagen den von Gott genauen festgesetzten Termin der Auferstehung des Fleisches nicht vergessen. Am Jüngsten Tag. – Christus hat versprochen, aufzuerstehen und Seinen Jüngern zu erscheinen und ihnen voranzugehen nach Galiläa. Er hat Wort gehalten. Er ist Seinen Jüngern in wunderbarer Herrlichkeit erschienen. Auch uns wird Er Wort halten und uns nicht bloß auferwecken, sondern auferwecken in Herrlichkeit. Wie sagt doch der hl. Paulus? „Es wird gesät in Verweslichkeit, es wird auferstehen in Unverweslichkeit. Es wird gesät in Niedrigkeit und auferstehen in Herrlichkeit. Es wird gesät in Schwachheit und auferweckt in Kraft. Es wird gesät ein sinnlicher Leib und auferstehen wird ein geistiger Leib“ (1. Kor. 15, 42 ff.). Ja, betrachten wir den verklärten Leib des Auferstandenen und vergleichen wir ihn mit unserem eigenen Leib. Welche Verschiedenheit! Welche Unterschiede! Dort Glanz und Licht – hier das Dunkel und die Nacht des Grabes, dem unser Leib entgegengeht. Dort Unsterblichkeit – hier der Tod und seine Vorboten: Krankheit, Schmerz, und Schwäche. Dort unvergängliche Jugend und Schönheit – hier die Runzeln und Flecken des Alters bis hin zur fahlen, ausgemergelten Häßlichkeit der Leiche. Dort Unverweslichkeit und hier die grauenhafte Entstellung durch die Verwesung. Hier Altersschwäche und Gebrechlichkeit – dort ewige Jugend und unsterbliche Kraft. Angesichts dieser drastischen Unterschiede darf uns als österliche Menschen kein Schwermut und kein Jammer packen. Christus, der Auferstandene, wird unseren Leib auferwecken und dem Seinigen gleichgestalten, wie der hl. Paulus den Philippern schreibt: Er „wird den Leib unserer Niedrigkeit umgestalten, daß er gleichgestaltet werde dem Leibe Seiner Klarheit, vermöge der Kraft, durch welche Er Sich auch alles unterwerfen kann“ (Phil. 3, 21). Was dürfen wir also erhoffen? Was dürfen wir für einen Hoffnung schöpfen aus dem Gedanken, daß Christus von den Toten erstanden ist? Eine tröstliche Hoffnung! Eine Hoffnung der Zuversicht und Freude! Mag unser Leib jetzt so manchen Unzulänglichkeiten und Gebrechen unterworfen sein; mag er häßlich sein, kränklich, alt, runzlig, entstellt; mag ihn eine Krankheit lähmen und verwüsten, der Tod ihn zerstören, das Grab ihn verschlingen, die Verwesung ihn zu Staub zermahlen und auflösen. – Der Tag wird kommen, so sicher wie der „dritte Tag“ nach Seiner Kreuzigung. So sicher wie der Ostertag herannahte, so gewiß wird der Tag kommen, wo der Gottessohn den Staub unseres Leibes wundersam auferwecken, umgestalten und Seinem verklärten Leib gleichförmig machen wird – in unverwüstlicher Frische; in einer Jugend, die niemals altert; in einer Kraft die nicht abnimmt; in einer Schönheit, die alles bezaubert und durch und durch übernatürlich ist; in einem Leben, das nicht mehr stirbt. Der von den Toten auferstandene Christus wird uns auferwecken zum ewigen Leben.
Das Vorbild der wahren Bekehrung
Schließlich wollen wir noch kurz die tiefe Bedeutung der Auferstehung unseres Herrn im Hinblick auf unser sittliches Leben beleuchten. Schon der hl. Paulus hat nämlich die Auferstehung des Heilandes als ein Vorbild für unsere eigene sittliche Erneuerung gebraucht. Er sagt: „Wie Christus auferstanden ist von den Toten durch die Herrlichkeit des Vater, so laßt auch uns in einem neuen Leben wandeln“ (Röm. 6, 4). In der Tat, die Auferstehung Christi kann ein Vorbild für unsere geistige Erneuerung sein, sowohl bezüglich der Schwierigkeit, der Vollständigkeit, als auch der Zeichen der Bekehrung.
Bezüglich der Schwierigkeit der Bekehrung ist die Auferstehung des Heilandes ein Vorbild. Was schien schwerer zu sein als Seine Auferstehung? Er war tot. Sein Leib war tödlich verwundet. Der schreckliche Lanzenstich. Der große Blutverlust. Die Länge des qualvollen Todeskampfes. Der unermeßliche Schmerz. Dazu der harte Fels des Grabes. Der schwere Stein vor seiner Öffnung. Das Siegel der höchsten Obrigkeit. Die zahlreichen und bewaffneten Wächter vor dem Eingang. – Alles Hindernisse. Aber nur scheinbare Hindernisse für die Allmacht des Gottessohnes. In einem Augenblick, in der ersten Bewegung Seines auferstehenden und auferstandenen Leibes sind die Hindernisse überwunden. Ihm kann kein Siegel, Grab noch Stein, kein Felsen und keine Waffengewalt widerstehen.
Auch für die Auferstehung zu einem heiligen Leben scheinen bei manchen Sündern große, ja fast unüberwindliche Hindernisse im Weg zu stehen. Der Sünder ist tot, d.h. tot für das übernatürliche Leben der Gnade. Nicht bloß eine, sondern wer weiß wie viele Todsünden lasten auf seinem Gewissen. Das sind die tödlichen Wunden an seiner Seele, die ihn dem ewigen Tod der Verdammnis weihen. Auch das Felsengrab ist da. Die langjährige Gewohnheit, die Sklaverei der Leidenschaft hält ihn wie in einem undurchdringlichen Felsenkerker gefangen. Da ist das Siegel der falschen Scham, das ihn am Bekenntnis seiner Sünden im Bußgericht hindert. Auch die Wächter fehlen nicht. Es sind die Gefährten seiner Sünde, die schlechten Freunde, welche ihn von jedem Schritt, mit der Bekehrung ernst zu machen, zurückhalten. – Und doch! So groß die Hindernisse auch sein mögen, sie werden die sittliche Erneuerung nicht aufhalten können, wenn nur der Sünder, dem Zug der göttlichen Gnade kompromißlos folgt. „Alles vermag ich in dem der mich stärkt“ (Phil. 4, 13)! Der Sünder vermag die Ketten zu sprengen, wenn er im Vertrauen auf die Gnade des Auferstandenen den Entschluß faßt: „Ich will und werde ein neues Leben beginnen. Im Vertrauen auf die Gnadenhilfe Gottes will ich mit der Sünde brechen. Ich will beichten.“ Das Bußsakrament ist das österliche Sakrament. Es ist das Sakrament der Auferstehung des Sünders zum übernatürlichen Leben der Gnade. Es stellt den Osterfrieden mit Gott wieder her. Deshalb hauchte der Herr die Apostel am Osterabend an uns sprach: „Friede sei mit euch! ... Empfanget den Heiligen Geist. Welchen ihr die Sünden nachlassen werdet, denen sind sie nachgelassen; und welchen ihr sie behalten werdet, denen sind sie behalten“ (Joh. 20, 21-23).
Auch bezüglich der Vollständigkeit der Lebensbesserung kann uns die Auferstehung Jesu als Vorbild dienen. Wie stand der Heiland nach der Auferstehung da? Es war derselbe Leib, der am Kreuz gehangen ist, aber in anderer Gestalt. Vorher war er zerrissen, zerschlagen, verrenkt, mit Striemen übersät, mit Blut und Wunden bedeckt. Aber von seiner Auferstehung an war er so schön, so rein, so glänzend in himmlischer Schönheit, eine Augenweide für seine Betrachter. Vorher sterblich, jetzt unsterblich. „Christus ist auferstanden und stirbt nicht mehr; der Tod hat keine Gewalt mehr über Ihn“ (Röm. 6, 9). – So soll auch der Sünder zu einem heiligen Leben aufstehen. Er bleibt derselbe und doch ist er ein anderer. Vorher träge und säumig im Gebet; jetzt ein eifriger Beter. Vorher ohne nennenswerte gute Werke; jetzt eifrig in allen Werken der Gottes- und Nächstenliebe. Vorher stets geneigt zum Rückfall in die alten, schlechten Gewohnheiten, jetzt nicht mehr. Jetzt sagt er sich: „Nie mehr schwer sündigen! Lieber sterben als eine Todsünde begehen! Endlich Schluß mit den alten Leidenschaften und den schlechten Gewohnheiten!“
Schließlich gibt uns der Auferstandene des Herrn auch ein Vorbild für die Anzeichen einer echten Lebensbesserung. Obwohl an dem Leib des auferstandenen Heilandes eine so große Veränderung vonstatten gegangen war, so war doch ein Zeichen seines früheren Zustandes geblieben: Die hl. fünf Wundmale! Freilich, die Wunden waren verklärt. Sie leuchteten wie Sterne. Aber sie sind doch Zeichen und Beweis geblieben, daß es sich noch immer um denselben Leib handelt, der am Kreuz gehangen und der im Grab gelegen hatte. – Auch der Sünder, der durch die sakramentale Lossprechung zum übernatürlichen Leben der heiligmachenden Gnade auferweckt worden ist, soll in diesem übernatürlichen Zustand das Andenken an die früheren Sünden mitnehmen. Die Stigmata seiner Todsünden sind keine tödlichen Wunden für seine Seele. Nach der Beichte sind sie verklärt durch das Leben der Gnade. Dennoch bleiben die alten Sünden dem Gedächtnis des Menschen eingeprägt, nicht um sie bei der Erinnerung daran erneut zu wiederholen, sondern um sich zu demütigen, um sie immer wieder und immer tiefer zu bereuen, um sie abzubüßen, um sie zu beweinen, um aus ihnen die Wachsamkeit zu lernen, um aus ihnen die Größe der göttlichen Barmherzigkeit zu lesen und um Gott um so mehr zu lieben. Je tiefer der Abgrund gewesen ist, aus dem uns Gott errettet hat, um so tiefer wird die Dankbarkeit sein.
Ja, wieviel kann uns die Auferstehung Jesu Christi nützen! Welch große Bedeutung hat das österliche Geheimnis! Welche Kraft des Glaubens liegt in dieser Tatsache! Welch tiefen Ankergrund findet unsere Hoffnung! Welches Vorbild zu einem heiligen und wahrhaft erneuerten Leben! „Wie Christus auferstanden ist von den Toten, so laßt auch uns wandeln in einem neuen Leben“ (vgl. Röm. 4, 6). Amen.