Fest des heiligen Lukas
Die Buße
Geliebte Gottes!
Das fünfte und letzte Stück auf unserem Weg zur Aussöhnung mit Gott im Bußsakrament ist die Genugtuung nach der Lossprechung – die Buße. Sie besteht darin, daß wir die Bußwerke verrichten, welche uns der Beichtvater auferlegt, bevor er uns die Absolution erteilt. Hierüber wollen wir zwei Fragen erwägen: 1. Warum überhaupt eine Buße; welchen Zweck hat sie? 2. In welcher Geisteshaltung sollen wir die Buße verrichten?
Zweck der Buße
Zuallererst die Frage nach dem Sinn und Zweck. Warum eine Genugtuung? Die Erklärung des Zwecks der Buße ist sehr geeignet, uns das eigentliche Wesen der Genugtuung erkennen zu lassen. Der Katechismus weist uns auf drei heilsame Wirkungen der Buße hin, die es sinnvoll erscheinen lassen, diese zu verrichten: 1. Die Buße wird auferlegt zur Wiedergutmachung der Beleidigung Gottes, 2. zum Abbüßen der zeitlichen Sündenstrafen und 3. zur Besserung unseres Lebens.
1. Sühne
Der erste Zweck der Genugtuung ist die „Sühne“, d.h. die Wiedergutmachung der Beleidigung Gottes. Man könnte auch von „Schadenersatz“ sprechen. Wenn man von Schadenersatz spricht, so ist zunächst einmal Schaden angerichtet worden, oder eine Beleidigung vorangegangen. Der Beleidiger sucht den Beleidigten zu versöhnen. Der Beleidigte kann von dem Beleidiger eine Sühne verlangen, d.h. er kann verlangen, daß der Beleidiger etwas tut, wodurch die beschädigte Ehre wiederhergestellt, oder die Beleidigung wenigstens einigermaßen ausgeglichen wird. Das, was der Beleidiger in diesem Falle tun muß, um die geschehende Beleidigung aufzuwiegen, nennt man Sühne oder Genugtuung. Im Bezug auf das Bußsakrament ist die Sachlage klar: Die Beleidigung ist in jeder einzelnen Sünde enthalten. Der Beleidiger ist der Sünder und der Beleidigte natürlich Gott. Gott der Herr hat jedoch, um die Sünden der Menschen zu verzeihen, eine vollkommene Genugtuung verlangt, d.h. eine solche Genugtuung, die imstande ist, das unendliche Maß der Gott zugefügten Beleidigung vollkommen (!) auszugleichen und wiedergutzumachen. Kein Geschöpf, weder im Himmel, noch auf Erden, ist dazu imstande, deine vollkommene Sühne zu leisten. Jedes Geschöpf ist endlich. Die zu sühnende Schuld aber eine unendliche. Die Forderung einer vollkommenen Genugtuung übersteigt die Möglichkeiten eines jeden Geschöpfes. Darum ist der Sohn Gottes selbst Mensch geworden und hat sich in Seiner Passion, dem Willen des Vaters entsprechend, all der Schmach, dem Schmerz und dem bitteren Tod am Kreuz unterworfen, um durch die unendliche Würde Seiner göttlichen Person unsere Sünden in Seinem unschuldigen Leiden zu sühnen. Sein Leiden allein hat unendlichen Wert und war folglich dazu imstande die unendliche Schuld auszugleichen.
Freilich könnte man nun einwenden und sagen: „Wenn aber doch Christus schon vollkommene Genugtuung geleistet hat, was ist es da noch nötig, daß ich Genugtuung leisten soll? Wenn ein anderer für mich vollständig bezahlt hat, was brauche ich dann noch bezahlen?“ So argumentieren die Protestanten, wenn sie behaupten: „Jede Buße ist überflüssig, denn Christus hat für alle gebüßt.“ Auch von der Novus-Ordo-Religion und unter liberalen Katholiken, welche die katholische Bußdisziplin für überzogen halten, wird diese Sichtweise geteilt. – Was aber wäre das für eine Bitte um Vergebung, wenn der Sünder seinem Gott, wenn er Ihm schon keine vollkommene Genugtuung leisten kann, nicht wenigstens nach Kräften Wiedergutmachung leisten wollte. Nach Kräften freilich! Aus eigenen Kräften wird er nicht die volle Gerechtigkeit wiederherstellen können. Aber wenigstens so viel muß er tun, daß er zu erkennen gibt, daß es ihm ernst ist, den angerichteten Schaden seiner Sünde wiedergutzumachen. Daß er wenigstens einen Teil der Genugtuung auf sich nehmen will.
Ein junger Mann hat seinen Herrn und König schwer beleidigt. Sein Vater, der beim König in höchstem Ansehen steht, fällt vor dem beleidigten König auf die Knie und bittet um Verzeihung für die Verfehlungen seines Sohnes. Ist es zu viel verlangt, daß auch der Sohn neben dem Vater sich auf die Knie wirft? Die Versöhnung kommt durch den Kniefall des Vaters zustande, aber der Sohn muß doch zeigen, daß er auch zur Sühne bereit ist. Christus hat für uns vollständig genuggetan. Aus seinen Wunden stammt die Kraft des Bußsakramentes und die Kraft der Verzeihung. Aber es ist nur recht und billig, daß auch wir nach Kräften Buße tun, um der göttlichen Gerechtigkeit Sühne zu leisten.
2. Abbüßen der zeitlichen Strafen
Der zweite Zweck, wozu die Buße vom Beichtvater auferlegt wird, ist die Abbüßung der zeitlichen Sündenstrafen. Die ewige Strafe, d.h. die Strafe der ewigen Verdammnis, die wir durch die Sünde auf uns geladen haben, wird zugleich mit der Todsünde selbst durch die Lossprechung vollständig nachgelassen. Das ist eine Gnade, für die wir ewig dankbar sein müßten. Es gibt aber nicht bloß die ewig, sondern auch zeitliche Strafen, welche die Gerechtigkeit Gottes über den Sünder verhängt. Diese zeitlichen Strafen müssen auf dieser Welt abgetragen, d.h. abgebüßt werden, und, insoweit dies nicht geschieht, nach unserem Tod im Fegfeuer. Diese zeitlichen Strafen werden allerdings im Bußsakrament nur zum Teil nachgelassen, aber nicht immer alle. – Warum? Der Nachlaß der zeitlichen Strafen hängt von der Größe unserer Reue ab. Oft ist unsere Reue, vor allem über läßliche Sünden, nicht besonders tief. Wir klagen uns zwar an, daß wir launisch waren, daß wir im Gebet nachlässig waren, uns um die Andacht zu wenig bemüht haben, daß wir argwöhnische und lieblose Gedanken über den Nächsten nicht energisch genug bekämpft oder schlecht über andere Personen geredet haben. Aber wir bereuen es zu wenig! Die Schuld wird durch das Sakrament zwar nachgelassen aber nicht die ganze Strafe. Ein Teil der zeitlichen Strafe wird in den meisten Fällen abzubüßen bleiben. Je weniger tief, je unvollkommener die Reue, desto größer der Rest der Strafe.
Auch hier könnte man einwenden: „Wenn Gott uns die ewige Strafe ausnahmslos nachläßt, warum sollte Er uns nicht auch die zeitlichen vollständig nachlassen? Wenn Er das Große tut, warum nicht auch das Kleine?“ – In manchen Bundesstaaten der USA gibt es noch die Todesstrafe. Wenn dort ein zum Tode Verurteilter begnadigt wird, d.h. wenn ihm die Höchststrafe erlassen und ihm das Leben geschenkt wird, dann könnte man ihm doch auch die lebenslange Haftstrafe erlassen und ihn gleich wieder auf freien Fuß setzen, oder? Ja, man könnte! Aber es geschieht für gewöhnlich nicht. Die lebenslange Haft tritt an die Stelle der Todesstrafe. So kann auch die zeitliche Strafe, welche bleibt, an die Stelle der Strafe der ewigen Verdammnis treten, welche durch die Beichte nachgelassen wird. – Wir haben deutliche Beweise aus der Heiligen Schrift, daß die zeitliche Strafe zuweilen bleibt, wenngleich die ewige Strafe von Gott nachgelassen wurde: König David hatte schwer gesündigt. Er hatte mit Bethsabee, der Frau des Urias, Ehebruch begangen und in der Folge ihren Gatten ermordet. David ging in sich und bereute seine Sünden von ganzem Herzen. Daraufhin wurde der Prophet Natan im Auftrag Gottes zu David gesandt und sprach: „Der Herr hat deine Sünde hinweg genommen, aber der Sohn, der dir geboren ist, wird des Todes sterben“ (2. Sam 12, 13). Der Tod des im Ehebruch gezeugten Kindes war eine zeitliche Strafe, die dem David nicht erspart wurde. Auch die in der Folge eintretende Zwietracht unter seinen Söhnen, die Empörung seines eigenen Sohnes Absalom gegen David und der damit verbundene Bürgerkrieg, all der Unfriede in seiner Familie der bis zu seinem Tod nicht mehr zur Ruhe kommen sollte, sind dem König als zeitliche Buße für seine Sünden belassen geblieben. Es bleibt also dabei: Die zeitlichen Strafen werden nicht immer zugleich mit der Sünde und der ewigen Strafe nachgelassen. Um nun diese zeitlichen Strafen abzubüßen, dazu wird vom Beichtvater eine Buße auferlegt.
3. Milde Besserung
Die Buße soll jedoch auch drittens, nicht bloß eine Strafe, sondern auch ein Besserungsmittel sein. Darum wird der Beichtvater die Bußwerke so auswählen, daß sie zur Besserung des Sünders dienen. Es ist ein Irrtum, wenn man glaubt, der Beichtvater könne bloß Gebete als Buße auferlegen. Er kann alles auflegen, was eine Buße ist, also auch ein Almosen, auch ein Fasten, den Besuch von heiligen Messen, eine Wallfahrt oder die Teilnahme an einem Exerzitienkurs. Freilich das Gebet ist für alle heilsam, aber nichts hindert den Beichtvater, z. B. dem Unmäßigen das Fasten aufzuerlegen, dem Geizigen, der durch Ungerechtigkeit gesündigt hat, die Übung des Almosens. Also solche Bußwerke, die geeignet sind, das Leben des Sünders zu bessern, seine schlechten Neigungen zu überwinden, seine bösen Gewohnheiten zu brechen.
Im übrigen sind die Bußen heute verglichen mit denen früherer Jahrhunderte überaus mild. In alten Zeiten waren die Bußen streng, ja sehr streng. Heute sind sie milde, außerordentlich milde. Was wird denn heutzutage auferlegt? Ein Rosenkranz, eine Litanei, einige Gebete, Bußen, so leicht, daß sie kaum den Namen der Buße verdienen. Wie war es in alten Zeiten? Einjährige, fünf-, zehn-, fünfzehnjährige, lebenslängliche Bußübungen waren nicht selten. Es stand dem Beichtvater nicht frei, eine Buße nach eigenem Ermessen aufzuerlegen, sondern er mußte für jede schwere Sünde die Buße auferlegen, die im offiziellen „Libellum poenitentiae“, dem „Bußbüchlein“, dafür angeordnet war. Die geringste Buße für schwere Sünden war ein vierzigtägiges Fasten, eine sogenannte „Quadragese“. – Das nur zum Vergleich, wie hoch die von den Aposteln unterwiesene Kirche des Altertums die zeitliche Strafe für nur eine einzige schwere Sünde eingeschätzt hat, und wieviel zeitliche Strafe wir uns durch unsere geringen Bußwerke für das Fegfeuer aufsparen.
Warum aber ist denn die Kirche von so großer Strenge zu so großer Milde übergegangen? Hat die Gerechtigkeit Gottes sich geändert? Nein! Haben sich etwa die Grundsätze der Kirche geändert? Auch das nicht. Haben die Menschen sich geändert, daß sie nicht mehr soviel und so schwer sündigen? Im Gegenteil! Aber in einer anderen Hinsicht haben die Christen sich geändert. Der Bußeifer ist kalt geworden. Deshalb fürchtet die Kirche, die Sünder würden dem Sakrament der Buße fernbleiben, wenn sie noch die alte Bußdisziplin handhaben wollte. Darum wählt sie von zwei Übeln das kleinere. Es ist besser, daß es den Christen leichtgemacht wird, ihre Todsünden zu bekennen, um von der ewigen Strafe der Verdammnis befreit werden zu können, wenn sie auch die zeitlichen Strafen nicht hinreichend in diesem Leben abbüßen und sich statt dessen ein langes Fegefeuer zuziehen; besser so, als wenn die Sünder der Beichte überdrüssig würden und dann weder von den Sünden, noch von der Strafe der ewigen Verdammnis und auch nicht von den zeitlichen Strafen befreit würden.
Art und Weise zu büßen – sobald als möglich
Wir haben eingehend die drei Zwecke der Buße betrachtet. Aus dem Gesagten ergibt sich nun schon zum Teil die Antwort auf die zweite Frage, in welcher Weise wir die auferlegte Buße verrichten sollen.
1. bereitwillig
Der Beichtvater erlegt die Bußwerke durch seine von Christus verliehene Bindegewalt auf. Die Buße ist also eine Gewissenspflicht. Und zwar unter Umständen eine schwere Pflicht, die ohne schwere Sünde nicht verletzt werden darf. Ist es also immer eine Todsünde, wenn die Verrichtung der auferlegten Buße verschoben oder versäumt wurde? Je nachdem: Wenn jemand schon vor der Lossprechung bei sich denkt und entschlossen ist: Diese Buße verrichte ich nicht – so ist die Beichte ungültig. Es fehlt der Wille zur Genugtuung. – Wenn jemand in der Beichte den Willen hatte genugzutun, verrichtet aber später die Buße nicht, so frage es sich, ob er aus eigener Schuld die Buße unterläßt oder aufschiebt. Ist dies der Fall, so sündigt er. Und wenn die Buße für schwere Sünden auferlegt worden war und aus schuldbarer Nachlässigkeit oder Gleichgültigkeit die Buße unterläßt oder lange verschiebt, so sündigt man schwer und geht vieler Gnaden verlustig. – Denn, auch darauf muß hingewiesen werden: Die sakramentale Buße nach der Beichte hat einen größeren Sühnewert als freiwillige Bußwerke. Die in der Kraft des Bußsakraments verrichtete Buße macht den Pönitenten dem gekreuzigten Christus gleichförmig und hat dadurch eine größere sühnende Kraft. Ein als Buße auferlegter Rosenkranz hat beispielsweise eine höhere Sühnekraft als ein freiwillig gebeteter. Wir sollten also auch den Wert der sakramentalen Buße mit den Augen des Glaubens recht erkennen. So betrachtet müssen wir dann im Grund sogar dankbar sein, wenn der Beichtvater nicht allzu sparsam Bußwerke auferlegt. Weil die auferlegte Buße also so leicht und so mächtig ist, so wollen wir uns bemühen, dieselbe sobald wie möglich, mit großer Gewissenhaftigkeit und Andacht zu verrichten. In der prompten Bereitwilligkeit zur Verrichtung der auferlegten Bußwerke besteht also die erste Eigenschaft des Büßenden.
2. ergeben
Weil die Bußwerke, die uns bei der heiligen Beichte auferlegt werden, so leicht sind, wollen wir auch die Demütigungen, Leiden, Widerwärtigkeiten, Krankheiten, zwischenmenschliche Schwierigkeiten und alle anderen Kreuze des Alltags, die Gott uns als Gelegenheiten zur Genugtuung schickt, als eine Buße annehmen und willig ertragen. Die Zulassungen und Schickungen der göttlichen Vorsehung sind die heilsamsten Bußübungen. Sie stammen aus Seiner gerechten, weisen und zugleich gütigen Vaterhand, die zum Wohl unserer Seele zielstrebig und doch sanft den Rost der Sünde von unserer Seele abschleift und loslöst. Bemühen wir uns also um ergebene und tapfere Annahme von allem Widrigen, welches das Leben für jeden einzelnen von uns bereithält.
3. freiwillig
Weil die Buße, die der Priester auferlegt, so gering ist, daß sie gewiß nicht hinreichend ist, um unsere noch übrigen zeitlichen Sündenstrafen abzutragen, wollen wir uns selbst freiwillig strafen und den auferlegten Bußwerken noch andere, frei gewählte hinzufügen. Fasten, Gebet, Enthaltung von erlaubten Freuden und dergleichen dürfen auch außerhalb der Fastenzeit geübt werden, sollten aber ein weises Maß haben und deshalb vorher vom Beichtvater gutgeheißen worden sein.
So sehen wir, daß es dreierlei Bußwerke gibt: 1. Solche die Gott uns auferlegt; diese müssen wir tragen, wobei es vor allem darauf ankommt, wie wir das tun. Bereitwillig, ergeben und tapfer soll es sein; möglichst ohne Stöhnen und Klagen. 2. Solche, die der Beichtvater auferlegt; diese müssen wir verrichten, oder wir sündigen. Schließlich 3. solche, die wir uns selbst auferlegen, und diese können die kostbarsten und wirksamsten sein; wenn wir sie aus Liebe zu Gott und allein zu Seiner höheren Ehre auf uns nehmen; weil sie ohne Pflicht, ohne Zwang, sondern aus liebeglühendem Bußeifer hervorgehen. Je kleiner die kirchlichen Bußen geworden sind, um so mehr Platz bleibt für die freiwilligen Bußwerke übrig.
Nützen wir unsere verbleibende Lebenszeit vor allem dazu, im Sündigen zu fasten, durch würdige Bußwerke unser Fegfeuer abzukürzen und durch fromme Werke in Form von Gebet, Verzicht und Werken der Nächstenliebe unser Verdienst vor Gott zu mehren. Dazu gebe uns der göttliche Erlöser, der bei Seiner Wiederkunft die Welt richten wird, auf die Fürbitte Seiner allerseligsten Mutter, der Mutter der Barmherzigkeit und Zuflucht der Sünder, Seine Gnade. Amen.