Zum Fest der Allerheiligsten Dreifaltigkeit
Leben, Wahrheit und Liebe
Geliebte Gottes!
Wir alle sind gemäß der Anweisung Jesu Christi getauft im Name des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes: „Gehet hin in alle Welt und tauft sie im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes“ (Mt. 28, 19). Unser Herr sagte nicht „in den Namen“, sondern „im Namen“. Er gebrauchte die Einzahl. Denn es gibt in Gott nur eine Natur – die einmalige göttliche Natur.
Natur und Beziehung
Wenn wir von der Allerheiligsten Dreifaltigkeit sprechen, so verstehen wir darunter, daß da drei Personen sind, aber nur eine Natur. Wir wollen hier nicht allzu tief einsteigen und genau ergründen, was nun eine Person sei und was eine Natur. – Soviel genügt uns: Der Begriff der „Natur“ gibt uns Auskunft darüber „was“ eine Sache ist. Und die „Person“ beantwortet die Frage „wer“ es ist. – Also noch einmal: In Gott sind drei Personen, aber nur eine Natur. Jedoch bedeutet der Begriff Person in der Dreifaltigkeit nicht dasselbe wie von einer Person in dieser Welt. Eine Person in der Dreifaltigkeit meint niemanden, der Hände und Füße, ein Gesicht und einen Bart hat. Eine Person in der Allerheiligsten Dreifaltigkeit meint eine Beziehung. Die drei Personen bestehen in ihrer Beziehung zueinander.
Erinnern wir uns an den Chemieunterricht. Was ist noch einmal die chemische Formel von Wasser? – H2O. – Das ist seine Natur. Das Wasser hat lediglich eine einzige Natur. Aber besteht nicht die Möglichkeit, daß es die verschiedensten Beziehungen innerhalb dieser einen Natur gibt? Gewiß! – H2O kann in flüssiger Form vorliegen. Es kann aber auch fest sein, also Eis. Oder es kann auch als Wasserdampf vorkommen. Hat nun das flüssige Wasser eine andere Natur als das Eis, oder der Wasserdampf? – Nein! Die Natur aller drei Zustände ist H2O. Alle drei Zustände kommen also in ein und dieselbe Natur miteinander überein, und doch stehen sie in anderer Beziehung zueinander. – Oder denken wir an die Sonne. Sie besteht aus Masse, Licht und Hitze. Und doch ist es nur eine einzige Sonne. All diese Beispiele aus der Schöpfung sind freilich keine Abbilder, sondern lediglich Hinweise darauf, was die Dreifaltigkeit Gottes ist.
Die Allerheiligste Dreifaltigkeit ist ein solch gewaltiges Geheimnis, daß es weder ein Abbild in der Schöpfung hat, noch überhaupt von einem geschaffenen Verstand erfaßt werden kann. Wenn Sie also eines Tages zu der Überzeugung kommen, sie hätten jetzt das Geheimnis der Dreifaltigkeit verstanden, dann können Sie sicher sein, daß Sie sich eine falsche Vorstellung davon gemacht haben.
Die Immanenz
Was kann man dann aber überhaupt von diesem undurchdringlichen Glaubensgeheimnis sagen? – Es gibt mehrere Möglichkeiten, sich diesem Geheimnis zu nähern. Wir beginnen dabei sehr einfach. – Werfen wir einen Blick auf das Leben. Das Leben kennt viele Stufen und Vollkommenheitsgrade. Lassen Sie uns diese Stufen Schritt für Schritt verfolgen, um auf dem Weg der Analogie, also auf dem Weg der Ähnlichkeit, bis zur Dreifaltigkeit hinaufzusteigen. Zunächst mag es aussehen, als sprächen wir vollkommen am Thema vorbei, doch denken Sie bitte mit. – Was ist „Leben?“ – Etwas Geheimnisvolles, das verbunden ist mit einer Bestimmung, einem Sinn und Zweck. Etwas, das uns Freude und Trauer bereitet. Manchmal ist es uns ein großes Glück. Manchmal eine Last. Das, was wir einerseits am besten aus der Erfahrung kennen und doch gleichzeitig am wenigsten verstehen. Was also ist „Leben“? – Die erste allgemeine Antwort geben uns die Lebewesen um uns herum. Alles, was lebendig ist, bewegt sich. Leben besteht wesentlich in aktiver Bewegung. Wenn wir ein Tier irgendwo auf einer Wiese bewegungslos daliegen sehen, so drängt sich uns schnell die Vermutung auf, daß es wohl tot sei. Warum? Es bewegt sich nicht. – Wenn hingegen ein Kind voller Energie und Tatendrang springt, läuft, lacht und sich austobt, so sprechen wir von einem überaus „lebendigen“ Kind. Wir setzen also Leben mit der aktiven Bewegung in Verbindung und diese Beschreibung ist auch nicht einmal so schlecht. Wenn wir aber ein klein wenig genauer hinblicken und eine etwas wissenschaftlichere Beschreibung finden wollen, dann muß diese Bewegung „immanent“ sein. D.h. die Bewegung muß aus dem Inneren, vom Lebewesen selbst herstammen. Es gibt nämlich auch eine rein äußerliche Bewegung. Das Windrad dreht sich. Der Motor läuft. Der Stein rollt die steile Bergstraße hinab. Obwohl sich diese Dinge bewegen, behauptet doch niemand, daß sie lebendig seien. Sie bewegen sich nicht aus sich selbst heraus, sondern werden von außen bewegt, während sie ganz passiv bleiben. Das Windrad wird vom Wind bewegt. Der Motor von der Verbrennung des Treibstoffes, der Stein durch die Erdanziehungskraft. – Das Leben auf der anderen Seite hat eben jene andere Art der Aktivität, deren Ursache im Inneren des Lebewesens selbst zu finden ist. Es ist eine immanente Aktivität. Sie stammt aus dem Innern.
Die Stufenleiter des Lebens
Das Leben findet sich nun, wie wir schon sagten, in den verschiedensten Abstufungen in den unterschiedlichen Lebewesen vor. Dabei fällt eine Gesetzmäßigkeit auf. Dieses Gesetz lautet – behalten Sie das bitte gut im Gedächtnis: Je höher die immanente Aktivität, desto höher das Leben. Mit anderen Worten: Je mehr Aktivität im Inneren eines lebendigen Wesens ist, umso vollkommener ist es. – Die ganze Schöpfung können wir als eine Pyramide darstellen. Unten an der Basis der Pyramide stehen die unbelebten stofflichen Dinge. Wasser, Erde, Steine, Metalle. Wenn wir die Pyramide nach oben gehen, so finden wir darüber die Pflanzen, darüber die Tiere, darüber den Menschen, die Engel und ganz an der Spitze über der ganzen Schöpfung thront der einzig Unerschaffene – Gott selbst.
Der Marmor verfügt über keinerlei immanente Aktivität. Auch wenn man zu der meisterhaften Moses-Statue Michelangelos am liebsten sagen wollte: „Steh auf!“ „Sprich zu uns!“ weil sie so aussagekräftig und so lebendig aussieht. Aber in ihr findet sich keine innerliche Bewegung, kein Leben. – Anders bei einer Pflanze. In ihr findet sich innerliche Aktivität. Ihre Wurzeln graben sich ins Erdreich, und sie zieht daraus alle für sie lebensnotwendigen Elemente. Das tut sie ganz aus sich selbst heraus. – Wenn wir auf das Tier blicken, so ist ganz klar daß sich in ihm ein höheres Leben findet. Die Pflanzen haben die Fähigkeit zu wachsen und sich zu vermehren, indem sie Samen ansetzt. Aber das Tier hat zwei innerliche Kräfte, die der Pflanze fehlen; nämlich die Fähigkeit der Ortsbewegung und die der sinnlichen Wahrnehmung – zu sehen, zu riechen, zu fühlen, zu betasten. Die Pflanze kann nicht beschließen, im Winter von Deutschland in den warmen Sünden zu ziehen. Die Zugvögel sehr wohl. Das Tier kann sich vom Licht in den Schatten bewegen. Durch die Sinne nimmt das Tier die äußerliche Welt wahr, und trägt sie gewissermaßen in sich selbst. Das Tier besitzt in gewisser Hinsicht eine innere Welt. Was es durch die Sinne wahrnimmt, trägt es immanent in sich. Deshalb erkennt der Hund die Stimme von Herrchen und Frauchen wieder.
Denken und Wollen
Wenn wir nun den Menschen betrachten: findet sich bei ihm nicht eine noch höhere Aktivität? Natürlich! Denken und Wollen! Der Mensch hat sowohl die vegetativen Kräfte der Pflanze als auch die sensitiven Fähigkeiten der Tiere. Aber er hat darüber hinaus etwas, das Pflanzen und Tiere nicht haben: Erkenntnis und Liebe. – Der Mensch kann denken. Er macht sich Gedanken, d.h. bildet sich geistige Begriffe wie Glaube, Gerechtigkeit, Hoffnung, Beziehung, Tugend. Woher kommen diese Gedanken? Nicht von der äußerlich wahrnehmbaren Welt. Niemand hat Glaube und Gerechtigkeit schon einmal miteinander spazierengehen sehen. Keiner hat gesehen, wie die Tugend ein Eis verspeist hätte. Auch die Hoffnung wurde noch nicht gesehen, wie sie einen Berg besteigt. Woher haben wir diese Gedanken, diese Ideen? Unser Geist hat sie gezeugt. Unser Geist hat sie hervorgebracht. – Es gibt nicht nur die physische Zeugung, durch welche das Tier durch das Zusammenwirken der Geschlechter seinesgleichen und auch der Mensch durch das Zusammenwirken von Mann und Frau seinesgleichen hervorbringt. Nein, es gibt auch eine geistige Zeugung. Es ist die Fähigkeiten Ideen, Begriffe, Worte hervorzubringen. – Wenn wir eine Idee haben, wenn also unser Geist etwas hervorbringt, dann wird daraus nichts Eigenständiges daraus, wie etwa der Apfel, der am Ast des Baumes wächst und schließlich in die Wiese fällt, weiterhin für sich bestehen bleibt; oder das Kätzchen, nachdem es geboren ist, für sich existiert. Die Frucht unseres Geistes bleibt im Innern unseres Geistes. Die Idee, der Gedanke ist unterschieden von unserem Geist, aber ist doch nie getrennt von ihm. Wenn wir uns an einen Gedanken erinnern wollen, so suchen wir in unserem Geist, in unserem Gedächtnis. Wir suchen ihn aber nicht irgendwo außerhalb von uns.
Fehlt noch der Wille. Wir haben einen Willen und können uns frei entscheiden. Wir können lieben. Dank unseres freien Willens können wir dasjenige oder denjenigen lieben, den wir wollen. – Ja, wir können sogar lieben, woran wir gerade denken! Wir können die Wahrheit lieben. Wir können die Wahrheit lieben, die wir in unserem Geist erkannt haben. Um zu lieben, brauchen wir nicht unbedingt etwas, das außerhalb von uns existiert. Das ist das Großartige an unserem Willen. Wie unsere Gedanken, so kann auch unsere Liebe immanent, also innerlich sein. – Wir haben nicht genug Zeit, um darauf einzugehen, wie die Engel denken. Aber lassen Sie uns auf Gott schauen.
Zeugung und Hauchung
Gott ist das vollkommene Leben. Er hat nicht nur Leben. Er ist das Leben. Unser Herr sagt von sich: „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben“ (Joh. 14, 6). „Ich bin die Auferstehung und das Leben“ (Joh. 11, 25). Gott ist das vollkommene Leben und damit die vollkommene immanente Aktivität. Wohlgemerkt: die vollkommene immanente Aktivität. Gott ist ein reiner Geist. Er ist der unendlich vollkommene reine Geist. Das bedeutet, daß Sein vollkommenes Leben einerseits das der Geschöpfe unendlich übersteigt, aber dennoch eine Ähnlichkeit damit hat. Der Mensch ist nach dem Ebenbild Gottes erschaffen. Das erlaubt uns, die geistige Lebendigkeit, die wir an uns selbst wahrnehmen – nämlich zu denken und zu lieben – auch bei Gott anzunehmen. Gott denkt und Gott liebt. – Nun was denkt Gott? – Einen Gedanken. Ein Wort. Dieser eine Gedanke Gottes ist unterschieden von Ihm, aber nicht getrennt von Ihm, so wie einer unserer Gedanken nicht von unserem Geist getrennt ist, obwohl er davon unterschieden ist. Jeder von uns macht sich viele Gedanken – hoffentlich. Doch in Gott gibt es nur einen einzigen Gedanken. Und in diesem einen Gedanken ist alles enthalten, was Gott von Sich selbst erkennt. Um diese allumfassende Erkenntnis Seiner selbst, der in diesem einen Gedanken enthalten ist, auszudrücken, braucht Gott nicht zahlreiche Wörter und Sätze, sondern lediglich ein einziges Wort. Und dieses eine Wort ist das identische Abbild, der vollkommene Abglanz Seines göttlichen Wesens, der einen und einzigen göttlichen Natur. – Deshalb heißt es zu Beginn des Johannesevangeliums: „Im Anfang war das Wort. Und das Wort war bei Gott. Und Gott war das Wort. – Und das Wort ist Fleisch geworden“ (Joh. 1). – Es ist klar, wer das Wort ist, das Fleisch geworden ist: der Sohn Gottes. Die zweite Person der Dreifaltigkeit. Der Gedanke Gottes. – Warum nennen wir Ihn Sohn? Weil Er der Gedanke Gottes ist, der auf geistige Weise gezeugt ist aus Seiner göttlichen Substanz. So wie wir anhand unseres geistigen Lebens gesehen haben, daß Geist Gedanken erzeugen, so zeugt Gott, dessen Leben unendlich höher und vollkommener ist als unseres, ein einziges ewiges Wort. – Wie aber nennen wir in unserer menschlichen Ordnung den Ursprung, das Prinzip einer Zeugung. Wir bezeichnen es als „Vater“. Und was bringt die Zeugung hervor? Den Sohn. – Warum sollten wir also nicht sagen statt „Gott, der Denkende“ – Gott-Vater? Und statt „Gott, der Gedachte“ bzw. „der Gedanke, das Wort Gottes“ – „Gott-Sohn“? Gott selbst hat so gesprochen, wie wir im 2. Psalm lesen: „Mein Sohn bist du. Heute habe ich dich gezeugt“ (Ps. 2, 7). Und dieser ewige Sohn Gottes wurde in der Zeit aus der Jungfrau Maria Mensch. „Und das Wort ist Fleisch geworden.“ Der Menschensohn Jesus Christus.
Schließlich noch eine letzte Analogie. Wir haben noch nichts von der dritten göttlichen Person gesagt. Gehen wir wieder von uns aus. Wir sagten, daß wir denken, aber auch lieben. Liebe ist eine Beziehung. Sie ist eine Bewegung, eine Anziehung dessen, was man liebt, um sich damit zu vereinigen. Die Liebe ist dabei nicht etwas in mir. Auch ist die Liebe nicht in dem Geliebten. Die Liebe ist etwas Drittes. Sie ist ein geheimnisvolles Band, das den Liebenden und den Geliebten verbindet und vereinigt. – Denken wir nochmal kurz zurück, an das, was wir vorhin sagten. Die Liebe ist verschieden vom Gedanken. Sie geht sowohl vom Denkenden aus, als auch vom Gedanken. – Gott liebt.
Gott liebt seine Vollkommenheit. Jedes Seiende liebt in gewisser Hinsicht seine Vollkommenheit. Die Vollkommenheit des Auges ist das Sehen der Farben. Es liebt das Licht. Die Vollkommenheit des Ohres ist das Hören der Harmonie. Es liebt den harmonischen Klang. Die Vollkommenheit des Magens ist das Essen. Er liebt das Essen, die Sättigung. – Die Vollkommenheit von Gott-Vater ist der Sohn. Und die Vollkommenheit von Gott-Sohn ist der Vater. Die Vollkommenheit von „Gott dem Denkenden“ ist der Gedanke, „das Wort Gottes“. Der Vater liebt den Sohn. Die Liebe ist nicht etwas, das sich allein im Vater findet. Auch ist die Liebe nicht etwas, das sich allein im Sohn findet. Die Liebe ist ein geheimnisvolles Band, das zwei vereint. Und weil es bei der göttlichen Liebe nicht mit einer endlichen Liebe zu tun haben, die sich in Gedichten, Hymnen und Lobgesängen erschöpfend ausdrücken könnte, deshalb kann sie sich nur in einer solchen Fülle ausdrücken, die alles Geschaffene unendlich übersteigt, nämlich – der tiefe Seufzer. Jede tiefe Liebe findet keine Worte für das, was sie ausdrücken will. Das Band, welches Vater und Sohn vereint, ist der Hauch der Liebe – der Heilige Geist. Wir können dieses gewaltige Geheimnis nicht vollständig ergründen, wie drei Personen in der einen Gott sein können. Aber wir können sagen: In dem einen Gott findet sich Leben, Wahrheit und Liebe. Und zwar in alles übersteigender Form. Der Vater ist das Leben. Die Wahrheit ist der Sohn. Und die Liebe ist der Heilige Geist.
Anbetung
Ja, was für ein Geheimnis! Alles menschliche Reden und Erklären bleibt letztlich nur unbeholfenes Gestammel. Viel besser und heilsamer ist es deshalb, in die Knie zu gehen und anzubeten. Gerade wenn Jesus in der hl. Kommunion in wenigen Augenblicken zu uns kommt. Denken wir, wenn uns der Priester die Hostie zeigt, um uns damit zu segnen, ehe er sie uns auf die Zunge legt: „Wer mich sieht, der sieht den Vater“, und man darf hinzufügen: und den Heiligen Geist. „Wir werden zu ihm kommen und Wohnung bei ihm nehmen.“
Ja beten wir den Dreifaltigen Gott an, wenn er in unserem Herzen wohnt, etwa mit den herrlichen Worten der hl. Elisabeth von der Dreifaltigkeit: „O mein Gott, Dreifaltigeiner, den ich anbete, hilf mir, mich ganz zu vergessen, um ganz in Dir zu ruhen, regungslos und friedlich. O Ihr meine hochheiligen Drei, mein Alles und meine Glückseligkeit, unendliche Einsamkeit und Unermeßlichkeit, in der ich mich verliere. Euch liefere ich mich aus wie eine Beute, versenkt Euch in mich, damit auch ich mich in Euch versenke, bis ich einmal in Eurem Lichte die Abgründe Eurer Größe betrachten kann.“ Amen.